Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr. Gamerith, Dr.Hofmann und Dr.Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*** I***, Kommanditgesellschaft, Köln, Herlerstraße 103-109, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Wolfgang Lenneis, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Firma LKW W*** Internationale Transportorganisation F. W***, Wien 1., Börsegasse 14, 2.) prot. Firma Dkfm. F. K*** Gesellschaft mbH, Wien 1., Börsegasse 14, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Jeannee, Rechtsanwalt in Wien, wegen DM 60.000 samt Anhang infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 2. Oktober 1986, GZ 1 R 148/86-49, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 26. Mai 1986, GZ 14 Cg 27/86-44, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 17.989,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 1.417,19 S Umsatzsteuer und 2.400 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 13. September 1982 unterbreitete die erstbeklagte Partei, deren Komplementär die zweitbeklagte Partei ist, der Firma G*** I*** Gesellschaft mbH mit dem Sitz in Wien (im folgenden: Firma G*** Wien), der Tochtergesellschaft, deren Geschäftsführer ident sind, mittels Fernschreibens ein Offert über einen Containertransport von Köln nach Ar Rijad, Saudi-Arabien, um DM 20.500 zuzüglich Eingangsabgaben und Kosten der Zollabwicklung. Die erstbeklagte Partei wies im Offert ausdrücklich auf die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen sowie darauf hin, daß sie Frachtführer nach CMR sei. Als erforderliche Dokumente wurden angeführt: "Faktura und Ursprungszeugnis je vierfach in englischer Sprache mit Israelklausel und Originallegalisierung durch die Handelskammer und Arabisches Konsulat auf jeweils mindestens einer Kopie." Es fanden in der Folge Besprechungen zwischen Mitarbeitern der klagenden und der erstbeklagten Partei statt. Die erstbeklagte Partei wurde darauf aufmerksam gemacht, daß es sich bei dem zu transportierenden Gut um einen Messestand handle, am 16. Oktober 1982 müßten die Montagearbeiten in Ar Rijad beginnen. Die erstbeklagte Partei gab als Transportzeit 14 bis 16 Tage zuzüglich zwei Tage für die Verzollung an. Mit Schreiben vom 21. September 1982 erteilte die Firma G*** Wien der erstbeklagten Partei aufgrund ihres Anbotes vom 13. September 1982 den Auftrag zum Transport der Container von Köln nach Ar Rijad. Die Container seien am 28. September 1982 in Köln bei der klagenden Partei zu übernehmen. Die erstbeklagte Partei wurde ersucht, für die Kranbestellung die Uhrzeit der Übernahme anzugeben. Noch mit Fernschreiben vom 21. September 1982, das an die Firma G*** Wien gerichtet war, bestätigte die erstbeklagte Partei die Auftragserteilung. Die erstbeklagte Partei wies darauf hin, daß sie, wie telefonisch besprochen, keine wie auch immer geartete Termingarantie übernehmen könne. Sie versicherte jedoch, alles für einen raschen und reibungslosen Transportverlauf zu tun. Mit Fernschreiben vom selben Tag antwortete die Firma G*** Wien der erstbeklagten Partei, daß für den Transport eine Laufzeit von 16 Tagen vereinbart worden sei, also wenn am 28. September 1982 möglichst zwischen 8 und 9 Uhr in Köln geladen werde, der Transport theoretisch am Mittwoch, dem 13. Oktober 1982 in Ar Rijad eintreffen müsse. Da die Aufbaumannschaft am Freitag, dem 15. Oktober 1982 in Ar Rijad eintreffe, verblieben der 14. und 15. Oktober 1982 für die Erledigung der Zollformalitäten. Da am 16. Oktober 1982 mit dem Aufbau begonnen werden müsse und nur vier