Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Pflegschaftssache der am 24. April 1967 geborenen Jeanine R***, Schwarzspanierstraße 15/2/1/11, 1090 Wien, infolge Rekurses des Vaters Stefan R***, Geschäftsführer, Schloßmarktplatz 1, 2444 Seibersdorf, vertreten durch Dr. Hermann Heller, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 28. Jänner 1987, GZ 43 R 869/86, 11/87-68, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 3. September 1986, GZ 7 P 348/77-57, teilweise aufgehoben wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Text
Begründung:
Der Vater war mit Beschluß vom 12. April 1984, GZ 7 P 348/77-22, vom Erstgericht verhalten worden, für seine am 24. April 1967 geborene eheliche Tochter Jeanine R*** den auf 5.000 S monatlich erhöhten Unterhaltsbetrag zu leisten.
Am 26. März 1985 wurde das Bezirksjugendamt nach § 22 JWG zum besonderen Sachwalter zur Durchsetzung der Unterhaltsansprüche des Kindes bestellt.
Der Vater beantragte am 18. Oktober 1985, ihn von der Unterhaltsverpflichtung zu entheben. Die Tochter bleibe in ihrer Schulausbildung erfolglos, habe das 18. Lebensjahr vollendet und könne den Lebensunterhalt selbst verdienen. Das Bezirksjugendamt beantragte am 21. November 1985 die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen und sprach sich gegen die Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung aus, weil die Minderjährige seit Herbst 1985 die Wiener Kunstschule besuche und über kein Einkommen verfüge. Am 21. Februar 1986 bewilligte das Erstgericht auf den gesetzlichen Unterhalt des minderjährigen Kindes für die Zeit vom 1. November 1985 bis 30. April 1986 (Vollendung des neunzehnten Lebensjahres am 24. April 1986) Unterhaltsvorschüsse bis zur Höhe des jeweiligen Richtsatzes für pensionsberechtigte Halbwaisen (§ 293 Abs. 1 Buchstabe c bb erster Fall und § 108 f ASVG; § 3 und § 6 Abs. 1 UVG) und bezeichnete als Zahlungsempfänger die Mutter Theodora R***. Der Präsident des Oberlandesgerichtes hat auf Grund dieses Bewilligungsbeschlusses für die Monate November und Dezember 1985 je 2.973 S und für die Monate Jänner bis April 1986 je 3.077 S, zusammen 18.254 S ausgezahlt (§ 17 UVG).
Am 28. April 1986 verfaßte das Bezirksjugendamt nach § 27 Abs. 2 UVG die Schlußabrechnung, wonach auf die dem Kind gewährten Unterhaltsvorschüsse vom Unterhaltsschuldner nichts hereingebracht werden konnte, und übersendete diese Schlußabrechnung dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien, weil mit der durch Eintritt der Volljährigkeit des Kindes am 24. April 1986 bewirkten Beendigung der gesetzlichen Vertretung durch die Bezirksverwaltungsbehörde die noch nicht hereingebrachten Unterhaltsforderungen des Kindes in dem im § 30 UVG genannten Ausmaß auf den Bund übergegangen waren.
Der Vater brachte am 9. Mai 1986 beim Erstgericht vor, die Tochter habe die Kunstschule gar nicht besucht. Er hielt seinen Unterhaltsenthebungsantrag aufrecht. Als am 3. September 1986 die Tochter der Enthebung des Vaters von der Unterhaltsleistung zugestimmt hatte, enthob das Erstgericht den Vater mit Wirkung vom 1. November 1985 von seiner Unterhaltsverpflichtung (Beschluß vom 3. September 1986, GZ 7 P 348/77-57).
Gegen diesen Beschluß erhob der Präsident des Oberlandesgerichtes Wien, dem eine Ausfertigung des Unterhaltsenthebungsbeschlusses nicht zugestellt worden war, insoweit Rekurs, als der Vater allein auf Grund der Zustimmung des nun volljährigen Kindes auch von der Verpflichtung zur Leistung der bereits auf den Bund übergegangenen Unterhaltsforderungen enthoben wurde.
Das Rekursgericht gab diesem Rekurs Folge. Es hob den Unterhaltsenthebungsbeschluß insoweit auf, als der Vater von der Verpflichtung zur Leistung von monatlich 2.973 S vom 1. November 1985 bis 31. Dezember 1985 und von monatlich 3.077 S vom 1. Jänner 1986 bis 30. April 1986 enthoben wurde und trug dem Erstgericht auf, in diesem Umfang nach Ergänzung des Verfahrens über den Enthebungsantrag des Vaters neu zu entscheiden. Mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung des Kindes seien dessen Unterhaltsforderungen, soweit darauf Unterhaltsvorschüsse gewährt und noch nicht zurückgezahlt wurden, nach § 30 UVG auf den Bund übergegangen. In diesem Umfang sei das volljährig gewordene Kind zur Verfügung über den Unterhaltsanspruch nicht berechtigt. Es werde daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, inwieweit die Unterhaltsforderungen auf den Bund übergegangen sind und ob auch insoweit der Unterhaltsenthebungsantrag berechtigt sei. Der vom Vater gegen diesen Aufhebungsbeschluß des Rekursgerichtes erhobene Rekurs ist zulässig, jedoch nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Rechtsmittelausschluß nach § 15 Abs. 3 UVG greift nicht ein, weil es nicht um die Bewilligung von Vorschüssen sondern um die Frage geht, ob die Enthebung von der Unterhaltsverpflichtung stattzufinden hat. Auch § 14 Abs. 2 AußStrG schließt die Anfechtung nicht aus, weil die zweite Instanz nicht über die Bemessung des gesetzlichen Unterhalts entschieden hat. Soweit nichts anderes angeordnet ist, können aber auch Aufhebungsbeschlüsse der zweiten Instanz mit Rekurs an den Obersten Gerichtshof angefochten werden (Jud. 203; EFSlg. 47.126; NZ 1986, 260 u.v.a.).
