TE OGH 1987/4/16 7Ob564/87 (7Ob565/87)

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Veröffentlicht am 16.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Maier als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei "W***" Karl F. B*** KG, Graz, Hans Sachs-Gasse 4, vertreten durch Dr. Heimo Hofstätter und Dr. Alexander Isola, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei A. W*** Gesellschaft m.b.H., Wien 20., Wehlistraße 29, vertreten durch Dr. Manfred Boyer-Telmer und Dr. Peter Pulletz, Rechtsanwälte in Wien, wegen 923.675,56 S s.A., infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18.Dezember 1986, GZ 2 R 209/86-51, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 18.Juni 1986, GZ 37 Cg 134/83-46, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 19.338,90 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 2.400 S Barauslagen und 1.539,90 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat der Beklagten mit Vertrag vom 6.12.1978 das Haus Wien 7., Breitegasse 4, vermietet. Es wurde eine vierteljährige Kündigungsfrist vereinbart. Bis einschließlich November 1982 hat die Beklagte den vereinbarten Mietzins bezahlt. Seither erfolgten seitens der Beklagten keine Zahlungen mehr.

Nach Klagsausdehnungen begehrt die Klägerin nunmehr von der Beklagten 923.675,56 S s.A. mit der Behauptung, das Mietverhältnis habe über den 30.11.1982 hinaus gedauert, weshalb die Beklagte zur Weiterzahlung des Mietzinses verpflichtet sei. Zumindestens habe die Beklagte zu diesem Zeitpunkt das Mietobjekt nicht geräumt übergeben, weshalb sie auf jeden Fall zur Zahlung eines Entgeltes in der Höhe des vereinbarten Mietzinses verpflichtet wäre. Im übrigen sei das Mietobjekt in einem so desolaten Zustand hinterlassen worden, daß eine Weitervermietung bisher nicht oder nicht zu befriedigenden Bedingungen möglich gewesen wäre. Demnach sei die Beklagte auch aus dem Titel des Schadenersatzes zur Zahlung verpflichtet (auf eine mit dieser Klage verbundene Widerklage muß nicht mehr eingegangen werden, weil diesbezüglich bereits eine rechtskräftige Entscheidung vorliegt).

Die Beklagte behauptete die Beendigung des Mietverhältnisses zum 30.11.1982 und die vollständige Räumung des Bestandobjektes zu diesem Termin. Im übrigen wurde unter Bestreitung der behaupteten Schäden am Mietobjekt bezüglich der Geltendmachung der vorerwähnten Schadenersatzansprüche Verjährung bzw. Präklusion nach § 1111 ABGB eingewendet.

Die Vorinstanzen haben das Klagebegehren abgewiesen, wobei sie von folgenden wesentlichen Feststellungen ausgingen:

Mit Schreiben vom 23.3.1982 teilte die Beklagte dem damaligen Alleininhaber der Klägerin mit, sie sehe sich aufgrund interner Umstrukturierung und daher verringerten Platzbedarfes gezwungen, das Objekt mit heutigem Tag zum 30.6.1982 zu kündigen. Am 30.3.1982 fand in Anwesenheit des Alleininhabers der Klägerin eine Hausbegehung statt, in der die Feststellungen der Klägerin bezüglich vorhandener Mängel festgehalten wurden.

Etwa Mitte bis Ende Mai 1982 stimmte die Klägerin einem Ersuchen der Beklagten, das Mietverhältnis zu den bisherigen Konditionen um einen Monat zu verlängern, zu.

Mit Schreiben vom 16.8.1982 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sie das Haus ab 1.9.1982 nicht mehr verwende. Am 14.9.1982 schrieb die Klägerin der Beklagten, sie erwarte eine klag- und schadlose Übergabe zu Ende September 1982, weil sie ab diesem Zeitpunkt nicht mehr länger aufschiebbare neue Dispositionen getroffen habe. In diesem Schreiben heißt es: "Andernfalls betrachten wir Ihre Kündigung mangels erkennbarer Räumungsabsicht als zurückgezogen". Die Beklagte antwortete mit Schreiben vom 15.9.1982, worin unter anderem mitgeteilt wurde, sie möchte die ebenerdigen Räumlichkeiten noch einen Monat benützen und zwar unter der Voraussetzung, daß ein angemessener Mietzins in Anrechnung gebracht werde. Das Objekt werde mit 31.10.1982 spätestens geräumt übergeben. Die Klägerin antwortete hierauf mit Schreiben vom 20.9.1982 mit einem Verweis auf ihre Erklärung vom 14.9.1982. Am 27.10.1982 schrieb die Beklagte an die Klägerin, daß sie deren Einverständnis vorausgesetzt, im Monat November noch im Haus bleiben wolle. Mit 1.12.1982 sei dann das Haus komplett geräumt. Sie ersuchte die Klägerin um Mitteilung, ob diese bereit sei, die von der Beklagten getätigten Elektroinstallationen insbesondere je 12 Beleuchtungskörper pro Stockwerk zu übernehmen.

