TE OGH 1987/3/24 2Ob548/87

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Veröffentlicht am 24.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Vormundschaftssache der am 29. August 1983 geborenen mj. Alexandra D***, 3100 St. Pölten, Kremser Landstraße 57, vertreten durch den Magistrat der Stadt St. Pölten als Unterhaltssachwalter, infolge Revisionsrekurses des Vaters Christian R***, derzeit ohne Beschäftigung, 3130 Herzogenburg, Hainerstraße 19 c/11, gegen den Beschluß des Landesgerichtes St. Pölten als Rekursgerichtes vom 19. November 1986, GZ R 670/86-91, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 21. Oktober 1986, GZ 1 P 231/84-87, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 10. August 1984 wurde Christian R*** als unehelicher Vater der mj. Alexandra D*** festgestellt und zugleich zu monatlichen Unterhaltsbeiträgen von S 1.330,-- für dieses Kind verpflichtet. Einem inzwischen gestellten Herabsetzungsantrag des Vaters wurde nicht Folge gegeben.

Am 5. Juni 1986 stellte der Magistrat der Stadt St. Pölten als Unterhaltssachwalter den Antrag, die Unterhaltsbeiträge ab 1.8.1986 auf S 1.900,-- monatlich zu erhöhen. Der Unterhaltssachwalter begründete seinen Antrag auf Erhöhung des monatlichen Unterhaltsbetrages von S 1.330,-- auf S 1.900,-- ab 1.8.1986 damit, daß die Minderjährige als Kleinkind die üblichen Lebenshaltungskosten für Kleinkinder habe, der Vater durch seine Beschäftigung bei der Firma B*** in Michelhausen ein monatliches Nettoeinkommen von S 12.932,70 ca. erziele, und dieser unter Berücksichtigung seiner weiteren Sorgepflicht für seine Tochter Stefanie M***, die sich im Säuglingsalter befinde, 15 % seines Einkommens aufbringen müsse, das seien S 1.940,--. Helga E***, die Mutter Alexandras, beziehe Sondernotstandsunterstützung von täglich S 130,-- und betreue das Kind in ihrem Haushalt.

Der Vater erklärte, aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage zu sein, einen höheren Unterhaltsbetrag zu leisten. Seine Beschäftigung habe er wegen einer Allergie (Hautausschlag) am 30.6. dieses Jahres aufgeben müssen. Möglicherweise könne er im September im hiesigen Bahnhofsrestaurant zu arbeiten beginnen. Da er ein Monat ohnehin kein Arbeitslosengeld erhalte, habe er sich nicht als arbeitslos gemeldet.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrages für die minderjährige Alexandra D*** von insgesamt S 1.900,-- ab 1.8.1986, wobei es im wesentlichen von folgenden Feststellungen ausging:

Christian R*** hat den Beruf eines Kellners erlernt. Er hat die Fremdenverkehrsfachschule in St. Pölten mit einer Abschlußprüfung beendet und war zunächst auch als Kellner in verschiedenen Gaststätten tätig. Seit 1983 übt er diesen Beruf jedoch nicht mehr aus. Seit 28.9.1984 wurden ihm des öfteren Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung gewährt; letztmals am 6.4.1986 mit einem Tagessatz von S 129,40 und derzeit mit einem solchen von S 223,80. Seit 21.11.1982 war er von neun Arbeitgebern zur Sozialversicherung gemeldet. Im Jahre 1986 erzielte Christian R*** folgende Einkünfte: Bis 28.1. eine tägliche Notstandshilfe von S 129,40, das sind durchschnittlich in einem Monat S 3.882,--, bis 16.2. eine solche von täglich S 158,40, die in einem Monat S 4.752,-- ergab. In der Zeit vom 17.2. bis 15.3.1986 brachte ihm seine Arbeit als Abstapler und Verpacker in der Firma E***, Spanplattenwerk, St. Pölten-Unterradlberg, netto S 10.083,56, als Verdienst ein. In der Zeit vom 20.3. bis 6.4.1986 betrug die tägliche Notstandshilfe S 129,40. Als Isolierhelfer in der Firma B*** Ges.m.b.H. in Michelhausen wurde ihm ein Nettoeinkommen von S 36.164,04, das sind im Monatsdurchschnitt S 13.274,85, ausbezahlt. Das Arbeitslosengeld in der Zeit vom 27.7. - in der Zeit dazwischen arbeitete er bei B***, und zwar vom 7.4. bis 27.6.1986 - bis 18.10.1986 betrug täglich S 223,80 oder im Monatsdurchschnitt S 6.714,--. Einen Antrag auf Fortbezug des Arbeitslosengeldes kann er stellen. Christian R*** lebt bei seiner geschiedenen Gattin Marianne R*** und ihrem gemeinsamen Kind, der am 29.12.1985 geborenen Tochter Stefanie M***. Marianne R*** erhält ein Karenzurlaubsgeld von etwa S 6.300,-- monatlich.

