Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Rainer Maria N*** und Wolfgang W*** wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen der obgenannten Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Linz vom 10.Oktober 1986, GZ 21 Vr 1679/86-59, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Hauptmann und der Verteidiger Dr. Bergbauer und Dr. Oehlzand, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.
Den Berufungen wird - jener des Angeklagten N***
teilweise - Folge gegeben und es werden die Freiheitsstrafen unter Anwendung des § 41 StGB wie folgt herabgesetzt: beim Angeklagten N*** auf 4 (vier) Jahre und beim Angeklagten W*** auf 4 1/2 (viereinhalb) Jahre.
Im übrigen wird der Berufung des Angeklagten N*** nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Rainer Maria N*** und Wolfgang W*** der Verbrechen des verbrecherischen Komplotts nach § 277 Abs. 1 StGB und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt. Darnach liegt ihnen zur Last, am 8.Juli 1986
1. in Ansfelden die gemeinsame Durchführung eines Raubüberfalles auf eine Autobahntankstelle der Raststation Ansfelden verabredet zu haben, wobei sie zu dieser Tankstelle fuhren und einen Gasrevolver zur Bedrohung des Tankwartes, einen Werkzeugschlüssel als Schlagwerkzeug, Schnüre zum Fesseln, eine Damenstrumpfhose zum Maskieren, Arbeitshandschuhe zur Vermeidung von Fingerabdrücken und einen Schraubenzieher zum eventuellen Aufzwängen von Behältnissen mit sich führten,
2. in Linz in Gesellschaft als Beteiligte und unter Verwendung einer Waffe den Konrad P*** dadurch, daß ihm N*** einen geladenen Gasrevolver vorhielt und die Herausgabe von Geld forderte, während W*** Aufpasserdienste leistete, sohin durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, eine fremde bewegliche Sache, nämlich 430 S Bargeld, mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern. Die den Geschwornen gestellten Fragen - die den Angeklagten N*** betreffenden Fragen werden zur Verdeutlichung in der Folge jeweils mit dem im Fragenschema nicht enthaltenen Zusatz I, jene, die den Angeklagten W*** betreffen, mit dem Zusatz II versehen - fanden folgende Erledigung:
Die schuldspruchkonformen Hauptfragen I 1 und II 1 betreffend das verbrecherische Komplott sowie I 3 und II 3 betreffend die zweifach qualifizierte Raubtat wurden bejaht und die Zusatzfragen I 2 sowie II 2 nach dem Strafaufhebungsgrund des § 277 Abs. 2 erster Satz StGB verneint. Die Beantwortung der bezüglich des Angeklagten N*** für den Fall der Verneinung der Hauptfrage I 3 gestellten Eventualfrage I 4 nach dem Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB entfiel. Desgleichen unterblieb bezüglich des Angeklagten W*** die Beantwortung der für den Fall der Verneinung der Hauptfrage II 3 gestellten Eventualfrage II 4 in Richtung Beitragstäterschaft zu schwerem Raub nach §§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB und der für den Fall auch der Verneinung der Eventualfrage II 4 gestellten Eventualfrage II 5 betreffend das Vergehen der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 286 Abs. 1 StGB sowie der für den Fall der Bejahung der letzterwähnten Eventualfrage gestellten Zusatzfrage II 6 nach den Voraussetzungen der Straflosigkeit gemäß § 286 Abs. 2 Z 1 StGB.
Gegen den Schuldspruch richten sich die Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten, die von N*** auf Z 5, 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO, von W*** nur auf die zuletzt angeführte Gesetzesstelle gestützt werden. Ihnen kommt keine Berechtigung zu.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten N***:
Mit der Verfahrensrüge (Z 5) moniert dieser, daß in der Hauptverhandlung gegen den Widerspruch seines Verteidigers Fragen gestellt worden seien, welche die Angaben des Mitangeklagten W*** in dem beim Kreisgericht Wels gegen beide Angeklagten gesondert geführten Strafverfahren wegen Diebstahls (ehemals AZ 33 Ns 203/86 des Landesgerichtes Linz; siehe ON 57) betroffen hätten, womit eine (auf das vorliegende Verfahren bezogene) Absprache zwischen ihnen hätte dargetan werden sollen.
