Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei
B*** für Angestellte, Ruhrstraße 2,
D-1000 Berlin-Wilmersdorf, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig, Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagten Parteien 1. Johann L***, sen., Pensionist, 6173 Oberperfuß, Silbergasse 10, 2. Johann L***, jun., Kraftfahrer, ebendort, 3. Rita L***, Hausfrau, ebendort, sämtliche vertreten durch Dr. Johann Paul Cammerlander, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Anfechtung, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 4. Februar 1986, GZ 1 R 356/85-19, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 3. Oktober 1985, GZ 14 Cg 158/85-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Die Akten werden dem Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, sein Urteil dahin zu ergänzen, ob der Wert des Streitgegenstandes hinsichtlich jedes einzelnen der drei Beklagten bzw. hinsichtlich welches der Beklagten den Betrag von S 60.000,-- , nicht aber von S 300.000,-- übersteigt und somit die Revision im Sinne des berufungsgerichtlichen Ausspruches gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Text
Begründung:
Nach den Ausführungen im berufungsgerichtlichen Urteil verschuldete der Zweitbeklagte als Lenker eines PKWs, dessen Halter der Erstbeklagte war, einen Verkehrsunfall, durch welchen die bei der klagenden Partei pflichtversicherte Angelika K*** am Körper so schwer verletzt wurde, daß sie seither arbeitsunfähig ist und Sozialversicherungsleistungen der klagenden Partei bezieht. Mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 9. Juli 1969, 1 Cg 340/69-4, wurde festgestellt, daß der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte der klagenden Partei zur ungeteilten Hand für alle Leistungen haftbar sind, welche diese an Angelika K*** aufgrund der Unfallsfolgen zu erbringen hat. Im Verfahren 28 Cg 70/75 des Landesgerichtes Innsbruck wurden hierauf der Erstbeklagte und der Zweitbeklagte rechtskräftig schuldig erkannt, der klagenden Partei DM 41.230,97 sA sowie die Prozeßkosten von S 68.153,26 zu bezahlen. Diese Schuld wurde bisher nicht erfüllt. Auch Exekutionen blieben erfolglos. Mit Schenkungsvertrag vom 8.Juni 1976 schenkte der Erstbeklagte seiner Ehefrau Anna L*** seinen Hälfteanteil der Liegenschaft EZ 507/II KG Oberperfuß, welche dadurch Alleineigentümerin der Liegenschaft wurde. Mit Urteil vom 30. September 1983, 10 Cg 349/83, erkannte das Landesgericht Innsbruck Anna L*** schuldig, den Betrag von DM 41.230,97 sA bei Exekution in den von ihr durch Schenkung erworbenen Hälfteanteil der vorgenannten Liegenschaft und die Kosten des Verfahrens 10 Cg 369/83 von S 72.046,61 zu bezahlen. Anna L*** hat diese Urteilsschuld bisher nicht erfüllt. Auf der genannten Liegenschaft wurden im Rahmen des Schenkungsvertrages zugunsten des Erstbeklagten die Dienstbarkeit der Wohnung und das Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten aller drei Beklagten einverleibt.
Mit der nunmehr vorliegenden Klage begehrt die klagende Partei, die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand schuldig zu erkennen, der Exekution in den aufgrund des Schenkungsvertrages an Anna L*** übertragenen Liegenschaftshälfteanteil zugunsten der Forderung der klagenden Partei von DM 41.230,97 sA zuzustimmen. Weiters begehrt die klagende Partei die Feststellung, daß das für den Erstbeklagten einverleibte Dienstbarkeitsrecht der Wohnung und das zugunsten der drei Beklagten einverleibte Belastungs- und Veräußerungsverbot der klagenden Partei gegenüber unwirksam sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Erstbeklagte habe seine Liegenschaftshälfte in der Absicht, seine Gläubiger zu schädigen, an seine Ehefrau übertragen. Diese und die drei Beklagten hätten zusammengewirkt, um durch Einräumung des Wohnungsrechtes für den Erstbeklagten und durch das Belastungs- und Veräußerungsverbot die Liegenschaft gegen jegliche Exekutionsführung abzusichern. Die drei Beklagten hätten der Aufforderung der klagenden Partei zur Zustimmung in die exekutionsweise Durchsetzung ihrer Ansprüche aufgrund der im Verfahren 10 Cg 369/83 des Landesgerichtes Innsbruck erwirkten Entscheidung nicht Folge geleistet, weshalb diese Zustimmung im Wege dieses Anfechtungsprozesses erzwungen werden müsse.
Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung.
Das Erstgericht erklärte die drei Beklagten schuldig, zur Hereinbringung der Forderungen der klagenden Partei in die Exekution in den aufgrund des Schenkungsvertrages vom 8.Juni 1976 vom Erstbeklagten an Anna L*** übertragenen Liegenschaftshälfteanteil zuzustimmen.
Das Berufungsgericht bestätigte das erstgerichtliche Urteil, wobei es dessen Spruch verdeutlichte. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, den Betrag von S 60.000,-- , nicht aber den Betrag von S 300.000,-- übersteige und daß die Revision gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wendet sich die Revision der beklagten Parteien mit dem Antrage auf Abänderung im Sinne der Klagsabweisung.
Rechtliche Beurteilung
Über dieses Rechtsmittel kann derzeit noch nicht abgesprochen werden, weil seine Zulässigkeit nocht nicht beurteilt werden kann. Beim Anfechtungsanspruch auf Duldung einer Exekution in eine bestimmte Sache zur Hereinbringung von Geldforderungen besteht der Streitgegenstand nicht in einem Geldbetrag und ist daher grundsätzlich im Sinne der Vorschrift des § 500 Abs.2 ZPO zu bewerten (3 Ob 114/74, 6 Ob 595/84, 8 Ob 620/84 ua). Beim Bewertungsausspruch ist folgendes zu berücksichtigen:
Gemäß § 55 Abs.1 Z 2 JN sind mehrere in einer Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen, wenn sie gegen mehrere Parteien erhoben werden, die Streitgenossen nach § 11 Z 1 ZPO sind. Eine Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO liegt vor, wenn mehrere Personen in Ansehung des Streitgegenstandes in Rechtsgemeinschaft stehen oder aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch verpflichtet sind.
Ansprüche von und gegen Streitgenossen im Sinne des § 11 Z 2 ZPO sind nicht zusammenzurechnen (Jud.56; JBl.1953, 541 uva, zuletzt insbesondere 8 Ob 1/85, 2 Ob 11/84, 8 Ob 1004/86). Um solche Ansprüche einfacher Streitgenossen handelt es sich im Sinne der Entscheidung 8 Ob 620/84 insbesondere auch, wenn Anfechtungsansprüche gegen mehrere Beklagte durchgesetzt werden sollen, selbst wenn die anzufechtenden Rechtshandlungen in einer einzigen Urkunde ihren Niederschlag gefunden haben. Vorliegendenfalls wird von der klagenden Partei von jedem der Beklagten die Duldung der gegen Anna L*** gerichteten Exekution durch Zustimmung bzw. Unwirksamkeitserklärung von Rechtshandlungen gefordert und zwar hinsichtlich des Erstbeklagten betreffend das ihm im Schenkungsvertrag eingeräumte Wohnrecht sowie das zu seinen Gunsten an der Liegenschaftshälfte einverleibte Veräußerungs- und Belastungsverbot, hinsichtlich der Zweit- und Drittbeklagten betreffend das ihnen eingeräumte Belastungs- und Veräußerungsverbot. Dabei handelt es sich zweifellos um verschiedene, voneinander unabhängige Anfechtungsansprüche. Die Beklagten stehen in Ansehung des jeweiligen Streitgegenstandes weder in Rechtsgemeinschaft noch sind sie aus demselben tatsächlichen Grund oder solidarisch verpflichtet. Daß die Rechtshandlungen in einer Urkunde festgehalten sind und teilweise gleiche Anfechtungstatbestände geltend gemacht werden, kann keine materielle Streitgenossenschaft der Beklagten begründen (siehe Fasching II 185; ZPR Rdz 371; 8 Ob 620/84, 7 Ob 697/80; JBl.1982,380 ua).
Somit ist der Wert des Streitgegenstandes, über den das Berufungsgericht entschieden hat, für jeden der Beklagten einzeln festzusetzen. Diese Bewertung (§ 500 Abs.2 Z 2 bzw. Z 3 ZPO) und die allenfalls weiters erforderlichen Aussprüche (§ 500 Abs.3 ZPO) sind daher durch entsprechende Berichtigung des berufungsgerichtlichen Urteilsspruches nachzutragen. Sollte das Berufungsgericht aussprechen, daß die Revision nicht oder nicht in jedem Falle gemäß § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei, so wäre die bereits erstattete Revision dem Beklagtenvertreter zur allfälligen Ergänzung im Sinne des § 506 Abs.1 Z 5 ZPO zurückzustellen.
Anmerkung
E10486European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00593.86.0407.000Dokumentnummer
JJT_19870407_OGH0002_0020OB00593_8600000_000