TE OGH 1987/4/27 1Ob558/87

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.04.1987
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Schubert, Dr.Hofmann, Dr.Schlosser und Dr.Kodek als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei O*** W***

V***, Linz, Gruberstraße 32, vertreten durch

Dr.Peter Karl Wolf, Dr.Felix Weigert und Dr.Andreas Theiss,

Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei

Ö***-Handels- und Transportgesellschaft mbH.,

Wien 23.,Laxenburgerstraße 365, Bürogebäude 106, vertreten durch Dr.Rupert Faltl, Rechtsanwalt in Schwechat, wegen S 43.739,--s.A. infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 9.Dezember 1986, GZ. 1 R 209/86-23, womit das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 15. Mai 1986, GZ. 24 Cg 68/85-17, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die beklagte Partei beförderte im Auftrag der V***-Alpine AG Sammelgut auf dem Straßenweg von Wien nach Shlobin, UdSSR. Bei der Ablieferung des Gutes am 6.Februar 1984 machte der Empfänger schriftlich Beschädigungen des Transportgutes geltend. Am 8. November 1984 leistete die klagende Partei als Transportversicherer der V***-Alpine AG aus dem Schadensfall eine Zahlung von S 43.739,--. Am 19.November 1984 richtete Rechtsanwalt Hans-Jürgen Wulf, Hamburg, als Vertreter des Transportversicherers unter Anschluß von Fotokopien des CMR-Frachtbriefs, einer Entschädigungsquittung über mehrere Entschädigungsleistungen der klagenden Partei und von Protokollen über den Schadensfall ein Schreiben an die beklagte Partei, mit dem sie zur Zahlung des Betrages von S 43.739,-- als Schadenersatz aufgefordert wurde. Mit Schreiben vom 23.November 1984, das am 29.November 1984 beim Vertreter des Transportversicherers einlangte, lehnte die beklagte Partei die begehrte Schadenersatzleistung ab. Die dem Schreiben vom 19. November 1984 angeschlossenen Fotokopien wurden nicht rückgemittelt.

Mit der am 12.Februar 1985 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrt die klagende Partei, gestützt auf § 67 VersVG, den Betrag von S 43.739,-- s.A. Der Transport unterliege den Bestimmungen des Übereinkommens über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR). Gemäß Art.17 CMR hafte die beklagte Partei für die Beschädigung des Gutes, die zwischen dessen Übernahme und Ablieferung erfolgt sei.

Die beklagte Partei beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Die Beladung des LKW-Zuges sei durch Mitarbeiter des Spediteurs, der O*** Ges.m.b.H. & Co KG , Leobersdorf, erfolgt, für die sie nicht einzustehen habe. Der geltend gemachte Anspruch sei zudem gemäß Art.32 CMR verjährt.

Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab. Der von der beklagten Partei im Auftrag der V***-Alpine AG durchgeführte Transport unterliege gemäß Art.1 CMR den Bestimmungen dieses Übereinkommens. Gemäß Art.32 CMR verjährten Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung in einem Jahr; die Verjährungsfrist für Ansprüche, die aus der Beschädigung des Gutes abgeleitet werden, beginne mit dem Tag der Ablieferung. Da das Gut am 6.Februar 1984 abgeliefert wurde, sei der Anspruch am 6.Februar 1985 verjährt. Die in Art.32 Abs.2 CMR vorgesehene Hemmung der Verjährung sei nach österreichischem Recht, das insoweit gemäß Art.32 Abs.3 CMR anzuwenden sei, eine Ablaufhemmung, keine Fortlaufhemmung. Sie habe auf die Verjährungsfrist nur dann Einfluß, wenn nach Abbruch der Vergleichsverhandlungen die Klage unverzüglich eingebracht werde. Davon könne bei einem Zuwarten von mehr als zwei Monaten nicht die Rede sein. Am Wegfall des Hemmungsgrundes ändere auch der Umstand nichts, daß die beklagte Partei die ihr übermittelten Unterlagen nicht zurückgesendet habe, da keine Originaldokumente, sondern nur Fotokopien übermittelt worden seien.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei Folge, hob es unter Beisetzung eines Rechtsvorbehaltes auf und verwies die Rechtssache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Bei der in Art.32 Abs.2 CMR vorgesehenen Hemmung der Verjährung handle es sich, wie in den vergleichbaren Fällen des § 63 Abs.2 KFG und § 25 Abs.2 LuftverkG, um eine Fortlaufshemmung. War die Verjährungsfrist in der Zeit zwischen der Reklamation und ihrer Zurückweisung, demnach vom 19.November 1984 bis 29.November 1984 gehemmt, so sei die am 12.Feber 1985 bei Gericht eingelangte Klage rechtzeitig erhoben worden. Der geltend gemachte Anspruch sei demnach nicht verjährt.