Mit Schreiben vom 15.11.1982 verwies die Klägerin neuerlich auf ihre Schreiben vom 14. und 20.9.1982. Sie erklärte, die Beklagte möge eine neuerliche Kündigung erst in den Zeitpunkt aussprechen, in dem sie sicher sei, das Haus am Ende der darauffolgenden Kündigungsfrist auch geräumt und in Ordnung übergeben zu können. Am 25.11.1982 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie benötige das Objekt nur bis Ende November 1982, die Schlüssel lägen im Sekretariat bereit. Am 1.12.1982 wurden alle Schlüssel dem Herrn Karl F. B*** ausgehändigt.

Der nunmehrige Geschäftsführer der Komplementärgesellschaft m. b.H. der Klägerin Bernhard L*** schaltete sich bereits Ende 1982 in die Korrespondenz ein und verfaßte die Schreiben der Klägerin, die einer Besichtigung des Objektes durch ihn im August oder September 1982 folgten. Etwa am 14.1.1983 traf er sich mit dem Geschäftsführer der Beklagten, wobei er erklärte, der Zustand des Mietobjektes sei indiskutabel. Die Klägerin habe an dem Verbleiben der von der Beklagten errichteten Trennwände kein Interesse. Wenn diese jedoch im Objekt verblieben, wäre der Einbau fertigzustellen. Der seinerzeitige Alleininhaber der Klägerin Karl F. B*** hatte jedoch zugesagt, daß die Trennwände bleiben sollen, ohne daß die Klägerin dafür Zahlungen zu leisten hat. Damit war die Beklagte einverstanden. Es war vorgesehen, daß ein Nachmieter diese Trennwände ablöst.

In der Folge kam es wegen der von der Klägerin aufgestellten Behauptungen über den Zustand des Objektes zu keiner Einigung. Bei einer Befundaufnahme am 27.4.1983 konnte festgestellt werden, daß alle in dem Protokoll vom 30.3.1982 festgehaltenen Mängel behoben waren. Eine Zusage seitens der Beklagten, darüber hinausgehende Mängel zu beheben, wurde nie gemacht. Rechtlich vertraten die Vorinstanzen den Standpunkt, eine einvernehmliche Verlängerung des Mietverhältnisses habe nicht stattgefunden. Insbesondere könne nicht von einer stillschweigenden Verlängerung ausgegangen werden, weil die Beklagte stets eindeutig zu erkennen gegeben habe, daß sie ihre Kündigung nicht zurücknehmen wolle. Zum 30.11.1982 sei das Objekt zur Gänze geräumt gewesen. Bezüglich der Trennwände sei es zumindest konkludent zu einer Vereinbarung dahin gekommen, daß diese ohne Zahlung eines Entgeltes der Klägerin verbleiben sollen. Die Beklagte sei daher nicht zur Entfernung verpflichtet gewesen.

Was später bemerkte Schäden anlange, so sei deren Ersatz erstmals in der Tagsatzung vom 12.3.1984 geltend gemacht worden, sohin nach Ablauf der Frist des § 1111 ABGB. Ein diesbezüglicher Anspruch der Klägerin sei demnach präkludiert.

Ob sich das Objekt aus einem Verschulden der Beklagten in einem eine weitere Verwertung nur zu ungünstigeren Bedingungen ermöglichenden schlechten Zustand befinde, müsse nicht geprüft werden, weil die Klägerin gar nicht den Entgang einer konkreten Verwertungsmöglichkeit behauptet habe. Sie habe nur ganz allgemein vorgebracht, Objekte in einem Zustand wie dem vorliegenden könnten nur eingeschränkt verwertet werden. Demnach mache sie einen bloß theoretischen Verdienstentgang geltend. Zum Nachweis für einen solchen theoretischen Verdienstentgang habe sie sich ausschließlich auf Zeugen berufen. Hier handle es sich jedoch um eine Frage, die nur mit Hilfe eines Sachverständigen geklärt werden könne. Einen Sachverständigenbeweis habe die Klägerin zu diesem Thema nicht angeboten. Demnach sei auf diese Frage nicht weiter einzugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Eine ausdrückliche Verlängerung des Bestandverhältnisses über den 30.11.1982 hinaus kann auch die Klägerin nicht behaupten. Sie stützt in der Revision ihr Begehren auch nur mehr auf eine angebliche stillschweigende Verlängerung des Vertragsverhältnisses. Ein konkludentes Verhalten darf jedoch nur dann angenommen werden, wenn es nach der Verkehrssitte, also nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen, eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, daß der Wille, eine bestimmte Rechtsfolge herbeizuführen, vorliegt (MietSlg. 31.081, 29.088 u.a.). Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag durch schlüssige Handlungen zustande gekommen ist, muß das gesamte Verhalten der Vertragsteile berücksichtigt werden (MietSlg.5.533 u.a.).

