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63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;Norm
BDG 1979 §14;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Zens, Dr. Schick, Dr. Hinterwirth und Dr. Pfiel als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde der EF in G, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz Josefs-Kai 5, gegen den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 2. Juni 2004, Zl. 15 1311/83 - II/5/04, betreffend Ruhegenussbemessung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Hinsichtlich der Vorgeschichte wird auf die Darstellung des Sachverhaltes in dem die Beschwerdeführerin betreffenden hg. Erkenntnis vom 25. September 2002, Zl. 2001/12/0243, verwiesen.
Die am 9. Mai 1944 geborene Beschwerdeführerin, welche zuletzt als Amtsrätin im Eichamt G tätig war, beantragte am 23. März 2000 ihre Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit nach § 14 des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979).
Nach Einholung diverser Gutachten (eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie sowie eines Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie) erstattete der leitende Arzt des Bundespensionsamtes Dr. Z. am 5. September 2000 ein Sachverständigengutachten zur "Leistungsfeststellung", in welchem er zusammenfassend bei der Beschwerdeführerin folgende Diagnosen (nach Relevanz hinsichtlich Arbeitsfähigkeit) traf:
"1. wiederkehrende Lendenwirbelsäulenbeschwerden bei bildgebend Spondylarthrosen/Gefügeumstellung nach Bandscheibenvorfall und Ansatztendopathien, ohne neurologische Ausfälle
2. Meniskusdegeneration mit Bandlockerung und Retropatellararthrose am linken Kniegelenk
3. neurotische Depression, mit mäßiggradiger Verstimmung und leichtgradiger vegetativer Reizsymptomatik, diskret herabgesetztem Antrieb, ohne Hinweis auf einen krankheitsbedingten Abbau geistiger Fähigkeiten
4. oberes Cervikalsydrom mit Hinterhauptkopfschmerzen/Spannungskopfschmerzen, behandelbar, ohne neurologische Ausfälle."
Mit Bescheid des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit vom 14. September 2000 wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 14 Abs. 1 BDG 1979 mit Ablauf des 30. September 2000 in den Ruhestand versetzt.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. Mai 2001 wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin gemäß den §§ 3 bis 7, 9, 62j Abs. 1 und 62b des Pensionsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 340 (PG 1965) in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2000, BGBl. I Nr. 95, vom 1. Oktober 2000 an ein Ruhegenuss von monatlich brutto S 25.840,40 gebühre. Dies wurde mit der Kürzungsregel des § 4 Abs. 3 PG 1965 begründet, weil nicht davon auszugehen sei, dass die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen sei. Die Beschwerdeführerin habe zwar einen Dienstunfall (1997) erlitten, die vom Sachverständigen festgestellten Leiden seien jedoch nicht auf einen Dienstunfall zurückzuführen.
Grund für die mit dem zitierten Erkenntnis erfolgte Aufhebung dieses Bescheides wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften war der Umstand, dass sich die belangte Behörde mit der Kausalität zwischen dem Dienstunfall und seinen Folgen und der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin nicht in ausreichendem Maße auseinander gesetzt hatte. Die belangte Behörde habe sich auf Grundlage der von ihr eingeholten medizinischen Gutachten mit der Frage, welche konkreten Auswirkungen der Dienstunfall auf die Beschwerdeführerin tatsächlich gehabt habe, nicht befasst. Es sei daher nicht auszuschließen, dass neben den "primär" eingetretenen Leidenszuständen als Folgen des Dienstunfalles auch "sekundär" eingetretene Leiden einhergegangen seien und dass die Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule bzw. die Depressionszustände (zumindest auch) durch den Dienstunfall bedingt gewesen seien. Ergebe sich aus einer Kombination mehrerer Faktoren die Dienstunfähigkeit und lasse sich einer oder mehrere dieser Faktoren auf einen Dienstunfall zurückführen, so könne nur dann die Kausalität zwischen dem Dienstunfall und der Dienstunfähigkeit verneint werden, wenn die Dienstunfähigkeit im Verständnis der Theorie der "wesentlichen Bedingung" auch ohne die durch den Dienstunfall bedingten Folgen eingetreten wäre.
