TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/6 2002/03/0118

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Veröffentlicht am 06.09.2005
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Index

L65000 Jagd Wild;
L65003 Jagd Wild Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;
89/08 Tierschutz Pflanzenschutz;

Norm

B-VG Art10 Abs1 Z12;
B-VG Art15 Abs1;
ChemG 1996 §35;
Erhaltung europäische wildlebende Pflanzen Tiere 1983;
JagdG NÖ 1974 §1 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §135 Abs2;
JagdG NÖ 1974 §64 Abs1;
JagdG NÖ 1974 §92a;
JagdRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Samm als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des AS in N, vertreten durch Mag. Dr. Rudolf Gürtler, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Seilergasse 3, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 26. Februar 2002, Zl Senat-MI-01-0020, betreffend Übertretung des Niederösterreichischen Jagdgesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Mistelbach vom 12. April 2001 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "bis zum 17. April 2000" im Gemeindegebiet N, "Ried K, Jagdrevier," eine offensichtlich mit Rattengift ("Storm") befüllte Holzkiste ausgelegt, die eine ca. 50 x 50 mm große Öffnung aufgewiesen habe, obwohl im Jagdbetrieb die Verwendung von Gift grundsätzlich verboten sei. Hiedurch habe er § 92a iVm § 135 Abs 2 NÖ Jagdgesetz übertreten. Es wurde über ihn eine Geldstrafe von S 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage) verhängt.

Die vom Beschwerdeführer verwendete Substanz "Storm" sei als Gift im Sinne des § 92a NÖ Jagdgesetz, das die Verwendung von Gift im Jagdbetrieb verbiete, anzusehen, weil sich diese Bestimmung nicht auf Gift im Sinne der Chemikalienverordnung, sondern auf jegliche Art von Stoffen mit giftiger Wirkung beziehe. Zum Begriff Gift wurde auf Meyers "Großes Lexikon" verwiesen, wonach es sich dabei um "in der Natur vorkommende oder künstlich hergestellte organische oder anorganische Stoffe, die nach Eindringen in den menschlichen oder tierischen Organismus zu einer spezifischen Erkrankung (Vergiftung) mit vorübergehender Funktionsstörung, bleibendem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen", handle. Dass das vom Beschwerdeführer verwendete Präparat (Rattengift "Storm") giftige Wirkung auf tierische Organismen, und zwar nicht bloß auf sogenannte "Schädlinge", ausübe, sei unbestreitbar und darüber hinaus durch die Herstellerhinweise auf dem Sicherheitsdatenblatt des Produktes belegt, wonach das Präparat attraktiv für Säugetiere und daher für Haustiere und Wild gefährlich sei. Im Jagdbetrieb sei das Präparat verwendet worden, weil die Auslegung des Rattengiftes in unmittelbarer Nähe des jagdlich angelegten Fütterungsplatzes erfolgt sei und eine Aufnahme von Rattengift insbesondere durch marderartige Tiere, also nicht ausschließlich durch "Schädlinge", zu erwarten sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet gegen den angefochtenen Bescheid zunächst ein, das von ihm verwendete Präparat - Rattengift "Storm" - sei kein Gift im Sinne des § 92a NÖ Jagdgesetz. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

§ 92a des NÖ Jagdgesetzes 1974, LGBl 6500-14 (NÖ JG), lautet:

"§ 92a

Verbot von Giften

Die Verwendung von Gift im Jagdbetrieb ist verboten."

Der Motivenbericht zur Änderung des NÖ Jagdgesetzes durch die Novelle LGBl 6500-8, mit der (unter anderem) § 92a in das Gesetz eingefügt wurde, lautet (auszugsweise):

"Von Tierschutzvereinen wurden immer wieder Beschwerden gegen die Verwendung von Gift im Jagdbetrieb geführt. Die Verwendung von Gift im Jagdbetrieb soll verboten sein. Damit wird auch den Bestimmungen der Berner Konvention bezüglich der Verwendung von Gift Rechnung getragen."

Weder das NÖ Jagdgesetz noch das Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume ("Berner Konvention"), BGBl Nr 372/1983, enthält eine Definition des Begriffes "Gift". Dieser Begriff ist daher nach den allgemeinen Auslegungsregeln zu verstehen. Wenn - wie im vorliegenden Fall - nicht der Zusammenhang mit anderen Rechtsvorschriften bzw systematische oder teleologische Überlegungen etwas anderes erfordern, ist dabei zunächst von der Bedeutung dieses Begriffes im allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Zu deren Ermittlung durfte die Behörde auf ein Lexikon zurückgreifen. Gegen das auf diese Weise erzielte Ermittlungsergebnis bestehen keine Bedenken.

