Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Hofmann, Dr. Schlosser und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ernst Z***, Kaufmann, Mauerbach, Tulbingerkogel, Groisaustraße 12, vertreten durch Dr. Georg Kahlig, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dkfm. Frank K***, Pensionist, Wien 1, Salzgries 15/12, vertreten durch Dr. Gustav Adler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 250.968,72 und Feststellung (Gesamtstreitwert S 325.968,72), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 15. Dezember 1986, GZ 4 R 203/86-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 29. Juli 1986, GZ 8 Cg 174/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 11.333,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (hievon S 1.030,35 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit Vertrag vom 14. Dezember 1938 mietete Eleonore K*** das im Hause Wien 8, Alserstraße 43, gelegene Geschäftslokal zum Zwecke des Betriebes eines Handels mit Jerseykleidern. Am 29. Dezember 1961 wurde das Unternehmen unter der Fa. "Eleonore S***, Jerseymoden" im Handelsregister des Handelsgerichtes Wien zu 7 HRA 17.282 eingetragen. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1963 trat der Beklagte in das Unternehmen als unbeschränkt haftender Gesellschafter ein. Mit Vertrag vom 13. April 1964 wurde die offene Handelsgesellschaft in eine Kommanditgesellschaft mit dem Beklagten als Komplementär und Eleonore S*** als Kommanditist umgewandelt. Eleonore S*** ist am 5. Oktober 1972 verstorben, ihr Nachlaß wurde dem Beklagten zur Gänze eingeantwortet. Anfang 1980 wurde dem Kläger bekannt, daß der Beklagte das Unternehmen veräußern wolle. Die Streitteile traten in Verkaufsverhandlungen, bei denen der Kläger zum Ausdruck brachte, daß es ihm wesentlich sei, das Lokal einschließlich der Mietrechte zu erlangen. Zu diesem Zwecke sollte das Unternehmen des Beklagten miterworben werden. Punkt 2 des zwischen den Streitteilen abgeschlossenen Vertrages vom 14. Mai 1980 bestimmt:
"Herr Ernst Z***, 3001 Mauerbach-Tulbingerkogel,
Groisaustraße 12, als Käufer tritt unter Beibehaltung des Firmenwortlautes in die Gesellschaft als Komplementär ein. Gegen Zahlung eines Betrages von S 100.000,-- (Schilling hunderttausend) zuzüglich der Umsatzsteuer in der Höhe von 18 %, das sind S 18.000,-- (Schilling achtzehntausend), zahlbar S 30.000,-- (dreissigtausend Schillinge) bei Vertragsunterzeichnung, S 70.000,-- (Schilling siebzigtausend) zuzüglich der Umsatzsteuer für die gesamte Vertragssumme bei Schlüsselübergabe, erwirbt der Käufer vom Verkäufer das gesamte Unternehmen mit allem rechtlichem Zubehör sowie dem dazu gehörigen Inventar, wie es liegt und steht, mit Ausnahme des Warenlagers. Herr Dkfm. Frank K*** scheidet aus dem Unternehmen aus."
In einem am selben Tag abgeschlossenen Leibrentenvertrag verpflichtete sich der Kläger, dem Beklagten eine wertgesicherte monatliche Leibrente von S 4.500,-- zuzüglich Umsatzsteuer zu bezahlen. Zur Ausfertigung von zwei Verträgen über den Unternehmenserwerb kam es über Wunsch des Klägers, der hiefür steuerliche Gründe ins Treffen führte. Das Ausscheiden der Kommanditistin und der Übergang des Unternehmens auf den Kläger wurde am 22. August 1980 in das Handelsregister eingetragen. Einige Tage nach Abschluß der Verträge sprach der Kläger bei der Verwaltung des Hauses Wien 8, Alserstraße 43 vor, wies jedoch nicht auf den Unternehmensübergang hin und erkundigte sich auch nicht danach, ob der Beklagte berechtigt sei, Mietrechte zu übertragen. In der Folge zahlte der Beklagte einige Zeit die auf die Fa. Eleonore S***, Jerseymoden, lautenden Mietzinsvorschreibungen. Als der Beklagte die Zahlung des Mietzinses einstellte, erhob der Hauseigentümer gegen die Fa. Eleonore S***, Jerseymoden, eine Klage, die sich jedoch als unzustellbar erwies. In der Folge kam es zu einer Besprechung mit dem Kläger, bei der ihm vom Hausverwalter erklärt wurde, daß er nicht als Hauptmieter anerkannt werde, auch die Unternehmensveräußerung werde nicht hingenommen. Der Verwalter war in der Folge bereit, dem Kläger das Lokal zu einem angemessenen Mietzins zu vermieten; über ausdrücklichen Wunsch des Klägers wurde der Mietvertrag nicht mit ihm, sondern mit seiner Ehefrau als Hauptmieterin abgeschlossen. Der Gesamtmietzins vor Abschluß des Vertrages betrug S 1.793,92, nunmehr ist ein Gesamtmietzins im Betrag von S 6.262,65 zu entrichten. Der Kläger hat vor Abschluß der Verträge vom 14. Mai 1980 nie begehrt, in die geschäftlichen Unterlagen Einsicht zu nehmen, insbesondere hat er sich beim Beklagten nicht nach der Höhe des Umsatzes erkundigt. Er hat auch keine Erkundigungen angestellt, ob der Beklagte zur Veräußerung des Unternehmens und zur Übertragung von Mietrechten berechtigt