Tage Aufbauzeit zur Verfügung stünden (der Übergabetermin sei der 20. Oktober 1982), müsse alles daran gesetzt werden, daß die Transportdurchführung und -abwicklung ohne Verzögerung vonstatten gehe. Die Firma G*** Wien verstehe, daß die erstbeklagte Partei keine Termingarantie übernehmen könne, sie verlasse sich auf die Versicherung, alles daranzusetzen, um einen reibungslosen und termingerechten Transportablauf sicherzustellen. Die am 28.September 1982 in Köln abgeholten Container kamen am 30.September 1982 in Wien an. Die Frachtdokumente wurden dem Fahrer mitgegeben. Der von der erstbeklagten Partei beauftragte Subfrächter versuchte am Freitag dem 1.Oktober 1982, den Visumantrag für seinen Fahrer bei der Saudi-Arabischen Botschaft in Wien einzubringen. Der Antrag wurde jedoch erst anläßlich eines neuerlichen Versuches am Dienstag den 5. Oktober 1982 angenommen. Der LKW des Subfrächters wurde am Abend des 7.Oktober 1982 mit den bei der erstbeklagten Partei gelagerten Containern beladen. Er fuhr am 8.Oktober 1982 weg und verließ am 9. Oktober 1982 Österreich bei Spielfeld-Straß. Das Visum war zum Zeitpunkt der Abreise noch nicht erteilt, weshalb der Fahrer mit einem Zweitpaß losgeschickt worden war. Der Erstpaß samt Visum wurde per Luftpost nach Amman nachgesendet. Von den Schwierigkeiten bei der Visumbeschaffung verständigte die erstbeklagte Partei weder die Firma G*** Wien noch die klagende Partei. Der Transport traf am 22. Oktober 1982 in Ar Rijad ein. Wegen des nicht rechtzeitigen Eintreffens der Lieferung in Ar Rijad kaufte die klagende Partei die für den Messestand notwendigen Materialien in Saudi-Arabien ein, wodurch sie Aufwendungen von DM 60.000 hatte.
Die klagende Partei begehrt in zwei getrennten, zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen von den beklagten Parteien zur ungeteilten Hand die Bezahlung des Betrages von DM 60.000 samt Anhang. Die erstbeklagte Partei sei über den Bestimmungszweck des Transportes genau informiert gewesen, es sei ihr klar gewesen, daß bei Verspätung der Transport sinnlos werde. Die erstbeklagte Partei habe eklatant vertragswidrig gehandelt. Der Transport sei in voller Kenntnis des Liefertermines, der Dringlichkeit und der möglichen Probleme in Ostblockländern und im Nahen Osten trotz Ersuchens, bei Schwierigkeiten sofort die klagende Partei zu kontaktieren, neun volle Tage in Österreich gestanden. Eine Information der klagenden Partei sei nicht erfolgt. Die erstbeklagte Partei habe in äußerster Sorglosigkeit und voller Kenntnis der Dringlichkeit den Transport einfach stehengelassen. Hätte die erstbeklagte Partei den Transport durch Österreich ordnungsgemäß bewerkstelligt, wäre er ohne Schwierigkeiten fristgerecht in Ar Rijad eingetroffen. Bei Verständigung der klagenden Partei über die Schwierigkeiten in Österreich wäre diese ohne weiteres imstande gewesen, ein Visum für Saudi-Arabien zu besorgen und dem Fahrer an der Grenze zur Verfügung zu stellen. Andernfalls wäre der Auftrag storniert worden, der Transport wäre dann durch ein deutsches Unternehmen durchgeführt worden. Der LKW sei deshalb verspätet in Wien abgefertigt worden, weil der LKW-Lenker erst aus England habe zurückkehren müssen. Die erstbeklagte Partei habe die klagende Partei nicht aufgefordert, die Frachtpapiere oder sonstige zur Visaerteilung allenfalls notwendigen Dokumente sofort zu besorgen und zu übermitteln. Diese Papiere seien daher erst am 28.September 1982 dem Lenker des LKWs mitgegeben worden. Über Aufforderung der erstbeklagten Partei hätten diese Papiere bereits am 