TE OGH 1987/3/26 6Ob552/87

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Veröffentlicht am 26.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F*** Beton- und Fertigteilwerk, Ing. Alois J*** Gesellschaft mbH & Co. KG, Mödling, Schulweg 2-6, vertreten durch Dr. Hanns Hügel, Rechtsanwalt in Mödling, wider die beklagte Partei Ing. Walter N***, Angestellter, Kaltenleutgeben, Hauptstraße 45, vertreten durch Dr. Peter Fichtenbauer, Rechtsanwalt in Wien, wegen 158.372,65 S samt Nebenforderungen (Revisionsgegenstand: 20.000 S) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 26. August 1985, GZ. 14 R 140/85-35, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 25. Januar 1985, GZ. 21 Cg 86/84-29, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird stattgegeben.

Das angefochtene Urteil und das Urteil erster Instanz werden in ihren Aussprüchen über das Teilbegehren auf Zuspruch eines Betrages von 20.000 S samt 4 % Zinsen seit 30. März 1983 aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückverwiesen.

Die Kostenaussprüche im angefochtenen Berufungsurteil bleiben als solche eines Teilurteiles aufrecht.

Im übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind Kosten des zu ergänzenden Verfahrens.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist eine Handelsgesellschaft. Sie vertreibt Baustoffe. Dabei setzte sie einen Angestellten im Außendienst zur Anwerbung und Betreuung von Kunden ein. Diesem Angestellten hatte die Klägerin weder Abschluß- noch Inkassovollmacht erteilt. Sie verwendete ihn lediglich von Fall zu Fall als Inkassoboten. Der Beklagte plante einen Eigenheimbau. Der Angestellte der Klägerin umwarb ihn als einen Kaufinteressenten für Baustoffe. Er ließ von Mitarbeitern der Klägerin nach einem Plan des Beklagten den Materialbedarf und dessen Kosten berechnen und legte dem Beklagten eine entsprechende Aufstellung vor. Dieser hatte inzwischen Anbote von anderen Baustoffhändlern eingeholt. Die Klägerin pflegte Privatkunden 10 % Rabatt und während der Wintermonate weitere 10 % Winterrabatt (auf ihre Listenpreise) zu gewähren. Der Angestellte der Klägerin sagte dem Beklagten ohne Wissen und Zustimmung der Klägerin als Sonderbedingungen einen um insgesamt 30 % ermäßigten Materialpreis ohne Umsatzsteuer und ohne Verrechnung eines Entgeltes für die Zustellung zu. Auf dieser Grundlage erklärte der Beklagte dem Angestellten der Klägerin, die benötigten Baustoffe bei der Klägerin zu bestellen. Der Beklagte unterfertigte dazu nie einen Bestellschein. Der Angestellte der Klägerin fertigte jedoch einen Bestellschein über die vom Beklagten gewünschten Baustoffe zu Preisen mit den von der Klägerin üblicherweise an Privatkunden gewährten Nachlässen von 10 % Rabatt und weiteren 10 % Winterrabatt aus, datierte diese Urkunde mit 30. November 1982 und setzte auf sie ohne Wissen des Beklagten einen Namenszug als dessen Unterschrift. Ein Prokurist der Klägerin nahm auf dem ihm vorgelegten Bestellschein eine Gegenzeichnung (als Ausdruck der Annahme der Bestellung) vor.

Noch vor der ersten Teillieferung vom 30. November 1982 nahm der Angestellte der Klägerin vom Beklagten am 22. November 1982 einen Betrag (genauer: einen Scheck über den Betrag) von 20.000 S (als Kaufpreisanzahlung) entgegen. Er stellte dem Beklagten hierüber eine Zahlungsbestätigung aus. Dazu verwendete er den Vordruck aus einem ohne Wissen der Klägerin gekauften Kassabestätigungsblock, deren einzelne Blätter er jeweils mit dem Abdruck des Geschäftsstempels der Klägerin versehen hatte. Die Quittungsvordrucke enthielten den (klein gedruckten) Hinweis: "Gültig nur mit Unterschrift einer mit Inkassovollmacht ausgestatteten Person." Der Angestellte leitete den vom Beklagten namens der Klägerin in Empfang genommenen Betrag (Schecksumme) nicht (als Leistung des Beklagten) an die Klägerin weiter.

In der Folge lieferte die Klägerin dem Beklagten Baustoffe nach dem vom Angestellten verfaßten Bestellschein. Hiezu stellte die Klägerin dem Beklagten jeweils eine Woche nach der Auslieferung auf dem Postwege eine Rechnung zu. In diesen Rechnungen wurden einerseits nur 10 % Preisnachlaß und 10 % Winterrabatt berücksichtigt, andererseits auch Zulieferungskosten eingesetzt und die Umsatzsteuer ausgewiesen. Rechnungen mit einem 1.000 S übersteigenden Rechnungsbetrag trugen den Vermerk: "'Z***' AN Z*** KTO 630 227 700", solchen Rechnungen war auch jeweils ein auf das erwähnte Konto lautender Zahlschein beigelegt. Der Beklagte beanstandete gegenüber dem Angestellten der Klägerin diese Fakturierung als abredewidrig. Daraufhin vermerkte dieser ohne Wissen der Klägerin auf den Rechnungen handschriftlich, daß 30 % Rabatt gewährt und Zulieferkosten sowie Umsatzsteuer nicht zu bezahlen seien.

Etwa zwei Monate nach der ersten Materiallieferung, nachdem der Angestellte der Klägerin dem Beklagten bereits drei Teilzahlungen von insgesamt 97.000 S bestätigt hatte, erhielt der Beklagte die erste, zwei Wochen später die zweite Mahnung. Der Angestellte der Klägerin erklärte dem Beklagten, diese Mahnungen beruhten auf einem Fehler des Computers, sie seien unbeachtlich.

Auf der mit 7. März 1983 datierten Quittung über einen Betrag von 17.245 S vermerkte der Angestellte der Klägerin ohne deren Wissen wörtlich: "Endabrechnung f. Anlieferung Baumat. f. o. a. Baust. / hiemit sind alle Ansprüche abgegolten."

Die auf den einzelnen Rechnungen angeführte Zessionarin erklärte eine Rückzession, die von der Klägerin angenommen wurde. Als die Klägerin im Sommer 1983 davon Kenntnis erhielt, daß ihr Angestellter von Kunden Gelder kassiert und nicht an sie abgeliefert habe, gestand dieser Angestellte der Klägerin schriftlich ein, ohne Inkassoberechtigung der Klägerin unter anderem auch vom Beklagten 114.000 S entgegengenommen, aber nicht der Klägerin abgegeben zu haben. Der Angestellte gab dabei an, sich widerrechtlich und ohne Wissen der Betriebsleitung einen Inkassobestätigungsblock angeeignet und (dessen einzelne Blätter) ohne Wissen der Betriebsleitung mit dem Firmenstempel abgestempelt zu haben. Er nahm seine fristlose Entlassung zur Kenntnis und verpflichtete sich gegenüber der Klägerin zur Gutmachung des eine halbe Million Schilling übersteigenden Schadens. Tatsächlich zahlte er aber an die Klägerin nur 80.000 S, von denen die Klägerin einen Teilbetrag von 18.600 S auf Forderungen aus Lieferungen an den Beklagten anrechnete. Der Angestellte der Klägerin wurde mit dem in Rechtskraft erwachsenen Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien (vom 3. April 1984) wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB verurteilt, weil er vom Jahre 1981 bis 18. Juli 1983 in wiederholten Angriffen einkassierte Geldbeträge in der Höhe von rund 571.800 S dadurch, daß er sie nicht an die Klägerin weiterleitete, sondern für sich verwendete, sich mit dem Vorsatz zueignete, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern. Überdies wurde er auch wegen der Fälschung der Unterschrift auf dem auf den Namen des Beklagten lautenden Bestellschein (sowie zweier weiterer Bestellscheine) des Vergehens der Urkundenfälschung schuldig erkannt. In den Entscheidungsgründen führte das Strafgericht wörtlich aus, daß "nicht geklärt werden konnte, bei wem nun tatsächlich der Schaden eingetreten ist. Ob der Schaden nämlich bei seinem Dienstgeber oder bei den Bestellern selbst eingetreten ist, konnte auf Grund des noch offenen Zivilverfahrens über die Klärung seiner Inkassovollmacht nicht geklärt werden, war jedoch im strafrechtlichen Sinne irrelevant."

