Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26.März 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer in der Strafsache gegen Sebastian H*** wegen des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 10.Dezember 1986, GZ 29 Vr 3802/86-17, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und des Verteidigers Dr. Schmidt, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 17.Jänner 1959 geborene Sebastian H*** (zu I) des Verbrechens der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB und (zu II) des Vergehens des Betruges nach § 146 StGB schuldig erkannt. Als versuchte schwere Nötigung liegt ihm zur Last, am 12.Juni 1986 in Stumm versucht zu haben, den Taxilenker Franz B*** durch die Äußerung, im Falle einer Anzeigeerstattung (wegen der von Punkt II 2 des Urteilsspruchs erfaßten betrügerischen Verleitung zu Fuhrleistungen im Gegenwert von 270 S) ließe er ihn erschießen, mithin durch gefährliche Drohung mit dem Tod, zur Unterlassung der Anzeigeerstattung zu nötigen. Der Schuldspruch wegen des Vergehens nach § 146 StGB betrifft drei Taxibetrügereien und einen Zechbetrug mit einer Gesamtschadenssumme von 2.740 S.
Rechtliche Beurteilung
Nur den Schuldspruch wegen Verbrechens der versuchten schweren Nötigung bekämpft der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs. 1 Z 5 und 9 lit. a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Der die Mängelrüge einleitende Vorwurf undeutlicher, unvollständiger bzw. offenbar unzureichender Begründung der Urteilsfeststellung, wonach der Zeuge Franz B*** die inkriminierte Drohung zwar ernstgenommen, sich jedoch von einer Anzeigeerstattung nicht abhalten lassen habe, erweist sich schon deshalb als nicht zielführend, weil er keine im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO entscheidende Tatsache betrifft. Kommt es doch bei der schweren Nötigung nach § 106 Abs. 1 StGB (wie beim Grundtatbestand der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB) nicht darauf an, daß bei dem Bedrohten tatsächlich derartige Besorgnis erweckt wird. Von ausschlaggebender Bedeutung ist vielmehr, daß die Drohung unter Anlegung eines Durchschnittsmaßstabs ernstgemeint erscheint und mithin objektiv geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 18 zu § 74). Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang eine Erörterung der seiner Meinung nach aus der relativen Geringfügigkeit des Tatanlasses folgenden Unverhältnismäßigkeit des angedrohten Übels sowie seiner tataktuellen Alkoholisierung als gegen die "Ernsthaftigkeit" der Bedrohung des Tatopfers sprechende Indizien vermißt und solcherart sinngemäß Unvollständigkeit der Urteilsbegründung zur inneren Tatseite geltend macht, kann ihm nicht gefolgt werden. Die alkoholisierungsbedingt beeinträchtigte Verfassung des Angeklagten zur Tatzeit und die Belgeitumstände der in Rede stehenden Drohung sind vom Erstgericht keineswegs mit Stillschweigen übergangen und die vom Beschwerdeführer relevierten Sachverhaltskomponenten ohnehin in die dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegenden Erwägungen miteinbezogen worden (vgl. Urteilsseiten 7 und 8).
Dem Urteil haftet aber auch insoweit kein formeller Begründungsmangel in der Bedeutung des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO an, als die Feststellungen zur inneren Tatseite des Verbrechens der (versuchten) schweren Nötigung nicht nur auf die Aussage des Zeugen Franz B***, sondern auch auf die geständige Verantwortung des Angeklagten im Vorverfahren sowie in der Hauptverhandlung gestützt werden. Hat doch der Angeklagte im Vorverfahren sein Geständnis noch dahingehend bekräftigt, würde es ihm nicht an einer Feuerwaffe mangeln, würde er den Taxilenker "auch heute noch umbringen" (vgl. S 26), und auch in der Hauptverhandlung hat er die Richtigkeit der bezüglichen Protokollierung ebenso zugestanden wie seine Schuld "im Sinne der Anklageschrift" (vgl. S 65). Daß der Angeklagte in der Hauptverhandlung (erstmals) von Anfang an gehegte Zweifel an der (unbestrittenermaßen von ihm angestrebten) Effizienz der geäußerten Drohung zum Ausdruck brachte, widerspricht keineswegs der grundsätzlich geständigen Verfahrenseinlassung des Angeklagten und konnte ohne Erörterung in der Urteilsbegründung auf sich beruhen, weil der subjektiven Prognose des Täters in bezug auf die Erreichbarkeit der (mit dem erklärten Tatziel der Hintanhaltung einer Strafanzeige zwangsläufig verbundenen) nachhaltigen Einschüchterung des Tatopfers im Rahmen der (ausschließlich an objektiven Maßstäben zu orientierenden) Prüfung der deliktsspezifischen Eignung des Tatverhaltens keine Bedeutung zukommt.