22.September 1982 in Wien sein können. Die erstbeklagte Partei wäre verpflichtet gewesen, den Visumantrag sofort bei Vertragsabschluß zu stellen. Allfällige Schwierigkeiten bei der Visumerteilung hätten der erstbeklagten Partei bekannt sein müssen. Eine Visumbeschaffung hätte auf jeden Fall innerhalb von zwei Tagen möglich sein müssen. Zur Visaerteilung sei die Vorlage der Frachtpapiere nicht notwendig. Allenfalls hätte der Fahrer des LKWs die Fahrt ohne Visum antreten und das Visum, wie tatsächlich geschehen, nachgeschickt werden müssen. Die Übergabe an den Subfrachtführer am 5.Oktober 1982 sei bereits verspätet erfolgt. Aufgrund der Schwierigkeiten der vereinbarten Transportleistung sei die klagende Partei genötigt gewesen, einen eigenen Messestand in Ar Rijad zu besorgen. Auf jeden Fall stünde der klagenden Partei aber gemäß Art. 23 Abs 5 CMR ein Schadenersatzanspruch in der Höhe des vereinbarten Entgeltes zu. Die Firma G*** Wien habe vor Klagsführung sämtliche Ansprüche der klagenden Partei abgetreten und diese habe die Abtretung angenommen. Im übrigen sei die Firma G*** Wien bloß pro forma als Vertragspartner aufgeschienen, was der erstbeklagten Partei bekannt gewesen sei. Die erstbeklagte Partei habe aus verwaltungsrechtlichen Gründen eine Auftragserteilung durch die Firma G*** Wien gewünscht. Es habe Übereinstimmung geherrscht, daß es sich um einen Auftrag der klagenden Partei selbst handle, der von ihrem Betriebsgelände aus durchzuführen sei. Der Schaden sei im Vermögen der klagenden Partei entstanden.
Die beklagten Parteien wendeten mangelnde Aktivlegitimation ein. Die behauptete Zession wurde bestritten. Die klagende Partei sei um die Fixierung eines möglichst späten Abholtermines bemüht gewesen, weil die Sendung noch nicht zur Abfertigung bereit gestanden sei. Die erstbeklagte Partei habe auf die Dringlichkeit der Sendung hingewiesen, sie habe darauf aufmerksam gemacht, daß die zur Verfügung stehende Zeit knapp sei (mohammedanische Feiertage fielen in den Zeitraum des Transportes), es sei daher mit Verzögerungen bei der Zollabfertigung und Rückstaus an den Grenzen zu rechnen. Ein Transport von 16 Tagen und damit eine Lieferfrist sei nicht vereinbart und eine Termingarantie nicht übernommen worden. Die klagende Partei habe in Kenntnis der Zeitknappheit den 28.September 1982 als Abholtermin in Köln bestimmt. Die klagende Partei habe bewußt und in Kenntnis, daß es sich um einen äußerst knappen Termin handle, der unter optimalen Bedingungen einzuhalten gewesen wäre, den spätesten noch möglichen Abholtermin und die billigste Transportvariante gewählt und die Vorbehalte der erstbeklagten Partei zur Kenntnis genommen. Es sei der erstbeklagten Partei nicht zumutbar gewesen, ein auf der Basis von einem Fahrer erstelltes Anbot mit zwei Lenkern zu erfüllen. Es wäre Sache der klagenden Partei gewesen, eine schnellere Variante zu wählen und diese dem Vertragsabschluß zugrunde zu legen. Die Container seien am 28. September 1982 in Köln abgeholt worden und am 30.September 1982 in Wien eingetroffen. Die Besorgung eines Visums für Saudi-Arabien sei erst möglich, wenn die Frachtpapiere vorlägen. Dies sei am 30. September 1982 nachmittags gewesen. Die erstbeklagte Partei habe die klagende Partei darauf hingewiesen, welche Dokumente ihr übergeben werden müßten. Ungeachtet der Dringlichkeit des Transportes habe die klagende Partei die Dokumente nicht früher übersendet, sondern dem Fahrer der erstbeklagten Partei erst am 28. September 1982 ausgehändigt. Gemäß Art. 11 Abs 1 CMR falle die Beschaffung und