Rechtliche Beurteilung
Der angerufene Nichtigkeitsgrund könnte jedoch (im aktuellen Zusammenhang) nur aus einem Zwischenerkenntnis des Schwurgerichtshofes und nicht - wie hier - aus einer vom Vorsitzenden allein getroffenen Entscheidung abgeleitet werden (Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E Nr 1 zu § 345 Abs. 1 Z 5 StPO ua). Eine Beschlußfassung durch den Schwurgerichtshof wurde aber vom Verteidiger gar nicht beantragt. Damit fehlt es dem Beschwerdeführer insoweit an der Legitimation zur Verfahrensrüge.
Gleiches gilt für den unter Berufung auf Art 6 Abs. 3 lit. b MRK vorgebrachten weiteren Einwand, der Verteidiger habe erst am Tag vor der Hauptverhandlung Kenntnis von jenem Strafverfahren erhalten, aus dem Vorhalte gemacht wurden: ein Antrag auf Vertagung der Hauptverhandlung zum Zweck besserer Vorbereitung der Verteidigung, der vom Schwurgerichtshof auf seine sachliche Berechtigung hin zu prüfen gewesen wäre, ist gar nicht gestellt worden. Zu Unrecht bezeichnet der Angeklagte N*** zum Faktum 1. die Zusatzfrage I 2 ("ist Rainer Maria N*** freiwillig nach Ansichtigwerden einer größeren Anzahl von Menschen bei der Autobahntankstelle der Raststation Ansfelden gemeinsam mit Wolfgang W*** davon abgekommen, den geplanten Raubüberfall auszuführen, wodurch diese beabsichtigte strafbare Handlung verhindert wurde?") deshalb als "mangelhaft spezialisiert" (Z 6), weil darin nicht auch auf die große Müdigkeit beider Angeklagten und auf das Herumstehen von LKWs an der Tankstelle, worauf sie sich zur Motivation ihrer Abstandnahme von der Tatausführung berufen hätten, Bezug genommen worden sei.
Die Bemerkung des Beschwerdeführers, an der Tankstelle seien sehr viele LKWs herumgestanden (S 239), ist nämlich in ihrem unmittelbaren Zusammenhang mit seiner im vorangehenden Satz enthaltenen Aussage, daß an der Tankstelle "sehr viel Betrieb" war, sowie mit der nachfolgenden Passage, daß sich infolge des Herumstehens so vieler LKWs "keiner recht getraut" habe, den Raub auszuführen (S 239), zu verstehen und hat demnach im Ergebnis keinen anderen Sinngehalt als der in die Frage aufgenommene Hinweis auf eine "größere Anzahl von Menschen bei der Autobanktankstelle". Soweit er aber einen Hinweis auf die angeblich große Müdigkeit der beiden Angeklagten reklamiert, die zur Aufgabe ihres Tatplanes geführt habe, vermag er sich nicht auf ihre Verantwortung in der Hauptverhandlung zu berufen: denn nach dem für das Rechtsmittelgericht maßgebenden Inhalt des Protokolls gab N*** - entgegen einem weiteren Beschwerdeeinwand sehr wohl (vgl. S 54, 239, 241) - ausschließlich den Kundenverkehr bei der Tankstelle als Grund für die Aufgabe des Raubplanes an, zu welcher es zudem nach seiner (letztlich doch aufrecht erhaltenen) Verantwortung (S 54, 345) erst in den Morgenstunden gekommen sein soll, nachdem die Angeklagten geschlafen hatten; und W*** behauptete zwar, vom Raubvorhaben sei bereits anläßlich ihrer Zufahrt zur Tankstelle Abstand genommen worden (S 263, 275, 281), doch führte er dabei gleichfalls keineswegs eine große Müdigkeit ihrerseits als Grund für die Sinnesänderung an.