Im fortgesetzten Verfahren ergänzte die belangte Behörde ihr Ermittlungsverfahren. Zusätzlich zu den bereits vorliegenden Untersuchungsbefunden Dris. N vom 28. Juli 2000, Dris. S vom 31. Mai 2000, dem neurologischen Befund Dris. J vom 11. April 2000, dem orthopädischen Befundbericht Dris. P vom 20. Februar 2000, dem Röntgenbefund Dris. G vom 9. Februar 2000 und dem MR-Befund Dris. K vom 27. November 1998 und vom 2. Februar 1999 holte die belangte Behörde Gutachten aus den Fachbereichen innere Medizin, Unfallchirurgie, Neurologie/Psychiatrie und Berufskunde ein.
Das Gutachten des Facharztes für innere Medizin Dr. St vom 28. Jänner 2003 kam im Ergebnis zum Schluss, dass die Beschwerden der Beschwerdeführerin im Bereich der Wirbelsäule bzw. die Depressionszustände weder als unmittelbare noch als mittelbare Folge des Dienstunfalles vom 16. April 1997 anzusehen seien. Der Dienstunfall selbst habe bestenfalls eine unfallkausale Beschwerdedauer von 4-8 Wochen nach sich gezogen, Spät- oder Dauerfolgen des Dienstunfalles seien weder bekannt noch nachvollziehbar eingetreten, die Ruhestandsversetzung der Beamtin sei nicht auf eine Dienstunfähigkeit zurückzuführen, die mit dem gegenständlichen Dienstunfall kausal verbunden sei.
In seiner Stellungnahme vom 6. Februar 2003 meinte der leitende Arzt des Bundespensionsamtes (zusammengefasst) dazu, dass das erstellte Leistungskalkül durch nachgereichte Unterlagen bestätigt worden sei. Ein Unfall habe aus medizinischer Sicht sicher nicht in irgendeiner Weise zu einer dauernden Dienstunfähigkeit geführt.
Zu dem von der Beschwerdeführerin mit ihrer Stellungnahme vom 11. Februar 2003 vorgelegten Attest Dris. J vom 30. Jänner 2003 meinte Dr. St in seinem Ergänzungsgutachten vom 3. März 2003, in diesem Gutachten fänden sich keine Umstände, die zu einer Änderung seiner gutachterlichen Aussagen vom 28. Jänner 2003 führen könnten. Dieser Einschätzung schloss sich Dr. Z in seiner Stellungnahme vom 12. März 2003 an, wenn er meinte, dass Leistungsdefizite, die entscheidend zur Dienstunfähigkeit der Beamtin geführt hätten, nicht durch die wirkende Kraft eines Unfallgeschehens medizinisch erklärt werden könnten.
Aus dem fachärztlichem Befund des Unfallchirurgen Dr. L vom 15. Juli 2003 geht zusammengefasst hervor, dass die Beschwerden von Seiten der Halswirbelsäule in keiner Weise auf den gegenständlichen Dienstunfall vom 16. April 1997 zurückgeführt werden könnten, nach dem keine wesentlichen Dauer- oder Spätfolgen objektiviert werden könnten.
Aus dem neurologisch-psychiatrischen Untersuchungsbefund Dris. N vom 5. September 2003 ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin beim Dienstunfall vom 16. April 1997 ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule entsprechend "Erdmann I", d.h. ohne neurologische Ausfallssymptomatik, erlitten habe. Die damals bestehende Schmerzsymptomatik im Bereich der Halswirbelsäule und die Spannungskopfschmerzsymptomatik seien entsprechend behandelt worden. Unfallkausale neurologische Ausfälle bestünden weder damals noch bestünden sie derzeit. Ebenso wenig habe damals eine posttraumatische Belastungsstörung bestanden und bestehe auch derzeit nicht. Die beim Dienstunfall vom 16. April 1997 erlittene Verletzung seien aus neuropsychiatrischer Sicht kein wesentlicher Faktor für die mit 30. September 2000 erfolgte Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit. Im Hinblick auf die Frage, ob die Untersuchte zur Zeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig gewesen sei, werde auf das im Gutachten vom 28. Juli 2000 erstellte Leistungskalkül verwiesen, das auch per 30. September 2000 gültig sei.
