Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §37;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Handstanger, Dr. Berger, Dr. Lehofer und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des H D in S, vertreten durch DI Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Maxingstraße 34, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 2. April 2003, Zl. WA 270/2002, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde im Instanzenzug gegen den Beschwerdeführer gemäß § 12 Abs. 1 bis 3 und § 48 Waffengesetz 1996, BGBl. I Nr. 12/1997, (WaffG) ein Waffenverbot ausgesprochen.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers am 30. August 2002 gegen diesen Anzeige wegen Verdachtes der gefährlichen Drohung erstattet habe. Seit ca. 20 Jahren gehe der Beschwerdeführer gegen seine Ehegattin tätlich vor und bedrohe sie. Im April 2002 habe die Enkeltochter des Beschwerdeführers diesem versehentlich mit dem Finger ins Auge gegriffen, worauf der Beschwerdeführer die Beherrschung verloren habe und mit Füßen auf das Mädchen eingetreten und es leicht verletzt habe. Anzeige sei nicht erstattet worden. Am 24. August 2002 habe der Beschwerdeführer das Badezimmer betreten und seiner dort befindlichen Ehegattin wörtlich gesagt: "Wenn der R (das zweite Enkelkind des Beschwerdeführers) weg ist, bringe ich dich um". Davor habe die Ehegattin gehört, wie der Beschwerdeführer eine seiner Pistolen durchgeladen habe. Der Beschwerdeführer habe sich im Besitz zweier verbotener Waffen (1 Jagdgewehr mit Schalldämpfer und 1 Pumpgun) befunden, bei der nach seiner Verhaftung durchgeführten Hausdurchsuchung seien 1 Sportpistole, 1 Revolver, 1 Faustfeuerwaffe Marke GLOCK, 1 Faustfeuerwaffe Marke Walther PPK, 1 Kleinkalibergewehr mit Schalldämpfer, 1 Pumpgun (auf dem Dachboden seien 50 Stück Munition aufgefunden worden) sowie 1 Sportschützenluftdruckgewehr sowie insgesamt 1.765 Schuss Munition diverser Fabrikate sichergestellt worden. Beim Kleinkalibergewehr mit Schalldämpfer und der Pumpgun handle es sich um verbotene Waffen, für die der Beschwerdeführer keine Ausnahmebewilligung besitze. Der Beschwerdeführer habe zudem bei seiner niederschriftlichen Befragung am Gendarmerieposten Knittelfeld angegeben, eine kleine Pistole am Dachboden versteckt zu haben, diese aber - "wenn er so nachdenke" - weggeworfen zu haben.
Seitens der belangten Behörde werde den Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers, welche die Anzeige unmittelbar nach der Drohung erstattet habe, mehr Glauben geschenkt als den Behauptungen des Beschwerdeführers, die als Schutzbehauptungen gewertet würden.
Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes lägen Tatsachen vor, die die Annahme rechtfertigten, der Beschwerdeführer könnte durch missbräuchliche Verwendung von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden. Dabei sei es gleichgültig, ob der Beschwerdeführer wegen dieser Tatsache strafgerichtlich verfolgt oder verurteilt worden sei. Der Verwertung der Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers stehe nicht entgegen, dass diese die Ermächtigung zur gerichtlichen Strafverfolgung zurückgezogen habe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 12 WaffG hat die Behörde einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbrächliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte.
2. Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der im § 12 Abs 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Dabei genügt es, wenn konkrete Umstände vorliegen, die die Besorgnis erwecken, dass von der Waffe ein gesetz- oder zweckwidriger Gebrauch gemacht werden könnte. Hierbei ist nach dem dem Waffengesetz allgemein innewohnenden Schutzzweck ein strenger Maßstab anzulegen. Der Verbotstatbestand des § 12 Abs 1 WaffG setzt lediglich voraus, dass auf Grund objektiver Sachverhaltsmerkmale eine qualifiziert rechtswidrige Verwendung von Waffen zu befürchten ist. Liegt diese Voraussetzung vor, so hat die Behörde nach § 12 Abs 1 WaffG vorzugehen und ein Waffenverbot auszusprechen, ohne dass ein bisher untadeliges Vorleben dem entgegenstünde. Wesentlich ist, dass dem Betroffenen die missbräuchliche Verwendung von Waffen zuzutrauen ist (vgl das hg Erkenntnis vom 8. Juni 2005, Zl 2005/03/0012, mwN).
