Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Rudolf K***, Kaufmann, Wien 15.,
Mariahilferstraße 140/10, vertreten durch Dr. Alexander Grohmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Firma Bauunternehmung Ing. P*** Gesellschaft mbH Nfg.KG, Wien 5., Schönbrunnerstraße 116, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 64.638,42 samt Anhang infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 3. Juni 1986, GZ 11 R 106/86-27, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 27. Dezember 1985, GZ 30 Cg 122/84-23, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 36.027,10 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten S 2.624,10 Umsatzsteuer und S 7.162 Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger ist Hauptmieter der Wohnung Nr. 10 im Haus Wien 15., Mariahilferstraße 140. Unter seiner Wohnung befinden sich die Geschäftsräumlichkeiten eines Eissalons. Über Auftrag des Mieters dieser Geschäftsräumlichkeiten führte die beklagte Partei in der Zeit vom 22. Dezember 1982 bis Mitte Februar 1983 Umbauarbeiten durch. Mit baubehördlicher Genehmigung, der eine statische Berechnung von Dipl.Ing. Franz T*** zugrundelag, wurde eine im Bereich des Eissalons gelegene Mittelmauer über eine Länge von 4,8 m ausgewechselt und dabei rund 10,5 m 3 Mauerwerk abgetragen. Erst im Zuge der Arbeiten wurde der schlechte Zustand des Mauerwerkes, das teilweise aus Ziegelbrocken bestanden hatte, festgestellt. Die beklagte Partei führte die Arbeiten fachgerecht durch, eine andere technische Ausführung der Arbeiten wäre nicht möglich gewesen. Aufgrund der schlechten Substanz des Mittelmauerwerkes war mit Rißbildungen in den Mauern der oberen Geschoße auf jeden Fall zu rechnen. Es bestand ein besonders großes Risiko einer solchen Rißbildung. Es kam zu Setzungen des Mauerwerkes, die in der Änderung des Baubestandes ihre Ursache hatten. Hätte man das auszuwechselnde Mauerwerk vor Beginn der Arbeiten begutachtet, hätte man bereits das besonders große Risiko einer eventuellen Setzung erkennen können. In der Wohnung des Klägers traten durch die Auswechslung der Mittelmauer im Eissalon Mauerrisse auf, die zu Schäden an den Tapeten und an der Wand- und Deckenmalerei führten. Die Kosten der Schadensbehebung betragen unter Berücksichtigung eines Abzuges neu für alt S 64.638,42. Der Kläger ließ die Reparaturarbeiten bis jetzt noch nicht ausführen.
Der Kläger begehrte, ohne einen Abzug neu für alt zu machen, den Zuspruch des Betrages von S 80.798,02 samt Anhang. Die beklagte Partei habe die Schäden des Klägers an Malerei und Tapeten in Kauf genommen. Sie habe es unterlassen, die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen zu treffen und dadurch den Schaden verschuldet. Die beklagte Partei wendete ein, die Schäden seien nicht auf unsachgemäßes, unvorsichtiges oder den Regeln der Baukunst nicht entsprechendes Verhalten zurückzuführen. Die Fundierung des Mittelmauerpfeilers habe nachgegeben, dafür könne die beklagte Partei nicht verantwortlich gemacht werden. Dies hätte auch bei einer anderen Art der Arbeitsdurchführung nicht vermieden werden können. Mit dem Auftreten von Schäden habe die beklagte Partei nicht rechnen müssen.