TE OGH 1987/4/7 14ObA38/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.04.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof.Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuderna und Dr. Gamerith sowie die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing. Otto Beer und Johann Friesenbichler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Franz L***, Hilfsarbeiter,

2135 Neudorf/Staatz 169, vertreten durch Dr. Georg Stenitzer, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, wider die beklagte Partei Fa. Hermann L***, Sägewerk, 2164 Wildendürnbach 1, vertreten durch Dr. Volker Lock, Rechtsanwalt in Laa an der Thaya, wegen S 73.373,45 s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 26. August 1986, GZ. 5 Cg 1003/86-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Mistelbach vom 2. Mai 1986, GZ. Cr 46/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

1. Die Revision wird hinsichtlich der Teilansprüche von

S 8.984,96 s.A. und S 3.771 s.A. zurückgewiesen;

2. im übrigen wird der Revision nicht Folge gegeben. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit

S 3.397,35 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin sind S 308,85 an Umsatzsteuer enthalten) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger behauptet, von der beklagten Partei ungerechtfertigt entlassen worden zu sein. Er begehrt aus diesem Titel die Zahlung eines der Höhe nach außer Streit stehenden Betrages von S 60.617,49 brutto s.A. an Kündigungsentschädigung, Weihnachtsremuneration und Abfertigung. Außerdem verlangt er die Zahlung von S 12.755,96 netto s. A.: Sein PKW sei auf einer von der beklagten Partei angeordneten Dienstfahrt beschädigt worden; er habe für die Schadensbehebung S 8.984,96 gezahlt. Infolge des Unfalles habe er höhere Versicherungsprämien ("Malus") von S 3.771,-- zahlen müssen. Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Die Entlassung sei gerechtfertigt, weil der Kläger während eines Krankenstandes gearbeitet habe. Die im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall erhobenen Forderungen seien verjährt. Das Erstgericht wies das gesamte Klagebegehren ab. Es hielt die Entlassung aus den von der beklagten Partei vorgebrachten Gründen für berechtigt; die Schadenersatzforderungen seien verjährt. Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte das Verfahren gemäß dem § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und traf folgende für das Revisionsverfahren noch wesentliche Feststellungen:

Der Kläger war vom 13.2.1978 bis zu seiner am 21.10.1985 ausgesprochenen Entlassung im Unternehmen der beklagten Partei als Hilfsarbeiter beschäftigt. Am 15.10.1985 hatte er wegen eines "Hexenschusses" Beschwerden und begab sich zum Arzt. Dieser gab ihm eine Injektion und nahm ihn in den Krankenstand. An den drei folgenden Tagen erhielt der Kläger jeweils eine weitere Injektion; eine Röntgenuntersuchung ergab eine beginnende Arthrose der Lendenwirbelsäule. Der behandelnde Arzt teilte dem Inhaber der beklagten Partei auf dessen Anfragen am 16. und am 18.10.1985 mit, daß der Kläger krank und ab Montag den 21.10.1985 wieder arbeitsfähig sei. Der Kläger erhielt vom Arzt keine Anweisungen über sein Verhalten im Krankenstand. Für den Arzt war es selbstverständlich, daß man bei einer solchen Krankheit keine Arbeiten verrichtet, sondern sich schont. Bettruhe war dem Kläger nicht verordnet worden. Da sich der Kläger nach der zweiten Injektion am Mittwoch, den 16.10. "relativ gut fühlte", schlug er seiner Ehegattin vor, die Rübenernte nicht erst zum Wochenende, sondern schon während der restlichen Zeit seines Krankenstandes durchzuführen. Er arbeitete in der Folge am 16.10.1985 von 10 Uhr bis 16 Uhr und am 17.10.1985 während eines Zeitraumes von zwei Stunden. Bei diesen Arbeiten lenkte ausschließlich er den Traktor, von dessen Führersitz aus er auch die Vollerntemaschine bediente; die Umkoppelungsarbeiten verrichtete seine Ehegattin. Der Kläger wurde bei diesen Arbeiten vom Inhaber der beklagten Partei beobachtet. Die Möglichkeit, trotz eines "Hexenschusses" die festgestellten Traktorarbeiten zu verrichten, hängt von Art und Intensität der Erkrankung sowie von der Konstitution des Erkrankten ab. Das Grundstück, auf dem die Zuckerrüben geerntet wurden, gehört dem Kläger und seiner Ehegattin zu gleichen Teilen. Der Kläger wurde, als er am 21.10.1985 die Arbeit wieder antrat, entlassen. Es kann nicht festgestellt werden, daß der Kläger früher einmal einen Krankenstand mißbraucht oder ein gravierendes Fehlverhalten an den Tag gelegt hätte. Durch die Traktorarbeiten wurde sein Krankenstand nicht verlängert.