Zur Rechtsfrage vertrat das Erstgericht die Auffassung, Christian R*** sei verpflichtet, eine Arbeit anzunehmen, um mit dem daraus erzielten Verdienst seine Unterhaltspflicht erfüllen zu können. Er habe aus seinem Verdienst den Durchschnittsbedarf des nicht bei ihm aufwachsenden Kindes, derzeit im Monat S 1.890,-- zu decken. Schließlich komme die Mutter des Kindes auch ihrer Unterhaltspflicht nach, indem sie Alexandra in dem von ihr geführten Haushalt betreue. Christian R*** habe mit dem nun festgesetzten Unterhaltsbetrag nicht mehr zu zahlen, als andere Väter bei gleichen Lebensverhältnissen zu zahlen hätten.

Infolge Rekurses des Vaters änderte das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes im Sinne der Festsetzung eines monatlichen Unterhaltsbetrages von insgesamt S 1.800,-- ab 1.8.1986 und Abweisung des Mehrbegehrens von S 100,-- monatlich ab. Das Rekursgericht führte aus, bei der Unterhaltsbemessung könne nicht von den Sozialleistungen, die unter einem durchschnittlichen Einkommen liegen, ausgegangen werden. Christian R*** sei vielmehr auf die Bestimmung des § 140 Abs. 1 ABGB und die dort verankerte Anspannungstheorie zu verweisen. Danach habe der Unterhaltspflichtige nach seinen Kräften zur Deckung der Bedürfnisse des unterhaltsberechtigten Kindes beizutragen. Der Unterhaltspflichtige habe seine Arbeitskraft so einzusetzen, daß er seinen Verpflichtungen nachkommen könne. Unterlasse er es, einem seiner Ausbildung sowie seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten entsprechenden Erwerb nachzugehen oder begnüge er sich mit einem niedrigeren Einkommen, als ihm nach den gegebenen Möglichkeiten zumutbar wäre, und werde dadurch der Unterhalt des Kindes beeinträchtigt, dann könne der Unterhalt des Kindes nach einem vom Unterhaltspflichtigen fiktiv erzielbaren Einkommen bemessen werden. Wenn es daher Christian R*** vorziehe, in Herzogenburg zu leben, obwohl er in anderen Teilen Österreichs saisonweise gute Chancen hätte, als Kellner unterzukommen, und auch nicht bereit sei, längerfristig in anderen Berufsspaten tätig zu sein, so könne dies nicht zum Nachteil seines unterhaltsberechtigten Kindes gehen. Würde er seine Sorgepflicht ernst nehmen, dürfte er sich nicht mit dem Bezug von Sozialleistungen zufrieden geben. Nach den im Akt liegenden Lohnauskünften habe Christian R*** bei der Fa. B*** Ges.m.b.H., wo er vom 7.4. bis 30.6.1986 beschäftigt war, etwa S 13.000,-- netto im Monatsdurchschnitt erhalten. Mit ungefähr diesem Einkommen wäre auch bei der Fa. Karl H*** Ges.m.b.H. zu rechnen gewesen, bei der er während seiner Arbeitszeit vom 4.11. bis 19.11.1985 S 6.639,36 netto erzielte. Die Fa. Fritz E*** G.m.b.H. habe an Christian R*** für den Beschäftigungszeitraum vom 17.2. bis 15.3.1986 etwa S 10.000,-- netto ausbezahlt. Daraus sei ersichtlich, daß Christian R*** etwa S 12.000,-- netto im Monat verdienen könnte, wenn er nur wollte. Nach der ständigen Rechtsprechung in Unterhaltssachen sei das Einkommen eines Unterhaltspflichtigen, der noch für ein anderes Kleinkind zu sorgen habe, für den Unterhalt eines Kindes im Alter bis zu sechs Jahren mit 15 % belastbar. Dies zeige, daß dem Christian R*** ein monatlicher Unterhaltsbeitrag für seine nun dreijährige uneheliche Tochter Alexandra D*** von S 1.800,-- monatlich durchaus zumutbar sei. Da es nicht realistisch erscheine, von Christian R*** für den Fall, daß er längerfristig ein Dienstverhältnis eingehe, ein wesentlich höheres Einkommen als S 12.000,-- netto im Monatsschnitt zu erwarten und er anderseits seit der letzten Unterhaltsbemessung durch eine weitere Sorgepflicht belastet wurde, sei das über S 1.800,-- monatlich hinausgehende Begehren des Unterhaltssachwalters abzuweisen gewesen.

Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der als "Einspruch/Beschwerde" bezeichnete Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag auf Aufhebung und neuerlicher Entscheidung unter Berücksichtigung des Rechtsmittelvorbringens.

Der Vater führt in seinem Rechtsmittel aus, das Gericht habe zwar festgestellt, daß er bei seiner geschiedenen Gattin Marianne sowie der gemeinsamen Tochter Stefanie M*** lebe, jedoch den Beschluß nicht ordnungsgemäß an die Anschrift Hainerstraße 19 c/11 in Herzogenburg zugestellt. Bei der Berechnung des Durchschnittsverdienstes sei unrichtig eine Saisonbeschäftigung mit saisonbedingten Überstunden und saisonal überdurchschnittlichem Arbeitsaufwand auf eine Jahresbeschäftigung umgerechnet worden. Es könne ihm jedoch vor allem keine Arbeitsaufnahme in einem anderen Teil Österreichs zugemutet werden, da dies eine Familientrennung bedeuten würde.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Ausführungen ist folgendes zu erwidern:

Da das Rekursgericht die Entscheidung des Erstgerichtes abgeändert hat, ist die Anfechtbarkeit der Entscheidung der zweiten Instanz nach § 14 AußStrG zu beurteilen.

Gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG sind aber Rekurse gegen Entscheidungen der zweiten Instanz über die Bemessung gesetzlicher Unterhaltsansprüche unzulässig. Zur Bemessung gehört die Beurteilung der Bedürfnisse des Unterhaltsberechtigten, der zur Deckung dieser Bedürfnisse vorhandenen Mittel, die vor der Leistung des Unterhaltspflichtigen heranzuziehen sind (wie Vermögen, Einkommen, Arbeitsfähigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungen anderer Personen), und der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen, wobei die Beurteilung dieser Umstände durch die zweite Instanz auch dann unanfechtbar ist, wenn es strittig ist, ob sie zur völligen Ablehnung eines Anspruches auf Unterhaltsleistung führt (vgl. Judikat 60 neu = SZ 27/177 uva.).

Die Frage der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen im Sinne der Anspannungstheorie betrifft dessen Leistungsfähigkeit und gehört daher in den Rahmen des einen Rechtszug an den Obersten Gerichtshof ausschließenden Fragenkomplexes der Unterhaltsbemessung. Die Beurteilung dieser Frage kann daher nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden (EFSlg. 47.148, 44.580, 42.283; JBl. 1982, 267 uva.). Die Rechtsmittelausführungen richten sich aber nur gegen die Berechnung des erzielbaren Durchschnittsverdienstes und die im Sinne der sogenannten Anspannungstheorie an den unterhaltspflichtigen Vater zu stellenden Anforderungen bezüglich der Annahme einer Saisonbeschäftigung außerhalb seines Wohnortes. Sowohl der Vorwurf, daß die für die Unterhaltsbemessung als maßgeblich angenommenen Grundlagen unrichtig seien, als auch die Frage nach der Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit des Unterhaltspflichtigen nach der sich aus § 140 Abs. 1 ABGB ergebenden sogenannten Anspannungstheorie betreffen ausschließlich den Bemessungsbereich

(vgl. EFSlg. 34.994 ua). Es ist gleichgültig, ob dem Gericht zweiter Instanz dabei auch Verfahrens- und Feststellungsmängel unterstellt werden (EFSlg. 39.230), wobei hinzuzufügen ist, daß die Zustellung des im Rechtsmittelzug vom Obersten Gerichtshof ausschließlich überprüfbaren Beschlusses des Rekursgerichtes ohnehin an die vom Revisionsrekurswerber auch in seinem Rechtsmittel angegebene Anschrift erfolgt ist.

Da sich der Revisionsrekurs bereits aus den dargelegten Gründen gemäß § 14 Abs. 2 AußStrG als unzulässig erweist, war auf die Frage seiner Rechtzeitigkeit nicht mehr einzugehen.

Anmerkung

E10489

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00548.87.0324.000

Dokumentnummer

JJT_19870324_OGH0002_0020OB00548_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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