Übergabe der Frachtdokumente allein in den Verantwortungsbereich der klagenden Partei. Am Freitag, dem 1. Oktober 1982, sei dem Subfrächter, der das Visum habe beschaffen wollen, der Eintritt in die Botschaft von Saudi-Arabien verweigert worden. Am darauffolgenden Wochenende (2. und 3.Oktober 1982) hätte wegen des LKW-Fahrverbots in Österreich die Sendung ohnedies nicht abgefertigt werden können. Auch in den folgenden Tagen seien noch mehrere vergebliche Versuche unternommen worden, das Visum, das normalerweise ohne Schwierigkeiten beschafft werden könne, zu bekommen. Auch ein im Postweg eingebrachter Visumantrag wäre nicht schneller erledigt worden. Die erstbeklagte Partei habe sich schließlich entschlossen, den Fahrer mit einem weiteren Paß auf die Fahrt zu schicken und ihm das Visum und den Paß nach Amman (Jordanien) nachzusenden. Die erstbeklagte Partei habe dadurch ein enormes Risiko auf sich genommen und wesentlich mehr getan, als vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen sei. Es habe die Gefahr bestanden, daß bei nicht rechtzeitigem Einlangen des Visums das Fahrzeug in Jordanien blockiert gewesen wäre. Die erstbeklagte Partei habe somit alles nur erdenklich Mögliche getan, um die Abwicklung zu beschleunigen. Die klagende Partei sei während der gesamten Zeit über das Schicksal des Transportes von der erstbeklagten Partei, die dazu nach § 19 AöSp nicht verpflichtet gewesen wäre, informiert gewesen. Die erstbeklagte Partei träfe kein wie immer geartetes Verschulden. Sie habe nicht die Frist überschritten, die vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen sei. Das verspätete Einlangen der Sendung in Ar Rijad sei auf höhere Gewalt zurückzuführen. Eine allfällige Haftung sei nach der Vorschrift des Art. 23 Abs 5 CMR mit der Höhe der Fracht begrenzt.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es stellte fest, die erstbeklagte Partei habe Dokumente für die Visumbeschaffung nicht angefordert. Hätte sie dies getan, so wären die Dokumente spätestens eine Woche vor Abholung der Ware zur Verfügung gestanden. Die Ansprüche der Firma G*** Wien gegen die erstbeklagte Partei seien der klagenden Partei abgetreten worden; die Abtretung sei von der Ö*** N*** bewilligt worden.
Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, daß die aktive Klagslegitimation aufgrund der Zession jedenfalls gegeben sei. Es sei das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) anzuwenden (Art. 1 Z 1 CMR). Gemäß § 41 CMR kämen die Allgemeinen Österreichischen Spediteurbedingungen nur insoweit zum Tragen, als die CMR selbst keine Regelung treffe. Eine Überschreitung der Lieferfrist liege ungeachtet der Ablehnung einer Termingarantie zweifellos vor, da das Gut nicht innerhalb der Frist, die vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen sei, abgeliefert worden sei. Da der erstbeklagten Partei der termingebundene Verwendungszweck des Frachtgutes bekannt gewesen und in Zusammnenwirkung mit ihr der zugegebenermaßen knappe Abholungstermin fixiert worden sei, müsse die Vorgangsweise der erstbeklagten Partei als grob fahrlässig qualifiziert werden. Der von der erstbeklagten Partei angestrengte Entlastungsbeweis, daß die Lieferfristüberschreitung auf unabwendbare Umstände zurückzuführen sei, sei ihr nicht geglückt. Bei postalischer Antragseinbringung, die regelmäßig zu einer Erteilung des Visums in zwei bis drei Tagen führe, wäre die Verzögerung nicht eingetreten. Davon abgesehen habe die erstbeklagte Partei nicht dartun können, warum sie die für die Visabeschaffung notwendigen