Der Vater strebt die Abänderung des Aufhebungsbeschlusses und die Zurückweisung des vom Präsidenten des Oberlandesgerichtes erhobenen Rekurses und hilfsweise die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses an.
Der Bund übt sein Rekursrecht im Rahmen der Unterhaltsbevorschussung durch den Präsidenten des Oberlandesgerichtes aus (§ 15 Abs. 1 UVG idF BGBl. 1980/278). Nach § 30 UVG gehen mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung durch die Bezirksverwaltungsbehörde (§ 9 Abs. 2 UVG), etwa weil das Kind volljährig geworden ist (JAB 199 BlgNR 14. GP), die noch nicht eingebrachten Unterhaltsforderungen des Kindes von Gesetzes wegen für die Zeit, für die die Vorschüsse bewilligt worden sind, und im Ausmaß der noch nicht zurückgezahlten Vorschüsse auf den Bund über. Die Unterhaltsbeiträge sind bis zur Höhe der gewährten Vorschüsse an den Präsidenten des Oberlandesgerichtes zu erbringen, der die Forderung, soweit der Unterhaltsschuldner keine schuldbefreienden Zahlungen leistet, zwangsweise hereinzubringen hat (§ 31 Abs. 1 UVG). Der Bund tritt von Gesetzes wegen mit Beendigung der gesetzlichen Vertretung durch die Bezirksverwaltungsbehörde bis zur Höhe der gewährten Vorschüsse in anhängige Exekutions-, Konkurs- oder Ausgleichsverfahren gegen den Unterhaltsschuldner anstelle des Kindes ein (§ 31 Abs. 2 UVG). Da der Präsident des Oberlandesgerichtes nach diesen Vorschriften den Bund in Beziehung auf die durch Legalzession auf diesen übergegangenen Unterhaltsforderungen des Kindes vertritt, kommt ihm, wenn über den Bestand dieser Forderungen noch zu entscheiden ist, in dem darüber abzuführenden Verfahren Parteistellung zu. Der Übergang der Unterhaltsforderungen vom Kind auf den Bund verschafft die Position als Partei, die auch zum Rekurs berechtigt ist, wenn in die rechtlich geschützte Stellung des Bundes eingegriffen wird. Dieser Fall unterscheidet sich dadurch von einem nur zwischen dem minderjährigen Kind und Unterhaltsschuldner abzuwickelnden Verfahren zur Festsetzung des gesetzlichen Unterhalts, in welchem dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes nach dem Verfahrensgegenstand Beteiligtenstellung abgesprochen wurde (RZ 1981/41 = EFSlg. 34.881). Das volljährig gewordene Kind durfte infolge der Legalzession über die Unterhaltsforderung, soweit darauf Unterhaltsvorschüsse gewährt worden sind, nicht verfügen. Die Zustimmung zum Unterhaltsenthebungsantrag konnte das Kind nur für die ihm verbliebenen die Vorschüsse übersteigenden und ab 1. Mai 1986 fortlaufenden Unterhaltsforderungen geben. In diesem Umfang ist der erstgerichtliche Enthebungsbeschluß auch unberührt geblieben. Es trifft also nicht zu, daß der Bund durch die allein auf die Zustimmungserklärung des Kindes, das dazu nicht berechtigt war, gestützte Beschlußfassung des Erstgerichtes, das die zur sachlichen Beurteilung der Fortdauer der Unterhaltsverpflichtung des Vaters im Ausmaß der Bevorschussung in der Zeit vom 1. November 1985 bis 30. April 1986 erforderlichen Feststellungen unterlassen hat, nicht beschwert wäre.
Das Rekursgericht hat ohne Rechtsirrtum dem Präsidenten des Oberlandesgerichtes in diesem Fall die Parteistellung zuerkannt und über seinen zulässigen Rekurs den erstgerichtlichen Beschluß im Umfang der Anfechtung aufgehoben und die Erneuerung des Verfahrens mit der Beiziehung des den Bund als nunmehrigen Träger der Unterhaltsforderung des Kindes vertretenden Präsidenten des Oberlandesgerichtes angeordnet.
Anmerkung
E10958European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00532.87.0331.000Dokumentnummer
JJT_19870331_OGH0002_0050OB00532_8700000_000