Die Klägerin hatte in der am 30. März 1983 angebrachten Klage den aus der Summe von 16 Rechnungen zusammengesetzten Betrag von 177.407,85 S sowie weitere Beträge für rückzustellende Paletten und ähnliches geltend gemacht, das Begehren aber im Laufe des Rechtsstreites mit Rücksicht auf eine Gutschrift für zurückgestellte Ware und die Verrechnung des Schadensgutmachungsbetrages auf 158.372,65 S samt Nebenforderungen eingeschränkt. Nach dem (nach Aufdeckung der unredlichen Vorgangsweise des Angestellten) abgeänderten Prozeßstandpunkt der Klägerin seien die zu Handen ihres Angestellten erfolgten Leistungen des Beklagten nicht schuldtilgend gewesen, weil die Klägerin dem inzwischen entlassenen Angestellten niemals eine Inkassovollmacht erteilt gehabt und die 1.000 S übersteigenden Rechnungen einen deutlichen Zessionsvermerk getragen hätten. In diesem Zusammenhang stützte die Klägerin ihr Begehren unter anderem auch darauf, daß der Beklagte zu Lasten der Klägerin ungerechtfertigt bereichert worden sei.

Der Beklagte bestritt die Richtigkeit des von der Klägerin ihren Lieferungen zugrundegelegten Bestellscheines und machte geltend, daß der Angestellte der Klägerin über einen Block mit Kassabestätigungen verfügt habe, die mit dem Firmenstempel der Klägerin versehen gewesen seien.

Dazu wendete die Klägerin ein, ihr ehemaliger Angestellter habe die Kassabestätigung ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen verwendet. Davon abgesehen sei auf der verwendeten Bestätigung der Hinweis abgedruckt, daß die Bestätigung nur mit der Unterschrift einer inkassoberechtigten Person gültig sei.

Das Erstgericht verurteilte den Beklagten - von der unangefochtenen Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens abgesehen - zur Zahlung im Sinne des eingeschränkten Klagebegehrens. Es legte seiner Entscheidung die Beurteilung zugrunde, die Klägerin habe ihrem Angestellten keine Inkassovollmacht erteilt gehabt, das Auftreten als Kundenberater der Klägerin habe den Beklagten nicht zur Annahme berechtigt, daß der Angestellte inkassoberechtigt wäre. Die Klägerin habe nichts dazu getan, beim Beklagten den Eindruck zu erwecken, ihr Kundenberater sei für sie inkassoberechtigt. Der vom Angestellten bei der ersten Zahlung verwendete Vordruck einer Kassabestätigung hätte den Beklagten veranlassen müssen, sich vom Vorhandensein einer Inkassovollmacht zu überzeugen. In Ansehung der mit Zessionsvermerken versehenen Rechnungen hätte der Beklagte nicht einmal an die Klägerin selbst mit schuldbefreiender Wirkung zahlen können.

Das Berufungsgericht bestätigte den Zuspruch im Teilbetrag von 138.372,65 S samt Nebenforderungen, änderte das Ersturteil aber in Ansehung eines Teilbegehrens auf Zahlung von 20.000 S samt 4 % Zinsen seit 30. März 1983 im klagsabweisenden Sinne ab. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, daß die Zulässigkeitsvoraussetzung nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO nicht vorliege.

Zu dem - allein revisionsverfangenen - Begehren auf Zahlung eines Betrages in der Höhe der ersten Anzahlung von 20.000 S ging das Berufungsgericht von der Überlegung aus, daß Art. 8 Nr. 9 der

4. EVHGB gegenüber § 1029 ABGB lex specialis sei und es deshalb auf Erwägungen zur Anscheinsvollmacht und damit auch darauf nicht ankäme, wie der Angestellte zum Gebrauch des Firmenstempels gekommen sei. Das Berufungsgericht erachtete im Sinne der Entscheidung SZ 32/102 einen Anwendungsfall nach Art. 8 Nr. 9 der 4. EVHGB als gegeben.

