Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Sachwalterschaftssache des Betroffenen Ferdinand B***, Landwirt, 4820 Bad Ischl, Grazer Straße 86 c, infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Günther Stanonik, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen den Beschluß des Kreisgerichtes Wels als Rekursgerichtes vom 5. Februar 1987, GZ R 1230, 1231/86-354, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Wels vom 30.September 1986, GZ SW 242/84-315, 316, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Mit dem Beschluß vom 12. Oktober 1984, SW 242/84-108, bestellte das Erstgericht Dr. Maximilian G***, Rechtsanwalt in Wels, als Sachwalter für den Betroffenen Ferdinand B*** zur Besorgung folgender Angelegenheiten:
Jede Art von Verfügung über die Rechte an der Liegenschaft EZ 28 KG Grassing, einschließlich deren Nutzung oder Verwertung; Kreditgeschäfte jeder Art; Einleitung und Durchführung von Verfahren jeder Art vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden; Eingehen und Auflösung von Bestandverträgen, Änderung, Nutzung oder Verwertung der Rechte an der Liegenschaft EZ 28 KG Aschet; desgleichen Erteilen oder Auflösen von Vollmachten oder Aufträgen aller Art. Weiters sprach das Erstgericht aus, daß der Betroffene, soweit ihm der Sachwalter Geldbeträge überläßt oder er durch eigene Arbeit ein Entgelt erzielt, frei darüber verfügen und sich in diesem Umfang verpflichten könne; er dürfe nur mündlich vor Gericht oder mündlich notariell wirksam eine letztwillige Anordnung treffen; der Sachwalter habe vor allen Entscheidungen in land- und forstwirtschaftlichen Angelegenheiten den Rat eines einschlägigen Sachverständigen einzuholen und sich daran zu halten. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluß. Der Oberste Gerichtshof wies den außerordentlichen Revisionsrekurs des Betroffenen zurück.
Mit dem Beschluß des Erstgerichtes vom 30. September 1986, SW 242/84-316, wurde der Antrag des Betroffenen, die Sachwalterbestellung aufzuheben, abgewiesen. Es vertrat die Auffassung, daß eine Besserung des Zustandes des Betroffenen nicht eingetreten sei und sein Verhalten auch nach der Bestellung des Sachwalters erkennen lasse, daß er zur Besorgung der Geschäfte, die dem Sachwalter übertragen wurden, nach wie vor selbst nicht in der Lage sei. Das Erstgericht traf diese Entscheidung nach Einvernahme des Betroffenen Ferdinand B***, der subjektiv eher eine Verschlechterung seines Geisteszustandes seit der letzten Untersuchung verspürte.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Betroffenen nicht Folge, sondern bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Es erachtete die Rechtsmittellegitimation des Betroffenen als gegeben und ging dabei auch davon aus, daß sich der Betroffene von seinem mit ordnungsgemäßer Vollmacht ausgestatteten Vertreter wirksam im Verfahren zur Aufhebung der Sachwalterschaft vertreten lassen konnte. Wenngleich die Erteilung oder Auflösung von Vollmachten aller Art grundsätzlich in den Geschäftskreis des Sachwalters falle, könne der Betroffene in dem Umfang, in dem er trotz der Bestellung eines Sachwalters im außerstreitigen Verfahren ohne Mitwirkung des Sachwalters einschreiten darf, durch einen Bevollmächtigten wirksam auftreten. Gemäß § 251 AußStrG seien die §§ 236 bis 250 auf die Beendigung der Sachwalterschaft entsprechend anzuwenden; von der Beiziehung eines Sachverständigen könne abgesehen werden. Voraussetzung der Beendigung der Sachwalterschaft sei eine Änderung des für die Sachwalterbestellung maßgeblichen Sachverhaltes, sei es, daß die Behinderung nunmehr weggefallen ist, sei es, daß der Betroffene nunmehr durch andere Hilfe seine Angelegenheiten gehörig besorgen könne: Der Betroffene habe keine neuen Sachverhaltsmomente vorgebracht, die eine Beendigung der Sachwalterschaft rechtfertigten. Solche hätten sich auch