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren mit dem Betrag von S 64.638,42 samt Anhang statt, das Mehrbegehren wies es unangefochten ab. Bei gehöriger Aufmerksamkeit durch Untersuchung des Zustandes des Mauerwerkes vor Durchführung der Arbeiten wäre von vornherein mit dem Risiko der Rißbildung zu rechnen gewesen; es seien allerdings Setzungsschäden bei Auswechslungsarbeiten überhaupt nicht auszuschließen. Der geltend gemachte Schadenersatzanspruch sei vom Verschulden nicht unabhängig. Durch das Inkaufnehmen eines zu erwartenden Schadens durch die beklagte Partei müsse aber deren Verschulden erblickt werden, das ihre Haftung als Bauunternehmer begründe. Auch die Erteilung des Auftrages zur Ausführung von Arbeiten berechtige den Empfänger des Auftrages nicht, in Rechte Dritter, soweit diese für ihn erkennbar seien, einzugreifen. Daher hafte ein Baumeister, der im Auftrag eines Mieters an dessen Mietobjekt Arbeiten vornimmt, von denen er habe wissen können, daß sie zu Schäden Dritter führen könnten, diesen gegenüber, auch dann für den Ersatz des für ihn vorhersehbaren Schadens, wenn seine Arbeiten von der Baubehörde bewilligt und von ihm fachgemäß ausgeführt worden seien. In einem solchen Fall müsse auch der Rechtswidrigkeitszusammenhang bejaht werden. Da nach der Verkehrssitte kleinere Ausbesserungen einer Bestandsache der Bestandnehmer zu tragen habe, sei der Kläger berechtigt, den Ersatz der als Folge der Bauarbeiten in seiner Wohnung aufgetretenen Schäden an Tapeten, Wandbespannung und Malerei sowie die Kosten der damit in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Nebenarbeiten von der beklagten Partei als schuldhaft den Schaden verursachende Bauunternehmung ersetzt zu verlangen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Partei nicht Folge, die Revision erklärte es nicht für zulässig. Wenn zwei Partner im beiderseitigen Interesse einen Vertrag erlaubten Inhaltes schließen, der mit Sicherheit oder Wahrscheinlichkeit zur Schädigung eines Dritten führe, könne keine Rede davon sein, daß die Haftung billigerweise nur den treffen könne, der das Werk bestellt habe. Die Rechtswidrigkeit liege in der Schädigung des Dritten, das Verschulden aber jedenfalls beim Unternehmer, der diese habe vorhersehen können oder hätte vorhersehen müssen, während ein Verschulden des Bestellers in der Regel nicht vorliegen oder nachzuweisen sein werde, falls er nicht sachkundig sei und sich eines befugten Gewerbsbetreibenden bedient habe.
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen nahmen rechtswidriges schuldhaftes Verhalten der beklagten Partei an. Das Verschulden wurde von der ersten Instanz darin erblickt, daß bei gehöriger Aufmerksamkeit, namentlich bei Untersuchung des Zustandes des Mauerwerkes vor Durchführung der Arbeiten, von vornherein mit dem Risiko des später eingetretenen Schadens zu rechnen gewesen sei, die Rechtswidrigkeit vom Berufungsgericht darin, daß die beklagte Partei in ihrem eigenen wirtschaftlichen Interesse ein Verhalten gesetzt habe, von dem sie gewußt habe oder hätte wissen müssen, daß es zur Schädigung Dritter führen müsse oder könne. Die Revision führt aber zu Recht aus, daß Rechtswidrigkeit des Verhaltens der beklagten Partei allenfalls auch deren Verschulden zu verneinen sei.
Die von der beklagten Partei ausgeführten schadensstiftenden Arbeiten wurden bereits unter dem Geltungsbereich des Mietrechtsgesetzes durchgeführt (§ 58 Abs. 1 MRG). Nach § 1 Abs. 1 MRG gilt dieses Bundesgesetz für die Miete von Wohnungen, einzelnen Wohnungsanteilen oder Geschäftsräumlichkeiten aller Art. Fallen Rechtsverhältnisse in den Geltungsbereich des § 1 Abs. 1 MRG, so besteht eine Vermutung für die Anwendbarkeit des Mietrechtsgesetzes, die nur durch den Nachweis eines konkreten Ausnahmebestandes widerlegt werden kann (JBl. 1986, 386; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 1 zu § 1 MRG). Eine Behauptung, das Mietverhältnis des Klägers oder das des Mieters des Eissalons wären unter die Ausnahmebestimmungen des § 1 Abs. 2 bis 4 MRG gefallen, wurde nicht aufgestellt. Es sind daher die Vorschriften des Mietrechtsgesetzes anzuwenden.