Wenn die belangte Behörde davon ausging, dass das vom Beschwerdeführer eingesetzte Präparat die beschriebene Wirkung auf tierische Organismen - vorübergehende Funktionsstörung, bleibender Gesundheitsschaden, Tod - hatte, also "giftig" war, kann dem nicht entgegengetreten werden: Das "Sicherheitsdatenblatt" für das eingesetzte Präparat (Aktenseite 30) hat (auszugsweise) folgenden Inhalt:

"Handelsname des Produktes: STORM

1.1 Chemische Charakterisierung:

Zubereitung (rodentizider Fertigköder) mit

0.005 % Flocoumafen

2.11 Gefährliche Zersetzungsprodukte: Bei Bränden entstehen gesundheitsschädliche Gase. Unverbranntes Flocoumafen ist im Rauch enthalten.

5.1 Technische Schutzmaßnahmen:

Darf nicht in die Hände von Kindern gelangen (S2). Von Nahrungsmitteln, Getränken und Futtermitteln fernhalten (S13).

5.2 Persönliche Schutzausrüstung

Atemschutz Augenschutz

5.3 Arbeitshygiene:

Bei Arbeit nicht essen, trinken, rauchen (S20/21). Berührung mit der Haut vermeiden (S24).

5.5 Entsorgung: Überwachungsbedürftiger Sonderabfall

6.3 Erste Hilfe

Bei Berührung mit der Haut sofort abwaschen mit viel Wasser und Seife (S28). Bei Verschlucken sofort ärztliche Hilfe einholen und Verpackung oder Etikett vorzeigen (S46). Vergiftungssymptome:

Blutungen; Flocoumafen ist ein Blutgerinnungshemmer. Auf Grund der geringen oralen Toxizität ist eine Vergiftung beim Menschen äußerst gering, wenn nicht große Mengen an Köderblöcken verschluckt werden.

Angaben zur Ökologie:

Nicht in die Kanalisation gelangen lassen. Blöcke und deren Reste sind attraktiv für Säugetiere und daher für Haustiere und Wild gefährlich."

Davon ausgehend ist die giftige Wirkung des Präparats "Storm" nicht zu bezweifeln.

Ob demgegenüber das eingesetzte Präparat ein Gift im Sinne des § 35 des Chemikaliengesetzes 1996, BGBl I Nr 53/1997, (ChemG 1996) darstellt, ist unerheblich, schließt dieses Gesetz doch andere Regelungen im Landeskompetenzbereich nicht aus.

Im Übrigen wendet der Beschwerdeführer ein, die Verwendung des Präparats sei nicht "im Jagdbetrieb" erfolgt. Es sei nämlich zwischen dem Jagdbetrieb zur Erlegung jagdbarer Tiere und der Schädlingsbekämpfung zu unterscheiden. Auch der "Jagdbetrieb" sei im Niederösterreichischen Jagdgesetz nicht definiert, doch könne er sich nur auf "die Betriebsmittel und das jagdbare Wild einschließlich Raubzeug" beziehen. Auch dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Gemäß § 2 Abs 1 NÖ JG ist mit dem Jagdrecht die Berechtigung und Verpflichtung verbunden, das Wild unter Rücksichtnahme auf die Interessen der Land- und Forstwirtschaft zu hegen, damit ein artenreicher und gesunder Wildstand sich entwickeln kann und erhalten bleibt.

Gemäß § 64 Abs 1 NÖ JG umfasst der Jagdschutz die Abwehr von Verletzungen der zum Schutz des Wildes und der Jagd erlassenen Bestimmungen des Niederösterreichischen Jagdgesetzes, der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Vorschriften und behördlichen Anordnungen sowie der einschlägigen sonstigen, insbesondere strafrechtlichen Vorschriften. Er umfasst auch das Recht und die Pflicht zur Betreuung des Wildes und Hintanhaltung seiner Schädigung durch Wilddiebe und Raubzeug. Unter Raubzeug sind sonstige dem gehegten Wild schädliche Tiere, insbesondere revierende (wildernde) Hunde und umherstreifende Katzen zu verstehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits im Erkenntnis vom 26. Jänner 2000, Zl 99/03/0233, ausgesprochen, dass die Erlegung von Raubzeug unter die Ausübung des Jagdschutzes fällt. Zum "Jagdbetrieb" nach § 92a NÖ JG zählt nicht nur die Ausübung der Jagd im engeren Sinn entsprechend § 1 Abs 1 NÖ JG, sondern auch der Jagdschutz durch Kurzhaltung von Raubzeug. Zum Raubzeug zählt auch die Wanderratte (vgl. Jagdlexikon, BLV Verlagsgesellschaft 1983, 484). Das Auslegen von Gift in einer Holzkiste im unmittelbaren Nahebereich einer Futterstelle "zur Bekämpfung von Wanderratten", wie der Beschwerdeführer in seinem Einspruch gegen die Strafverfügung vom 11. Mai 2000 hervorhob, unterliegt also dem Verbotstatbestand nach § 92a NÖ JG.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl II Nr 333/2003. Wien, am 6. September 2005

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7 Übertretungen und Strafen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2002030118.X00

Im RIS seit

05.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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