Zu dem auf der Quittung vorgedruckten Hinweis auf das Erfordernis der Unterschrift einer mit Inkassovollmacht ausgestatteten Person führte das Berufungsgericht aus, diese Klausel habe der Bestimmung des § 864 a ABGB widersprochen und sei daher nicht Vertragsinhalt geworden.

Die Klägerin erhebt gegen den abändernden Teil des Berufungsurteiles außerordentliche Revision aus dem Revisionsgrund nach § 503 Abs. 2 ZPO mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne voller Klagsstattgebung (im Sinne der Rechtsmittelerklärung richtig: auf Wiederherstellung des Urteiles erster Instanz, da die erstinstanzliche Teilabweisung des Zinsenmehrbegehrens nicht mehr Gegenstand des Berufungsverfahrens gewesen ist).

Das Verhältnis des gesetzlich umschriebenen Rechtsscheines einer Empfangsvollmacht des Quittungsüberbringers zu Fällen einer - mit Quittungen zusammenhängenden - Anscheinsvollmacht ist eine nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO qualifizierte Frage des materiellen Rechtes, deren Beurteilung durch das Berufungsgericht auch vom Revisionswerber mit sachlichen Ausführungen bekämpft wird. Die außerordentliche Revision ist daher entgegen dem berufungsgerichtlichen Ausspruch zulässig.

Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Die dem § 370 BGB entsprechende Regelung des Art. 8 Nr. 9 der

4. EVHGB gehörte als Art. 296 AHGB (von der Ersetzung des Begriffes der "Zahlung" durch den der "Leistung" abgesehen) dem Bestand der inländischen Rechtsordnung an. Zu Art. 296 AHGB herrschte in Lehre (Kretz in Staub-Pisko) und Rechtsprechung (JBl. 1913, 117) die Auslegung vor, die Anwendung der Regel hinge wesentlich davon ab, daß die schriftliche Zahlungsbestätigung tatsächlich von dem herrühre, dem sie nach dem Inhalt der Erklärung zugerechnet werden soll (oder von einer für diesen erklärungsberechtigten Person). An eine gefälschte Quittung wurde daher die angeordnete Rechtsfolge nicht geknüpft.

Auch für die in dieser Hinsicht als einheitlich zu bezeichnende Lehre zu § 370 BGB ist die Echtheit des schriftlichen Empfangsbekenntnisses Wesenserfordernis der Rechtsscheinwirkung (vgl. MünchKomm. 2 -Heinrichs in RdNr. 3; Soergel 10 -Reimer Schmidt Bem. 1; Staudinger 12 -Kaduk Rz 17; BGB-RGRK 12 -Weber Rz 3; AK-BGB-Dubischar Rz 1; Esser/Eike Schmidt Schuldrecht 6 I, 256). Eine vom Angestellten "i.A." mit seinem Namen unterschriebene schriftliche Empfangsbestätigung rührt erkennbar nicht vom Gläubiger selbst her. Zur Zurechnung der Erklärung an ihn bedarf es einer den behaupteten Auftrag (i.A.) abdeckenden tatsächlichen Bevollmächtigung. Kann die Rechtsscheinwirkung nicht auf eine vom Gläubiger selbst stammende schriftliche Empfangsbestätigung gestützt werden, bedarf es zur Zurechnung des Empfanges einer für den Gläubiger bestimmten, aber zu Handen eines anderen erbrachten Leistung mangels ausdrücklich erteilter Vollmacht eines dem Gläubiger nach allgemeinen Regeln über Duldungs- oder Anscheinsvollmacht zurechenbaren, nach Vertrauensgrundsätzen für die Bekanntgabe einer Empfangsvollmacht sprechenden Verhaltens. Als solches Verhalten könnte die willentliche Überlassung (Aushändigung) eines Quittungsblockes durch den Gläubiger an den Inkassanten in Betracht kommen. Darin lag auch das ausschlaggebende Kriterium in dem zu SZ 32/102 entschiedenen Rechtsfall. Nach dem hier zu beurteilenden Sachverhalt hat keine für die Klägerin handlungsberechtigte Person dem Inkassanten den von ihm beim Beklagten verwendeten Quittungsblock ausgehändigt. Allerdings trugen die einzelnen Blätter des in den Händen des Inkassanten befindlichen Quittungsblockes die Abdrücke des Geschäftsstempels der Klägerin. Die Verwendung des Geschäftsstempels durch den Inkassanten war nach dem festgestellten Sachverhalt ein Mißbrauch. Das Berufungsgericht hat es aber zu Unrecht als unerheblich bezeichnet, ob die Klägerin mit einem Mißbrauch der vom Inkassanten verübten Art vernünftigerweise rechnen mußte und was sie zur Vermeidung eines solchen Mißbrauches vorkehrte. Die allein auf Art. 296 AHGB abgestellte Betrachtungsweise in der bereits erwähnten Entscheidung des Jahres 1913 (JBl. 1913, 117 = ACl. 3136) vernachlässigte den heute anerkannten Schutz dessen, der auf einen vom fälschlich Vertretenen selbst herbeigeführten Sachverhalt vertraut, in dem objektiv die Kundgabe einer Bevollmächtigung zu erkennen ist. In dieser Hinsicht war die Rüge der beklagten Partei in ihrer Berufung beachtlich.

Bei diesem Zwischenergebnis einer zulässigen und berechtigten Anfechtung im Sinne des § 503 Abs. 2 ZPO ist zum Rechtsgrund und damit auch zur Höhe der Klagsforderung zu erwägen:

Die Klägerin stützte sich in der Klage auf einen im Sinne des ihr vorgelegten Bestellscheines zustandegekommenen und ihrerseits erfüllten Vertrag. Nach dem festgestellten Sachverhalt stammt diese Vertragserklärung aber nicht vom Beklagten und weicht inhaltlich in Ansehung der Preise erheblich von der mündlich dem Angestellten der Klägerin erteilten Bestellung ab. Dieser Angestellte hatte keine Abschlußvollmacht. Die Vertragsannahme durch den Prokuristen der Klägerin deckte sich nicht mit der tatsächlichen Bestellung des Beklagten. Es lag Dissens vor. Ein Vertrag kam nicht zustande. Auch die Lieferung der vom Beklagten gewünschten Waren und die nachfolgende Übersendung einer Rechnung mit den von der Klägerin als vereinbart angenommenen Preisen ohne Reklamation des Beklagten gegenüber der Klägerin bewirkte keinen Vertragsabschluß, weil der von der Klägerin zur Kundenberatung eingesetzte Angestellte durch seine Beschwichtigungen Glauben machte, der Rechnungsinhalt beruhe auf einem Computerfehler und sei insofern unerheblich. Diese Erklärungen muß sich die Klägerin zwar nicht als Rechtsgeschäftserklärungen aber insofern zurechnen lassen, als sie den Beklagten davon abhielten, der Klägerin zu Handen der ihre Rechnung absendenden Stelle eine Bemängelung der Rechnung zukommen zu lassen.

Der Klägerin können daher nur Kondiktionsansprüche zustehen, die nach der Verwendung der gelieferten Baustoffe zum Neubau des Beklagten (auf dessen Grund) im Falle seiner Gutgläubigkeit nach § 417 ABGB zu beurteilen wären, im Falle seiner Schlechtgläubigkeit aber nach den §§ 1437, 335 ABGB.

Im Falle eines nach den Regelungen der §§ 417, 305 ABGB zu veranschlagenden gemeinen Preises müßten branchenübliche Nachlässe (auf Listenpreise) berücksichtigt werden.

Da die Rechnungen nicht durch den Rechtsgrund der Leistungen sondern durch deren Umfang inhaltlich bestimmt waren, besteht nach der festgestellten Rückabtretung (laut Beilage NN) kein Bedenken an der Forderungsberechtigung der Klägerin.