Eine vom Beschwerdeführer zum Faktum 2. vermißte Eventualfrage nach Begehung eines nur nach dem zweiten Fall des § 143 StGB qualifizierten Raubes hinwieder (Z 6), um so den Geschwornen die Gelegenheit zu geben, jenem Vorbringen Rechnung zu tragen, wonach N*** den Raub an P*** nicht im Sinn des ersten Qalifikationsfalles "in Gesellschaft eines ... Beteiligten (§ 12 StGB)", also allein ausgeführt habe, wurde seine Person betreffend zu I 4 ohnedies gestellt.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen besteht insoweit aber auch keine "Unklarheit" und "Unvollständigkeit" des Fragenschemas im Verhältnis zu den korrespondierenden, den Mitangeklagten W*** betreffenden Fragen. Denn in den Hauptfragen I 3 und II 3 wurde jeweils übereinstimmend darnach gefragt, ob die beiden Angeklagten den Raub in Gesellschaft als Beteiligte begingen, und jeweils lediglich nach dem verschiedenen individuellen Tatbeitrag jedes einzelnen von ihnen bei der Ausführung des gemeinsamen Tatplanes (Vorhalten des Gasrevolvers und Forderung nach Geld durch N*** und Leistung von Aufpasserdiensten vor der Trafik durch W***) differenziert. Die Eventualfragen I 4 und II 4 hingegen sind klar erkennbar auf eine Verübung des Raubes durch N*** als unmittelbarem Täter (§ 12 erster Fall StGB) und durch W*** als Beitragstäter (§ 12 dritter Fall StGB) ohne die Annahme einer Tatbegehung in Gesellschaft (§ 143 erster Fall StGB) gerichtet. Eine Unklarheit in bezug auf die den Angeklagten W*** betreffende Eventualfrage II 4 nach Beitragstäterschaft zum (bewaffneten) Raub (§§ 12 dritter Fall, 142 Abs. 1, 143 zweiter Fall StGB) liegt gleichfalls nicht vor. Tatbeitrag im Sinn des dritten Falles des § 12 StGB kann nämlich durchaus auch in der damit relevierten Zusicherung von Aufpasserdiensten bestehen, selbst wenn sich der Zusichernde - dem weiteren Inhalt der Frage entsprechend - zum Zeitpunkt der Tatbegehung dann nicht mehr in einer - nur zur Annahme eines Gesellschaftsraubes (§§ 142 Abs. 1, 143 erster Fall StGB) vorauszusetzenden - örtlichen Nahebeziehung zum Tatort befand. Dieses psychische Beitragselement der bloßen Zusicherung übersieht der Beschwerdeführer, indem er bei der Behauptung einer Unklarheit im Gegensatz zum Wortlaut der Frage auf die tatsächliche Leistung von Aufpasserdiensten abstellt. Den einleitenden Ausführungen des Angeklagten N*** zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs. 1 Z 8 StPO zuwider sind die zum Faktum 1. von ihm vermißten Darlegungen zur Freiwilligkeit der Tatverhinderung gemäß § 277 Abs. 2 StGB in der Rechtsbelehrung zu den Zusatzfragen I 2 und II 2 - zum Großteil wörtlich mit jenen der Beschwerde übereinstimmend, jedenfalls aber sinngemäß - ohnehin enthalten (S 351 f.). Dementsprechend geht die Behauptung des Beschwerdeführers, aus dem Inhalt der Niederschrift jener Erwägungen, von denen die Mehrheit der Geschwornen bei der Beantwortung der Fragen ausging (§ 331 Abs. 3 StPO), gehe hervor, daß diese die ihnen erteilte Rechtsbelehrung nicht verstanden hätten, insoweit ins Leere, als ein derartiges Mißverständnis jedenfalls nicht in der reklamierten Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung wurzeln könnte. Eine auf § 345 Abs. 1 Z 9 StPO beruhende oder eine sonstige Urteilsnichtigkeit aber kann, wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei, aus der in Rede stehenden Niederschrift nicht abgeleitet werden (vgl. Mayerhofer-Rieder, StPO 2 , E 10 bis 14 zu § 331).
Mit der weiteren Behauptung aber, das Verfahren habe nicht ergeben, daß die Angeklagten ihr Vorhaben lediglich aus Furcht vor drohender Entdeckung und im vollen Bewußtsein der Aussichtslosigkeit aufgegeben hätten, macht der Beschwerdeführer weder den von ihm herangezogenen noch einen anderen Nichtigkeitsgrund geltend, sondern er versucht in einer im Rechtsmittelverfahren gegen geschwornengerichtliche Urteile nicht vorgesehenen und daher unbeachtlichen Weise, Verfahrensergebnisse in einem für ihn günstigeren Sinn zu deuten. Diese auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung der Geschwornen hinauslaufenden, einer in dieser Verfahrensart unzulässigen Schuldberufung entsprechenden Ausführungen sind demnach einer sachlichen Erledigung von vornherein nicht zugänglich.