nicht nach der Einvernahme des Betroffenen durch das Erstgericht ergeben. So habe der Betroffene durch sein Verhalten nach der Bestellung des Sachwalters durch den Verkauf eines wertvollen Traktors an einen Landmaschinenhändler, dem er sodann den Kaufschilling als Darlehen zuzählte, ohne sich die Darlehensgewährung durch einen Schuldschein bestätigen zu lassen, klar dokumentiert, daß er nicht in der Lage ist, die dem Sachwalter obliegenden Angelegenheiten selbst zu seinem Vorteil zu erledigen. Insbesondere sei er offensichtlich nach wie vor nicht willensstark genug, seine finanziellen Interessen von jenen seiner Gattin abzugrenzen. Auffallend sei auch, daß der Betroffene bereits einen Tag, nachdem er wieder in den Einflußbereich seiner Ehegattin gelangte, zu Gunsten deren Stieftochter über sein Vermögen testamentarisch verfügte. Auch wenn das Rekursgericht gemäß § 10 AußStrG die vom Betroffenen mit dem Rekurs vorgelegten Gutachten der Sachverständigen Dr. Hermann W*** vom 13.10.1986 und Prim.Dr. Ernst R*** vom 22.10.1986, die dem Erstgericht noch nicht zur Verfügung standen, berücksichtigt, sei damit für den Standpunkt des Betroffenen nichts gewonnen:
Der Sachverständige Dr. Hermann W*** habe lediglich zwei Intelligenztests mit dem Betroffenen durchgeführt und einen IQ von 94 (Sachverständiger Dr. L*** im Bestellungsverfahren: IQ von 90) ermittelt. Auf Grund der durchgeführten Tests und der Anamnese sei der Sachverständige Dr. Hermann W*** zu dem Ergebnis gelangt, daß die Persönlichkeit des Betroffenen dem ländlichen Milieu und seiner Ausbildung entsprechend einfach strukturiert sei, die intellektuelle Leistungsfähigkeit aber dem altersgemäßen Durchschnitt entspricht, Hinweise auf querulatorische Verhaltensweisen, Wahnideen, abnorme Ermüdbarkeit oder Störungen der Merk- und Aufmerksamkeit oder psychische Auffälligkeit lägen nicht vor.
Prim.Dr.Ernst R*** führe in seinem Gutachten aus, daß die intellektuelle Leistungsfähigkeit des Betroffenen noch im Durchschnitt einzuordnen sei. Hinweise auf wesentliche vorzeitige intellektuelle Abbauerscheinungen lägen nicht vor. Der Betroffene sei hinsichtlich seiner Entscheidungsfähigkeit leicht beeinflußbar und ambivalent, bleibe jedoch durchaus im Rahmen der Normalbevölkerung.
Beiden Gutachten hafte jedoch als Mangel an, daß die Sachverständigen - offensichtlich vom Betroffenen bzw. seiner Gattin - nur ungenügend informiert wurden und über die Verhaltensweisen des Betroffenen, die zur Einleitung eines Verfahrens auf Sachwalterbestellung geführt haben, keine Kenntnis erlangten. Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. Hermann W*** sei zu entnehmen, daß dieser Sachverständige lediglich dahin informiert wurde, daß mehrere Personen, die am Vermögen des Betroffenen finanziell interessiert seien, das Verfahren auf Sachwalterbestellung in die Wege geleitet hätten. Seine Gattin unterstütze ihn nunmehr in seinem Bemühen, die Beendigung der Sachwalterschaft zu erreichen. Der Sachverständige Prim.Dr. Ernst R*** verfüge zwar über etwas weitgehende Informationen, doch auch von ihm seien wesentliche Tatsachen, die von den vom Gericht beigezogenen Sachverständigen in die Befundaufnahme einbezogen worden waren, offensichtlich aus Unkenntnis nicht berücksichtigt worden (z.B. Ausstellung von Wechseln über Millionenbeträge; mehrfache Erteilung und Widerruf von Verkaufsvollmachten; mehrfach wechselnde Erklärungen in anhängigen Gerichtsverfahren usw, wobei sich diese Handlungen samt und sonders für den Betroffenen nachteilig ausgewirkt haben). Die in den Gutachten berücksichtigte Sachverhaltsgrundlage sei daher derart mangelhaft, daß diesen eine Besserung des Geisteszustandes des Betroffenen, die eine Beendigung der Sachwalterschaft rechtfertigen würde, nicht einmal ansatzweise entnommen werden könne. Beide Sachverständige
