TE OGH 1987/4/16 7Ob527/87 (7Ob528/87, 7Ob529/87, 7Ob530/87, 7Ob5531/87, 7Ob532/87)

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Veröffentlicht am 16.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Wurz, Dr. Warta, Dr. Egermann und Dr. Maier als weitere Richter in den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Maria L***, Hauseigentümerin, Wien 8., Strozzigasse 14-16, vertreten durch Dr. Gerhard Munk, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1.) Maikel M***, Angestellter, Wien 6., Matrosengasse 8/21, 2.) Emilie R***, Angestellte, Wien 6., Matrosengasse 8/15, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, 3.) prot. Firma P*** & CO Gesellschaft mbH, Wien 6., Matrosengasse 8/4-5, vertreten durch Dr. Manfred Melzer, Rechtsanwalt in Wien, 4.) Murat K***, Angestellter, Wien 6., Matrosengasse 8/16, 5.) Cemalettin C***, Arbeiter, Wien 6., Matrosengasse 8/23, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, 6.) Hu-Wee S***, Angestellter, Wien 6., Matrosengasse 8/22, vertreten durch Dr. Alfred van de Voorde, Rechtsanwalt in Wien, 7.) Zorica B***, Angestellte, Wien 6., Matrosengasse 8/11, 8.) Ljubina M***, Angestellte, Wien 6., Matrosengasse 8/10, beide vertreten durch Dr. Markus Freund, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 29. Oktober 1986, GZ 48 R 448/86-14, womit infolge Berufung der erst-, zweit-, viert-, fünft-, siebent- und achtbeklagten Parteien das Zwischenurteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 16. Juni 1986, GZ 47 C 532/85-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, den erst-, zweit-, viert-, fünft-, siebent- und achtbeklagten Parteien die mit S 3.678,67 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 334,42 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin kündigte den Beklagten die von diesen gemieteten Bestandobjekte im Hause Wien 6., Matrosengasse 8, nach § 30 Abs. 2 Z 14 MRG auf.

Das Erstgericht sprach mit Zwischenurteil aus, daß der Kündigungsgrund vorbehaltlich der Ersatzbeschaffung gegeben ist. Nach seinen Feststellungen wurde der klagenden Partei als Eigentümerin des obgenannten Hauses mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 16. August 1985 die Bewilligung erteilt, nach den mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Plänen das Gebäude abtragen zu lassen. Der Bescheid wurde dem Vertreter der Klägerin am 23. August 1985 zugestellt und ist am 6. September 1985 in Rechtskraft erwachsen. Das Haus ist wirtschaftlich abbruchreif. Zur ordnungsgemäßen Erhaltung des Hauses und zur Beseitigung der Bauschäden ist ein Aufwand von S 2,750.000 erforderlich. Zur Deckung dieses Auftrages ist eine Mietzinserhöhung auf das ca. 32fache auf einen Zeitraum von 10 Jahren erforderlich. Mit der Zinserhöhung sind nur die Erhaltungskosten gedeckt, der unterdurchschnittliche Wohnungsstandard bleibt bestehen. Auf Grund der hohen Mieten ist wegen des schlechten Wohnungsstandardes mit einem Abwandern der Mieter zu rechnen. Die dann leerstehenden Wohnungen sind nicht vermietbar. Der notwendige Reparaturkredit kann nur durch die Mietzinseinnahmen gedeckt werden. Der Wert der Liegenschaft beträgt nur einen Bruchteil des notwendigen Reparaturkredites. Aus diesem Grund und wegen des drohenden Mietzinsentganges ist der Erhalt eines Kredites auszuschließen. Ein von der Klägerin nach § 7 MG gestellter Antrag wurde rechtskräftig abgewiesen.

Nach der Rechtsansicht des Erstgerichtes seien die Voraussetzungen des geltend gemachten Kündigungsgrundes gegeben, weil die ordnungsgemäße Erhaltung des Hauses aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung des erhöhten Erhaltungsaufwandes zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit noch auf die Dauer sichergestellt werden könne. Die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Hauses sei erteilt worden. Diese sei zwar erst nach Zustellung der Aufkündigungen, jedoch noch vor Schluß der mündlichen Streitverhandlung in Rechtskraft erwachsen; letzteres genüge. Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil, das gegen die dritt- und sechstbeklagte Partei in Rechtskraft erwuchs, im übrigen dahin ab, daß es die Aufkündigung aufhob und das Räumungsbegehren abwies. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt, und erklärte die Revision für zulässig.

Nach der Auffassung des Berufungsgerichtes müsse der Bescheid über die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung rechtskräftig sein.