Zum Faktum 2. macht der Beschwerdeführer mit dem das Fehlen einer Erläuterung, was unter Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu verstehen sei, sowie insbesondere auch darüber, daß die Androhung körperlicher Mißhandlung beim Raub als Mittel zur Drohung nicht genüge, betreffenden Einwand eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung in Ansehung des Grundtatbestands nach § 142 Abs. 1 StGB geltend. Diese bewirkt allerdings nur dann eine Nichtigkeit nach § 345 Abs. 1 Z 8 StPO bedrohte Unrichtigkeit der Belehrung, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles geeignet ist, die Geschwornen bei der Beantwortung der an sie gestellten Fragen auf einen falschen Weg zu weisen (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 65 bis 68 zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO). Im vorliegenden Fall der Bedrohung durch das Vorhalten eines Gasrevolvers, für dessen sofortige Erkennbarkeit als solchen zudem keinerlei Anhaltspunkt hervorgekommen ist (siehe hiezu S 290), kann jedoch die Möglichkeit eines derartigen Mißverständnisses trotz des Unterbleibens einer - grundsätzlich schon im Hinblick auf die allgemeine Verständlichkeit dieses Ausdrucks entbehrlichen - ausdrücklichen Belehrung darüber, was unter "Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" zu verstehen ist, ausgeschlossen werden, zumal die Geschwornen auch auf das Erfordernis einer Imminenz der Drohung hingewiesen wurden (S 354); das Zurückführen des in Rede stehenden gesetzlichen Merkmals des Raubes auf den soeben relevierten Sachverhaltsaspekt hinwieder war nicht Aufgabe der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 2 StPO), sondern konnte nur Gegenstand der im Anschluß an die mündliche Belehrung (§ 323 Abs. 1 StPO) abzuhaltenden Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen (§ 323 Abs. 2 StPO) sein.
In seiner gegen die Belehrung über den Waffenbegriff im zweiten
Qualifikationsfall nach § 143 StGB gerichteten Rüge setzt sich der
Angeklagte N*** über die einhellige Rechtsprechung hinweg,
derzufolge zu den Waffen im Sinn dieser Gesetzesstelle jedenfalls
alle Gegenstände zählen die ihrem Wesen nach dazu bestimmt sind die
Angriffs- oder Abwehrfähigkeit von Menschen durch unmittelbare
Einwirkung zu beseitigen oder herabzusetzen, was auch für eine
Gaspistole zutrifft (SSt 48/45 = EvBl 1978/175 = JBl. 1979, 380
= RZ 1978/101, verstärkter Senat; seither EvBl 1980/107, RZ 1981/31,
SSt 52/7 = EvBl 1981/165 a, SSt 53/22 = EvBl 1982/156, EvBl 1983/140
= RZ 1983/51 uva). Die abweichende Meinung Krückls (ÖJZ 1981,
566 ff.), auf die sich der Beschwerdeführer stützt, wurde in Lehre (Zipf im WK, Rz 16 zu § 143 StGB) und Rechtsprechung (10 Os 152/81 sowie SSt 53/22) ausdrücklich abgelehnt; eine Belehrung in jenem Sinn durfte den Geschwornen somit gar nicht erteilt werden. Soweit der Beschwerdeführer schließlich des weiteren eine Mangelhaftigkeit der Rechtsbelehrung hinsichtlich des ersten Falles des § 143 StGB in Ansehung einer Abgrenzung des Gesellschaftsraubes von der Beitragstäterschaft zum einfachen (oder nur anders qualifizierten) Raub behauptet, gibt er die Belehrung mit dem Hinweis auf jene Passagen, denen zufolge einerseits "bloße Ortsanwesenheit" ohne jede Raubabsicht nicht genüge, wogegen es andererseits als ausreichend erklärt werde, daß die Täter ohne vorherige Verabredung (etwa spontan) bei der Tatbegehung "zusammenwirken" (S 357), nur höchst unvollständig wieder. Tatsächlich brachte nämlich der Schwurgerichtshof in bezug auf die relevierte Abgrenzung unmißverständlich zum Ausdruck, daß es zur Annahme eines Gesellschaftsraubes genügt, wenn zwei Personen am Tatort oder doch in dessen Nähe arbeitsteilig (gleichsam "mit verteilten Rollen") zusammenwirken, selbst wenn auch nur einer von ihnen die Ausführungshandlung setzt während der andere die Ausführung solcherart bloß ermöglicht, fördert oder doch erleichtert (S 356 bis 358). In ihrer Gesamtheit bietet somit die Belehrung in diese Richtung hin keineswegs Anlaß zu einer vom Beschwerdeführer behaupteten Unklarheit, welche die Geschwornen zu beirren geeignet gewesen wäre, zumal jeweils das Erfordernis des Zusammenwirkens bei der Tatbegehung, also am Tatort (oder in dessen unmittelbarer Nähe) zur Tatzeit, besonders hervorgehoben wurde. Auch der Niederschrift der Geschwornen zur Beantwortung der Hauptfragen I 3 und II 3 (S 423) ist keinerlei Anhaltspunkt für ein ihnen insoweit unterlaufenes Mißverständnis zu entnehmen.
