TE OGH 1987/3/26 6Ob541/87

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Veröffentlicht am 26.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Resch, Dr.Schobel, Dr.Schlosser und Mag.Engelmaier als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*** Industriemontagen Gesellschaft m.b.H., Salzburg, Schillinghofstraße 36a, vertreten durch Dr.Wilfried Haslauer, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei G*** Torsysteme Gesellschaft m.b.H., Fischach, Bahnhofstraße 8, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr.Walter Vavrovsky, Dr.Hartmut Ramsauer, Dr.Karl Ludwig Vavrovsky und Dr.Rudolf Wöran, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen Feststellung (Streitwert 1 Mio. S), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 28.November 1986, GZ 5 R 170/86-17, womit der Beschluß des Landesgerichtes Salzburg vom 18.Juni 1986, GZ 14 Cg 411/85-13, abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird insoweit zurückgewiesen, als in ihm eine selbständige Anfechtung der zweitinstanzlichen Kostenentscheidung enthalten ist.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs nicht stattgegeben. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 19.587,15 bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens (darin enthalten an S 1.780,65 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Prozeßparteien sind eine Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Bayern und eine Gesellschaft m.b.H. mit dem Sitz in Salzburg. Die bayerische Gesellschaft hatte beim Erstgericht gegen die Salzburger Gesellschaft eine Klage auf restliches Entgelt für Leistungen zu einem Fabriksbau in Libyen angebracht. Diese Klage wurde der Salzburger Gesellschaft am 8.März 1985 zugestellt, das Verfahren über diese Klage ist seit dem in der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 4.Juli 1985 verkündeten Beschluß auf Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung anhängig.

Am 10.Juli 1985 machte die Salzburger Gesellschaft gegen die bayerische Gesellschaft eine Klage auf Feststellung der Pflicht zur Schadloshaltung und zur Ersatzleistung für Leistungs- oder Zahlungsansprüche, die an die Salzburger Gesellschaft wegen mangelhafter Erfüllung eines Lieferauftrages zu einem Fabriksbau in Weißrußland herangetragen werden sollten. Die Salzburger Gesellschaft gründete die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes in ihrer Klage auf den Gerichtsstand des Erfüllungsortes sowie, im Hinblick auf den gegen sie eingeklagten, von ihr aber bestrittenen Anspruch der bayerischen Gesellschaft auf den Gerichtsstand des Vermögens.

In diesem zweiten Rechtsstreit über die Feststellungsklage der Salzburger Gesellschaft erhob die bayerische Gesellschaft als Beklagte "die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtsweges, da ein Gerichtsstand in Österreich nicht gegeben" sei.

Hierauf stützte die Klägerin die Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes mit Rücksicht auf den über die Klage der bayerischen Gesellschaft anhängigen Rechtsstreit zusätzlich auf den Gerichtsstand der Widerklage. Dazu behauptete die Klägerin, ihr Feststellungsanspruch und die von der Beklagten gegen sie klageweise verfolgten Zahlungsansprüche stünden insofern in einem engen tatsächlichen, rechtlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang, als sowohl im Fall der libyschen als auch der weißrussischen Fabriksanlage derselbe Generalunternehmer die Salzburger Gesellschaft als Subunternehmer und diese die bayerische Gesellschaft als ihren Subunternehmer herangezogen und die Streitteile über beide Subaufträge gemeinsam verhandelt hätten. Die Beklagte gestand zu, sowohl zum libyschen als auch zum weißrussischen Fabriksbauprojekt von der Klägerin als deren Subunternehmerin herangezogen worden zu sein und gleichzeitig Unterlagen für beide Projekte erhalten zu haben; sie vertrat aber die Ansicht, daß die mit den beiden gekreuzten Klagen verfolgten Ansprüche nicht nur auf unterschiedlichen Rechtsgründen beruhten, sondern sich auch nicht auf die gleichen rechtserzeugenden Tatsachen zurückführen ließen, ein für die Wertung der zweiten Klage als Widerklage erforderlicher enger Zusammenhang daher nicht vorliege. Das Erstgericht beschloß, über die Einrede des Mangels der inländischen Gerichtsbarkeit abgesondert zu verhandeln. In dieser Verhandlung behauptete die Klägerin eine gemeinsame rechtliche Vorgeschichte beider Klagsansprüche, insbesondere einen gemeinsamen Vertrag vom 15.April 1983 und zahlreiche, beide Aufträge behandelnde Besprechungen. Die Beklagte gestand als richtig zu, daß die Streitteile die - sich auf beide Aufträge beziehende - Vereinbarung im Sinne des so bezeichneten Vorvertrages vom 15.April 1983 (laut Beilage A) und dessen Ergänzung vom 13.Mai 1983 (Beilage B) getroffen haben.

Das Erstgericht legte seiner Beurteilung der Prozeßvoraussetzungen zugrunde, daß zwar die technischen Vorgaben für den von der Klägerin der Beklagten erteilten Subauftrag zum libyschen und zum weißrussischen Fabriksprojekt nach Größe und Ausführungsart der bestellten Einzelteile unterschieden waren, sich aber auf dieselbe Gattung von Produkten bezogen, die Streitteile am 15. April 1983 über die Zulieferungen der Beklagten zu beiden Projekten einen gemeinsamen Vorvertrag schlossen, in den folgenden Wochen technische Gespräche zu beiden Projekten führten und am 13. Mai 1985 über die Zulieferungen der Beklagten zu beiden Anlageprojekten einen Vertrag schlossen, wobei sie gesonderte Gesamtpauschalpreise für die Leistungen zu den beiden Projekten vereinbarten.

