Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Resch, Dr. Schobel, Dr. Schlosser und Mag. Engelmaier als Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1.) Renate W***,
2.) Dr. Josef W***, beide Hauseigentümer, beide 1190 Wien, Vegagasse 16, beide vertreten durch Dr. Herbert Mayer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Karl R***, Angestellter, 1190 Wien, Vegagasse 16, vertreten durch Dr. Rainer Brachtel, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revisioedder klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 14. Mai 1986, GZ 48 R 162/86-10, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Jänner 1986, GZ 5 C 1451/85-4, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.991,12 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 271.92 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger sind Eigentümer des Hauses Wien 19., Vegagasse 16. Sie kündigten dem Beklagten die von ihm gemietete Wohnung zum 31. März 1986 auf. Die Kläger brachten vor, das Haus unterliege nicht den zinsrechtlichen Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes, da es nicht mehr als zwei selbständige Wohnungen aufweise. Die aufgekündigte Wohnung entspreche der Kategorie A und weise ein Ausmaß von mehr als 90 m 2 auf. Mit Schreiben vom 3. Juli 1985 hätten die Kläger vom Beklagten den angemessenen Hauptmietzins von S 8.000,-- (zu demnoch die Umsatzsteuer und die anteiligen Betriebskosten kämen) begehrt. Der Beklagte habe den geforderten Mietzins nicht entrichtet. Es liege daher ein wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 1 MRG vor. Die Kündigung werde überdies auf § 30 Abs 2 Z 1 MRG gestützt, weil der Beklagte mit dem Mietzins trotz Mahnung mehr als acht Tage im Rückstand sei. Der Beklagte erhob fristgerecht Einwendungen. Er behauptete, es handle sich um ein Wohnhaus mit mehr als zwei selbständigen Wohnungen und die Wohnung habe im Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrages auch nicht der Katergorie A entsprochen. Die Vorschreibung eines angemessenen Mietzinses sei daher nicht berechtigt. Es bestehe kein Mietzinsrückstand. Der Beklagte habe den bis 1. August 1985 vorgeschriebenen Hauptmietzins, den Erhaltungsbeitrag und die Betriebskosten regelmäßig bezahlt. Derzeit sei zu 5 Msch 55/85 des Bezirksgerichtes Döbling ein Verfahren darüber anhängig, ob die Vorschreibung eines Hauptmietzinses von S 8.000,-- berechtigt sei. Es werde daher die Unterbrechung des Verfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Msch-Verfahrens beantragt.
Die Kläger bestritten dieses Vorbringen und führten aus, daß kein Erhaltungsbeitrag vorgeschrieben worden sei.
Das Erstgericht hob die Kündigung auf und wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Ansicht, ein Kündigungsgrund für den Fall, daß der Mieter eine Erhöhung auf den nach dem Mietrechtsgesetz gesetzlich zulässigen Zins verweigere, sei in diesem Gesetz nicht vorgesehen. Ob das Institut der "Änderungskündigung" wieder auf solche Fälle anwendbar sei, müsse bezweifelt werden. Diese Einrichtung habe den Zweck gehabt, eine Kündigung von Mietern, welche die Entrichtung eines wirtschaftlich gerechtfertigten Zinses verweigerten, möglich zu machen. Wirtschaftlich gerechtfertigter Zins sei aber nur der, welcher für die Erhaltung oder den Wiederaufbau des Hauses oder - etwa bei einem Pauschalzins - zur Deckung der gestiegenen Betriebskosten notwendig sei. Nach dem Mietrechtsgesetz bestehe jedoch die Möglichkeit, auch hinsichtlich Mietobjekten, die nur dem Kündigungsschutz unterlägen, wie insbesondere Zweifamilienhäusern, den Erhaltungsbeitrag einzuheben. Selbst wenn eine "Änderungskündigung" an sich zulässig wäre, fehle es am Vorbringen zur wirtschaftlichen Notwendigkeit für die Zinserhöhung. Daß der Vermieter, würde er nach Inkrafttreten des Mietrechtsgesetzes vermietet haben, einen angemessenen Zins hätte verlangen können, stelle keinen Sachverhalt dar, der einem der im § 30 Abs 2 MRG genannten Gründe gleichzusetzen wäre. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht folge. Es führte aus, der Umstand, daß der mit der Normierung des § 19 Abs 2 Z 15 MG geschaffene Kündigungstatbestand in den Katalog der Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 MRG nicht aufgenommen worden sei, spreche dafür, daß der Gesetzgeber diesen Sachverhalt angesichts der von ihm geschaffenen mietzinsrechtlichen Übergangsregelungen für Altverträge nicht mehr als ausreichend gewichtig erachtet habe, eine Aufkündigung zu rechtfertigen. Einen vom Gesetzgeber aus dem Katalog der Kündigungsgründe ausgeschiedenen Sachverhalt der Generalklausel zu unterstellen, hieße das Gesetz in einer der historischen-teleologischen Interpretation widersprechenden Weise auszulegen. Zum anderen spreche gegen die von den Klägern ins Treffen geführte Auffassung, daß das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 45 und 46 MRG, welche nach § 1 Abs 4 MRG auch auf die dort genannten Mietgegenstände anzuwenden seien, Übergangsregelungen geschaffen habe, welche ihres Sinngehaltes beraubt würden, wollte man den Mieter eines der im § 1 Abs 4 Z 1 oder 2 MRG genannten Mietgegenstände unter Kündigungssanktion für verpflichtet halten, den nach § 16 MRG zulässigen Zins zu zahlen. Gerade die ausdrücklich auf Mietgegenstände nach § 1 Abs 4 Z 1 und 2 MRG Bedacht nehmende Regelung des § 45 Abs 4 MRG lasse erkennen, daß das Gesetz unter anderem in der Bestimmung des § 45 MRG ein Zinskorrekturinstrument sehe, das zur Erzielung volkswirtschaftlich wünschenswerter Zinse ausreiche. Die Weigerung eines Mieters eines im § 1 Abs 4 MRG genannten Bestandgegenstandes, den nach § 16 MRG zulässigen Zins zu zahlen, stelle daher keinen Kündigungsgrund dar.
Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Parteien aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen. Der Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zugeben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Kläger vertreten auch in der Revision die Auffassung, da das Mietrechtsgesetz den Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 15 MG nicht mehr enthalte, sei nunmehr wieder eine "Änderungskündigung" bei Mietobjekten möglich, die unter die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 MRG fallen. Durch § 45 MRG werde dies nicht ausgeschlossen, weil nach dieser Bestimmung keine solche Mietzinserhöhung möglich sei, wie sie aufgrund einer "Änderungskündigung" entsprechend der seinerzeitigen Judikatur möglich wäre. § 45 MRG schaffe nur eine zusätzliche Möglichkeit für den Hauseigentümer, eine angemessene Zinserhöhung zu begehren. Dem kann nicht beigepflichtet werden.
Gemäß § 1 Abs 4 Z 2 MRG gelten für Wohnungen, die in einem Wohnhaus mit nicht mehr als zwei selbständigen Wohnungen gelegen sind, wobei Wohnräume, die nachträglich durch einen Ausbau des Dachbodens neu geschaffen wurden oder werden, nicht zählen, nur die §§ 14, 29 bis 36, 45 und 49 MRG, nicht jedoch die übrigen Bestimmungen des ersten und zweiten Hauptstückes. Gemäß § 45 Abs 4 MRG (nunmehr § 45 Abs 5 MRG) gelten, wenn der Vermieter den Erhaltungsbeitrag für einen im § 1 Abs 4 Z 1 oder 2 genannten Mietgegenstand begehrt, für die Mietgegenstände dieses Hauses ab diesem Zeitpunkt die Bestimmungen des ersten Hauptstückes mit Ausnahme der Bestimmung über die Mietzinsbildung nach § 16 Abs 2. Diese Übergangsregelung war in der Regierungsvorlage noch nicht in dieser Form enthalten. Die Regierungsvorlage