Dokumente nicht schon vor Abholung des Gutes angefordert habe. Schließlich liege ein extremes Abweichen von der gebotenen Sorgfalt darin, daß die erstbeklagte Partei vor Abfahrt des LKWs am 8. Oktober 1982 die klagende Partei oder die Firma G*** Wien nicht informiert habe, obgleich sie hätte wissen müssen, daß der Ablieferungstermin nicht mehr einzuhalten sei. Unter Würdigung aller Umstände grenze das Verschulden der erstbeklagten Partei bereits an Vorsatz und erfülle jedenfalls das Kriterium grober Fahrlässigkeit. Da grobe Fahrlässigkeit nach österreichischem Recht ein dem Vorsatz gleichstehendes Verschulden bedeute, könnten sich die beklagten Parteien gemäß Art. 29 CMR nicht auf die Haftungsbeschränkung nach Art. 23 Z 5 CMR berufen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der beklagten Parteien mit Ausnahme des Zuspruches der Umsatzsteuer aus den zuerkannten Zinsen nicht Folge. Es übernahm, ohne daß es auf die in erster Instanz ungeklärt gebliebenen Behauptungen der klagenden Partei, die verspätete Transportfortsetzung von Wien aus sei nicht auf Schwierigkeiten bei der Visumbeschaffung, sondern auf das verspätete Zurückkehren des Fahrers des Subfrächters aus England zurückzuführen, aus rechtlichen Gründen einging, die aufgrund eines mängelfreien Verfahrens getroffenen Feststellungen des Erstgerichtes. Die klagende Partei sei aktiv legitimiert. Die Abtretung der Ansprüche durch die Firma G*** Wien sei tatsächlich eine hier nicht nötige und auch nicht greifende Vorsichtsmaßnahme gegen eine offenbar erwartete oder befürchtete Einwendung der beklagten Parteien, daß der Beförderungsvertrag nicht mit der klagenden Partei, sondern mit der Firma G*** Wien geschlossen worden sei, sodaß diese allenfalls einen Schaden erlitten haben könnte. Tatsächlich aber habe die durch denselben Geschäftsführer handelnde klagende Partei sowohl den Beförderungsvertrag mit der erstbeklagten Partei geschlossen als auch den festgestellten Schaden wegen der notwendigen Ersatzbeschaffung eines Messestandes nach verspäteter Ablieferung des Transportgutes durch die erstbeklagte Partei bzw. deren Subfrächter erlitten. Da die erstbeklagte Partei die Spedition zu festen Sätzen übernommen habe und daher als Frächter zu behandeln sei, seien auf den Vertrag zwischen ihr und der klagenden Partei die zwingenden Bestimmungen der CMR anzuwenden. Danach hafte sie gemäß Art. 3 CMR für die Handlungen und Unterlassungen ihrer Erfüllungsgehilfen wie für ihre eigenen Handlungen und Unterlassungen und nicht etwa nur für ein Auswahlverschulden im Sinne des § 408 HGB. Eine Lieferfristüberschreitung im Sinn des Art. 19 CMR liege vor, weil wegen des überlangen Aufenthaltes des Transportes in Wien die tatsächliche Beförderungsdauer eine angemessene Lieferfrist, die vernünftigerweise einem sorgfältigen Frachtführer zuzubilligen sei, doch erheblich überschritten habe. Dieser mehrtägige Aufenthalt des Transportes in Wien sei aus in die Verantwortlichkeit der erstbeklagten Partei fallenden Gründen derart lang gewesen, daß bei der Fortsetzung des Transportes die den Parteien des Transportvertrages nach dem Transportzweck bekannte Verwendung des Transportgutes am Ablieferungsort nicht mehr gewährleistet gewesen sei und daher der wirtschaftliche Zweck des Transportes frustriert habe sein müssen. Hier hätte die erstbeklagte Partei jedenfalls und sofort Rückfrage bei der klagenden Partei tätigen und Weisungen oder Abhilfe einholen müssen. Die Unterlassung dieser Vorgangsweise stelle einen derart groben Verstoß gegen die vertraglichen Schutzpflichten