Im vorliegenden Fall kann die Klägerin für ihren Standpunkt lediglich ihr Schreiben vom 14.9.1982 ins Treffen führen, weil sie dort ausgeführt hatte, falls die Beklagte die Übergabe des Objektes nicht mit Ultimo September 1982 durchführe, würde sie die Kündigung mangels erkennbarer Räumungsabsicht als zurückgezogen ansehen. Daß eine solche einseitige Erklärung nicht zu einer Verlängerung eines durch Kündigung beendeten Bestandvertrages führen kann, bedarf wohl keiner näheren Erörterung. Hiezu wäre vielmehr ein Verhalten der Beklagten erforderlich, aus dem unter Berücksichtigung der Regeln des redlichen Verkehrs ein Schluß auf die Zustimmung zu einer solchen Rücknahme der Kündigung bzw. Verlängerung des Bestandverhältnisses gezogen werden könnte. Ob ein bloßes Stillschweigen der Beklagten auf dieses Schreiben diese Wirkung gezeitigt hätte, muß hier nicht näher erörtert werden. Die Beklagte hat nämlich bereits am folgenden Tage unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß sie keinesfalls an eine Aufhebung der Kündigung denke, vielmehr lediglich einen zeitlich befristeten Aufschub der Räumung wolle. Auch das weitere Schreiben der Klägerin vom 20.9.1982 hat sie unmißverständlich in diesem Sinn beantwortet. Im übrigen hat auch die Klägerin offensichtlich das Verhalten der Beklagten nicht als Zustimmung zu der von ihr vorgeschlagenen Verlängerung des Bestandverhältnisses verstanden, weil sie andernfalls nicht am 1.12.1982 die Schlüssel zum Bestandobjekt übernommen hätte. Auch das Schreiben Drs. Ruggenthaler vom 26.1.1983 (Beil I) kann zu keiner anderen Beurteilung führen, weil dort ausdrücklich auf dem bisherigen Standpunkt beharrt wurde und ein späterer Kündigungstermin nur vorsichtshalber für den Fall genannt wurde, als sich die Rechtsansicht der Beklagten als unrichtig erweisen sollte. Eine konkludente Zustimmung der Beklagten zu der Behauptung der Klägerin einer Verlängerung des Bestandverhältnisses über den 30.11.1982 hinaus, ist also auch diesem Schreiben nicht zu entnehmen. Soweit die Revision von einer Verzögerung der Räumung über den 30.11.1982 hinaus ausgeht, ist sie nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt, weil das Gegenteil ausdrücklich festgestellt worden ist. Dies gilt auch für die Revisionsausführungen zur Frage der Zurücklassung der Trennwände, weil das Erstgericht mit Billigung des Berufungsgerichtes festgestellt hat, daß Karl F. B*** ein Verbleiben der Trennwände zusagte, womit die Beklagte einverstanden war (S.198 d.A.). Es ist also zu einer Einigung der Streitteile über den Verbleib der Trennwände gekommen, weshalb auch darin nicht ein Verstoß gegen die Räumungsverpflichtung erblickt werden kann. Geht man von einer Räumung des Objektes mit 30.11.1982 aus, so ist gemäß § 1111 ABGB auf die erstmals am 12.3.1984 geltend gemachten angeblichen weiteren Schäden am Bestandobjekt nicht mehr weiter einzugehen, weil der Bestandgeber den Ersatz aus der Haftung des Mieters für Schäden am Mietobjekt bei sonstigem Verlust binnen einem Jahr nach Zurückstellung des Bestandstückes gerichtlich fordern muß.

Was die Frage eines Schadenersatzes wegen des schlechten Zustandes des Bestandobjektes anlangt, richtet sich die Revision nur mehr dagegen, daß das Berufungsgericht das erstgerichtliche Verfahren nicht wegen Nichterörterung eines abstrakten Gewinnentganges für mangelhaft erachtet hat. Diesbezüglich wirft die Revision den Vorinstanzen eine Verletzung der richterlichen Erörterungs- und Anleitungspflicht vor. Eine Verletzung der im § 182 ZPO geregelten Erörterungspflicht des Richters begründet jedoch lediglich einen Verfahrensmangel (Fasching, Zivilprozeßrecht, Rz 655, Fasching II, 874). Im vorliegenden Fall kann dieser Verfahrensmangel nur das erstgerichtliche Verfahren betreffen. Dies gilt auch für die Frage, ob zu diesem Beweisthema bestimmte Zeugen zu vernehmen gewesen wären. Das Berufungsgericht hat in beiden Fällen einen erstgerichtlichen Verfahrensmangel verneint. Demnach kann diese Frage vom Obersten Gerichtshof nicht mehr aufgegriffen werden (SZ 27/4, EvBl.1969/263, EvBl.1968/344 u.a.). Bei der Lösung der Frage, ob angebotene Beweise geeignet sind, einen behaupteten Sachverhalt zu beweisen, handelt es sich um einen Akt der Beweiswürdigung, dessen Beurteilung dem Obersten Gerichtshof entzogen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10763

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00564.87.0416.000

Dokumentnummer

JJT_19870416_OGH0002_0070OB00564_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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