TE OGH 1987/3/24 10Os31/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Müller, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Schopper als Schriftführer in der Strafsache gegen Erwin S*** wegen des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 15.Jänner 1987, GZ 8 Vr 4243/85-19, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im Freispruch unberührt bleibt, im Schuldspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen Teilfreispruch enthaltenden) angefochtenen Urteil wurde Erwin S*** des Vergehens der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er sich im Oktober 1984 in Köflach ein ihm anvertrautes Gut, und zwar eine ihm von der Firma AVE-Möbel unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Schlafzimmer-Garnitur im Wert von

18.612 S, durch deren Weiterverkauf vor Bezahlung des Kaufpreises mit dem Vorsatz zugeeignet, sich durch die Nichtbezahlung des (letztlich verbliebenen) Kaufpreisrestes im Betrag von 16.000 S unrechtmäßig zu bereichern.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen diesen Schuldspruch kommt Berechtigung zu.

Nicht zielführend ist allerdings die Rechtsrüge (Z 9 lit. a). Ihr zufolge vertritt der Beschwerdeführer mit Bezug auf jene Feststellungen, wonach er zur Zeit der Übergabe der tatgegenständlichen Möbel an ihn (gleichwie auch schon bei deren Bestellung) bereits längst im Konkurs gewesen war und wonach der Lieferant das gewußt hatte (US 3, 4), zunächst die Auffassung, deswegen sei aus rechtlichen Gründen "ein Anvertrauen" im Sinn des § 133 StGB nicht möglich gewesen; die Lieferfirma habe vielmehr wissen müssen, daß eine Bezahlung des Erlöses (gemeint: aus einem Weiterverkauf) "rechtlich niemals durch den Gemeinschuldner an sie erfolgen könne", daß "ein derartiges Rechtsgeschäft" (gemeint: der Möbelverkauf an ihn) erst durch den Masseverwalter genehmigt werden müsse und daß es davon abhänge, ob sie für die in Rede stehende Möbelgarnitur jemals eine Gegenleistung erhalten werde. Mit diesen Einwänden ist er nicht im Recht.

Wohl stellt er nach dem Inhalt der Entscheidungsgründe richtigerweise darauf ab, daß ihm das Erstgericht (ungeachtet der dahingehenden Formulierung des Urteilstenors) in Wahrheit nicht (schon) den Weiterverkauf der Möbel als Zueignung anvertrauten Gutes (irrig: an "sich"; gemeint: an den Wiederkäufer) anlastete (US 1 vso), sondern vielmehr (erst) die Nichtabfuhr des Erlöses aus deren Weiterverkauf (US 3 vso, 4, 4 vso), indem es - unter stillschweigender Außerachtlassung dagegen sprechender Verfahrensergebnisse (vgl. S 53, 34) - davon ausging, daß ihm die Wiederveräußerung an sich gestattet war (vgl. S 49 f.); die Beschwerdeargumente gegen die Ansicht, daß ihm auch dieser Erlös gemäß § 133 StGB vom Lieferanten "anvertraut" war, gehen jedoch fehl. Zwar ist ein bei der Lieferung von Waren zum Zweck des Weiterverkaufs vereinbarter Eigentumsvorbehalt zugunsten des Verkäufers an den betreffenden Sachen gewiß nur bis zu deren Wiederveräußerung wirksam, durch die allein der Käufer dementsprechend die ihm (jenem gegenüber) obliegende Verwendungspflicht nicht verletzt, sodaß er (mangels einer bestimmungswidrigen Zueignung anvertrauten Gutes) dadurch den Tatbestand der in Rede stehenden Strafbestimmung nicht verwirklicht (vgl. Bertel im WK Rz. 19, Leukauf-Steininger StGB 2 RN 7 d, jeweils zu § 133).

Desgleichen erstreckt sich der Effekt eines solchen Eigentumsvorbehalts durchaus nicht ohne weiteres, sondern lediglich im Fall einer eindeutigen Kommissions- oder kommissionsähnlichen Abrede, derzufolge die betreffenden Waren vom Käufer für Rechnung des Verkäufers weiterveräußert oder doch immerhin unter Verknüpfung des Zahlungszieles mit dem unbestimmten Zeitpunkt des geplanten Weiterverkaufs übernommen werden, auch auf den bei diesem Weiterverkauf erzielten Erlös (vgl. Bertel aaO Rz. 20 bis 22, Leukauf-Steininger aaO RN 7 f; Kienapfel BT II RN 45); nur im Fall einer derartigen Vereinbarung ist demnach dem Käufer einer ihm unter Eigentumsvorbehalt gelieferten, zur Weiterveräußerung bestimmten Ware auch der bei deren Wiederverkauf erzielte Erlös im Sinn des § 133 StGB "anvertraut".