gegenüber der klagenden Partei aus dem geschlossenen Transportvertrag dar, daß grobe Fahrlässigkeit im Sinn des gemäß Art. 29 Z 1 CMR dem Vorsatz gleichstehenden Verschuldens anzunehmen sei. Der Transport hätte fristgerecht erledigt werden können. Allein der in die Verantwortlichkeit der erstbeklagten Partei fallende überlange Aufenthalt in Wien habe zur Überschreitung der angemessenen Beförderungsdauer geführt. Für ein Mitverschulden der klagenden Partei böten die Vorträge der Parteien und das gesamte Verfahren aber keinerlei Anhaltspunkte.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Parteien ist nicht berechtigt. Nach Art. 1 Z 1 CMR gilt dieses Übereinkommen für jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen, wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrag angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Der Ort der Übernahme war Köln, die Bundesrepublik Deutschland ist Vertragsstaat (BGBl. 1963/14). Zwischen dem Versender und der erstbeklagten Partei waren die Beförderungskosten fix vereinbart. Nach § 413 Abs 1 HGB hatte die erstbeklagte Partei dann die Rechte und Pflichten eines Frachtführers. Die Vorschriften der CMR finden auf sie Anwendung (SZ 58/122 = JBl 1986, 317; SZ 58/6 = RdW 1985, 243; Transportrecht 1985, 265; SZ 54/160). Nach Art. 3 CMR haftet die erstbeklagte Partei nicht nur für eigenes Verhalten, sondern auch für Handlungen und Unterlassungen aller Personen, deren sie sich bei Ausführung der Beförderung bediente, wenn diese Personen in Ausübung ihrer Verrichtungen handelten.
Gemäß Art. 17 CMR haftet der Frachtführer unter anderem für eine Überschreitung der Lieferfrist. Die für einen sorgfältigen Frachtführer vernünftigerweise zuzubilligende Frist nach Art. 19 CMR ist dann maßgeblich, wenn keine Lieferfrist vereinbart wurde (Helm in GroßkommHGB 3 § 452 Anhang III Art. 17 CMR Rz 25; Precht-Endrigkeit, CMR-Handbuch 3 97; Heuer, Die Haftung des Frachtführers nach der CMR 132). Die Vereinbarung der Lieferfrist kann auch formlos erfolgen. Zwar ordnet Art. 6 Z 2 lit f CMR an, daß der Frachtbrief auch die vereinbarte Frist, in der die Beförderung beendet sein muß, enthalten müsse. Nach Art. 4 CMR berührt aber weder das Fehlen noch die Mangelhaftigkeit des Frachtbriefes Bestand und Gültigkeit des Beförderungsvertrages. Auch der internationale Frachtvertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärung zustande. Die nach Art. 6 Z 2 CMR vorgesehenen Angaben sind demnach nicht von konstitutiver Bedeutung, sie dienen allein Beweiszwecken (BGH IPRax 1982, 240; Helm aaO Anm. 1 unter Hinweis auf die allein maßgeblichen englischen und französischen Fassungen des Vertrages und Anm. 3 zu Art. 6 CMR; ders. in IPRax 1982, 226; Heuer aaO 133; Glöckner, Leitfaden zur CMR 6 115; Groth in Übersicht über die internationale Rechtsprechung zur CMR 23). Die erstbeklagte Partei nahm zur Kenntnis, daß von der klagenden Partei mit den Montagearbeiten für den transportierten Messestand in Ar Rijad am 16.Oktober 1982 begonnen werden müsse. Die erstbeklagte Partei gab eine Transportzeit von insgesamt 16 bis 18 Tagen an und war mit dem Abholtermin 28.September 1982 einverstanden. Es mußte der erstbeklagten Partei klar sein, daß eine verspätete Ankunft, selbst eine solche noch unmittelbar vor Beginn der Messe, für die klagende Partei wertlos sein mußte, die klagende Partei demnach an einer verspäteten Leistung aufgrund der Natur des Geschäftes kein Interesse haben konnte. Das bedeutet, daß die erstbeklagte Partei wegen der knappen zur Verfügung stehenden Zeit