Dem gegen den Beschluß des Berufungsgerichtes erhobenen Rekurs der beklagten Partei kommt Berechtigung nicht zu.

Rechtliche Beurteilung

Es ist nicht strittig, daß der beklagten Partei im Verhältnis zur V***-Alpine AG die Stellung eines Frachtführers zukam, daß auf den in Rede stehenden Transport die Bestimmungen der CMR Anwendung zu finden haben und die klagende Partei als Transportversicherer der V***-Alpine AG gemäß § 67 VersVG zur Geltendmachung des Anspruchs legitimiert ist. Gemäß Art.32 Abs.1 CMR verjähren Ansprüche aus einer der CMR unterliegenden Beförderung in einem Jahr. Die Verjährungsfrist beginnt bei Beschädigung (lit.a) mit dem Tag der Ablieferung des Gutes. Der Tag, an dem die Verjährung beginnt, wird bei der Berechnung der Frist nicht mitgerechnet. Gemäß Art.32 Abs.2 CMR wird Verjährung durch eine schriftliche Reklamation bis zu dem Tag gehemmt, an dem der Frachtführer die Reklamation schriftlich zurückweist und die beigelegten Belege zurücksendet. Wird die Reklamation teilweise anerkannt, so läuft die Verjährung nur für den noch strittigen Teil der Reklamation weiter. Unbeschadet der Bestimmungen des Abs.2 gilt gemäß Art.32 Abs.3 CMR für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichts.

Zu prüfen ist vorerst, ob die allgemeinen Voraussetzungen für die Hemmung der Verjährung vorliegen. Art.32 Abs.2 CMR knüpft die Verjährung an eine "schriftliche Reklamation", ohne zu bestimmen, von wem und wem gegenüber die Reklamation geltend zu machen ist. Nach herrschender Auffassung kann die Reklamation auch vom Transportversicherer ausgehen(Glöckner, Leitfaden zur CMR 6 Rz 6 zu Art.32), jedenfalls dann, wenn die Rechte des Geschädigten auf ihn übergegangen sind (Helm in Großkomm. HGB 3 Anm.8 zu § 452, Anh.III, Art.32 CMR unter Berufung auf eine Entscheidung der Cour d`Appel des Aix en Provence, ETR 1969, 918, 922). Durch die am 8.November 1984 bewirkte Leistung von Schadenersatz ging der Anspruch der V***-Alpine AG gegen die beklagte Partei gemäß § 67 VersVG auf die klagende Partei über, sodaß die am 19.November 1984 erhobene Reklamation rechtswirksam war. Damit die Hemmung beendet wird, muß der Frachtführer sowohl die Reklamation (ganz oder teilweise) zurückweisen als auch die beigeschlossen gewesenen Urkunden zurückgestellt haben. Im vorliegenden Fall wurden von der beklagten Partei die der Reklamation in Fotokopie beigelegten Urkunden nicht zurückgestellt. Nach herrschender Auffassung sind aber nur solche Urkunden zurückzustellen, von denen der Frachtführer annehmen muß, daß der Reklamierende auf ihre Rückstellung Wert legt. Dies trifft bei einfachen Abschriften oder (unbeglaubigten) Fotokopien von Urkunden, deren Originale der Reklamierende in Händen hat, nicht zu. Stellt der Frachtführer solche Dokumente nicht zurück, wird allein deswegen die Haftung nicht perpetuiert (Loewe, ETR 1976, 586; Glöckner, a.a.O. Rz 10 zu Art.32; Oeynhausen, VersR 1983, 312; OLG Hamburg, VersR 1983, 90). Eine Übersendung beglaubigter Fotokopien wurde von keiner der Parteien behauptet; an die Rückmittlung der einfachen Fotokopien war die Beendigung der Hemmung der Verjährung nicht geknüpft.