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, die Entlassung des Klägers sei aus dem Grunde des § 27 Z 1, dritter Tatbestand, AngG gerechtfertigt. Infolge der Verrichtung von Traktorarbeiten während des Krankenstandes habe er das Vertrauen seines Arbeitgebers derart erschüttert, daß diesem eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus den Gründen der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren zur Gänze stattgegeben werde. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Umfang der Teilansprüche von S 8.984,86 s.A. und S 3.771 s.A. unzulässig; im übrigen ist sie nicht berechtigt. Da das Datum des angefochtenen Urteils noch vor dem 1.1.1987, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des ASGG, liegt, sind für die Zulässigkeit von Rechtsmitteln und die Gründe, die mit ihnen geltend gemacht werden können, die bis 31.12.1986 hiefür geltenden Vorschriften maßgebend (§ 101 Abs 2 ASGG). Dies bedeutet, daß die Revision gegen ein bestätigendes Urteil des Berufungsgerichts gemäß dem somit maßgebenden § 23 a Abs 4 Satz 1, zweiter Halbsatz, ArbGG unzulässig ist, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschieden hat, 30.000 S nicht übersteigt. Die aus der behaupteten ungerechtfertigten Entlassung abgeleiteten Ersatzansprüche von S 60.617,49 übersteigen diesen Betrag, so daß die Revision insoweit zulässig ist.

Dies trifft aber auf die beiden anderen Teilansprüche von S 8.984,96 und S 3.771 nicht zu. Diese beiden (nur in diesem Zusammenhang zusammenzurechnenden) Teilansprüche sind mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 55 Abs 1 Z 1 JN mit dem erstgenannten Anspruch nicht zusammenzurechnen. Sie stehen nämlich deshalb in keinem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang, weil sie ein anderes rechtliches Schicksal haben als die aus der Entlassung abgeleiteten Ersatzansprüche und auf einem ganz anderen Sachverhalt, nämlich der Beschädigung eines dem Kläger gehörigen PKW, beruhen als jene (Arb.10.507 mwH; Fasching I 344). Die insoweit unzulässige Revision war daher zurückzuweisen.

Der Anfechtungsgrund der Aktenwidrigkeit liegt nicht vor, weil sich das Datum des Ausspruchs der Entlassung (21.10.1985) aus dem übereinstimmenden Prozeßvorbringen beider Parteien (AS 9 und 10) ergibt und widersprechende Beweisergebnisse nicht vorliegen. Die Außerstreitstellung der Dauer des Arbeitsverhältnisses vom 13.2.1978 bis 15.10.1985 (AS 9) beruht ganz offensichtlich auf der unrichtigen Rechtsauffassung, daß das Arbeitsverhältnis rückwirkend geendet habe. Die aus dieser Außerstreitstellung abgeleitete Rechtsauffassung des Klägers, die Entlassung sei schon deshalb ungerechtfertigt, weil die behaupteten Entlassungsgründe erst nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses begangen worden seien, ist daher verfehlt.

In der Rechtsrüge hält der Kläger an seiner Auffassung fest, die Entlassung sei ungeachtet der während des Krankenstandes verrichteten Traktorarbeiten ungerechtfertigt.

Dieser Auffassung kann, wie die Vorinstanzen im Ergebnis richtig erkannt haben, nicht zugestimmt werden. Eine Vertrauensunwürdigkeit begründende Handlung des Klägers liegt zwar vor, doch kann diese nicht, wie das Berufungsgericht angenommen hat, dem § 27 Z 1 AngG unterstellt werden. Der Kläger war nämlich als Hilfsarbeiter im Unternehmen der beklagten Partei beschäftigt, so daß er nicht unter den persönlichen Geltungsbereich des Angestelltengesetzes fällt; sein Verhalten ist vielmehr nach dem § 82 GewO 1859 zu beurteilen. Die Aufzählung der Entlassungstatbestände in den §§ 82 GewO und 27 AngG unterscheidet sich dadurch, daß die erstgenannte Aufzählung eine taxative, die zweitgenannte aber, wie sich aus der Verwendung des Wortes "insbesondere" im § 27 AngG ergibt, eine demonstrative ist (Kuderna, Das Entlassungsrecht 31 f; Schwarz - Löschnigg, Arbeitsrecht 2 , 349). Der dem dritten Tatbestand des § 27 Z 1 AngG (Vertrauensunwürdigkeit) entsprechende Tatbestand des § 82 lit d GewO verlangt jedoch - anders als § 27 Z 1 AngG, wonach für die Berechtigung einer Entlassung grundsätzlich jede Handlung ausreicht, die eine Vertrauensunwürdigkeit des Arbeitnehmers begründet - das Vorliegen einer Vertrauensunwürdigkeit begründenden strafbaren Handlung. Aus der taxativen Aufzählung der Entlassungstatbestände und der ausdrücklichen Anführung einer Vertrauensunwürdigkeit hervorrufenden strafbaren Handlung muß gefolgert werden, daß der Gesetzgeber ganz bewußt eine Handlung, die nicht strafbar ist, auch dann nicht für eine gerechtfertigte Entlassung ausreichend erachten wollte, wenn sie Vertrauensunwürdigkeit hervorruft (Kuderna aaO 61). Eine unbewußte Lücke, welche durch Analogie an sich geschlossen werden könne, liegt daher hier nicht vor. Eine Unterstellung des festgestellten Verhaltens des Klägers unter den § 82 lit d GewO ist somit nicht möglich.

Zu prüfen bleibt, ob das Verhalten des Klägers die Voraussetzungen eines anderen Entlassungstatbestandes erfüllt. Von den übrigen Entlassungstatbeständen des § 82 GewO kommt hier nur der zweite Tatbestand des § 82 lit f GewO in Betracht. Der Kläger war schon auf Grund des Arbeitsvertrages verpflichtet, im Falle einer Krankheit und einer dadurch ausgelösten Arbeitsunfähigkeit sich nach Tunlichkeit so zu verhalten, daß seine Arbeitsfähigkeit möglichst bald wiederhergestellt wird. Er durfte insbesondere die Anordnungen des Arztes oder, wenn solche infolge der allgemeinen Lebenserfahrung entbehrlich sind, die Gebote der allgemein üblichen Verhaltensweisen nicht betont und offenkundig verletzen. Daß ein Arbeitnehmer, der infolge eines "Hexenschusses" arbeitsunfähig ist und mit Injektionen behandelt wird, nicht gleichzeitig Feldarbeiten verrichten darf, sondern sich schonen muß, bedarf keiner besonderen ärztlichen Anordnung und leuchtet jedermann ein. Ob ein Zuwiderhandeln tatsächlich zu einer Verlängerung des Krankenstandes führt, ist in diesem Zusammenhang belanglos; es genügt die Eignung, den Genesungsprozeß zu verzögern (vgl. Arb 8449).

Der Kläger hat auf Grund der Feststellungen durch die Verrichtung von Traktorarbeiten auf dem Feld (Ausnehmen von Zuckerrüben und Anlieferung zur Sammelstelle) seine oben näher umschriebenen Pflichten verletzt. Ob er diese Arbeiten allein in seinem Interesse oder (auch) in jenem seiner Ehegattin verrichtete und ob die Kleinlandwirtschaft hauptsächlich von seiner Ehegattin betrieben wurde, ist in diesem Zusammenhang belanglos. Der Kläger hat seine Dienstpflichten aber auch beharrlich verletzt, weil er an zwei Tagen während eines längeren Zeitraumes arbeitete und diese Verletzung so offensichtlich und für jeden Arbeitnehmer erkennbar war, daß es einer der Entlassung vorausgehenden Ermahnung nicht bedurfte. Das Verhalten des Klägers war so schwerwiegend und erfolgte während eines so langen Zeitraumes, daß daraus allein auf die Nachhaltigkeit seiner Willenshaltung geschlossen werden konnte (Kuderna aaO 72).

Die Entlassung war daher gerechtfertigt, so daß dem auf der Annahme einer ungerechtfertigten Entlassung beruhenden Teil der Klageforderung die Berechtigung fehlt.

Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.

Anmerkung

E10529

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00038.87.0407.000

Dokumentnummer

JJT_19870407_OGH0002_014OBA00038_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten