TE Vwgh Erkenntnis 2005/9/6 2001/03/0166

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Veröffentlicht am 06.09.2005
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs1 idF 32000R0609;
32000R0609 Nov-31994R3298;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §44a Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer sowie die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des YF in I, Türkei, vertreten durch Mag. Dr. Bernhard Böhler, Rechtsanwalt in 6300 Wörgl, Bahnhofsplatz 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 5. April 2001, VwSen-110168/7/SR/Ka, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 16. August 2000 um 21.30 Uhr auf der Innkreisautobahn A 8, bei Strkm 75,400, Gemeindegebiet Suben, als Fahrer eines näher bezeichneten Lastkraftwagens gewerbsmäßig einen Straßengütertransitverkehr durch Österreich (Ausgangspunkt: Türkei, Zielpunkt: Deutschland), für welchen Ökopunkte benötigt worden seien, durchgeführt, ohne

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ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt oder

-

ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht habe und als Umweltdatenträger ("ecotag") bezeichnet werde, mitgeführt zu haben (der im Lastkraftwagen eingebaute Umweltdatenträger - "ecotag" - mit der Identifikationsnummer 1234114892 sei so eingestellt gewesen, dass ersichtlich gewesen sei, "dass vor der Einfahrt in österreichisches Bundesgebiet keine Transitfahrt durchgeführt wird", sodass keine automatische Entwertung der Anzahl von Ökopunkten, die den auf dem Umweltdatenträger des Fahrzeuges gespeicherten Angaben über die Nox-Emissionen entsprochen hätte, ermöglicht worden sei).

Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593 idF BGBl. I Nr. 17/1998 iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und b und Art. 5 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 vom 21. Dezember 1994 idF der VO (EG) Nr. 1524/96 vom 30. Juni 1996 und der VO (EG) Nr. 609/2000 verletzt; über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 Einleitungssatz und Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593 idF BGBl. I Nr. 17/1998, eine Strafe von S 20.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 67 Stunden, verhängt.

Weiters wurde gemäß § 37 Abs. 5 VStG verfügt, dass die am 17. August 2000 von den Aufsichtsorganen der Zollwacheabteilung Achleiten/MÜG eingehobene vorläufige Sicherheit nach § 37a Abs. 1 und Abs. 2 Z. 2 VStG iVm § 24 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 idF BGBl. I Nr. 17/1998, im Betrag von S 20.000,-- für verfallen erklärt werde.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer einen gewerbsmäßigen Straßengütertransitverkehr durch Österreich durchgeführt habe. Die erforderlichen Ökopunkte seien nicht abgebucht worden, weil der Beschwerdeführer auf Grund mangelhafter Einschulung seitens des Arbeitgebers auf "nicht punktepflichtige Bilateralfahrt" umgestellt habe. Das Ökopunktesystem basiere nicht auf einer nur in Österreich geltenden Rechtsvorschrift, die außerhalb Österreichs gänzlich unbekannt wäre; bei pflichtgemäßer Aufmerksamkeit hätte der Beschwerdeführer daher die strafbare Handlung als solche zu erkennen vermocht. Es müsse von einem eine Transitfahrt mit einem Lkw durchführenden Lenker verlangt werden, sich mit den einschlägigen Rechtsnormen vertraut zu machen. Hiezu genüge es nicht, sich bloß auf Auskünfte seines Arbeitgebers zu verlassen. Dem Beschwerdeführer wäre es vielmehr oblegen, sich etwa durch eine Anfrage bei den zuständigen österreichischen Behörden oder auf andere geeignete Weise über den aktuellen Stand der für die Durchführung einer Transitfahrt in Österreich maßgebenden Vorschriften zu informieren.

Da der Frächter das Ökopunktekonto überzogen habe und deshalb gesperrt gewesen sei, seien dem Beschwerdeführer die für die beabsichtigte Transitfahrt erforderlichen Ökopunkte nicht zur Verfügung gestanden. Der Beschwerdeführer hätte deshalb von der Durchführung der Fahrt Abstand nehmen müssen.