Der Oberste Gerichtshof hat in den Entscheidungen vom 29. November 1984, 7 Ob 682/84, transpR 1985, 132 = AnwBl.1985, 208, und vom 13.Juni 1985, 6 Ob 578/85, die in Art.32 Abs.2 CMR vorgesehene Hemmung der Verjährung als Ablaufhemmung beurteilt. Der Oberste Gerichtshof führte in der erstgenannten Entscheidung zur Begründung aus, Art.32 Abs.2 CMR spreche von einer Hemmung der Verjährung und nicht von einer Unterbrechung. Da diese Hemmung auf die schriftliche Ablehnung der Reklamation abstelle, liege ihr der Gedanke zugrunde, daß die Prüfung der geltend gemachten Forderung und allfällige Vergleichsverhandlungen bei der Frage der Verjährung zu berücksichtigen seien. Ausgehend von demselben Gedanken hätten Lehre und Judikatur in Österreich den Grundsatz entwickelt, daß es gegen die Grundsätze des Rechtes verstoße, wenn Vergleichsverhandlungen bei der Prüfung der Verjährung völlig außer Betracht blieben. Vergleichsverhandlungen bewirkten daher eine Hemmung der Verjährung. Gehe man von der in Art.32 Abs.2 CMR festgesetzten Regelung aus, daß für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichtes, also österreichisches Recht, zu gelten habe, so sei die Bestimmung des Art.32 Abs.2 CMR dahin auszulegen, daß die dort erwähnte Hemmung der Verjährung eine Ablaufhemmung sei. Sie könne daher einen Einfluß auf die Verjährungszeit nur dann haben, wenn nach schriftlicher Ablehnung der Reklamation in angemessener Frist die Klage eingebracht werde. Gegen diese Rechtsansicht haben Horak (AnwBl.1986, 166) und Blasche (AnwBl.1986, 389) Stellung genommen und den Standpunkt vertreten, daß Art.32 Abs.2 CMR eine Fortlaufhemmung normiere. Dieser Auffassung pflichtet der erkennende Senat bei. Wohl sieht Art.32 Abs.3 CMR vor, daß für die Hemmung der Verjährung das Recht des angerufenen Gerichts gilt, dies jedoch nur "unbeschadet der Bestimmung des Absatzes 2", die Verweisung auf das nationale Recht sollte also nicht sämtliche Fragen der Hemmung der Verjährung umfassen, was auch naheliegt, könnte dann doch die vom Abkommen angestrebte Rechtsvereinheitlichung nicht erreicht werden. Es ist vielmehr primär zu prüfen, ob nicht schon die Regelung des Absatzes 2 des Art.32 CMR eine abschließende Aussage über die Art der Verjährungshemmung trifft.

