TE OGH 1987/4/8 1Ob567/87

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Veröffentlicht am 08.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** Gesellschaft m.b.H., Wolfurt, Fattstraße 31, vertreten durch Dr. Walter Derganz, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagte Partei Hedwig G***, Geschäftsfrau, Wolfurt, Fattstraße 29, vertreten durch Dr. Gottfried Waibel, Rechtsanwalt in Dornbirn, wegen Entfernung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Teilurteil des Landesgerichtes Feldkirch als Berufungsgerichtes vom 2. Dezember 1986, GZ 1a R 434/86-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Bregenz vom 22. Juli 1986, GZ 3 C 37/86-10, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 2.414,72 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 219,52 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei ist Eigentümerin der Grundstücke 665 und 670 (EZ 847 KG Wolfurt), auf welchen eine Produktionshalle (Fattstraße 31) errichtet ist. Die Beklagte ist Mieterin sowohl von Räumlichkeiten im südöstlichen Bereich dieser Halle als auch der auf dem im Süden an das Grundstück 670 angrenzenden Grundstück 975 errichteten Halle (Fattstraße 29), in der sie den Fabrikskleinverkauf für Gardinen betreibt.

Die Räume in der der klagenden Partei vom Ehegatten der Beklagten Herbert G*** verkauften Halle hatte die Beklagte 1982 gemietet; damals war der Fabrikskleinverkauf noch dort eingerichtet. 1984 verlegte sie den Verkauf in die benachbarte Halle (Fattstraße 29) und benützte die Räume in der Halle der klagenden Partei seither nur mehr als Warenlager. Als das Verkaufslokal noch in der Halle der klagenden Partei eingerichtet war, erfolgte der Zugang zu diesem über das Grundstück 975, das zunächst noch im Eigentum der G*** Gesellschaft mbH. stand. Die Grundstücke 975, 670 und 665 waren zum öffentlichen Weg (= Grundstück 3206) hin mit Maschendraht eingezäunt. In den Zaun war ein 5 m breites, aus zwei Flügeln bestehendes Tor eingelassen, das stets verschlossen gehalten wurde. Die Kunden der Beklagten fuhren im allgemeinen nicht unmittelbar bis zum Eingang des Verkaufslokals, weil ein Fahrverbot angeordnet war. Zur Warenanlieferung fuhren die Fahrzeuge allerdings durch das Tor auf dem Grundstück 975 bis zum Lokal der Beklagten vor. Nachdem die Liegenschaft mit den Grundstücken 973 und 975 (Fattstraße 29) im Zuge eines Zwangsversteigerungsverfahrens am 9. Juni 1983 Alwin R*** zugeschlagen worden war, wollte dieser das erworbene Areal zum angrenzenden Grundstück 670 hin einzäunen; er war nicht mehr bereit, sein Grundstück als Zufahrt zum Fabrikskleinverkauf zur Verfügung zu stellen. Am 13. Juli 1984 wurde die Grenze zwischen den Grundstücken 975 und 670 von einem Zivilingenieur vermarkt. Entgegen seiner ursprünglichen Absicht ließ Alwin R*** den Zaun jedoch nicht entlang der Grundgrenze, sondern auf seinem Grundstück etwas südwärts hievon aufstellen. Dabei wurde der an der Ostseite der Grundstücke der klagenden Partei stehende Zaun bis auf das schon erwähnte zweiflügelige Tor entfernt. Damit war zwar der Geschäftsführer der klagenden Partei Herbert R*** nicht einverstanden, ließ aber Alwin R*** trotzdem gewähren. Seither kann zu den Räumen der Beklagten in der Halle der klagenden Partei nur mehr über das öffentliche Gut (= Weg 3206) zugefahren werden.

Ende 1985 gab die klagende Partei die Errichtung eines Zauns an der Grenze zwischen den Grundstücken 975 und 670 bis zum südöstlichen Ende ihrer Halle, die Wiederherstellung des Zauns an deren Ostseite und den Einbau einer Tür für Fußgänger in Auftrag. Von dieser Tür bis zum südlichen Ende des Zauns sollte eine Strecke von etwa 7 m bis 8 m als Zufahrt zu den Lagerräumen der Beklagten in der Halle der klagenden Partei offen bleiben. Die Zufahrt könnte allerdings nur mehr über das Grundstück 975 erfolgen, weil die klagende Partei der Beklagten die Benützung des Tors und der Tür im Zaun nicht gestatten will.

Zwischen Weihnachten 1985 und Neujahr 1986 stellte Herbert G*** auf dem Vorplatz der Lagerräume einen weißen Kastenwagen ab. Als das von der klagenden Partei beauftragte Unternehmen das Schnurgerüst für den Zaun errichtet hatte, parkte die Beklagte in der Nacht zum 6. Februar 1986 einen LKW derart auf dem Vorplatz, daß die rund 1 m hohen Eisenrohre umgefahren wurden. Am 15. Februar 1986 stellte die Beklagte anstelle des Kastenwagens einen PKW ab. In der Zeit zwischen 2. und 15. April 1986 wurden diese Fahrzeuge entfernt, dafür aber ein nicht zum Verkehr zugelassener großer Anhänger auf dem Vorplatz der Halle der klagenden Partei über der Grundgrenze im Bereich des geplanten Zaunes aufgestellt. Eigentümerin und Halterin aller dieser Fahrzeuge ist die Beklagte, die mit diesen Maßnahmen die Einzäunung der Grundstücke der klagenden Partei an deren Ostseite verhindern will, weil ihr damit der Zugang zu den von ihr gemieteten Lagerräumen verwehrt wäre.

Die klagende Partei begehrt die Verurteilung der Beklagten zur Entfernung des Anhängers und zur Unterlassung des Abstellens von Fahrzeugen auf diesen Grundstücken bzw. der Zufahrt zu diesen. Durch die abgestellten Fahrzeuge werde sie an der Errichtung des Zauns gehindert; überdies benötige sie den Vorplatz dringend als Parkplatz für die Fahrzeuge ihrer Mitarbeiter.

Die Beklagte wendete ein, sie habe den Vorplatz stets zum Abstellen von Fahrzeugen sowie zur Ladetätigkeit benützt. Die klagende Partei versuche, ihr die ungestörte Zufahrt zum Bestandobjekt durch Errichtung eines Zauns zu erschweren bzw. den bedungenen Gebrauch unmöglich zu machen. Sie habe die Fahrzeuge deshalb dort aufgestellt, um einen unwiederbringlichen Schaden zu verhindern. Derzeit diene der dort abgestellte Anhänger vornehmlich ihrem Selbstschutz.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte sei berechtigt, den Vorplatz als Zugang zu den Bestandräumlichkeiten zu benützen. Die klagende Partei sei als Bestandgeberin verpflichtet, Störungen dieses Gebrauchs zu unterlassen. Durch Errichtung des Zauns an der Ostgrenze ihrer Grundstücke wolle die klagende Partei die Beklagte zum Zugang über das gemietete Nachbargrundstück zwingen, was aber zur Voraussetzung habe, daß ein Teil des von Alwin R*** an der Nordseite seines Grundstücks gesetzten Zauns entfernt werde.

Das Gericht zweiter Instanz gab dem Entfernungsbegehren mit Teilurteil statt; den Ausspruch über das Unterlassungsbegehren hob es dagegen auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang, ohne einen Rechtskraftvorbehalt anzuordnen, an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurück. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes des Entfernungsbegehrens zwar S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteige und die Revision zulässig sei. Die Beklagte habe nicht behauptet, zum Abtstellen eines zum Verkehr nicht zugelassenen Anhängers auf dem Vorplatz berechtigt zu sein; der Mieter von Räumlichkeiten zum Betrieb des Fabrikskleinverkaufs sei aber auch nicht zum Abstellen eines Anhängers derart, daß deshalb ein Zaun nicht errichtet werden könne, befugt. Die Voraussetzungen für die Selbsthilfe lägen nicht vor. Die Selbsthilfe sei auf Änderung eines bestehenden rechtswidrigen Zustandes gerichtet. Die beabsichtigte Errichtung eines Zauns sei aber nicht rechtswidrig. Rechtswidrigkeit sei nur dann anzunehmen, wenn der Beklagten durch den Zaun der Zugang zum Bestandobjekt genommen würde. Da sich die Beklagte auf Selbsthilfe berufe, müsse sie beweisen, daß staatliche Hilfe zu spät gekommen wäre und sie rechtmäßig gehandelt habe. Es stehe nämlich keineswegs fest, daß die Beklagte infolge Errichtung des Zauns keine Zufahrtsmöglichkeit mehr habe, zumal ein 5 m breites Tor vorhanden sei. Eine Veränderung des Zugangs zum Bestandobjekt müsse sich die Beklagte gefallen lassen, wenn damit keine wesentliche Erschwerung der Ausübung der Bestandrechte verbunden sei. Die Behauptung der Beklagten in ihrer Berufungsbeantwortung, richterliche Hile wäre zu spät gekommen, sei eine unbeachtliche Neuerung. Im übrigen sei sie auf die Möglichkeit einer einstweiligen Vorkehrung oder Verfügung zu verweisen. Die von der Beklagten erhobene Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Mit der Mängel- und der Aktenwidrigkeitsrüge zeigt die Beklagte keine unrichtige Lösung einer erheblichen Rechtsfrage des Verfahrensrechtes auf (§§ 502 Abs. 4 Z 1, 503 Abs. 2 ZPO); die geltend gemachten Anfechtungsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der Aktenwidrigkeit liegen somit nicht vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Die Beklagte hat schon im Verfahren erster Instanz vorgebracht, daß das Abstellen ihrer Fahrzeuge über der Grundgrenze ihrem Selbstschutz diene; sie wolle mit diesen Aktionen verhindern, daß ihr die klagende Partei durch Errichtung des Zauns an der Ostseite ihrer Halle den Zugang zum gemieteten Warenlager unmöglich mache und ihr damit unwiderbringlichen Schaden zufüge (ON 2, S. 7; ON 3, S. 20; ON 5, S. 27). Diesen Standpunkt hat sie in ihrer Revison bekräftigt: Die Selbsthilfemaßnahme sei gerechtfertigt, weil richterliche Hilfe zu spät gekommen wäre, und sei auch angemessen. Die Beklagte hat in der Nacht zum 6. Februar 1986 eines ihrer Fahrzeuge derart (über der Grundgrenze zum öffentlichen Gut) abgestellt, daß dabei die in die abgesägten Eisenrohre des früheren Zauns hineingesteckten, etwa 1 m hohe Eisenrohre des vom beauftragten Unternehmen errichteten Schnurgerüstes umgefahren wurden (ON 10, S. 7); in der Folge hat sie die so aufgestellten Fahrzeuge immer wieder durch andere ersetzt, so daß der von der klagenden Partei in Auftrag gegebene Zaun an dieser Grundgrenze bis jetzt nicht aufgestellt werden konnte.

Zu solchen Maßnahmen wäre die Beklagte aufgrund des Bestandvertrages zwischen den Streitteilen nicht berechtigt. Sie hat vielmehr, wie sie sagt, im Wege der Selbsthilfe - die im Sinne des § 19 ABGB auf die Änderung (Abwehr) eines bestehenden rechtswidrigen Zustandes gerichtet ist (EvBl 1981/119 ua.; Reischauer in Rummel, ABGB, Rdz 16 zu § 19 mwN) - nicht bloß das zur Errichtung des Zauns erforderliche Schnurgerüst beseitigt, sondern darüber hinaus die klagende Partei bisher auch erfolgreich an der Aufstellung des Zauns gehindert. Zur Rechtsfertigung ihres Handelns hat die Beklagte in erster Instanz lediglich vorgebracht, durch den Zaun werde ihr der ungehinderte Zugang zum Mietobjekt verwehrt und ihr hiedurch ein unwiederbringlicher Schaden zugefügt. Ob der Beklagten durch die geplante Einzäunung des Areals tatsächlich ein unwiederbringlicher Schaden - etwa eine nicht oder doch nur schwer nachweisbare Einbuße an Kunden infolge der verwehrten Zufahrtsmöglichkeit - drohte, kann jedoch ebenso ungeprüft bleiben wie die Frage, ob - als Voraussetzung gerechtfertigter Selbsthile (§ 344 ABGB; EvBl 1981/119; SZ 51/56; Reischauer aaO Rz 17) - richterliche Hilfe zu spät gekommen wäre, weil die Beklagte der Errichtung des Zauns auch durch eine unverzüglich beantragte einstweilige Vorkehrung oder Verfügung nicht mehr rechtzeitig begegnen hätte können: Denn abgesehen davon, daß durch die bloße Dauer eines von der Beklagten angestrengten Verfahrens zu gewärtigende Nachteile Selbsthilfe in aller Regel nicht rechtfertigen können, weil sie dann schlechthin erlaubt wäre (vgl. Reischauer aaO Rz 17), hat die Beklagte den durch ihre Selbsthilfemaßnahme geschaffenenen Zustand auch weiterhin aufrecht erhalten, ohne gegen die klagende Partei gerichtliche Schritte einzuleiten. Es wäre ihr ein leichtes gewesen, ihre Selbsthilfemaßnahmen - selbst wenn diese zunächst gerechtfertigt gewesen sein sollten - durch einen entsprechenden Sicherungsantrag (§ 458 ZPO; §§ 381 Z 2, 382 Z 5, 384 Abs. 1 EO). zu ersetzen. Die Fortsetzung der Selbsthilfe durch die Beklagte war somit jedenfalls rechtswidrig, weil diese bei unverzüglicher Antragstellung richterliche Hilfe erlangen hätte können. Das Berufungsgericht hat demnach dem Begehren auf Entfernung des Anhängers und damit auf Beseitigung des hiedurch geschaffenen rechtswidrigen Zustandes zumindest im Ergebnis zu Recht stattgegeben. Der Revision ist deshalb ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10683

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00567.87.0408.000

Dokumentnummer

JJT_19870408_OGH0002_0010OB00567_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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