Soweit die dem angefochtenen Schuldspruch zugrundeliegende Annahme dieser Eignung unter dem Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. a StPO bekämpft wird, kann der Beschwerdeargumentation erneut nicht gefolgt werden. Richtig ist, daß bei Beurteilung der objektiven Eignung einer Drohung, dem Bedrohten begründete Besorgnisse einzuflößen, auf die Verhältnisse (Begleitumstände der Tat) und auf die persönliche Beschaffenheit des Bedrohten oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels Bedacht zu nehmen ist. Eine entsprechende umfassende Prüfung der gegebenen Fallkonstellation führt jedoch keineswegs zu dem vom Beschwerdeführer reklamierten Ergebnis. Weder eine alkoholisierungsbedingte Enthemmung des Angeklagten zur Tatzeit noch der Umstand, daß es dem Genannten offenkundig an jedwedem (zur Verwirklichung des angedrohten Übels ausreichenden) finanziellen Rückhalt ermangelte, bilden Kriterien, die bei unbefangener Betrachtung der Tatsituation beim Bedrohten - der als Taxilenker zu einer Berufsgruppe gehört, die ein besonders hohes Sicherheitsrisiko zu tragen hat und deren Angehörige sich dessen auch bewußt sind - den Eindruck entkräften konnten, der Angeklagte sei auch in der Lage und willens, die geäußerte Drohung gegebenenfalls zu verwirklichen. Demgegenüber bleibt es bei der Beurteilung der objektiven Deliktseignung der in Rede stehenden Drohung ohne ausschlaggebende Bedeutung, daß die Zufügung des vom Angeklagten angedrohten Übels nicht unmittelbar bevorstand, weil eine Imminenz der Drohung (anders als etwa beim Raub) nicht zu den Tatbestandsmerkmalen der (schweren) Nötigung zählt, es vielmehr gerade dem Wesen dieses Deliktstypus entspricht, die angekündigte Verwirklichung der Drohung noch vom Eintritt bestimmter Bedingungen abhängig zu machen. Der Beschwerdeauffassung zuwider erfüllt mithin das von Punkt I des Schuldspruchs erfaßte Tatverhalten sämtliche Voraussetzungen der Deliktseignung im Sinn der §§ 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 StGB.
Mit dem weiteren Einwand, dem angefochtenen Urteil fehlten Feststellungen darüber, daß der Tätervorsatz eine die Furcht um das eigene Leben einschließende Beunruhigung des Tatopfers mitumfaßt habe, setzt sich der Beschwerdeführer über die bezüglichen Konstatierungen (s. Urteilsseiten 7 und 9) hinweg und bringt den angerufenen materiellen Nichtigkeitsgrund solcherart nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung.
Aus den aufgezeigten Gründen war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 106 Abs. 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe von neun Monaten. Es wertete bei der Strafbemessung die Vorstrafe wegen Betruges, die Wiederholung dieses Deliktes, den raschen Rückfall und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen als erschwerend, hingegen das volle und reumütige Geständnis und den Umstand, daß die schwere Nötigung nur bis in das Versuchsstadium gediehen war, als mildernd.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an.
Auch diesem Rechtsmittel kommt Berechtigung nicht zu:
Daß der Angeklagte das Nötigungsdelikt nicht als "harmloser Prahler" beging, wurde bereits bei Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargetan.
Von "jeweils" geringen Schadensbeträgen bei den einzelnen Betrügereien kann schon wegen der hier anzuwendenden Zusammenrechnungsregel des § 29 StGB nicht mit Fug gesprochen werden. Der beim Betrug eingetretene Gesamtschaden von 2.740 S ist aber im Verhältnis zur (hier maßgebenden, 5.000 S betragenden) Wertgrenze des § 147 Abs. 2 StGB keinesfalls so geringfügig, daß er einen Milderungsumstand begründen könnte. Daß die Tatbegehung unter Alkoholeinfluß sich im vorliegenden Fall nicht als schuldmildernd auszuwirken vermögen, hat das Erstgericht unter zutreffender Auslegung der Bestimmung des § 35 StGB hinreichend begründet (s. S 80).
Eine "psychopathische Neigung zur Prahlerei" in der Bedeutung des § 34 Z 1 StGB ist den Akten nicht zu entnehmen. Es handelt sich hiebei um eine unsubstantiierte Behauptung des Berufungswerbers. Auf der Grundlage der vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten und gewürdigten Strafzumessungsgründe erweist sich die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe - vor allem auch unter Hinweis auf die Vorstrafenbelastung wegen Eigentumsdelikten - nicht als reduktionsbedürftig.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die im Urteilsspruch zitierte Gesetzesstelle.
Anmerkung
E10452European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00016.87.0326.000Dokumentnummer
JJT_19870326_OGH0002_0120OS00016_8700000_000