Wie der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen hat (SZ 50/40), dürfen bei der Auslegung internationaler Abkommen, die privatrechtliche Beziehungen der Angehörigen der Vertragsstaaten regeln, innerstaatliche Rechtsbegriffe nicht unbesehen als dem Abkommen zugrundeliegend angesehen werden, da sonst das Ziel einer möglichst einheitlichen Rechtsanwendung in den Vertragsstaaten nicht gesichert werden kann. Es kommt deshalb vor allem wegen der Schwierigkeit, den wahren Willen der vertragsschließenden Staaten zu erforschen, bei der Auslegung dem kundgemachten Wortlaut (in seinem Zusammenhang: § 6 ABGB) besondere Bedeutung zu. Die österreichische Rechtsprechung steht insoweit im Einklang mit der deutschen (BGHZ 74, 162, 168; NJW 1976, 1583; NJW 1975, 1597; Blasche a.a.O. 390). Die Bestimmung des Art.32 Abs.2 zweiter Satz CMR normiert für den Fall einer teilweisen Anerkennung der Reklamation, daß die Verjährung für den noch strittigen Teil der Reklamation weiterläuft. In den gemäß Art.51 CMR maßgeblichen englischen und französischen Fassungen lautet diese Bestimmung: "If a part of the claim is admitted the period of limitation shall start to run again only in respect of that part of the claim still in dispute..." "En cas d`acceptation partielle de la rüclamation, la prescription ne reprend son cours que pour la partie de la rüclamation qui reste litigieuse ...". Damit wird für den Fall der teilweisen Anerkennung der Reklamation ohne Zweifel eine Fortlaufhemmung der Verjährung verfügt. Daraus ist zu folgen, daß dann, wenn nicht nur ein Teil, sondern die gesamte Reklamation zurückgewiesen wird, die Verjährung in Ansehung des gesamten Anspruchs um den Hemmungszeitraum verlängert wird. In diesem Sinne wird die Bestimmung auch in der deutschen Rechtsprechung und Lehre verstanden (VersR 1976, 168; VersR 1975, 445; VersR 1972, 873; vgl. Helm a.a.O. Anm.9 zu § 452, Anh.III, Art.32 CMR, der auf § 205 BGB verweist). Ergibt schon die Auslegung des Abkommens in seinem Art.32 Abs.2 unter Berücksichtigung der internationalen Praxis deutliche Hinweise dafür, daß eine Fortlaufhemmung vorliegt, führt die in Art.32 Abs.3 CMR verfügte Verweisung auf das Recht des angerufenen Gerichtes zu keinem anderen Ergebnis. Es wird zudem mit Recht darauf verwiesen (Horak a.a.O. 166), daß die schriftliche Reklamation primär der Überprüfung der Anspruchsgrundlagen und nicht der Führung von Vergleichsgesprächen dient, sodaß die Annahme einer Ablaufhemmung, wie sie im österreichischen Recht bei Führung von Vergleichsverhandlungen angenommen wird (ZVR 1979/287; Bydlinski, JBl.1967, 130), auch nicht überzeugend erscheint. Vergleichbare Fälle der Anmeldung von Ansprüchen zur Entschädigung bewirken vielmehr durchwegs, daß der Fortlauf der Verjährung gehemmt wird. So nomiert § 12 Abs.2 VersVG für den Fall, daß ein Anspruch des Versicherungsnehmers beim Versicherer angemeldet worden ist, eine Hemmung der Verjährung bis zum Einlangen der schriftlichen Entscheidung des Versicherers, was als Fortlaufhemmung verstanden wird (Bruck-Möller, VersicherungsvertragsG 8 Anm.17 zu § 12; vgl. Ehrenzweig, Versicherungsvertragsrecht 184). Auch die Bestimmung des § 63 Abs.2 KFG, wonach bei Anmeldung des Schadenersatzanspruchs des geschädigten Dritten beim Versicherer die Hemmung der Verjährung bis zur Zustellung einer schriftlichen Erklärung des Versicherers, daß er den Schadenersatzanspruch ablehnt, eintritt, wird als Fortlaufhemmung verstanden (ZVR 1985/50; ZVR 1976/291; SZ 48/85). Gleiches gilt für die Bestimmung des § 25 Abs.2 LuftverkG (SZ 51/35). Es sprechen daher überwiegende Gründe dafür, auch die in Art.32 Abs.2 CMR verfügte Hemmung der Verjährung im Sinne einer Fortlaufhemmung zu verstehen.

Aus Art.32 Abs.2 dritter Satz CMR ergibt sich, daß der für den Eintritt und für die Beendigung der Hemmung maßgebende Zeitpunkt derjenige des Einlangens der Reklamation beim Frachtführer bzw. des Einlangens der Antwort (und der zurückgestellten Urkunden) beim Reklamierenden ist (Loewe, ETR 1976, 586). Wann das Reklamationsschreiben der klagenden Partei bei der beklagten Partei einlangte, steht nicht fest. Da das Antwortschreiben der beklagten Partei mit 23.November 1984 datiert ist, kann das Schreiben des Vertreters der klagenden Partei spätestens an diesem Tag bei der beklagten Partei eingelangt sein; die Verjährungsfrist war daher vom 23. November 1984 bis zum 29.November 1984, dem Tag des Einlangens des Antwortschreibens der beklagten Partei beim Vertreter der klagenden Partei, gehemmt. Die Ware wurde am 6.Februar 1984 abgeliefert, welcher Tag gemäß Art.32 Abs.1 letzter Satz CMR bei Berechnung der Frist nicht mitgerechnet wird. Unter Berücksichtigung eines Hemmungszeitraums von sieben Tagen wurde die am 12. Februar 1987 überreichte Klage rechtzeitig erhoben. Demzufolge ist der geltend gemachte Anspruch, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, nicht verjährt, so daß dem Rekurs der Erfolg zu versagen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Anmerkung

E10886

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00558.87.0427.000

Dokumentnummer

JJT_19870427_OGH0002_0010OB00558_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten