Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 2.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Schneider und Dr. Hörburger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rudolf L*** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB und anderen strafbaren Handlungen über den Antrag des Angeklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Oktober 1986, GZ 9 d Vr 3173/86-106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Angeklagten wird wider die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bewilligt.
Text
Gründe:
Mit dem in der Hauptverhandlung am 2.Oktober 1986 in Gegenwart des Angeklagten Rudolf L*** und des Verteidigers verkündeten Urteil wurde der genannte Angeklagte der Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB, der Fälschung öffentlicher Beglaubigungszeichen nach § 225 Abs. 2 StGB, des schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs. 2 StGB, der versuchten Täuschung nach §§ 15, 108 Abs. 1 StGB, der Urkundenfälschung nach § 223 Abs. 2 StGB und der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs. 2 StGB schuldig erkannt und hiefür zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Nach Urteilsverkündung meldeten der Angeklagte (I S 495) und sein Verteidiger (I S 497) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Eine Urteilsausfertigung wurde dem Verteidiger des Angeklagten, Rechtsanwalt Dr.Herbert G*** am 20.Jänner 1987 zugestellt (I S 491 verso). Am 9. Februar 1987 - sohin am 20. Tage nach der Urteilszustellung - gab der Verteidiger eine Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel zur Post und stellte gleichzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung.
In diesem Antrag wird vorgebracht, daß der Termin für die Ausführung der Rechtsmittel von der Sekretärin Renate F*** unrichtig mit 17.Februar 1987 kalendiert worden ist; diesen Fehler habe der Verteidiger am 6.Februar bemerkt, als er die Termine und Fristen für die Woche vom 9. bis 13.Februar 1987 kontrollierte. Die genannte Kanzleikraft sei seit eineinhalb Jahren beim Verteidiger tätig und sei besonders tüchtig und verläßlich. Nur einmal habe es eine Beanstandung gegeben, und zwar habe sie im Dezember 1986 in einer Zivilrechtssache die Frist zwar richtig eingetragen, jedoch übersehen, daß das Ende dieser Frist auf einen gesetzlichen Feiertag fiel. Daraufhin habe der Verteidiger eine zusätzliche Kontrolle der Termine durch jeweils eine andere Kanzleikraft angeordnet. Im vorliegenden Falle sei auch der damit beauftragten, an sich besonders zuverlässigen Kanzleikraft Renate C***-R***, die seit Jänner 1987 in der Kanzlei des Verteidigers beschäftigt sei, diese fehlerhafte Eintragung der Frist nicht aufgefallen. Der Verteidiger habe zwar wiederholt stichprobenartige Kontrollen vorgenommen, eine tägliche Überprüfung sei ihm aber nicht möglich gewesen. Gleichzeitig mit dem Antrag wurden eidesstättige Erklärungen des Verteidigers, der Renate F*** und Renate C***-R*** vorgelegt, in welchen der vorstehende Sachverhalt bescheinigt wurde.
Rechtliche Beurteilung
Die Wiedereinsetzung ist berechtigt.
Dieser oben geschilderte Vorfall vom Dezember 1986 führte, obwohl er nicht die fehlerhafte Eintragung des Zeitraumes einer Frist betroffen hat, zur Einschaltung einer weiteren Kontrollmaßnahme, und zwar zu einer zusätzlichen Überprüfung der Termineintragungen durch jeweils eine andere Kanzleikraft. Das Fehlverhalten der Renate C***-R***, die im vorliegenden Fall mit dieser Prüfung betraut war, kann nach Lage des Falles, insbesondere im Hinblick auf ihre Ausbildung, langjährige Berufserfahrung und ausgezeichnete Dienstbeschreibung, gerade noch als einmaliges Versagen einer sonst verläßlichen Angestellten gewertet werden. Dies war für Dr. Herbert G*** ein nicht voraussehbarer, demnach unabwendbarer Umstand, an dem ihn kein Verschulden trifft und der es ihm unmöglich machte, die Frist zur Ausführung der beiden Rechtsmittel einzuhalten (§ 364 Abs. 1 Z 1 StPO). Da der Verteidiger des weiteren innerhalb der Frist des § 364 Abs. 1 Z 2 StPO um die Wiedereinsetzung angesucht hat, schließlich die Wiedereinsetzung nach ständiger Rechtsprechung nicht nur wider die Versäumung der Frist zur Anmeldung, sondern auch wider die Versäumung der Frist zur Ausführung eines Rechtsmittels gegen ein Urteil bewilligt werden kann, sind die Voraussetzungen für die Stattgebung des Antrags erfüllt.
Anmerkung
E11052European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00028.87.0402.000Dokumentnummer
JJT_19870402_OGH0002_0120OS00028_8700000_000