In Wahrheit betreffen die vom Angeklagten N*** zuletzt relevierten, nur unvollständig zitierten Passagen im übrigen - wie der Vollständigkeit halber vermerkt sei - primär das Erfordernis des Vorsatzes beider Täter beim (einverständlichen) Zusammenwirken, in Ansehung dessen die Rechtsbelehrung gar nicht gerügt wird.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten W***:
Entgegen der zum Faktum 1. vertretenen Meinung des Beschwerdeführers begründet die Verwendung des Ausdrucks "tätige Reue" für den Strafaufhebungsgrund des § 277 Abs. 2 StGB keine Unrichtigkeit (Z 8) der Rechtsbelehrung zur Zusatzfrage II 2:
angesichts des wiederholten Hinweises in der Belehrung darauf, daß es insoweit ausschließlich auf die Freiwilligkeit der Tatverhinderung ankomme, und im Hinblick auf jene zutreffenden Darlegungen, wonach für die Abstandnahme von der Tat nicht ausschließlich innere Erwägungen maßgebend sein brauchten, sofern nur dem Täter noch die Vorstellung erhalten bleibe, eine seinem Tatplan entsprechende Ausführung sei noch möglich, und daß unter diesen Voraussetzungen auf Furcht vor Entdeckung oder Strafe als Motiv die Annahme der Freiwilligkeit nicht beeinträchtigen könne (S 351 f.), war die Rechtsbelehrung nicht geeignet, den Geschwornen etwa die Ansicht zu vermitteln, für die Straflosigkeit sei überdies erforderlich, daß der Täter von Reue ergriffen sei und (deshalb) sein Fehlverhalten einsehe. Demnach kann in der Verwendung der in der Lehre (Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 9 zu § 277; Foregger-Serini, StGB 3 , Erl III zu § 277) und Rechtsprechung (vgl Mayerhofer/Rieder, StGB 2 , E 18 bis 20 zu § 277) üblichen Kurzbezeichnung "tätige Reue" für den Strafaufhebungsgrund des § 277 Abs. 2 StGB keine Unrichtigkeit der Belehrung liegen. Inwiefern letztere einem Laien den falschen Eindruck vermitteln sollte, die "Aufgabe des Tatentschlusses" (gemeint: Tatverhinderung) müsse "in unmittelbarer zeitlicher Nähe zur (gemeint: ursprünglich) beabsichtigten Tatzeit" stattfinden, ist der Beschwerde nicht zu entnehmen; demnach ist auch nicht erkennbar, welche Passagen der Rechtsbelehrung wegen des Fehlens einer Erläuterung dahin, daß Straflosigkeit nach § 277 Abs. 2 StGB bis zum Eintritt der geplanten Tat ins Stadium strafbaren Versuchs - und nachher (nur) noch nach § 16 StGB - möglich ist, insoweit zu einer Irreleitung der Geschwornen geeignet gewesen sein sollten.
Daraus allein, daß diese in ihrer Niederschrift (§ 331 Abs. 3 StPO) zufolge die Zusatzfragen I 2 und II 2 - aus der in Wahrheit ersichtlich beweiswürdigenden Erwägung - verneinten, "weil die Freiwilligkeit durch das nicht sofortige Verlassen des genannten Tatortes nicht gegeben war" (S 423), kann auch, der Beschwerdeauffassung zuwider, keineswegs folgerichtig abgeleitet werden, daß sie (umgekehrt) zur (demgegenüber rechtlichen) Annahme einer "freiwilligen" Aufgabe des Tatentschlusses gelangt wären, wenn die beiden Angeklagten die Autobahnraststätte sogleich nach dem Passieren der Tankstelle verlassen hätten. Mit dieser rein spekulativen Interpretation der in Rede stehenden Niederschrift kann mithin ein Indiz für die Richtigkeit der (unsubstantiierten) Behauptung einer zum Erwecken von Mißverständnissen der Geschwornen geeigneten Unvollständigkeit der Belehrung nicht dargetan werden. Gleichfalls auf bloßen Mutmaßungen über mögliche Überlegungen der Geschwornen und nicht auf dem Inhalt der Rechtsbelehrung beruht auch die Behauptung, die Laienrichter seien infolge einer weiteren Unvollständigkeit der Belehrung darüber nicht informiert gewesen, wie groß äußere Einflüsse auf den Entschluß eines Komplottanten gerade noch sein dürften, um trotzdem eine Freiwilligkeit seiner Tathinderung annehmen zu können.