Die Bedrohung einer Person mit dem Erschießen stellt eine "konkrete Tatsache" iS des § 12 WaffG dar, die durchaus eine für die Beurteilung der Voraussetzungen eines Waffenverbotes relevantes Bild von der Persönlichkeit seines Menschen vermitteln kann und wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotentials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag (vgl das hg Erkenntnis vom 19. Februar 2004, Zl 2000/20/0377, mwN).
3. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde ihre Annahme im Wesentlichen auf einen Vorfall gestützt, bei dem der Beschwerdeführer seine Ehegattin mit den Erschießen bedroht habe, nachdem er eine Pistole durchgeladen habe. Hinzu komme, dass der Beschwerdeführer gegen seine Ehegattin seit 20 Jahren tätlich vorgehe und kurz vor diesem Vorfall auf seine Enkeltochter mit Füßen eingetreten habe.
Diesen Sachverhalt hat die Behörde auf Grund der ihrer Auffassung nach glaubwürdigeren Aussage der Ehegattin des Beschwerdeführers anläßlich der Anzeigeerstattung wenige Tage nach dem Vorfall festgestellt.
4. Der Beschwerdeführer bestreitet diesen Sachverhalt und rügt als Verfahrensmängel, die belangte Behörde habe seine Beweisanträge auf Einholung eines medizinischen Gutachtens über das Hörvermögen seiner Ehegattin sowie ein lärmtechnisches Gutachten über die Lautstärke eines Lade- und Repetiervorganges bei den Faustfeuerwaffen des Beschwerdeführers nicht beachtet. Der Beschwerdeführer habe hiezu in seiner Berufung vorgebracht, seine Ehegattin sei ziemlich schwerhörig, aber "bloß zu eitel", um ein Hörgerät zu tragen. Sie hätte daher das nicht sehr laute Geräusch des Ladens oder Repetierens der Waffe nicht hören können. Wäre die Behörde den Beweisanträgen des Beschwerdeführers gefolgt, so hätte sie feststellen müssen, dass die Ehegattin des Beschwerdeführers "zumindest in diesem Teilbereich" die Unwahrheit angegeben habe. Damit hätten aber auch die anderen Angaben seiner Ehegattin anders beurteilt werden müssen. Zudem hätte die Entschlagung seiner Ehegattin sowie seiner Tochter, im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer auszusagen, sowie auch die Zurückziehung der Ermächtigung zur Strafverfolgung Zweifel an der Richtigkeit der ursprünglichen Aussage wecken müssen. Das bloße "Faktum der Anzeigeerhebung" könne einem "rechtskräftigen Schuldspruch nicht gleichgesetzt" werden. Die Behörde habe sich auch mit dem im gerichtlichen Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachten nicht auseinander gesetzt, nach welchem beim Beschwerdeführer "keine normabweichende Aggressionstendenz" bestehe sowie eine "überdurchschnittliche Fremdaggressionstendenz" nicht feststellbar sei. Die belangte Behörde habe es auch unterlassen, den Beschwerdeführer im Rahmen des Parteiengehörs zu hören. Auch sei es unzulässig, die "Verurteilung" ausschließlich oder überwiegend auf frühere Aussagen von sich der Aussage im Strafverfahren entschlagenden Personen zu stützen.
Der Beschwerde beigelegt in Kopie ist eine mit 15. Oktober 2002 datierte eidesstattliche Erklärung der Ehegattin des Beschwerdeführers, in der sie erklärt, dass sie bereit sei, ihre langjährige Ehe fortzusetzen, sie sich nicht sicher sei, einen Repetiervorgang gehört zu haben, möglicherweise habe sie "überreagiert".
5. Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer keine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit auf:
In der Frage der Beweiswürdigung ist die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung eingeschränkt, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die hiebei angestellten Erwägungen schlüssig sind, weshalb es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt ist, die vorgenommene Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen. Die Beweiswürdigung unterliegt somit nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle, als es sich um die Beurteilung handelt, ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen (vgl das hg Erkenntnis vom 8. September 2004, Zl 2004/03/0090, mit Verweis auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl 85/02/0053).