Die gegen die Entscheidung der zweiten Instanz erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 30 Abs. 2 Z 14 MRG liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung vor, wenn die ordnungsgemäße Erhaltung des Miethauses, in dem sich der Mietgegenstand befindet, aus den Hauptmietzinsen einschließlich der zur Deckung eines erhöhten Erhaltungsaufwandes zulässigen erhöhten Hauptmietzinse weder derzeit, noch auf die Dauer sichergestellt werden kann, die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung des Miethauses erteilt worden ist und dem Mieter Ersatz beschafft wird. Dieser neue Kündigungsgrund geht im wesentlichen auf die Rechtsprechung zur wirtschaftlichen Abbruchreife, entwickelt zum Kündigungsgrund nach § 19 Abs. 2 Z 4 MG, zurück (Würth in Rummel, ABGB, Rdz 46 zu § 30 MRG). Nach der Rechtsprechung zu § 19 Abs. 2 Z 4 MG gehörte zum Wesen des Kündigungsgrundes der wirtschaftlichen Abbruchreife die rechtliche Möglichkeit, das Gebäude abbrechen zu lassen (MietSlg. 28.307 ua). Dem Vermieter stand die Möglichkeit offen, diese Voraussetzung bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung nachzuweisen (Würth, ImmZ 1977, 148 mwN; Schimetschek, ImmZ 1978, 23). Nach der neuen Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 14 MRG genügt nicht mehr die bloße Möglichkeit des Abbruches, sondern es wird das Vorliegen der baubehördlichen Abbruchbewilligung im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung verlangt (Würth-Zingher, MRG 2 Fußnote 21 zu § 30 Abs. 2 Z 14). Das Gericht hat somit die Frage nach dem Recht zum Abbruch nicht mehr allenfalls als Vorfrage zu prüfen, die positive Lösung dieser verwaltungsrechtlichen Frage gehört zum Kündigungstatbestand und muß im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung bereits vorliegen. Zur Frage der Rechtskraft des Bescheides der Verwaltungsbehörde sagt die Bestimmung des § 30 Abs. 2 Z 14 MRG nichts aus, wogegen an anderer Stelle des Mietrechtsgesetzes (vgl. § 31 Abs. 3, § 35 Abs. 2) - wie die Rechtsmittelwerberin zutreffend hervorhebt - ausdrücklich auf die Rechtskraft einer Entscheidung abgestellt ist. Daraus ist aber für die hier zu lösende Frage nichts zu gewinnen. Daß die Abbruchbewilligung rechtskräftig sein muß, kann nicht zweifelhaft sein, weil die Rechtskraft Voraussetzung der Verbindlichkeit eines Bescheides und seiner Bindungswirkung ist (RZ 1986/1). Die Frage, ob die baubehördliche Bewilligung zur Abtragung bereits im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung rechtskräftig sein muß oder ob es genügt, daß die Rechtskraft bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung eintritt, ist nach § 33 MRG zu lösen. Danach ist grundsätzlich für das Vorliegen eines behaupteten Kündigungsgrundes der Zeitpunkt der Zustellung der Aufkündigung an den Kündigungsgegner maßgeblich. Auf Umstände, die bis zum Schluß der mündlichen Streitverhandlung eintreten, ist nur insoweit Bedacht zu nehmen, als der Kündigungsgrund eine Zukunftsprognose erfordert (Würth in Rummel, ABGB Rdz 5 zu § 33 MRG mwN). Eine Zukunftsprognose mag beim Kündigungsgrund nach § 30 Abs. 2 Z 14 MRG hinsichtlich der Sicherstellung der ordnungsgemäßen Erhaltung auf Dauer erforderlich sein, sie ist jedoch beim Tatbestandsmerkmal der baubehördlichen Bewilligung zur Abtragung des Miethauses schon nach dem Gesetzeswortlaut (erteilt worden ist) auszuschließen. Da diese Bewilligung aber Bindungswirkung nur bei Vorliegen der Rechtskraft nach sich ziehen kann, muß sie auch im Zeitpunkt der Zustellung der Kündigung an den Kündigungsgegner bereits rechtskräftig sein. Die von der Revision für ihren gegenteiligen Standpunkt zitierte Entscheidung JBl. 1924, 123 betraf den erheblich anders gefaßten Kündigungsgrund des § 19 Abs. 2 Z 4 MG in der Fassung 1922. Gerade aus der Fassung des Kündigungsgrundes wurde aber in jener Entscheidung abgeleitet, daß die Feststellung der Baubehörde nicht schon vor der Aufkündigung erfolgt sein müsse.

Demgemäß ist der Revision ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

Anmerkung

E10775

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0070OB00527.87.0416.000

Dokumentnummer

JJT_19870416_OGH0002_0070OB00527_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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