Aus einem Gutachten des leitenden Arztes des Bundespensionsamtes vom 3. Februar 2004 zur Leistungsfeststellung geht - auf Grundlage der vorliegenden medizinischen Unterlagen - als Resumee hervor, dass weder aus unfallchirurgischer noch aus neurologischer Sicht ein Unfall als Ursache bei der festgestellten Dienstunfähigkeit erkannt werden könne. Der Unfall am 16. April 1997 habe aus medizinischer Sicht zu keiner dauerhaften Leistungseinschränkung und zu keinen objektivierbaren Folgeschäden geführt, weder körperlicher, geistiger noch psychischer Natur. In diesem Gutachten wird schließlich auch das Leistungskalkül der bejahten Restarbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin näher dargelegt.
Aus dem berufskundlichen Gutachten Dris. S vom 9. März 2004 ergibt sich, dass eine dauernde Erwerbsunfähigkeit nach § 4 Abs. 7 PG 1965 im Fall der Beschwerdeführerin nicht gegeben erscheine; körperlich leichte und schematische bis verantwortungsvolle Arbeiten nach genauer Anweisung und im Rahmen eines erteilten Auftrages überstiegen nicht das vorliegende Arbeitskalkül. Ein Arbeitsplatz als qualifizierte Hilfskraft in Ämtern, Büros und Betrieben, sowie im Archiv- oder Dokumentarwesen, als Angestellte mit einfachem bis mittlerem Anforderungsprofil in Behörden und Institutionen seien der Beschwerdeführerin noch zumutbar. Alle angeführten Arbeitsplätze seien üblicherweise auch reduziert besetzbar (über Teilzeittätigkeit oder halbschichtig), weiters auch als Teleheimarbeitsplätze, dies bei einfacher PC-Bedienung bzw. Bildschirmunterstützung sowie ohne Parteienverkehr.
In ihrer Stellungnahme vom 26. April 2004 legte die Beschwerdeführerin einen fachärztlichen Befundbericht des Orthopäden Dr. R vom 20. April 2004 vor, der unter dem Titel "Leistungsbeurteilung" ausführte, dass die Tatsache, dass an der Halswirbelsäule nur minimale degenerative Veränderungen vorlägen, und eine Streckfehlhaltung und Blockierung der unteren Halswirbelsegmente im Vordergrund stünden, dafür spreche, dass es nach einem Schleudertrauma 1997 zu einer Chronifizierung der Beschwerden gekommen sei, auf Grund derer anhaltende Spannungskopfschmerzen und ein von der Halswirbelsäule ausgehender Schwindel aufgetreten seien, die im Jahr 2000 zur Pensionierung geführt hätten. Aus orthopädischer Sicht seien der Untersuchten überwiegend leichte Erwerbstätigkeiten, die nicht überwiegend in ständiger Haltungskonstanz der Wirbelsäule, wie Sitzen oder vorgeneigter oder gebückter Körperhaltung zu verrichten seien, zumutbar. Es solle ein Wechsel zwischen Stehen, Gehen und Sitzen möglich sein. Tragen und Heben leichter Lasten sei halbzeitig möglich. Arbeiten an exponierten Stellen schieden aus. Gegenüber früheren Gutachten sei hervorzuheben, dass auf Grund des jetzt vorliegenden Röntgenbefundes vom 10. April 2003 zwar keine direkten traumatischen Veränderungen an der Halswirbelsäule erkennbar seien, aber auch praktisch keine degenerativen Veränderungen vorlägen, sodass es sich um eine chronifizierte Folgeerscheinung des funktionellen Unfallschadens handeln dürfte.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. Juni 2004 wurde die Berufung der Beschwerdeführerin vom 19. April 2001 gegen den Bescheid des Bundespensionsamtes vom 3. April 2001 betreffend Ruhegenussbemessung neuerlich abgewiesen und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Darstellung von Teilen der eingeholten Gutachten legte die belangte Behörde vorerst dar, dass die - noch dem ersten Berufungsbescheid zu Grunde gelegenen - Bestimmungen des Pensionsreformgesetzes 2000 vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. März 2001, G 150/00- 12, als verfassungswidrig aufgehoben worden seien, und zwar mit Wirksamkeit vom 31. Juli 2001. Nach der Übergangsbestimmung des § 62j Abs. 2 des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86, sei auf Beamte, deren Verfahren zur Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden sei, § 4 Abs. 4 Z. 3 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung weiter anzuwenden. Diese Bestimmung besage, dass eine Kürzung nach § 4 Abs. 3 nicht stattfinde, wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig sei.