In diesem Sinn kann nach den Umständen des vorliegenden Falles die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht als unschlüssig erkannt werden. So ist es durchaus nachvollziehbar, dass die Behörde den kurz nach den maßgeblichen Vorfällen erstatteten Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers - die zudem nach der Aktenlage von der Ehegattin einen Tag nach der Anzeigeerstattung bestätigt wurden - als glaubwürdiger erachtet hat als die Angaben des Beschwerdeführers. In diesem Zusammenhang kann auch die Zurückziehung der Ermächtigung zur Strafverfolgung bzw Entschlagung von der Zeugenaussage im Strafverfahren durch die Ehegattin des Beschwerdeführers nach dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - unter dem Gesichtspunkt des (auch aus der vorgelegten eidesstattlichen Erklärung erkennbaren) Bemühens um die Fortführung der Ehe - keine Unschlüssigkeit der Beweiswürdigung der Behörde erweisen.
Die Behörde war auch gemäß § 46 AVG (und dem dort normierten Grundsatz der "Unbeschränktheit der Beweismittel") nicht gehindert, die Angaben der Ehegattin des Beschwerdeführers bei der Anzeigeerstattung auch dann zu verwerten, wenn sie in der Folge - im gerichtlichen Strafverfahren - von ihrem Entschlagungsrecht Gebrauch machte. Dass nach dem Zweck des Zeugnisverweigerungsrechtes ein Beweiserhebungsverbot oder ein Beweisverwertungsverbot (vgl dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998), E 115ff zu § 46 AVG) in diesem Verwaltungsverfahren, das die Erlassung einer Administrativmaßnahme zur Verhütung von Gefahren durch Waffenmissbrauch zum Gegenstand hat, bestehen könnte, ist nicht zu erkennen (vgl hiezu bereits das hg Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl 2001/20/0418, mwN).
Darüber hinaus zeigt der Beschwerdeführer keine Verletzung von Verfahrensvorschriften auf, bei deren Beachtung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können:
So liegt es im Wesen der freien Beweiswürdigung, dass weitere Beweisanträge nicht mehr berücksichtigt werden müssen, wenn sich die Verwaltungsbehörde auf Grund der bisher vorliegenden Beweise ein klares Bild über die maßgebenden Sachverhaltsmomente machen konnte (vgl die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998), 553, E 108 zu § 39 AVG wiedergegebene hg Rechtsprechung). Selbst wenn man dem Vorbringen des Beschwerdeführers folgen würde, nach dem seine Ehegattin keinen Repetiervorgang gehört haben soll, ändert dies nichts daran, dass die belangte Behörde jedenfalls die niederschriftlichen Angaben der Ehegattin, wonach sie der Beschwerdeführer mit dem Erschießen bedroht und zudem seine Enkelin mit Füßen getreten habe, als unbedenklich ansehen durfte. Dass nämlich mit Rücksicht auf die vom Beschwerdeführer behauptete Unmöglichkeit der akustischen Wahrnehmung eines Repetiervorganges die Glaubwürdigkeit der Ehegattin als Ganzes derart erschüttert werde, dass sie im Hinblick auf die Gesamtheit der angezeigten Vorfälle beeinträchtigt wäre, kann im Hinblick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalles nicht erkannt werden.
Des weiteren zeigt der Beschwerdeführer nicht auf, warum die Behörde angesichts seines ausführlichen schriftlichen Vorbringens im Verwaltungsverfahren auf Grund seiner Einvernahme zu einem anderen Bescheid hätte kommen sollen.
Soweit der Beschwerdeführer die Nichtdurchführung von Zeugenvernehmungen rügt, bleibt er die Dartuung der Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel schuldig.
Im Hinblick auf die oben dargestellte Rechtslage, nach der die Bedrohung einer Person mit dem Erschießen wegen des damit zu Tage getretenen Aggressionspotentials ein Waffenverbot zu rechtfertigen vermag, war auch ein Eingehen auf die von der Beschwerde angeführten Sachverständigengutachten betreffend "Aggressionstendenzen" des Beschwerdeführers nicht geboten.
6. Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht im Rahmen des Kostenbegehrens auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl II Nr 333.
Wien, am 6. September 2005
Schlagworte
Grundsatz der Unbeschränktheit Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung BeweismittelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2005030039.X00Im RIS seit
05.10.2005