Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rudolf V***, Angestellter, Wien 10., Hasengasse 54/16, vertreten durch Dr. Johannes Ruckenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Cornelius Petrus van der V***, Kaufmann, Gerasdorf, Brünner Bundesstraße 151, vertreten durch Dr. Hans Bichler, Dr. Daniel Charim und Dr. Wolfgang Spitzy, Rechtsanwälte in Wien, wegen Aufkündigung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Juni 1986, GZ 48 R 296/86-14, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 17. März 1986, GZ 7 C 2005/86-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.719,20 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 247,20 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom 25. September 1978 mietete der Beklagte das im Haus Wien 10., Hasengasse 54, gelegene Gassenlokal Nr. 4, bestehend aus zwei Räumen, Küche und Bad. Im Mietvertrag wurde bestimmt, daß die gemieteten Räume nur zum Betrieb eines Büros verwendet werden dürfen. Um den 25. 10. 1985 zog der Geschäftsführer der Filiale Wien 10., Gudrunstraße 196, des Holland Blumenmarkts Robert S*** in die Räume ein. Der Beklagte erklärte ihm, daß es sich um eine Firmenwohnung handle und er einziehen könne. Die gemieteten Räume dienten Robert S*** bis ca. 15.1.1986 als Wohnung. In den Räumen befand sich auch ein Schreibtisch, so daß es Robert S*** möglich war, am Abend geschäftliche Tätigkeiten abzuwickeln. Mitte Jänner 1986 wurde er davon verständigt, daß er binnen kürzester Zeit ausziehen müsse, weil die Wohnung aufgekündigt worden sei. Erst nach dem Auszug erfuhr er, daß der aufgekündigte Bestandgegenstand lediglich als Büro hätte verwendet werden dürfen. Das Erstgericht erklärte die auf § 30 Abs. 2 Z 7 MRG gestützte Aufkündigung für rechtswirksam. Es stellte fest, es sei nicht erwiesen, daß die aufgekündigten Räume von Robert S*** gegen den Willen und ohne Wissen des Beklagten als Wohnung benützt worden seien. Es sei auch nicht erwiesen, daß Robert S*** auch an der Anschrift Wien 10., Gudrunstraße 120, gemeldet gewesen sei. In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, der Kündigungsgrund gemäß § 30 Abs. 2 Z 7 MRG sei - anders als nach der früheren Rechtslage - schon dann gegeben, wenn in den gemieteten Räumlichkeiten weder die im Vertrag bedungene noch eine gleichwertige Tätigkeit ausgeübt werde. Es liege eine ungleichwertige Verwendung vor, wenn ein als Büro vermieteter Raum zu Wohnzwecken verwendet werde, wie dies hier zutreffe. Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des Beklagten nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und billigte die rechtliche Beurteilung des Erstrichters. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 60.000,--, jedoch nicht S 300.000,-- übersteigt und die Revision nicht zulässig sei.
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen außerordentlichen Revision des Beklagten kommt Berechtigung nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 30 Abs. 2 Z 7 MRG ist es als wichtiger Grund zur Kündigung des Mietverhältnisses anzusehen, wenn die vermieteten Räumlichkeiten nicht zu der im Vertrag bedungenen oder einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung regelmäßig verwendet werden, es sei denn, daß der Mieter nur vorübergehend wegen Urlaubs, Krankheit oder Kuraufenthalt abwesend ist. Das Mietrechtsgesetz hat in Ansehung dieses Kündigungsgrundes gegenüber der früheren Rechtslage (§ 19 Abs. 2 Z 14 MG) eine wesentliche Änderung bewirkt (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 34 zu § 30 MRG). Der Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z 14 MG war schon dann gegeben, wenn der vermietete Geschäftsraum nicht zur "Befriedigung regelmäßiger geschäftlicher Betätigung" verwendet wurde. Die Rechtsprechung hat aus dieser Formulierung abgeleitet, daß für den Kündigungsgrund ein dauernder und völliger Mangel eines schutzwürdigen Interesses des Mieters an der Aufrechterhaltung des Mietverhältnisses erforderlich sei. Ein solcher Mangel sei bei einem Geschäftslokal nur bei völligem Stillstand jeder regelmäßigen geschäftlichen Betätigung gegeben; auf die Intensität der restlichen Benutzung und auf die Zweck- und Widmungsmäßigkeit der geschäftlichen Tätigkeit komme es nicht an (MietSlg. 34.479, 32.406, 31.441, 31.440 ua.). Es wurde auch als unerheblich erachtet, wer den Mietgegenstand benützt, in welcher Form dies geschieht und ob die Benützung vertragsgemäß ist oder nicht; die Bestimmung wollte nur hintanhalten, daß Geschäftsräumlichkeiten überhaupt nicht benützt werden (MietSlg. 32.406, 32.405, 27.427, 23.442). Dieser Auslegung des Kündigungsgrundes wollte der Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes entgegentreten. Schon in der Regierungsvorlage
(425 BlgNr. XV. GP 42) wurde statt der Befriedigung "regelmäßiger geschäftlicher Betätigung" gefordert, daß der Bestandgegenstand "zur Befriedigung dringender geschäftlicher Betätigung regelmäßig verwendet werde". Durch den Justizausschuß wurde diese Formulierung noch verdeutlicht und dahin klargestellt, daß die im Vertrag bedungene oder eine gleichwertige geschäftliche Betätigung notwendig sei. Es sollte dadurch einer Umwandlung von Räumlichkeiten, die zu regelmäßiger geschäftlicher Betätigung gemietet wurden, in nicht gleichwertige Verwendungsformen entgegengewirkt werden (880 BlgNr. XV. GP 5; MietSlg. 37.442, 37.441; Derbolav in Korinek-Krejci, Handbuch zum Mietrechtsgesetz 446). Im vorliegenden Fall wurden die in Bestand gegebenen Räume als Büroräume vermietet, jedoch als Wohnung benützt; es blieb lediglich ein Schreibtisch in den Räumen, so daß Robert S***, der als Filialleiter eines Holland Blumenmarktes tätig war, die Möglichkeit hatte, darin am Abend auch Büroarbeiten zu verrichten. Dies rechtfertigt die Annahme, daß die vermieteten Räume überwiegend nicht als Büro zu geschäftlicher Betätigung, sondern als Wohnung benutzt wurden. Die vermieteten Räume dienten daher weder zu der im Vertrag bedungenen geschäftlichen Betätigung noch auch zu einer gleichwertigen geschäftlichen Betätigung, sondern überwiegend Wohnzwecken. Die Umwidmung von zur geschäftlichen Nutzung vermieteten Räumen in Räume, die überwiegend für Wohnzwecke benützt werden, stellt, wie die Vorinstanzen zutreffend erkannten, den Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 7 MRG dar.
Demzufolge ist der Revision der Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10290European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00572.87.0325.000Dokumentnummer
JJT_19870325_OGH0002_0010OB00572_8700000_000