gingen - offensichtlich aus Unkenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes - nicht darauf ein, daß der Betroffene in der Vergangenheit nicht die Willenskraft aufbringen konnte, sich den Bestrebungen der an seinem Vermögen interessierten Personen (zu denen auch seine Gattin zählt) zu widersetzen und von diesen zu zahlreichen für ihn nachteiligen Handlungen gedrängt wurde. Daß die Gattin des Betroffenen nach wie vor den Einsatz seines Vermögens zu Förderung ihrer finanziellen Interessen anstrebt, ergebe sich unter anderem schon aus der von ihr erklärten Bereitschaft, die Anteile der B*** GesmbH an ihren Gatten abzutreten, um einen Erwerb der Liegenschaft EZ 857 KG Reiterndorf zu ermöglichen. Da die vom Betroffenen im Rekurs vorgelegten Gutachten aus den dargelegten Gründen nicht auf eine Änderung des für die Bestellung des Sachwalters maßgeblichen Sachverhaltes schließen lassen, erfordere auch die Vorlage dieser Gutachten nicht die Durchführung eines Verfahrens nach den §§ 239 ff AußStrG.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Betroffenen, in welchem er die Anfechtungsgründe der offenbaren Gesetzwidrigkeit und Nullität geltend macht und beantragt, den Beschluß des Gerichtes zweiter Instanz dahin abzuändern, daß die Bestellung des Sachwalters für den Betroffenen aufgehoben werden möge; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes sei deshalb offenbar gesetzwidrig, weil im Gegensatz zu dessen Ansicht sehr wohl eine Änderung des für die Bestellung des Sachwalters maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten sei. Das Rekursgericht hätte nicht einen dem § 273 ABGB zu unterstellenden Zustand feststellen können, denn aus den vorgelegten Gutachten gehe hervor, daß beim Betroffenen weder eine psychische Krankheit noch eine geistige Behinderung vorliege. Das Rekursgericht wäre unter Nichtigkeitssanktion verpflichtet gewesen, eine Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung durchzuführen und dabei die vom Betroffenen erbrachten Beweise zu erörtern. Dazu war zu erwägen:
Vorweg ist darauf zu verweisen, daß schon vor dem Inkrafttreten des Sachwaltergesetzes der Entmündigte ihm zustehende Anträge und Rechtsmittel durch einen Rechtsanwalt einbringen durfte, ohne daß die Bevollmächtigung einer gerichtlichen Genehmigung bedurfte (SZ 19/57, 8 Ob 581/83 ua). Voraussetzung war aber, daß der Betroffene bei der Vollmachtserteilung fähig war, den Zweck der dem Rechtsvertreter erteilten Vollmacht zu erkennen (EvBl 1975/21; 5 Ob 14/75; 1 Ob 99/71; 6 Ob 55/74; 7 Ob 607-609/86 ua). Bei offenkundiger Unfähigkeit zu dieser Erkenntnis müßte die Bevollmächtigung als unwirksam angesehen werden (Maurer, Sachwalterrecht, 118 für das Gebiet des nunmehr geltenden Sachwaltergesetzes; 7 Ob 607-609/86 ua). Von einer solchen offenkundigen Unfähigkeit kann aber nach Lage des Falles hier nicht gesprochen werden. Der für den Betroffenen bestellte Sachwalter wurde nur mit bestimmten Aufgaben betraut; soweit unter den Beschränkungen des Betroffenen auch das Erteilen von Vollmachten aufscheint, kann sich dies nicht darauf beziehen, daß der Betroffene die Aufhebung der Sachwalterschaft selbst und damit auch die Aufhebung dieser Beschränkung zu erreichen sucht. Zutreffend ging daher das Rekursgericht davon aus, daß der Betroffene von seinem gewählten Vertreter wirksam vertreten wurde.
Es wurde bereits wiederholt ausgesprochen, daß im Verfahren zur Bestellung von Sachwaltern für behinderte Personen § 16 AußStrG gilt (7 Ob 621/84; 6 Ob 581, 582/85; 6 Ob 648/85; 8 Ob 645/85; 8 Ob 502/87 ua). Dies muß auch für das Verfahren auf Aufhebung der Sachwalterschaft gelten (vgl. EvBl 1986/25 ua). Gemäß § 16 Abs 1 AußStrG findet gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes nur im Falle einer offenbaren Gesetz- oder Aktenwidrigkeit der Entscheidung oder wegen Nichtigkeit die Beschwerde an den Obersten Gerichtshof statt.
Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt nur vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, daß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103; 6 Ob 581, 582/85; 8 Ob 645/85 uva). Es kann keine offenbare Gesetzwidrigkeit darin liegen, daß die Vorinstanzen einen Sachwalter bestellt haben, obwohl der Rechtsmittelwerber meint, einen solchen nicht zu brauchen (vgl. 6 Ob 682/85; 8 Ob 502/87 ua); denn die Frage, ob genügend Anhaltspunkte für die Notwendigkeit der Bestellung eines Sachwalters vorliegen, ist im Gesetz nicht geregelt. Ebenso kann der Annahme der Vorinstanzen, daß keine ins Gewicht fallende Änderung des Sachverhaltes dahingehend eingetreten wäre, daß im Gegensatz zu früher der Betroffene keinen Sachwalter mehr brauchte, nicht dem Begriff der offenbaren Gesetzwidrigkeit unterstellt werden. Die in diese Richtung zielenden Ausführungen des außerordentlichen Revisionsrekurses sind daher nicht stichhältig. Gemäß § 251 AußStrG gelten die Bestimmungen der §§ 236 bis 250 AußStrG auch für die Beendigung der Sachwalterschaft. Nach § 283 ABGB wird unterschieden zwischen der Beendigung kraft Gesetzes (Abs 1) und der Beendigung durch richterliche Entscheidung (Abs 2). Letztere hat zu erfolgen, wenn der Pflegebefohlene nicht mehr der Hilfe des Sachwalters bedarf (Ent-Hopf, Das Sachwalterrecht 53). Gegenstand des Verfahrens nach § 251 AußStrG ist die Prüfung, ob die seinerzeit gegebenen Voraussetzungen der Sachwalterschaft nun weggefallen sind oder sich entsprechend geändert haben (Maurer, Sachwalterrecht in der Praxis, 157). Für das Rechtsmittelverfahren gilt nach der eingangs zitierten Bestimmung insbesondere auch § 250 AußStrG. Danach hat das Gericht zweiter Instanz das Verfahren nach den §§ 239 bis 242 zu ergänzen oder neu durchzuführen, wenn der Betroffene dies beantragt oder das Gericht dies für erforderlich hält.
Im vorliegenden Fall hielt es das Rekursgericht nicht für erforderlich, die vom Betroffenen erst mit dem Rekurs vorgelegten ärztlichen Gutachten in einer mündlichen Tagsatzung zu erörtern, weil ihm diese infolge ihrer mangelhaften Sachverhaltsgrundlage schon von ihrem Ansatz her nicht geeignet schienen, die Annahme einer Besserung des Geisteszustandes des Betroffenen zu rechtfertigen. Soweit sich der Betroffene dagegen wendet, vermag er damit keinen Verstoß des Rekursgerichtes vom Rang einer Nullität aufzuzeigen; denn im Rahmen eines auf die Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG beschränkten Revisionsrekurses könnten allfällige Verfahrensverstöße nur dann wahrgenommen werden, wenn sie mit Nichtigkeit bedroht wären (EFSlg 28.446, 42.365; 8 Ob 599/84 uza), was bezüglich des Ermessens des Gerichtes nach § 250 Abs 1 letzter Satz AußStrG nicht der Fall ist.
Der Betroffene hat im übrigen im Rekursverfahren nicht beantragt, daß das Gericht zweiter Instanz das Verfahren nach den §§ 239 bis 242 in einer mündlichen Verhandlung ergänzen oder neu durchführen möge. Er hat sich lediglich in seinem Vorbringen auf die "beiliegenden Gutachten sowie die Einvernahme der Sachverständigen durch das Gericht" (AS 1558) bezogen. Dies reicht aber nicht aus, weil das Gesetz ausdrücklich einen Antrag dahin vorsieht, daß das Verfahren im Sinne einer mündlichen Verhandlung nach den §§ 239 bis 242 AußStrG ergänzt oder neu durchgeführt werden möge. Ein solcher ist in dem bloßen Beweisanbot aber nicht zu erblicken. Da demnach keiner der geltend gemachten Anfechtungsgründe des § 16 AußStrG vorliegt, war der außerordentliche Revisionsrekurs wie im Spruch als unzulässig zurückzuweisen.
Anmerkung
E10793European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00550.87.0409.000Dokumentnummer
JJT_19870409_OGH0002_0080OB00550_8700000_000