Das Ruhestandsversetzungsverfahren der Beschwerdeführerin sei vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden, sodass von Amts wegen zu überprüfen gewesen sei, ob bei ihr die Voraussetzung des § 4 Abs. 4 Z. 3 in Verbindung mit § 4 Abs. 7 PG 1965, nämlich dauernde Erwerbsunfähigkeit zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung, gegeben sei.
In weiterer Folge befasste sich die belangte Behörde mit dem Vorliegen der Erwerbsunfähigkeit im Verständnis des § 4 Abs. 7 PG 1965 und gelangte auf Grundlage der eingeholten medizinischen bzw. berufskundlichen Gutachten zum Schluss, es sei diesen eindeutig zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin im beurteilungsrelevanten Zeitraum nicht dauernd erwerbsunfähig gewesen sei.
Weiters vertrat die belangte Behörde den Standpunkt, den Gutachten sei auch eindeutig zu entnehmen, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene Kausalität zwischen dem Dienstunfall und der Dienstunfähigkeit in den oben dargelegten neuerlichen Untersuchungen durch die genannten Sachverständigen nicht habe objektiviert werden können. In einem Verfahren zur Feststellung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit habe sich die Behörde, soweit medizinische Fachfragen berührt würden, im Ermittlungsverfahren medizinischer Sachverständiger zu bedienen. Die Einschätzung der körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit könne nicht allein von der Einschätzung des behandelnden Arztes abhängig gemacht werden, der in einem besonderen Vertrauensverhältnis zu seinen Patienten stehe und primär dessen Interessen vertrete, sondern müsse durch unabhängige Dritte objektiviert werden.
Gerade in diesem Verfahren hätten sowohl das Bundespensionsamt als auch die belangte Behörde nicht nur einen Sachverständigen, sondern verschiedene Sachverständige diverser medizinischer Fachgebiete um deren Stellungnahme ersucht; die Beschwerdeführerin sei mehrfach untersucht worden, ihr sei in jeder Stufe des Verfahrens volles Parteiengehör gewährt worden. Jedoch sei in keinem einzigen Gutachten die von der Beschwerdeführerin dargelegte Kausalität zwischen Dienstunfall und den bestehenden Beschwerden nachgewiesen worden. Auch finde sich kein Hinweis auf eine dauernde Erwerbsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen des Pensionsgesetzes 1965.
Abschließend werde nochmals festgehalten, dass die belangte Behörde auf Grund des sehr umfangreichen Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnis komme, dass die Beschwerdeführerin weder aus medizinischer noch aus berufskundlicher Sicht erwerbsunfähig sei, noch dass der gegenständliche Dienstunfall Ursache für ihre Dienstunfähigkeit sei. Der Berufung der Beschwerdeführerin habe daher nicht stattgegeben werden können.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bzw. Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht werden. Die Beschwerde stützt sich in erster Linie darauf, dass die vorgelegten Gutachten zu unbestimmt seien, dass für die Ableitung einer mangelnden Kausalität des Unfalles für die Beeinträchtigung im Bereich der Halswirbelsäule eine tragfähige Begründungen fehle und dass sich die belangte Behörde im Sinne einer Beweiswürdigung mit dem Gegengutachten Dris. R nicht auseinander gesetzt habe. Unter dem Aspekt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit rügt die Beschwerdeführerin den Umstand, dass die belangte Behörde die weit verbreitete "Beweisregel", wonach nur die "eigenen" behördlichen Sachverständigen zählten, dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt hätte und dies als ausreichend für die abschlägige Entscheidung gewertet worden sei. Dies bedeute aber ein grundsätzliches Verkennen der behördlichen Aufgaben in einem solchen Verfahren. Es wäre vielmehr eine vergleichende Schlüssigkeitsprüfung allfällig widersprechender Sachverständigenäußerungen vorzunehmen gewesen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zur maßgeblichen Rechtslage ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 16. März 2001, VfSlg. 16.151, das Pensionsreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 95, aufgehoben hat. Die Aufhebung trat mit Ablauf des 31. Juli 2001 in Kraft (siehe auch BGBl. I Nr. 34/2001).
Nach § 58 Abs. 35 Z. 1a PG 1965 in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 86, traten die mit dieser Novelle geänderten Bestimmungen des § 4 Abs. 4 und § 62j Abs. 1 bis 3 mit 1. Oktober 2000 (somit rückwirkend) in Kraft.
§ 62j Abs. 2 PG 1965 lautet in dieser Fassung:
"(2) ... Auf Beamte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß
§ 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet worden ist, ist
§ 4 Abs. 4 Z. 3 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung
weiter anzuwenden. ... "
§ 4 Abs. 4 Z 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung lautete:
"(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt,
1.
...
3.
wenn der Beamte zum Zeitpunkt der Wirksamkeit der Ruhestandsversetzung dauernd erwerbsunfähig ist."
§ 4 Abs. 4 PG 1965 in der Fassung des Pensionsreformgesetzes 2001 - nach § 58 Abs. 35 Z. 1a des Pensionsreformgesetzes 2001 ebenfalls mit 1. Oktober 2000 in Gültigkeit - lautet:
"(4) Eine Kürzung nach Abs. 3 findet nicht statt, wenn der Beamte im Dienststand verstorben ist oder wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen ist."
Es ist unstrittig, dass die Beschwerdeführerin zu denjenigen zählte, deren Versetzung in den Ruhestand gemäß § 14 BDG 1979 vor dem 1. Oktober 2000 eingeleitet wurde. Auf sie findet daher § 62j Abs. 2 PG 1965 in der oben wiedergegebenen Fassung Anwendung.
Das hat zur Folge, dass es zwei Möglichkeiten für die Beschwerdeführerin gibt, der Kürzung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 zu entgehen. Zum einen bleibt die - dem Vorerkenntnis zu Grunde liegende - Bestimmung inhaltlich aufrecht, wonach eine Kürzung dann nicht stattfindet, wenn die Ruhestandsversetzung wegen Dienstunfähigkeit auf einen Dienstunfall in Ausübung des Dienstes zurückzuführen ist. Die mit dem Vorerkenntnis der belangten Behörde überwälzten Ermittlungsaufgaben zur Beurteilung der Kausalität zwischen dem Dienstunfall und der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin haben daher nach wie vor Bedeutung.
Dazu tritt die Bestimmung des § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung. Die belangte Behörde war daher gehalten, auch das Vorliegen dauernder Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 4 Abs. 7 PG 1965 in der am 30. September 2000 geltenden Fassung zu untersuchen. Dies hat die belangte Behörde auch getan und gelangte auf Grund sachverständiger Äußerungen zur Ansicht, dauernde Erwerbsunfähigkeit liege im Fall der Beschwerdeführerin nicht vor.
Dieser Ansicht ist die Beschwerdeführerin weder im Verfahren noch in ihrer Beschwerde entgegengetreten. Auch das von ihr selbst im Verfahren vorgelegte Gutachten Dris. R ging - aus orthopädischer Sicht - von einer Erwerbsfähigkeit der Beschwerdeführerin aus. Der Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin komme die Begünstigung (des Wegfalls der Kürzungsregel) nach § 4 Abs. 4 Z. 3 PG 1965 in der Fassung des 30. September 2000 nicht zu, begegnet daher keinen Bedenken.
Die Beschwerde konzentriert sich darauf, aufzuzeigen, dass die belangte Behörde der ihr im Vorerkenntnis übertragenen Aufgaben zur Ermittlung der Kausalität zwischen dem Dienstunfall und der Dienstunfähigkeit nicht in ausreichendem Maße nachgekommen sei bzw. dass sie keine schlüssige Beweiswürdigung vorgenommen habe.
Der Vorwurf, ein unvollständiges Ermittlungsverfahren durchgeführt zu haben, besteht nicht zu Recht. Die belangte Behörde hat sich in ausführlicher Weise und unter mehrfacher Befassung von Sachverständigen auf den Gebieten der inneren Medizin, der Neurologie und Psychiatrie und der Unfallchirurgie mit den möglichen unmittelbaren und mittelbaren Folgen des Unfalls der Beschwerdeführerin aus dem Jahre 1997 befasst. Dass weitere Ermittlungen notwendig gewesen wären, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht erkennbar.
Diese Gutachten stammen darüber hinaus keineswegs von "eigenen behördlichen Sachverständigen." Die Gutachten des leitenden Arztes des Bundespensionsamtes stellten regelmäßig (nur) die Zusammenfassung des Inhaltes der von den beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen erstatteten Gutachten dar. Die belangte Behörde stützte sich auf den Inhalt der Gutachten dieser nichtamtlichen Sachverständigen, die keinen Nahebezug zur Pensionsbehörde aufweisen, weshalb der Vorwurf in der Beschwerde, nur die "eigenen" Gutachten der Behörde zählten, nicht nachvollziehbar ist.
Die Beschwerdeführerin trat den Gutachten auf dem Gebiet der inneren Medizin, der Unfallchirurgie und der Neurologie/Psychiatrie, die übereinstimmend zum Ergebnis gelangten, es liege keine unmittelbare oder mittelbare Kausalität des Dienstunfalles mit der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin vor, mit dem Gutachten ihres Orthopäden Dr. R entgegen, der von einer Chronifizierung von Beschwerden nach dem Schleudertrauma von 1997 sprach und eine Kausalität zwischen diesem Unfall und den anhaltenden Spannungskopfschmerzen und dem von der Halswirbelsäule ausgehenden Schwindel für möglich hielt.
Angesichts der Übereinstimmung der zahlreichen von der belangten Behörde eingeholten Gutachten unabhängiger Sachverständiger, die ein aus unterschiedlichen Blickwinkeln erstelltes, übereinstimmendes Urteil über die Folgen des Dienstunfalles der Beschwerdeführerin abgaben, kommt dieser Einzelmeinung kein überragendes Gewicht zu. Dazu kommt, dass das Gutachten Dris. Rachl auf dem Gebiet der Orthopädie nicht geeignet erscheint, z.B. das vorliegende Gutachten auf dem Gebiet der Neurologie/Psychiatrie, das sich mit den Ursachen des Kopfschmerzes und der Depression aus neurologischer Sicht befasst, in seinem Inhalt zu erschüttern.
Wenn Dr. Rachl in den Schlussfolgerungen seines Gutachtens schließlich davon spricht, dass es sich um eine chronifizierte Folgeerscheinung des funktionellen Unfallschadens "handeln dürfte", so legt er damit nicht in überzeugender Weise die Kausalität des Unfalls mit der Dienstunfähigkeit der Beschwerdeführerin dar; im Ergebnis gelingt damit keine wirksame Widerlegung des übereinstimmenden Inhaltes der übrigen Gutachten.
Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die Beweiswürdigung der belangten Behörde im Ergebnis nicht als unschlüssig zu erkennen.
Demnach wäre die Dienstunfähigkeit, die neben den im fortgesetzten Verfahren näher untersuchten Kriterien Depression und Cervikalsyndrom mit Kopfschmerzen maßgeblich auch auf die im Gutachten Dris. Z. vom 5. September 2000 dargestellten Beschwerden an der Lendenwirbelsäule und Meniskusdegeneration zurückgeführt wurde, auch ohne die durch den Dienstunfall bedingten Folgen eingetreten. Ausgehend davon kann die rechtliche Folgerung der belangten Behörde, dass im Fall der Beschwerdeführerin auch die Voraussetzungen des § 4 Abs. 4 PG 1965 nicht vorlagen und die Kürzung nach § 4 Abs. 3 PG 1965 in ihrem Fall zum Tragen kam, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Der Beschwerde ist es daher nicht gelungen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Sie war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 7. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004120106.X00Im RIS seit
29.09.2005