Den Ausführungen des Beschwerdeführers, dass ihm die Instruktionen des Arbeitgebers als ausreichend erschienen seien und er von weiteren Erkundigungen Abstand genommen habe, um ein Missverhältnis zwischen ihm und dem Arbeitgeber nicht aufkommen zu lassen, könne im Hinblick auf die weit gehenden Verpflichtungen (eines Lenkers) nicht gefolgt werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid (nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers lediglich gegen die Bestrafung wegen Übertretung des GütbefG) gerichtete Beschwerde nach Vorlage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens und der Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer stellt nicht in Abrede, dass er eine Transitfahrt unternommen habe und dass es zu keiner Abbuchung der Ökopunkte durch den in dem von ihm gelenkten Fahrzeug eingebauten Umweltdatenträger gekommen sei. Er bestreitet auch nicht, dass der Umweltdatenträger bei der anlässlich der Anhaltung vorgenommenen Kontrolle die Deklaration "ökopunktebefreite Fahrt" aufgewiesen habe.

Bei diesem Sachverhalt begegnet daher die Annahme keinen Bedenken, dass der Umweltdatenträger bei der vom Beschwerdeführer durchgeführten Transitfahrt i.S. von Art. 1 Abs. 1 lit. b iVm Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 idF der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 und der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 nicht benutzt wurde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0089). Da ferner unbestritten ist, dass auch die Tatbestände der lit. a, c und d des Art. 1 Abs. 1 der genannten Verordnung nicht gegeben waren, konnte die belangte Behörde ohne Rechtsirrtum von der Erfüllung des objektiven Tatbestandes der dem Beschwerdeführer angelasteten Verwaltungsübertretung ausgehen.

Soweit sich der Beschwerdeführer mit seinem Vorbringen gegen die Auffassung der belangten Behörde, die ihm angelastete Tat sei ihm auch in subjektiver Hinsicht vorzuwerfen, wendet, ist ihm zu entgegnen, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, Zl. 2001/03/0184) der Lenker eines Lastkraftwagens im Fall der beabsichtigten Benutzung eines Umweltdatenträgers (Ecotag) bei der Einreise in das Hoheitsgebiet Österreichs verpflichtet ist, sich so zu verhalten, dass eine automatische Abbuchung auch tatsächlich vorgenommen werden kann. Der Beschwerde ist jedoch kein taugliches Vorbringen im Sinn des § 5 Abs. 1 2. Satz VStG zur Glaubhaftmachung, dass den Beschwerdeführer an der vorliegenden als Ungehorsamsdelikt zu qualifizierenden Verwaltungsübertretung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. August 1999, Zl. 99/03/0309) kein Verschulden treffe, zu entnehmen, zumal er lediglich ausgeführt hat, dass er vor Antritt der Transitfahrt durch ein Gespräch mit seinem Dienstgeber "eingeschult" worden sei. Allerdings legt der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise dar, dass er sich vor Antritt der Transitfahrt von der ordnungsgemäßen Handhabung des zur Verwendung vorgesehenen Ecotag vergewissert oder nachgefragt habe, ob ausreichend Ökopunkte vorhanden seien. Vor diesem Hintergrund kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie zur Auffassung gelangte, dass der Beschwerdeführer die ihm vorgeworfene Übertretung auch in subjektiver Hinsicht zu verantworten habe.

Der Beschwerdeführer ist auch nicht im Recht, wenn er geltend macht, dass in seinem Fall die Voraussetzungen des § 20 VStG gegeben seien. Mit seinem Hinweis, dass er seitens des Frachtführers falsch eingeschult worden sei und es nur so zu einer Übertretung der vorliegenden Verwaltungsvorschrift gekommen sei, macht er angesichts seiner Verpflichtung, sich mit den einschlägigen gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Funktionsweise eines Umweltdatenträgers vertraut zu machen, keinen Milderungsgrund geltend, der im vorliegenden Fall zum Tragen kommen kann. Der damit von der belangten Behörde einzige zu berücksichtigende Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit kann aber auch bei Fehlen von Erschwerungsgründen noch kein beträchtliches Überwiegen der Milderungsgründe über die Erschwerungsgründe im Sinn des § 20 VStG bedeuten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 2000, Zl. 2000/03/0046).

Im Hinblick auf den Ausspruch über die Strafe und die Kosten des Berufungsverfahrens liegt jedoch eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/2001 u.a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf Z. 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung daher nicht mehr anzuwenden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 2001/03/0412). Es ist somit eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand die Umsatzsteuer bereits enthalten ist.

Wien, am 6. September 2005

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2 Verwaltungsvorschrift Mängel im Spruch falsche Subsumtion der Tat

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2005:2001030166.X00

Im RIS seit

04.10.2005
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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