Nach § 8 Abs. 2 Z 2 MRG hat der Hauptmieter unter anderem die Veränderung seines Mietgegenstandes zuzulassen, wenn und soweit ein solcher Eingriff in das Mietrecht zur Durchführung von Veränderungen (Verbesserungen) in einem anderen Mietgegenstand notwendig, zweckmäßig und bei billiger Abwägung aller Interessen auch zumutbar ist. Nach § 8 Abs. 3 MRG sind Arbeiten, die der Mieter zuzulassen hat, so durchzuführen, daß eine möglichste Schonung des Mietrechts des betroffenen Mieters gewährleistet ist. Für wesentliche Beeinträchtigungen hat der Vermieter, sofern aber die Arbeiten ein Mieter durchführt, dieser Mieter dem Mieter, der hiedurch in seinen Rechten beeinträchtigt wird, angemessen zu entschädigen. Nach § 37 Abs. 1 Z 5 MRG ist sowohl über die Frage der Duldung von Eingriffen als auch des Anspruches auf angemessene Entschädigung im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden.
Soweit die Duldungspflicht des Mieters nach § 8 MRG reicht, ist der Eingriff rechtmäßig. Tritt ungeachtet der Verpflichtung zur Duldung ein Schaden ein, ist dieser vom Vermieter oder Mieter des Mietgegenstandes, in dem die Arbeiten vorgenommen wurden, kraft Eingriffshaftung zu ersetzen (Krejci in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG 244). Die Grenzen der Duldungspflichten setzen zugleich den Rahmen zulässiger Durchführung von Erhaltungs- und Verbesserungsarbeiten (Krejci aaO 230); solche Arbeiten hat der Mieter zu ertragen, ohne Abwehrmaßnahmen setzen zu dürfen (Krejci aaO 231). § 8 Abs. 2 Z 2 MRG bezieht sich sowohl auf Verbesserungs- als auch auf sonstige Änderungsarbeiten in einem anderen Mietgegenstand und umfaßt auch Maßnahmen wie z.B. die Errichtung oder die Entfernung einer (nicht tragenden) Zwischenwand, die lediglich einem persönlichen oder familiären Bedürfnis des Mieters dienen, auch wenn sie objektiv keine Verbesserung sind (Krejci aaO 239); es genügt, daß der Eingriff zweckmäßig ist (Krejci aaO 241). Duldungspflicht ist anzunehmen, wenn die Mietrechtsausübung nicht behindert oder gestört wird bzw. die Beeinträchtigung nur eine vorübergehende ist (Krejci aaO 243). Aus § 8 Abs. 3 MRG, der die Entschädigungspflicht auch bei wesentlicher Beeinträchtigung regelt, ergibt sich, daß bei Durchführung von Arbeiten in einem anderen Mietobjekt selbst bei möglichem Eintreten wesentlicher Beeinträchtigungen dennoch Duldungspflicht bestehen kann (Krejci aaO 243; Würth aaO Rdz 5 zu § 8 MRG; Würth-Zingher, MRG 2 , 41). Die im Rahmen der Zumutbarkeitsprüfung stattzufindende Interessenabwägung muß gerade bei der Modernisierung von Geschäftsräumlichkeiten in der Regel zugunsten der Durchführung der Arbeiten ausschlagen. Eines der erklärten Ziele des Gesetzgebers des Mietrechtsgesetzes war die Sicherung des erhaltungswürdigen Miethausbestandes und die Überwindung des Standardabfalles durch Regelungen, die zu Initiativen des Vermieters und der Mieter anregen (RV 425 BlgNR 15.GP 32). Dieses Ziel findet unter anderem in den Bestimmungen der §§ 4, 5, 8 Abs. 2 und 3, 9, 10 Abs. 3, 30 Abs. 2 Z 16 MRG seinen Ausdruck. Die Modernisierung von Geschäftsräumlichkeiten wird oft nur dadurch bewerkstelligt werden können, daß tragende Mauerteile ausgewechselt werden. Die Modernisierung von Geschäftsräumlichkeiten durch Auswechslung von Mauern entspricht in der Regel der Übung des Verkehrs und dient dann dem berechtigten Interesse des Hauptmieters. Liegt eine ordnungsgemäße statische Berechnung und eine baubehördliche Bewilligung vor und erfolgt die Ausführung durch ein konzessioniertes Bauunternehmen, wird in der Regel eine Gefahr für die Sicherheit von Personen und Sachen ausgeschlossen werden können. Treten ungeachtet dieser Prognose dennoch Schäden ein, ist der Mieter dadurch sichergestellt, daß ihm ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch gegen den Vermieter, allenfalls den Mieter des anderen Mietgegenstandes, zusteht. Diese Interessenlage führt in der Regel dazu, daß der Mieter die Auswechslung einer unter seiner Wohnung gelegenen tragenden Mauer seine Zustimmung nicht versagen kann. Weigert er sich dennoch, wird die im Verfahren nach § 37 Abs. 1 Z 5 MRG zu treffende Entscheidung wohl gegen ihn ausfallen. Eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ist Sache des Vermieters bzw. der betroffenen Mieter, nicht aber des Bauunternehmers, der die Arbeiten durchzuführen hat; dieser kann bei Übernahme und Durchführung eines Bauauftrages davon ausgehen, daß von seinem Auftraggeber die Voraussetzungen für die Berechtigung seiner Tätigkeit geschaffen wurden. Damit war die Vornahme der Arbeiten durch die beklagte Partei ungeachtet des mit ihr verbundenen Risikos jedenfalls nicht mehr schuldhaft. Die Beurteilung, der Schuldner habe fahrlässig gehandelt, bedeutet ihm gegenüber den Vorwurf, er hätte bei gehöriger Willensanspannung erkennen können, daß er gefährlich und rechtswidrig handle und anders hätte handeln können (1 Ob 692/83; Koziol, Österreichisches Haftpflichtrecht 2 I 128;
Gschnitzer, Schuldrecht Besonderer Teil und Schadenersatz 149;
Ehrenzweig-Mayrhofer, Schuldrecht Allgemeiner Teil 3 294). Der Irrtum über die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens kann Schuldhaftigkeit des Handelns ausschließen (SZ 57/128;
SZ 55/161 mwN). Führte die beklagte Partei die Arbeiten technisch einwandfrei aus und waren diese Arbeiten aufgrund eines statischen Gutachtens baubehördlich genehmigt worden, so war für sie bei durchschnittlicher von ihr zu erwartender Aufmerksamkeit nicht zu erwarten, sie hätte dennoch erkennen können, daß eine Duldungspflicht des Klägers, der sich nie gegen die Vornahme der Arbeiten ausgesprochen hatte, nicht bestehen könnte. Besteht aber ein nach den Vorschriften der §§ 1293 ff ABGB zu beurteilender Schadenersatzanspruch des Klägers mangels Verschuldens nicht zu Recht, bedarf die weitere Frage, ob der Kläger, obwohl er die Reparaturen noch nicht durchführen ließ, von einem Dritten Schadenersatz begehren kann, keiner weiteren Prüfung (gegen die überwiegende bisherige Rechtsprechung in SZ 56/199; SZ 52/9; SZ 47/140; SZ 46/36; MietSlg. 15.125 nunmehr Apathy, Die publizianische Klage 98 ff; ders. in JBl. 1985, 233; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 22 zu § 1332; vgl. Bydlinski in Klang 2 IV/2, 575, 576 FN 613; Koziol aaO II 23 f; das Problem offenlassend Koziol-Welser 7 I 343).
Der Revision ist Folge zu geben. Die Urteile der Vorinstanzen sind dahin abzuändern, daß das gesamte Klagebegehren abgewiesen wird. Die Entscheidung über die Prozeßkosten und die Kosten der Rechtsmittelverfahren gründet sich auf § 41 ZPO bzw. §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10679European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00571.87.0325.000Dokumentnummer
JJT_19870325_OGH0002_0010OB00571_8700000_000