Die in der außerordentlichen Revision aufgeworfene weitere Frage nach der vom Berufungsgericht im Sinne des § 864 a ABGB angenommenen Unbeachtlichkeit des auf dem vom ungetreuen Angestellten verwendeten Quittungsformularblatt abgedruckten Hinweises ("gültig nur mit Unterschrift einer mit Inkassovollmacht ausgestatteten Person") stellt sich nicht, denn entweder ist eine zur Empfangnahme namens der Klägerin berechtigende Anscheinsvollmacht anzunehmen (dann wäre der Vorbehalt schon nach seinem Inhalt gegenstandslos) oder nicht. Die Frage der Gutgläubigkeit des Beklagten stellt sich nach den hiemit den Vorinstanzen überbundenen Rechtsansichten zunächst im Zusammenhang mit der Redlichkeit des Beklagten bei der Verwendung der im Eigentum der Klägerin verbliebenen Baustoffe zum Neubau des Hauses (§ 417 ABGB); dann aber auch bei der Schutzwürdigkeit des Beklagten in seinem konkret festzustellenden Vertrauen auf einen unter dem Gesichtspunkt der Anscheinsvollmacht von der Klägerin etwa zu vertretenden Sachverhalt.

Eine etwa einseitig beim Beklagten vorhanden gewesene, aber auch bei der Klägerin unterstellte oder sogar gemeinsam besprochene Absicht zur Steuerhinterziehung oder auch zur Nutznießung aus einem wettbewerbswidrigen Verhalten der Klägerin stellte kein absolutes Hindernis gegen die Annahme eines gerechtfertigten Vertrauens des Beklagten darauf dar, daß ein Kauf im Sinne der vom ungetreuen Angestellten der Klägerin mitgeteilten Preisbestimmungen zustandegekommen und ein solcher Kauf Titel zum Eigentumsübergang an den Baustoffen gewesen sei oder auch, daß die Klägerin ihren ungetreuen Angestellten mit Inkassovollmacht ausgestattet habe. Die sich aus der rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilung des ungetreuen Angestellten der Klägerin wegen Verbrechens der Veruntreuung ergebenden Bedenken gegen ein Forderungsrecht der Klägerin gegen den Beklagten sind nach der oben wiedergegebenen Begründung des strafgerichtlichen Erkenntnisses hinfällig, weil jede aus dem Spruch des Straferkenntnisses zu folgernde Bindung nach § 268 ZPO an die aus dem der Verurteilung zugrundegelegten Sachverhalt zu erschließende Person des Geschädigten dort entfällt, wo in den Entscheidungsgründen ausdrücklich dargelegt wurde, es sei nicht geklärt worden, ob der Schaden bei dem einen (Dienstgeber des Angeklagten) oder bei den anderen (Kunden des Dienstgebers) Beteiligten eingetreten sei.

Aus den dargelegten Erwägungen liegen Feststellungsmängel einerseits zur Höhe des vom Beklagten infolge seiner durch rechtsgrundlose Verwendung der von der Klägerin angelieferten Baustoffe herbeigeführten Bereicherung zu leistenden Wertersatzes und andererseits zu einer der Klägerin zurechenbaren Veranlassung eines Sachverhaltes vor, aus dem eine dem ungetreuen Angestellten erteilte Inkassovollmacht zu folgern gewesen wäre und auf die der Beklagte bei seiner ersten Leistung vertrauen durfte und auch tatsächlich vertraut hat.

In Stattgebung der außerordentlichen Revision waren daher das angefochtene Urteil in seinem abändernden Teil und das erstinstanzliche Urteil in dessen abgeänderten Teil aufzuheben; in diesem Umfang war die Rechtssache zur Ergänzung der Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Prozeßgericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Die Atssprüche des Berufungsgerichtes über den Ersatz der Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz waren als Teilentscheidung aufrechtzuerhalten (§ 52 ZPO), wobei die endgültige Kostenentscheidung dem Endurteil vorbehalten bleiben muß, mit dem auch über die Kosten des Revisionsverfahrens nach dem Ergebnis des zu ergänzenden Verfahrens zu entscheiden sein wird.

Anmerkung

E10746

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00552.87.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19870326_OGH0002_0060OB00552_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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