TE OGH 1987/4/8 1Ob529/87

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Veröffentlicht am 08.04.1987
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Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Vormundschaftssache der mj. Romana N***, geboren am 20. Oktober 1978, infolge Rekurses der Mutter Wilhelmine N***, Hausfrau, Wien 7., Zollergasse 18/18, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 10. November 1986, GZ 43 R 523/86-263, womit ein Rekurs gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. Juli 1986, GZ 6 P 12/85-242, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Eltern leben seit 23. Februar 1981 getrennt. Ihre Ehe ist rechtskräftig geschieden, der Vater hat sich wieder verehelicht. Der Vater stellte erstmals am 13. September 1981 den Antrag, ihm die elterlichen Rechte und Pflichten zur minderjährigen Romana zu übertragen; darüber ist (im zweiten Rechtsgang) durch das Erstgericht noch nicht entschieden worden.

Das Erstgericht holte von Univ.Dozent Dr. Max. H. F*** ein Gutachten unter anderem über die Frage der Zuteilung der elterlichen Rechte und Pflichten im Sinn des § 144 ABGB gemäß § 177 ABGB unter bestmöglicher Wahrung des Kindeswohles und Berücksichtigung der bisherigen und künftigen optimalen Persönlichkeitsentwicklung des Kindes und der Frage der Eignung der beiden Elternteile zur alleinigen Übernahme dieser Aufgabe und Verantwortung vom Aspekt ihrer Persönlichkeitsstruktur und Erziehungssuffizienz ein. Nach Erstattung des schriftlichen Gutachtens kam es bei der Tagsatzung vom 24. Juni 1986 zur mündlichen Erörterung des Gutachtens. Der Sachverständige schlug in dieser aufgrund des Verhaltens und der Reaktionen von Mutter und Kind vor, ein weiteres Gutachten über den psychischen Zustand der Mutter einzuholen.

Das Erstgericht bestellte Dr. Lambrecht W***, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie, zum Sachverständigen und beauftragte ihn, ein schriftliches Gutachten über den psychischen bzw. psychiatrischen Gesundheitszustand der Mutter zu erstatten. Dieser Beschluß wurde der Mutter gemeinsam mit einem Beschluß des Erstgerichtes über die Neuordnung des Besuchsrechtes zugestellt. Die Mutter bekämpfte beide Beschlüsse mit Rekurs. Das Rekursgericht wies den Rekurs der Mutter gegen den Beschluß auf Bestellung eines weiteren Sachverständigen zurück. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung gelten für den Sachverständigenbeweis im Außerstreitverfahren mangels abweichender Sonderbestimmungen die Regeln der §§ 351 ff ZPO. Es sei daher auch die Bestimmung des § 361 Abs 1 ZPO anzuwenden, wonach die Ablehnung eines Sachverständigen oder die Anordnung der schriftlichen Begutachtung mit einem abgesonderten Rechtsmittel nicht anfechtbar sei. Der Rechtsmittelausschluß habe die erkennbare Funktion einer Straffung des Verfahrens zu bewirken und zu diesem Zweck einen Anfechtungsausschluß für die erstrichterliche Kognition zu schaffen. Der Richter habe in erster Linie selbst zu beurteilen, inwieweit sein Wissen auf der Tatsachenebene ausreiche oder nicht. Es müsse daher auch seinem Ermessen überlassen bleiben, inwieweit er sich dieses Beweises bediene. Es wäre eine unzulässige Beschränkung der freien Beweiswürdigung, wenn das Rechtsmittelgericht in diese vom Erstgericht selbst zu verantwortende Erkenntnisfähigkeit eingriffe. Der Vollständigkeit halber führte das Rekursgericht an, daß der angefochtene Beschluß auch durch die bisherigen Verfahrensergebnisse gerechtfertigt werde. Im Interesse des Kindeswohles sei eine Abklärung geradezu geboten.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Mutter ist nicht berechtigt.

Selbst wenn man mit dem Rekursgericht nicht der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes folgen wollte, im Außerstreitverfahren seien auch verfahrensleitende Verfügungen und damit auch Beschlüsse, mit denen Sachverständige bestellt wurden, uneingeschränkt anfechtbar (EFSlg 42.364, 34.908, 32.535; SZ 50/41; SZ 30/70; SZ 28/262 uva; in Frage gestellt in SZ 57/124), so würde dies bei analoger Anwendung der Bestimmungen der ZPO, wie das Rekursgericht ohnedies ausführte, nur bedeuten, daß ein abgesonderter Rekurs unzulässig ist. Das Rekursgericht übersah dabei aber, daß die Mutter neben dem Beschluß auf Bestellung eines weiteren Sachverständigen den ihr gleichzeitig zugestellten Beschluß über die Neuregelung des Besuchsrechtes bekämpfte. Schon aus diesem Grunde war ihr Rekurs zulässig.

Das Rekursgericht gab aber eine sachliche Eventualbegründung. Der Oberste Gerichtshof kann daher ausnahmsweise über den zu Unrecht zurückgewiesenen Rekurs selbst entscheiden, weil dadurch eine Gefahr der Verschiebung des Instanzenzuges nicht droht (SZ 53/86; JBl 1975, 549). Eine offenbare Gesetzwidrigkeit wird aber im Rekurs nicht aufgezeigt. Dem Kindeswohl kann es nicht abträglich sein, wenn vor einer Entscheidung nach § 177 Abs 2 ABGB die Erziehungsfähigkeit der Mutter wegen des von ihr selbst an den Tag gelegten Verhaltens einer genauen Überprüfung unterzogen wird. Dem Rekurs ist nicht Folge zu geben.

Anmerkung

E10684

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00529.87.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19870408_OGH0002_0010OB00529_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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