Daraus folge das Prozeßgericht, ein zur Begründung des Gerichtsstandes der Widerklage zureichender Zusammenhang der beiden Klagsansprüche läge wegen der bloß losen Berührungspunkte bei den Verhandlungen zu den beiden völlig verschiedenen Projekten nicht vor. Auch der Gerichtsstand des Vermögens werde durch den klageweise geltend gemachten Anspruch der bayerischen Gesellschaft gegen die Salzburger Gesellschaft nicht begründet, weil diese als Beklagte die gegen sie eingeklagte Forderung bestreite.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluß dahin ab, daß die Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit verworfen werde. Es ging von der Ansicht aus, daß bei vermögensrechtlichen Rechtsstreiten mangels positiver gesetzlicher Anordnung über die Unterwerfung unter die inländische Gerichtsbarkeit oder über deren Ausschluß die inländische Gerichtsbarkeit jedenfalls dann zu bejahen sei, wenn ein inländischer Gerichtsstand gegeben sei. Die Klägerin berufe sich zwar zur Begründung des Gerichtsstandes des Vermögens zu Unrecht auf die von der Beklagten gegen sie klageweise geltend gemachte restliche Entgeltforderung, weil die Klägerin den Bestand dieser gegen sie gerichteten Forderung bestreite, der Gerichtsstand der Widerklage sei aber entgegen der erstrichterlichen Ansicht gegeben.

Zur Begründung eines nach § 96 Abs 1 JN geforderten Zusammenhanges genüge mangels näherer gesetzlicher Bestimmung dieses Begriffes jede Art von Zusammenhang, auch ein rein wirtschaftlicher Zusammenhang der beiden Klagsansprüche reiche hin. Die festgestellte Einheit des Vorvertrages, der daran anschließenden technischen Gespräche und des Liefervertrages stellten einen nach § 96 JN zureichenden Zusammenhang her. Für die Klage der Salzburger Gesellschaft gegen die bayerische Gesellschaft sei beim Erstgericht der Gerichtsstand der Widerklage begründet und daher auch die inländische Gerichtsbarkeit.

Die beklagte Partei ficht die abändernde Rekursentscheidung, in der das Rekursgericht ausgesprochen hat, daß der Wert des Streitgegenstandes 300.0000 S übersteigt, mit einem auf Stattgebung ihrer Prozeßeinrede zielenden Abänderungsantrag an. Die klagende Partei strebt die Bestätigung des angefochtenen Beschlusses an.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist in der Hauptsache nicht berechtigt.

Die inländische Gerichtsbarkeit ist eine nach ihrer Funktion von der örtlichen Zuständigkeit zu trennende Prozeßvoraussetzung. Beide Prozeßvoraussetzungen haben gemeinsam, daß sie auf Nahebeziehungen der den Verfahrensgegenstand charakterisierenden Elemente zu einem bestimmten Staatsgebiet oder Teil eines solchen abstellen. Diesen Kriterien ist aber nach den unterschiedlichen Aufgaben der beiden Institutionen auch ein unterschiedliches Gewicht beizulegen. Das Vorliegen einer gerichtsstandsbegründenden Nahebeziehung des Verfahrensgegestandes zu einem im Inland gelegenen Ort vermag die Unterwerfung des Verfahrensgegenstandes unter die inländische Gerichtsbarkeit nicht als solche zu begründen, sondern nur zu indizieren. Die Anrufung eines Gerichtes durch eine Prozeßpartei kann nun als Unterwerfung unter dessen JurisriKtion nicht bloß hinsichtlich des Verfahrensgegenstandes sondern auch hinsichtlich der im Sinne des § 96 JN präjudiziellen, konnexen oder kompensablen Ansprüche fingiert werden und im Zusammenhang mit der Anrufung desselben Gerichtes durch den Prozeßgegner in allen Fällen als gerichtsstandsbegründend angesehen werden, in denen auch eine Gerichtsstandsvereinbarung die inländische Gerichtsbarkeit zu begründen vermöchte. In diesem Sinne indiziert auch nach Fasching (Zivilprozeßrecht Rz 76) der Gerichtsstand der Widerklage das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit.

Das Rekursgericht hat zutreffend erkannt, daß die festgestellte inhaltliche Parallelität bei der formalen Einheit des Geschäftsabschlusses zwischen den Streitteilen über die vereinbarten Leistungen zu den beiden räumlich und zeitlich unabhängig voneinander auszuführenden Zulieferungen einen für die Begründung des Gerichtsstandes nach § 96 JN zureichenden Sachzusammenhang der mit den wechselseitigen Klagen erhobenen Ansprüche herstellt, weil schon ein rein wirtschaftlicher Zusammenhang genügt (Fasching, Komm.I 469 in Anm.3 lit a zu § 96 JN; ebenso in Zivilprozeßrecht Rz 1304; vgl. auch EvBl 1973/160 und 1979/138). Die von er beklagten Partei vertretene Auslegung ist zu eng (vgl. insbesondere die in den EB, Mat.I, 81 dargelegte Ansicht).

Dem Revisionsrekurs war daher in der Hauptsache nicht stattzugeben.

Die Rechtsmittelausführungen zu Punkt 2 stellen auch ohne formalen Rechtsmittelantrag eine in sich geschlossene Anfechtung der rekursgerichtlichen Kostenbestimmung dar. Einer solchen Anfechtung steht aber der Rekursausschluß nach § 528 Abs 1 Z 2 ZPO entgegen. Insofern war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens, das einen Zwischenstreit über die erhobene Prozeßeinrede beendete, beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10754

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00541.87.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19870326_OGH0002_0060OB00541_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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