Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Peter W*** sen., Unternehmer, 2.) Josefine W***, Unternehmerin, beide Spittal/Drau, Villacherstraße 12, beide vertreten durch Dr. Walter Moser, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei R*** S***/D***, registrierte Genossenschaft mbH, Spittal/Drau, Burgplatz 2, vertreten durch Dr. Hannes Hammerschmidt, Rechtsanwalt in Spittal/Drau, wegen Abgabe einer Willenserklärung (Streitwert 100.000 S) infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 7. November 1986, GZ 7 R 160/86-13, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 18. Juni 1986, GZ 20 Cg 86/86-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.668,18 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 424,38 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Peter W*** jun. war Eigentümer der Liegenschaften EZ 148 KG Spittal/Drau mit dem Wohn- und Geschäftshaus Villacherstraße Nr. 6 und der Liegenschaft EZ 1117 derselben Katastralgemeinde mit dem Wohn- und Geschäftshaus Villacherstraße Nr. 4. Die beiden Häuser grenzen aneinander. Das Haus Villacherstraße Nr. 4 verfügt über eine Zentralheizungsanlage, durch die auch Teile des Hauses Villacherstraße Nr. 6 beheizt wurden. Beide Liegenschaften wurden zwangsweise versteigert. Die Liegenschaft EZ 148 (mit dem Haus Nr. 6) wurde am 6. Dezember 1984 je zur Hälfte den Klägern, die Liegenschaft EZ 1117 (mit dem Haus Nr. 4) am 22. Juli 1985 der beklagten Partei zugeschlagen.
Die Kläger begehren die Einwilligung der beklagten Partei zur Einverleibung der Dienstbarkeit des Wärmebezuges aus der im Keller des Hauses Villacherstraße Nr. 4 gelegenen Zentralheizungsanlage zugunsten der jeweiligen Eigentümer der Liegenschaft EZ 148. Nach ihrem Standpunkt sei durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums an den beiden Liegenschaften eine Dienstbarkeit entstanden, die offenkundig gewesen sei. Die beklagte Partei habe die Ausübung auch durch längere Zeit geduldet.
Die beklagte Partei bestreitet das Vorliegen einer Dienstbarkeit und deren Offenkundigkeit. Nach ihrer Auffassung übernehme der Ersteher nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten. Eine selbst offenkundige, jedoch nicht verbücherte Dienstbarkeit, die nicht durch Ersitzung erworben worden sei, habe der Ersteher nicht zu übernehmen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte fest, daß Peter W*** jun. die Zentralheizungsanlage in den Siebzigerjahren errichtete. Im Schätzungsgutachten beider Liegenschaften ist festgehalten, daß die Beheizung des Hauses Villacherstraße Nr. 6 durch die Zentralheizungsanlage des Hauses Villacherstraße Nr. 4 erfolgt. In den Versteigerungsbedingungen scheint dies jedoch nicht auf. Die Vertreter der beklagten Partei haben das Haus Villacherstraße Nr. 4 erstmals nach dem Zuschlag betreten. Das Haus Villacherstraße Nr. 6 haben sie nie betreten. Von außen war in keiner Weise ersichtlich, daß das Haus Villacherstraße Nr. 6 durch die Heizung des Hauses Villacherstraße Nr. 4 versorgt wird. Die beklagte Partei ist nicht bereit, die Beheizung des Hauses Villacherstraße Nr. 6 durch die Heizungsanlage des Hauses Villacherstraße Nr. 4 weiterhin zu dulden. Den Klägern wurde nach dem Zuschlag auch nie eine Zusage gemacht, daß die Beheizung ihres Hauses weiterhin vom Nachbarhaus erfolgen werde. Die Kläger haben eine Wohnung und Ordinationsräume an Dr. Hermann R*** vermietet. Hinsichtlich der Beheizung ist im Mietvertrag festgehalten, daß diese aus der zentralen Heizungsanlage des Hauses Villacherstraße Nr. 4 erfolgen wird. Sollte diese Heizungsmöglichkeit nicht mehr gewährleistet sein, sind die Kläger verpflichtet, eine gleichwertige Heizungsanlage einzurichten. Zwischen Dr. Hermann R*** und der beklagten Partei besteht eine unpräjudizielle Vereinbarung, wonach Dr. Hermann R*** einen Pauschalbetrag für die Beheizung entrichtet. Nach der Auffassung des Erstgerichtes sei dem Erwerb einer Liegenschaft im Wege der Zwangsversteigerung eine nicht verbücherte Dienstbarkeit dem Ersteher gegenüber wirkungslos, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten mit der Klage zur Geltendmachung der Dienstbarkeit durchgesetzt und exekutiv oder durch eine freiwillig ausgestellte Erklärung des Verpflichteten verbüchert worden sei.
Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteigt. Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, daß die Frage, ob und inwieweit der Ersteher eine offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeit gegen sich gelten lassen müsse, nicht einheitlich beantwortet werde. Ein Teil der Lehre und Rechtsprechung sei der Auffassung, der Ersteher übernehme nur die ihm in den Versteigerungsbedingungen auferlegten Lasten. Nach anderer Meinung seien offenkundige, nicht verbücherte Dienstbarkeiten vom Ersteher zu übernehmen, wenn sie bereits ersessen worden seien. Auf diese Rechtsmeinung könnten sich aber die Kläger nicht mit Erfolg berufen, weil von ihnen eine Ersitzung nicht einmal behauptet worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Kläger ist nicht berechtigt.
Nach der Meinung der Revisionswerber sei dem Klagebegehren schon deshalb stattzugeben, weil sogenannte offenkundige Dienstbarkeiten unmittelbar bei Teilung oder Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums an zwei Liegenschaften entstünden, wenn ein Grundstück offenbar dem anderen diene und weil derjenige, der einen gültigen Titel besitze, bei Offenkundigkeit der Dienstbarkeit trotz Nichtverbücherung geschützt sei. Die entscheidungswesentliche Frage ist jedoch hier, ob und wieweit der Ersteher bei einer Zwangsversteigerung eine offenkundige, jedoch nicht verbücherte Dienstbarkeit gegen sich wirken lassen und deshalb übernehmen muß. Diese Frage wird im Schrifttum und in der Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Heller-Berger-Stix Komm. zur EO 4, 1306, welchen Holzhammer, Zwangsvollstreckungsrecht 2 , 156 folgt, meinen, solche Rechte könnten zwar nicht nach § 170 Z 5 EO präkludiert werden, doch blieben sie dennoch dem Ersteher gegenüber wirkungslos, wenn sie nicht bis zur Versteigerung gegen den Verpflichteten klageweise durchgesetzt und exekutiv oder durch freiwillig ausgestellte Erklärung des Verpflichteten verbüchert wurden. Ehrenzweig, System 2 I/2, 344, meint, daß ersessene (aber nicht verbücherte) offenkundige Dienstbarkeiten im Falle der Zwangsversteigerung zwar nicht erlöschen, jedoch allen bücherlichen Rechten nachstünden, solange nicht ihr höheres Alter nachgewiesen sei (356). Klang (in Klang 2 VI 588) hält offenkundige Servituten dem Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren gegenüber für wirksam, sodaß sie dieser nach Maßgabe ihres Ranges, welcher sich nach dem Zeitpunkt der Vollendung der Ersitzung richte, zu übernehmen habe. Gschnitzer (Sachenrecht 154 f) steht auf dem Standpunkt, der Ersteher müsse nach § 150 Abs. 1 EO die dem betreibenden Gläubiger vorgehenden Dienstbarkeiten ohne Anrechnung auf das Meistbot übernehmen, doch müsse der Berechtigte bei offenkundigen nicht verbücherten Dienstbarkeiten das höhere Alter und den besseren Rang beweisen. Während Ehrenzweig und Klang ihre Ausführungen allein auf ersessene Servituten abstellen und den Zeitpunkt der vollendeten Ersitzung als rechtsbegründend und für den Rang maßgeblich ansehen, findet sich bei Gschnitzer eine derartige Einschränkung für nicht verbücherte Dienstbarkeiten nicht.