sei. Den Wunsch des Beklagten, das Unternehmen samt den Angestellten zu übernehmen, lehnte der Kläger ab, so daß der Beklagte die bisherigen Angestellten kündigen mußte; auch das Warenlager wurde vom Kläger nicht übernommen. Der Kläger betrieb in der Folge im Lokal Geschäfte und bediente sich der Unternehmensbezeichnung "Boutique E***". Der Kläger begehrt mit der am 10. Juli 1985 beim Erstgericht erhobenen Klage den Betrag von S 250.968,72 s.A. und die Feststellung, daß der zwischen den Streitteilen am 14. Mai 1980 abgeschlossene Leibrentenvertrag aufgehoben sei und dem Beklagten aus dem Vertrag keine Forderungen gegen den Kläger zustünden. Er habe den Erwerb des Unternehmens davon abhängig gemacht, daß er Hauptmieter der Geschäftsräume in Wien 8, Alserstraße 43, werde, was ihm vom Beklagten auch zugesagt worden sei. Die im Leibrentenvertrag versprochenen Leistungen seien das Entgelt für die Übertragung der Hauptmietrechte am Lokal. An einem bloß gespaltenen Mietverhältnis sei er nicht interessiert gewesen. Der Beklagte habe keine Schritte unternommen, um die vertraglich bedungene Übertragung der Hauptmietrechte an ihn zu erreichen. Die Verwaltung des Hauses habe einen Mietrechtsübergang an ihn nicht zur Kenntnis genommen, so daß er schließlich genötigt gewesen sei, einen Hauptmietvertrag zum Kategoriemietzins abzuschließen. Er sei vom Beklagten arglistig in Irrtum geführt worden, so daß er den Leibrentenvertrag vom 14. Mai 1980 anfechte und die Rückzahlung des bereits Geleisteten begehre.
Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens. Er habe dem Kläger niemals zugesagt, für die Übertragung der Hauptmietrechte an ihn Sorge tragen zu wollen. Eine derartige Verpflichtung sei den Verträgen vom 14. Mai 1980 auch nicht zu entnehmen. Die Übertragung sei nach der Rechtslage im Jahre 1980 auch überflüssig gewesen, weil die auf die Fa. Eleonore S***, Jerseymoden, lautenden Mietrechte aufrecht geblieben seien. Der Verkauf des Unternehmens habe die Weitergeltung und Ausnützung der bisherigen Mietrechte in sich geschlossen. List liege nicht vor, der Anfechtung des Vertrages wegen Irrtum stehe Verjährung entgegen.
Der Erstrichter wies das Klagebegehren ab und stellte fest, der Beklagte habe dem Kläger nicht zugesagt, er werde sich für die Übertragung der Hauptmietrechte am Lokal einsetzen. Auch eine Verständigung der Hausverwaltung von der Unternehmensveräußerung oder von einem Mietrechtsübergang habe der Beklagte nicht versprochen. In rechtlicher Hinsicht führte der Erstrichter aus, mit der Übertragung des Unternehmens hätte der Kläger unter der Voraussetzung, daß der Bestandgeber vom Unternehmensübergang verständigt wurde, die dem Beklagten als Hauptmieter des Geschäftslokals zustehenden Rechte erwerben können. Die Erklärung des Klägers, er sei Hauptmieter geworden, habe der Bestandgeber aber nicht zur Kenntnis nehmen müssen. Wenn sich der Kläger in der Folge um einen neuen Hauptmietvertrag zugunsten seiner Ehegattin bemüht habe, könne dies dem Beklagten nicht zum Nachteil gereichen. Eine Pflicht zur Aufklärung des Klägers über die Voraussetzungen, unter denen er Hauptmieter der Geschäftsräumlichkeiten werden konnte, habe den Beklagten im Hinblick darauf, daß der Kläger Kaufmann sei, nicht getroffen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es übernahm die Tatsachenfeststellungen des angefochtenen Urteils und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es könne dahingestellt bleiben, ob der Beklagte den Kläger über die Voraussetzungen, unter denen ein gespaltenes Mietverhältnis bei einer Unternehmensübertragung möglich war, in Irrtum geführt habe, weil der Kläger an einem solchen nach seinem eigenen Vorbringen ohnehin nicht interessiert gewesen sei. Eine Zusage, sich für die Übertragung der Hauptmietrechte zu verwenden und hiefür einzustehen, habe der Beklagte nicht abgegeben. Ein allfälliger Irrtum des Klägers darüber, ob er Hauptmietrechte erwerbe, rechtfertige das Klagebegehren schon deshalb nicht, weil der Kläger nur den Leibrentenvertrag und nicht auch den Vertrag über die Übertragung des Unternehmens anfechte. Damit begehre der Kläger nicht die Aufhebung, sondern nur die Anpassung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Vertrages. Eine solche sei bei einem Irrtum über einen wesentlichen Vertragspunkt aber nur zulässig, wenn der Vertragspartner bei Kenntnis der wahren Sachlage den Vertrag zu den anderen Bestimmungen abgeschlossen hätte, wenn also durch die Vertragsanpassung wesentliche Interessen des Vertragspartners nicht berührt würden. Daß dies der Fall sei, habe der Kläger nicht einmal behauptet.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen das Urteil des Berufungsgerichtes erhobenen Revision des Klägers kommt Berechtigung nicht zu.
Die behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens erachtet der Oberste Gerichtshof nach Prüfung als nicht gegeben (§ 510 Abs. 3 letzter Satz ZPO).
Der Kläger gründet das Klagebegehren darauf, daß ihm der Beklagte vor Abschluß der Verträge vom 14. Mai 1980 zugesagt habe, für die Übertragung der Hauptmietrechte an ihn Sorge zu tragen. Er ficht deshalb den Leibrentenvertrag wegen List an und begehrt die Rückzahlung der von ihm geleisteten Zahlungen. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte dem Kläger aber keine Zusage gemacht, er werde sich für eine Übertragung der Hauptmietrechte am Lokal an den Kläger verwenden. Eine Garantie des Beklagten, der Kläger werde Hauptmietrechte erwerben, kann daher schon aus diesen Gründen nicht angenommen werden. Dem Beklagten war zwar bekannt, daß es dem Kläger beim Vertragsabschluß wesentlich um den Erwerb der Mietrechte am Lokal zu tun war; er hat den Kläger auch darauf hingewiesen, daß der Verkauf des Unternehmens auch die "Weitergeltung und Ausnützung der bisherigen Mietrechte" in sich schließe (ON 2, S. 1, 2); es ist aber nicht festgestellt, daß dem Beklagten ein Irrtum des Klägers über den Erwerb von Hauptmietrechten bewußt war. Es ist auch nicht erwiesen, daß der Beklagte den Kläger darüber wissentlich getäuscht hätte, ob die Voraussetzungen für ein gespaltenes Mietverhältnis, an dem der Kläger nicht interessiert gewesen sein will, dann gegeben sind, wenn wesentliche Teile des Unternehmens (Warenlager, Angestellte) nicht übernommen werden. Auch die Revision enthält keine Ausführungen, aus denen eine listige Vorgangsweise des Beklagten anzunehmen wäre. Daß eine "Weitergeltung und Ausnützung der bisherigen Mietrechte" unmöglich gewesen wäre, weil kein Unternehmen übertragen wurde, kann nicht gesagt werden. Der Kläger hat ein Unternehmen gleicher Art weitergeführt, so daß zumindest der good will (Kundenstock) des Unternehmens des Beklagten übertragen werden konnte. Die Anfechtung des Vertrages wegen List schließt auch eine solche wegen Irrtums in sich (SZ 46/84; Rummel in Rummel, ABGB, Rz 19 zu § 871 ABGB). Das Recht zur Anfechtung bzw. Anpassung des Vertrages und zur Rückzahlung der erbrachten Leistungen verjährt aber in drei Jahren ab Vertragsschluß; auf den Zeitpunkt der Aufklärung des Irrtums kommt es nicht an (GesRZ 1982, 251; NZ 1974, 155; SZ 39/56; JBl. 1954, 462; SZ 20/88; Rummel in Rummel a.a.O. Rz 6 zu § 877; Klang in Klang Komm. 2 VI 630). Die vom Beklagten erhobene Einrede der Verjährung (ON 2, S 2; Revisionsbeantwortung S 2 Rückseite) ist demnach gerechtfertigt, so daß dem Klagebegehren aus diesem Grund schon wegen Verjährung der Erfolg zu versagen ist.
Anmerkung
E10676European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0010OB00550.87.0427.000Dokumentnummer
JJT_19870427_OGH0002_0010OB00550_8700000_000