den Transport ohne die geringste vermeidbare Verzögerung durchzuführen hatte. Der Ausschluß einer Termingarantie im Wissen, daß die Lieferung nach dem 16. Oktober 1982 für die klagende Partei wertlos sein mußte, konnte von der klagenden Partei im Verein mit der Zusage der erstbeklagten Partei, alles für einen raschen und reibungslosen Transportverlauf zu tun, nur dahin verstanden werden, daß die erstbeklagte Partei nur dafür nicht einstehen sollte, wenn aus Gründen, die nicht in ihrem Verantwortungsbereich lagen, etwa bei Grenzübertrittsschwierigkeiten, der Transport verzögert werden sollte; es wurde aber kein Haftungsausschluß für von der erstbeklagten Partei zu vertretende Verzögerung, etwa bei der Visumbeschaffung, vereinbart. Mit der erwähnten Einschränkung war dann aber ein Liefertermin 16.Oktober 1982 als vereinbart anzusehen. Die beklagte Partei kann sich mit Erfolg weder auf eine Haftungsbeschränkung nach Art. 17 Z 2 CMR noch darauf berufen, daß sie keine grobe Fahrlässigkeit zu verantworten habe. Die klagende Partei hielt an dem Tag, den die erstbeklagte Partei selbst für ausreichend hielt, um rechtzeitig in Ar Rijad einzutreffen, das Gut zur Übernahme bereit. Der das Gut begleitende Frachtbrief und die nach Art. 11 CMR erforderlichen Urkunden wurden der erstbeklagten Partei übergeben. Eine für eine rechtzeitige Visumbeschaffung allenfalls notwendige vorherige Übergabe von Papieren wurde von der erstbeklagten Partei nicht verlangt. Bei der Haftung nach Art. 17 CMR handelt es sich um eine Haftung für vermutetes Verschulden mit verschärftem Sorgfaltsmaßstab (Helm in GroßkommHGB 3 aaO Anm. 5 zu Art. 17 CMR). Der Frachtführer wird nur dann von seiner Haftung frei, wenn die Überschreitung der Lieferfrist durch Umstände verursacht wurde, die der Frachtführer nicht vermeiden und deren Folgen er nicht abwenden konnte (Precht-Endrigkeit aaO 87); er hat den äußersten nach den Umständen des Falles möglichen und vernünftigerweise zumutbaren Sorgfaltsmaßstab anzuwenden (SZ 56/113 mwN).
Der Beweis, diesen Sorgfaltsmaßstab eingehalten zu haben, gelang den beklagten Parteien nicht. Die erstbeklagte Partei nahm - wie die spätere Abwicklung des Transportes zeigte - zutreffend an, daß für den Transport einschließlich der Verzollung eine Zeit von 16 bis 18 Tagen erforderlich sein werde. Sie übernahm vereinbarungsgemäß am 28. September 1982 das zu befördernde Gut in Köln und wußte, daß schon am 16.Oktober 1982 in Ar Rijad die von der klagenden Partei durchzuführenden Montagearbeiten beginnen sollten. Sie mußte dann alles vorkehren, damit der Transport zwischen dem 14. und 16.Oktober 1982 am Bestimmungsort eintreffen konnte. Wenn die erstbeklagte Partei schon einen Subfrächter beizog, hätte sie oder ihr Subfrächter alle erforderlichen Maßnahmen treffen müssen, daß der Transport ohne jede Verzögerung durchgeführt werden konnte. Die Visumbeschaffung fiel ausschließlich in den Risikobereich der erstbeklagten Partei. Ein versuchtes, aber fehlgeschlagenes Visumansuchen am 1.Oktober 1982 hätte günstigstenfalls die Fortsetzung des Transportes am 4.Oktober 1982 ermöglicht. Das bedeutet aber, daß nach der mit der Zeitberechnung der erstbeklagten Partei übereinstimmenden tatsächlichen Durchführung des Transportes dieser frühestens am 18.Oktober 1982, somit bereits verspätet, der klagenden Partei in Ar Rijad zur Verfügung gestanden wäre. War eine Visumbeschaffung vor Eintreffen des Transportes nicht möglich, hätte der Fahrer ohne Visum in Fahrt gesetzt werden müssen; das Visum konnte ihm, wie es dann tatsächlich geschah, nach Jordanien nachgeschickt werden. Eine Übergabe des Frachtgutes erst am 5. Oktober 1982 an den Subfrächter war auf jeden Fall verspätet und konnte nach den eigenen Fahrtzeitberechnungen der erstbeklagten Partei nicht mehr zum Eintreffen am 16.Oktober 1982 am Bestimmungsort führen. Im Verhalten der erstbeklagten Partei ist nicht nur eine bloße Fahrlässigkeit, sondern grobe Fahrlässigkeit (auffallende Sorglosigkeit) zu erblicken. Auffallende Sorglosigkeit wird angenommen, wenn die erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlicher und darum auffallender Weise vernachlässigt wurde und dieser objektiv besonders schwerwiegende Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist, der Schadenseintritt also als wahrscheinlich und nicht bloß als möglich vorhersehbar war (SZ 56/157 mwN) und der Schadenseintritt leicht zu verhindern gewesen wäre (Reischauer in Rummel, ABGB, Rz 3 zu § 1324), sodaß das Vorgehen geradezu als leichtfertig zu qualifizieren ist (Helm in GroßkommHGB 3 aaO). Ein solches Verhalten steht nach dem Recht des angerufenen Gerichtes dem Vorsatz gleich (Art. 29 CMR; SZ 47/106; vgl. BGH IPRAx 1985, 29; Helm in IPRax 1985, 10; ders. in GroßkommHGB 3 aaO Anm. 2 zu Art. 29 CMR). Die beklagten Parteien können sich dann auf eine Betragsbeschränkung ihrer Haftung nach Art. 23 Z 5 CMR nicht berufen.
Für die Durchsetzung der vertragsmäßigen Schadenersatzansprüche mangelt es der klagenden Partei nicht an der Aktivlegitimation. Dem Berufungsgericht ist zwar nicht darin zu folgen, daß zwischen der Firma G*** Wien und der erstbeklagten Partei nur "formell" ein Vertrag abgeschlossen worden sei und wahrer Vertragspartner die klagende Partei gewesen wäre. Wohl aber handelt es sich bei dem zwischen G*** Wien und der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Vertrag um einen Vertrag, durch den die klagende Partei in den vertraglichen Schutzbereich einbezogen wurde. Es ist heute nach Rechtsprechung und Lehre allgemein anerkannt, daß Schutz- und Sorgfaltspflichten als vertragliche Nebenpflichten des Schuldners nicht nur seinem Vertragspartner, sondern auch dritten Personen gegenüber bestehen können. In diesem Fall erwirbt der Dritte direkte vetragliche Ansprüche gegen den Schuldner (JBl 1986, 452; JBl 1986, 381 je mwN). Grundlage des zwischen der Firma G*** Wien und der erstbeklagten Partei abgeschlossenen Vertrages war die Beförderung von Transportgut der klagenden Partei. Die Hauptleistung war der klagenden Partei zuzuwenden. Die erstbeklagte Partei war damit der klagenden Partei ebenso zur Fürsorge verpflichtet, als wäre Gut der Firma G*** Wien transportiert worden. Ohne daß es auf die von den beklagten Parteien bestrittene Wirksamkeit der Zession ankommt, ist daher die klagende Partei berechtigt, den in ihrem Vermögen eingetretenen Schaden direkt geltend zu machen. Die behaupteten Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen, wie der Oberste Gerichtshof prüfte (§ 510 Abs 3 ZPO), nicht vor.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Einbringung zweier getrennter, sodann zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundener, aus einem Vertragsbruch abgeleiteter Schadenersatzklagen gegen eine Personengesellschaft und deren Komplementär war zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig. Kosten sind daher so zuzusprechen, als wären Gesellschaft und Komplementär gemeinsam geklagt worden.
Anmerkung
E10672European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00502.87.0408.000Dokumentnummer
JJT_19870408_OGH0002_0010OB00502_8700000_000