TE OGH 1987/3/26 7Ob558/87

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Veröffentlicht am 26.03.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Hule, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ingeborg V***, Angestellte, Enns, Kristein Nr.55, vertreten durch Dr. Peter Wiesauer und Dr. Helmut Hackl, Rechtsanwälte in Linz, wider die beklagte Partei Z*** Ö*** reg. Genossenschaft m.b.H., Wien 12.,

Wolfganggasse 58-60, vertreten durch Dr. Peter Rudeck, Rechtsanwalt in Wien, wegen 100.000 S und Feststellung (Gesamtstreitwert 160.000 S), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 25. November 1986, GZ 11 R 206/86-24, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 14. Mai 1986, GZ 31 Cg 83/85-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit 6.225,45 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 565,96 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 20.4.1984 stürzte die Klägerin beim Einkauf im Konsumgroßmarkt der Beklagten in Enns, Landstraße 2a. Sie war kurz vor 9 Uhr mit ihrem Einkaufswagen bei der Kassa, nachdem sie gezahlt hatte, auf einem dort am Fußboden liegenden Salatblatt, das sie nicht bemerkt hatte, ausgerutscht. Bereits beim Betreten des Konsummarktes hatte die Klägerin zwei Salatblätter am Boden liegen gesehen. Anhaltspunkte für sonstige Verschmutzungen des Bodens bestehen nicht. Der Verkaufsraum wurde am vorhergehenden Abend gereinigt. Das Salatblatt muß nach 8 Uhr zu Boden gefallen sein. Die Vorinstanzen haben das auf Zahlung von 100.000 S und auf Feststellung der Haftung der Beklagten für weitere unfallsbedingte Schäden mit der Begründung abgewiesen, die Verkehrssicherungspflicht des Inhabers eines Selbstbedienungsladens dürfen nicht überspannt werden. Eine Überspannung würde es aber bedeuten, wenn der Inhaber eines derartigen Unternehmens ständig den Raum vor der Kasse beobachten lassen müßte.

Das Berufungsgericht hat ausgesprochen, daß der Wert des Streitgegenstandes 60.000 S, nicht jedoch 300.000 S übersteigt und die Revision für zulässig erklärt.

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist zulässig. Zwar hat der Oberste Gerichtshof tatsächlich zu 2 Ob 541/81 eine einen nahezu gleichen Fall betreffende Entscheidung gefällt, die zu demselben Ergebnis gelangt, wie das Berufungsgericht im vorliegenden Fall. Hiebei handelt es sich jedoch, soweit überblickbar, um die bisher einzige Entscheidung betreffend einen Unfall in einem Selbstbedienungsladen durch auf dem Boden liegende Lebensmittel. Zudem wurde diese Entscheidung bisher nicht veröffentlicht. Da Unfälle, wie der vorliegende, immer wieder vorkommen können, besteht ein Interesse an einer grundsätzlichen Judikatur. Hiebei kann trotz Vorliegens einer Vorentscheidung in einem gleichgelagerten Fall ein Interesse an einer weiteren Entscheidung des Obersten Gerichtshofes nicht zur Gänze verneint werden. Aus diesem Grunde erachtete der erkennende Senat die Voraussetzungen de § 502 Abs 4 Z 1 ZPO noch als gegeben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist jedoch nicht gerechtfertigt.

Der erkennende Senat schließt sich der vom Obersten Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 541/81 zum Ausdruck gebrachten Rechtsansicht an. Dieser zufolge dürfen die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht nicht überspannt werden. Diese Pflicht findet vielmehr ihre Grenze in der Zumutbarkeit (ZVR 1973/155 ua). Voraussetzung für eine Haftung des Geschäftsinhabers infolge Unterlassung einer Gefahrenabwehr ist, daß dem Inhaber eine Gefahrenquelle bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt erkennbar ist (JBl 1975, 544, EvBl 1974/109 ua.).

Es ist unvermeidlich, daß in Geschäften, in denen die Kunden Waren, wie Obst und Gemüse, selbst entnehmen und an der Kasse vorbei zum Ausgang befördern, immer wieder einzelne Früchte oder Gemüsestücke zu Boden fallen. Im allgemeinen sind die Bodenräume solcher Geschäfte gut überblickbar. Man wird aber von jemandem, der in einem Selbstbedienungsladen einkauft, ein Minimum an Aufmerksamkeit verlangen müssen. Gerade am Boden liegende Salatblätter sind wegen ihrer auffallenden Farbe relativ leicht erkennbar. Demgegenüber wäre es für den Geschäftsinhaber ein praktisch unzumutbarer Mehraufwand, müßte er an mehreren Stellen des Geschäftes Personal derart postieren, daß der gesamte Boden des Geschäftes ständig auf herabfallende Obst- oder Gemüsestücke kontrolliert werden kann. Gerade im Raum vor der Kasse wird dies nur schwer möglich sein, weil dort häufig ein Gedränge herrscht, das eine Beobachtung von außen sehr erschwert. Demgegenüber kann demjenigen, der sich der Kasse nähert, zugemutet werden, die vor ihm liegende Strecke auf am Boden liegende Gegenstände hin zu beobachten. Da im vorliegenden Fall kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß das Salatblatt, auf dem die Klägerin ausgerutscht ist, schon so lange auf dem Boden lag, daß sein Übersehen durch Personal der Beklagten dieser als Verstoß gegen ihre Verkehrssicherungspflicht angelastet werden könnte, erweist sich das Schadenersatzbegehren der Klägerin als nicht gerechtfertigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10779

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00558.87.0326.000

Dokumentnummer

JJT_19870326_OGH0002_0070OB00558_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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