Eben das aber nahm das Schöffengericht im vorliegenden Fall sinngemäß als erwiesen an, indem es (wiewohl nicht mit juristisch exakter Formulierung) feststellte, der Angeklagte habe auf Grund der Vereinbarung vom 25.Juni und 4.Juli 1984 (vgl. S 11, 13, 49 f.) beim Weiterverkauf der Möbel "nicht als Verkäufer seiner eigenen Firma fungiert, sondern als Verkäufer der Fa. A***, und er habe sich mit jener Abmachung verpflichtet, den Erlös aus der Weiterveräußerung an den Lieferanten abzuführen (US 3 vso, 4).

An diesem Ergebnis ändert sich entgegen der Beschwerdeauffassung auch dadurch nichts, daß sein Vermögen zur Zeit beider Kaufgeschäfte dem Konkurs unterlag.

Denn nach § 3 Abs. 1 KO sind die Konkursmasse betreffende Rechtshandlungen des Gemeinschuldners, die er nach der Konkurseröffnung vornimmt, nur den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam, nicht jedoch im Verhältnis zwischen ihm und seinem jeweiligen Vertragspartner. Dementsprechend ist er auch unbeschadet der aus dieser Schutzbestimmung resultierenden Gläubiger-Rechte (und nach Maßgabe der §§ 156, 158 StGB) jenem gegenüber sehr wohl zur Erfüllung seiner Verpflichtungen aus derartigen (bloß relativ unwirksamen) Rechtshandlungen verhalten (vgl. für ähnliche Fallkonstellationen Bertel aaO Rz. 7 sowie Kienapfel aaO RN 39), und korrespondierend dazu steht in solchen Fällen dem Lieferanten des Gemeinschuldners, sofern die Gläubiger ihre Rechte nach § 3 KO nicht wahrnehmen, als Vorbehaltseigentümer ein Aussonderungsrecht an der Ware (§ 44 Abs. 1 KO) sowie als Kommittent (oder Quasi-Kommittent) nach deren Veräußerung während des Konkurses ein "Ersatz"-Aussonderungsanspruch auf das Entgelt (§ 44 Abs. 2 KO) zu; wird jedoch von den Gläubigern die Unwirksamkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes ihnen gegenüber geltend gemacht, dann ist ihm jedenfalls seine (Gegen-) Leistung zurückzustellen, soweit sich die Masse durch sie bereichern würde (§ 3 Abs. 1 zweiter Satz KO). Von einem Rechtsirrtum bei der Annahme, daß auch ohne Genehmigung durch den Masseverwalter einem Gemeinschuldner Waren oder Erlöse nach § 133 StGB wirksam anvertraut werden können, kann dementsprechend - anders als dann, wenn durch die betreffende Vereinbarung das zu schützende Recht, welches mit ihr erst geschaffen werden soll, gar nicht entsteht, wie etwa wegen eines Verstoßes gegen das Faustpfandprinzip (§ 451 ABGB) kein (Sicherungs-) Eigentum oder kein Pfandrecht (vgl. Bertel aaO Rz. 10, Kienapfel aaO RN 40) - ebensowenig gesprochen werden wie davon, daß es diesfalls dem Schuldner aus rechtlichen Gründen generell unmöglich wäre, seine daraus resultierenden Pflichten gegenüber demjenigen zu erfüllen, der ihm dieses Gut anvertraut. Wohl aber kann im Einzelfall die Ausübung der Gläubigerrechte nach § 3 Abs. 1 KO dazu führen, daß der Gemeinschuldner nicht in der Lage ist, ein ihm anvertrautes Gut bestimmungsgemäß zu verwenden; darauf ist dementsprechend bei der Prüfung der Frage zu achten, ob er letzteres vorsätzlich und mit Bereicherungstendenz sich oder einem Dritten zugeeignet (oder zuzueignen versucht) hat. Dazu läßt jedoch die weitere Rechtsrüge des Beschwerdeführers eine gesetzmäßige Ausführung vermissen, weil sie auf die urteilsfremde Annahme abgestellt ist, er habe den Erlös aus dem Weiterverkauf der Möbel an den Masseverwalter übergeben und lediglich eine Widmung dieses Betrages zur Bezahlung der Lieferanten-Rechnung verabsäumt, so daß diese Einwände den Voraussetzungen einer prozeßordnungsgemäßen Darstellung materiellrechtlicher Nichtigkeitsgründe, die nur durch einen Vergleich des im Urteil als erwiesen angenommenen Sachverhalts mit dem darauf angewendeten Gesetz dargetan werden können, nicht entsprechen.

Mit Recht hingegen reklamiert der Angeklagte eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5) in Ansehung eben jener Feststellung, wonach er den in Rede stehenden Erlös entgegen seiner Verantwortung nicht an den Masseverwalter Dr. S*** übergeben habe (US 3 vso/4).

Denn dabei hat das Erstgericht, welches sich insoweit auf die Darstellung dieses Zeugen stützte, in der Tat dessen Aussage vor dem Untersuchungsrichter, wonach ihm der Beschwerdeführer am 19. Dezember 1984 doch immerhin einen "Pauschal"-Betrag in der Höhe von 40.000 S übergeben habe (S 25), und derzufolge nicht ausgeschlossen werden kann, daß sich dabei (objektiv) auch der tatgegenständliche Möbelerlös befand, mit Stillschweigen übergangen; diese Außerachtlassung fällt umso mehr ins Gewicht, als der Masseverwalter in der Hauptverhandlung jenen Zeitraum, innerhalb dessen bei ihm vom Angeklagten - "auf jeden Fall" - kein Geld eingelangt sei, mit der Umschreibung "im letzten Jahr", also mit einem erst im Juli 1985 gelegenen Beginn, eingrenzte (S 52). Eine Erörterung der solcherart übergangenen Bekundungen war, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, nicht etwa deswegen entbehrlich, weil ihr der Zeuge hinzugefügt hatte, bei der Bezahlung des genannten Pauschalbetrages durch den Angeklagten an ihn sei jedenfalls nicht davon die Rede gewesen, daß mit diesem Geld die hier interessierende Lieferanten-Rechnung beglichen werden solle; hätte es doch im damit relevierten Zusammenhang zur Widerlegung der dahin gegangenen Verantwortung des Beschwerdeführers durchaus auch einer Würdigung jener (sehr zurückhaltenden) Aussage des Zeugen Dr. S*** in der Hauptverhandlung bedurft, mit der er lediglich bekundete, er habe diese Rechnung nie "bewußt" gesehen und er habe sie erst im Februar 1985 telefonisch "zur Kenntnis genommen". Zur Vermeidung von Mißverständnissen ist außerdem klarzustellen, daß nach Lage des Falles durch die Nichtverlesung der übergangenen Zeugenaussage in der Hauptverhandlung die Berechtigung der Mängelrüge deshalb nicht in Frage gestellt wird, weil sich das Schöffengericht bei der Urteilsfällung undifferenziert auf "die" - also auf sämtliche - Angaben des Masseverwalters gestützt hat (US 3 vso) und im übrigen auch dessen in der Hauptverhandlung am 3. Juli 1986 abgelegte Aussage (S 52) in der neu durchgeführten Verhandlung am 15.Jänner 1987 (ON 18) nicht verlesen wurde, so daß die darauf gegründeten, für ihn nachteiligen Feststellungen überhaupt einer tragfähigen Grundlage entbehren (§ 258 Abs. 1 StPO):

der Umstand, daß dieser (noch weitergehende) Begründungsmangel (Z 5) mit der Beschwerde nicht gerügt wird, kann nicht dazu führen, daß dem Angeklagten die ansonsten berechtigte Geltendmachung einer Unvollständigkeit in Ansehung eines Teiles jener Aussage, die insgesamt zu Unrecht gegen ihn verwertet wurde, zu verwehren wäre. Der aufgezeigte Mangel betrifft deshalb einen Ausspruch über entscheidende Tatsachen im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes, weil ein Geschehensablauf, bei dem der Beschwerdeführer, seiner Verantwortung entsprechend, tatsächlich den Erlös aus dem Weiterverkauf der ihm anvertraut gewesenen Möbel dem Masseverwalter zur Bezahlung der Lieferanten-Rechnung übergeben hätte, der Annahme entgegenstünde, er habe diesen Erlös sich oder der Masse zugeeignet, und weil selbst dann, wenn eine derartige Widmung unterblieben sein sollte, doch immerhin mit Bezug auf die subjektive Tatseite des § 133 StGB bei der Feststellung eines Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz seinerseits (zugunsten der Konkursmasse) eine Erörterung der Gründe für jene Unterlassung unerläßlich wäre. Gleiches in Ansehung des tatbestandsmäßigen Bereicherungsvorsatzes gälte im übrigen auch für den Fall, daß dem Angeklagten schon eine Weiterveräußerung der Möbelgarnitur überhaupt verboten gewesen wäre.

Eine Verfahrenserneuerung in erster Instanz ist dementsprechend nicht zu umgehen, so daß nach Anhörung der Generalprokuratur in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO).

Anmerkung

E10440

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00031.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0100OS00031_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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