Auch die Rechtsprechung ist zu dieser Frage nicht einheitlich. Während ein Teil der Judikatur (SZ 50/120; 5 Ob 581/78; 3 Ob 601/79) der Auffassung von Heller-Berger-Stix folgt und der nicht verbücherten Dienstbarkeit dem Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren gegenüber keine Wirkung zubilligt, vertrat der Oberste Gerichtshof in GlUNF 7483 die Ansicht, der Ersteher habe ersessene, jedoch nicht verbücherte Servituten nach den von § 150 Abs. 1 EO für maßgeblich erklärten Rangverhältnissen zu übernehmen. Die Entscheidung SZ 56/105 schloß sich den Lehrmeinungen Ehrenzweigs und Klangs an: Offenkundige nicht verbücherte Dienstbarkeiten sind vom Ersteher zu übernehmen, wenn sie bereits ersessen sind. Diese Entscheidung hält es trotz ihrer deutlichen Einschränkung auf ersessene Servituten aber auch noch für denkbar, daß Dienstbarkeiten, die durch das Auseinanderfallen des bisher gleichen Eigentums am herrschenden und am dienenden Gut entstanden sind, in diesem Rang berücksichtigt werden. Zuletzt hat der Oberste Gerichtshof klargestellt, daß der Ersteher im Zwangsversteigerungsverfahren nicht verbücherte, jedoch offenkundige Dienstbarkeiten jedenfalls nur nach Maßgabe ihres durch den Begründungsakt (vollendete Ersitzung, Schaffung von Offenkundigkeit, nicht hingegen durch Vertrag) geschaffenen Ranges ohne oder in Anrechnung auf das Meistbot zu übernehmen hat (EvBl. 1985/174). Schon das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, daß sich die Kläger auf eine Ersitzung nicht berufen können und auch nicht berufen haben. Daß die von den Klägern behauptete Dienstbarkeit nach dem für sie geforderten Rang dem in bester Priorität stehenden betreibenden Gläubiger bzw. einem in noch besserem Rang befindlichen Pfandgläubiger vorgehe oder diesem im Range zwar nachfolge, aber doch im Meistbot Deckung gefunden habe, wurde von den Klägern gleichfalls nicht behauptet.
Zu Unrecht berufen sich die Kläger auch auf die Entscheidung GlUNF 7559. Dort wurde eine konkludente Zustimmung des Erstehers gemäß § 863 ABGB angenommen, weil dieser die Dienstbarkeit und deren Ausmaß schon vor der Versteigerung gekannt hatte und sich der fortgesetzten Ausübung durch den Berechtigten durch drei Jahre fügte. Im vorliegenden Fall hat die beklagte Partei schon nach den Behauptungen der Kläger im September 1985 zunächst die Heizung abgesperrt. Nach der unbekämpft gebliebenen Feststellung des Erstgerichtes ist die beklagte Partei nicht bereit, die Beheizung des Hauses Villacherstraße Nr. 6 durch ihre Heizungsanlage weiterhin zu dulden. Bei dieser Sachlage kann eine konkludente Zustimmung der beklagten Partei selbst unter Berücksichtigung des Umstandes nicht angenommen werden, daß die beklagte Partei in der Folge bis auf weiteres die Beheizung des Nachbarhauses duldete und "unpräjudiziell" mit einem Mieter der Kläger einen Pauschalbetrag für die Beheizung seines Bestandobjektes vereinbarte. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine Verpflichtung schlüssig eingegangen wurde, ist nämlich besondere Zurückhaltung geboten. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß ein Rechtsfolgewille in bestimmter Richtung vorliegt (MietSlg. 25.126/27; 1 Ob 555/82 ua). die beklagte Partei hat durch ihr Verhalten deutlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht gewillt ist, die von den Klägern behauptete Dienstbarkeit hinzunehmen und die vorübergehende Duldung nur bis zur Klärung der unterschiedlichen Rechtsstandpunkte erfolge.
Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10766European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00539.87.0326.000Dokumentnummer
JJT_19870326_OGH0002_0070OB00539_8700000_000