enthält in ihrem § 41 Abs 1 Z 6 nur eine Regelung über Baulichkeiten, auf welche die Ausnahmebestimmung des § 1 Abs 4 Z 1 zutrifft, nicht aber hinsichtlich des § 1 Abs 4 Z 2 (425 BlgNR XV. GP 20). Im Ausschußbericht wird ausgeführt (880 BlgNR XV. GP 6), daß im § 45 die Vorschriften des § 41 Abs 1 Z 3 bis 6 der Regierungsvorlage über den Erhaltungsbeitrag zusammengefaßt werden, ohne daß die Aufnahme der dem § 1 Abs 4 Z 2 MRG unterliegenden Wohnungen in die Bestimmung des nunmehrigen § 45 Abs 5 MRG begründet wurde. Weder in der Regierungsvorlage noch im Ausschußbericht wird dazu Stellung genommen, ob wegen des Wegfalles des Kündigungsgrundes nach § 19 Abs 2 Z 15 MG nunmehr wieder die Möglichkeit einer "Änderungskündigung" besteht. In der Lehre vertritt Derbolav (in Korinek-Krejci, Handbuch zum MRG, 440) ohne nähere Begründung die Auffassung, als Kündigungsgrund nach § 30 Abs 1 MRG müßten sicher auch Tatbestände anerkannt werden, die der "Änderungskündigung" des § 19 Abs 2 Z 15 MG entsprächen. Hingegen meint Schuppich (Die Neuordnung des Mietrechts 135 f), die "Änderungskündigung" mit dem Ziel, den Mieter eines den zinsrechtlichen Vorschriften des Mietrechtsgesetzes nicht unterliegenden Mietgegenstandes unter dem Druck der drohenden Vertragsauflösung zu einer Erhöhung seines Hauptmietzinses auf das angemessene Maß (§ 16) zu bewegen, sei dadurch ausgeschlossen, daß im Mietrechtsgesetz eine analoge Bestimmung zu § 19 Abs 2 Z 15 MG fehle. Dies betreffe die im § 1 Abs 4 genannten Mietgegenstände. Bei Altmietverträgen über solche Gegenstände sei lediglich die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages, sofern die dafür maßgeblichen Voraussetzungen zuträfen, sowie eine Hauptmietzinserhöhung in den Fällen des § 46 (Eintritt in bestehende Altmietverträge nach dem 31.12.1981) möglich. Auch der erkennende Senat vertritt die Auffassung, daß bei vor dem 1.1.1982 abgeschlossenen Mietverträgen über die im § 1 Abs 4 Z 2 MRG aufgezählten Mietgegenstände lediglich die Einhebung eines Erhaltungsbeitrages, nicht aber eine "Änderungskündigung" mit dem Ziel, den Mieter zu einer Erhöhung des Hauptmietzinses auf das angemessene Maß (§ 16 MRG) zu bewegen, möglich ist. Erklärte Absicht der Übergangsregelung war die schrittweise und bestmögliche Angleichung bestehender Altmietverträge an die in den §§ 1 bis 42 MRG vorgesehene Neuordnung (RV 425 BlgNR XV. GP 29 und 44). Indem der Gesetzgeber einerseits eine dem § 19 Abs 2 Z 15 MG entsprechende Bestimmung in das Mietrechtsgesetz nicht mehr aufnahm, andererseits aber auch bei den nicht unter die Zinsvorschriften des Mietrechtsgesetzes fallende Mietobjekten des § 1 Abs 4 Z 2 MRG die Möglichkeit schuf, einen Erhaltungsbeitrag zu fordern, brachte er klar zum Ausdruck, daß bei Altmietverträgen eine Anpassung des Mietzinses nur im Rahmen des § 45 und danach allenfalls auch des § 18 MRG zulässig ist. Hätte der Gesetzgeber eine schrankenlose Anpassung der Mietzinse von Altmietverträgen in Objekten, die dem § 1 Abs 4 MRG unterliegen, an die bei Neumietverträgen mögliche Höhe beabsichtigt, hätte er dies zweifellos in den Übergangsbestimmungen zum Ausdruck gebracht. In diesem Fall wäre § 45 Abs 4 (nunmehr § 45 Abs 5) MRG überflüssig gewesen. Ob abgesehen von dem unzulässigen Versuch, eine Anpassung der Altmietverträge an die bei einer Neuvermietung zulässigen Mietzinse zu erreichen, aus anderen Gründen eine "Änderungskündigung" möglich wäre, braucht nicht untersucht zu werden, da andere Gründe nicht geltend gemacht würden. Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.
Anmerkung
E10755European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00665.86.0402.000Dokumentnummer
JJT_19870402_OGH0002_0060OB00665_8600000_000