Denn die Erläuterungen zu der im § 277 Abs. 2 StGB vorausgesetzten Freiwilligkeit mit dem ausdrücklichen Hinweis, es fehle an dieser Voraussetzung nur dann, wenn sich die konkrete Befürchtung des Täters, entdeckt zu werden, dahin auswirke, daß es sich auf Grund der gegebenen tatsächlichen oder auch nur vermeintlichen Situation außer Stande wähne, sein Ziel tatplangemäß zu erreichen, und solcherart sein psychisches Unvermögen zur Realisierung der Tat für seinen Entschluß zu deren Verhinderung maßgebend sei (S 352), bringen klar zum Ausdruck, daß nicht bereits jede geringfügige psychische Beeinflussung des Täters in der Richtung einer Aufgabe des Tatplanes die in der bezeichneten Gesetzesstelle vorausgesetzte Freiwilligkeit ausschließt, sondern nur eine solche, die geradezu seine psychische Unfähigkeit zur Tatbegehung herbeiführt. Damit ist deutlich genug aus dem vom Beschwerdeführer hervorgehobenen Unterschied zwischen psychisch zwingenden Gründen und bloß auslösende, die Freiwilligkeit nicht beeinträchtigenden Faktoren hingewiesen.
Auf die in der Rüge wiedergegebene Verantwortung des Beschwerdeführers jedoch, außer dem Tankwart sei nur noch eine weitere Person am Tatort gewesen, war dabei in der Rechtsbelehrung nicht einzugehen; (auch) Umstände dieser Art sind vielmehr vom Vorsitzenden der schon an früherer Stelle relevierten Besprechung (§ 323 Abs. 2 StPO) vorbehalten.
Eine Rechtsbelehrung über jene Voraussetzungen schließlich, unter welchen die Urteilstat 1 als Raubversuch zu beurteilen und strafaufhebender Rücktritt von diesem Versuch anzunehmen wäre, wurde zu Recht nicht erteilt, weil sie keine den Geschwornen tatsächlich gestellten Fragen betroffen hätte (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 , E 20 bis 24 zu § 345 Abs. 1 Z 8 StPO).
Zum Faktum 2. steht der Einwand, aus der Belehrung gehe nicht hervor, daß der Beitragstäter für die Begehung der Tat unter qualifizierenden Umständen (hier: in Gesellschaft eines Beteiligten und unter Verwendung einer Waffe) nur hafte, soweit diese von seinem Wissen (gemeint wohl richtig: von seinem Vorsatz) umfaßt gewesen seien, im Widerspruch zur Aktenlage: in der Rechtsbelehrung zu § 143 zweiter Fall StGB wird nämlich klar hervorgehoben, daß die zuletzt relevierte Qualifikation nur jenem Beteiligten zugerechnet wird, der entweder selbst die Waffe beim Raubüberfall verwendet oder ihre derartige Verwendung durch einen (anderen) Beteiligten kennt und billigt (S 359, 363 f.), wobei (jeweils) ausdrücklich auf die Erläuterungen zum bedingten Vorsatz verwiesen wird; ebenso kommt in der Belehrung das für jeden Beteiligten geltende Vorsatz-Erfordernis in Ansehung des Gesellschaftsverhältnisses (§ 143 erster Fall StGB) gleichwie sämtlicher Tatbestandsmerkmale unmißverständlich zum Ausdruck (S 354 bis 358, 363 f.).
Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang wieder auf Ergebnisse des Beweisverfahrens Bezug nimmt und daraus rechtliche Konsequenzen ableiten möchte, bringt er den geltend gemachten Nichtigkeitsgrund, der nur aus den Ausführungen in der schriftlichen Rechtsbelehrung (§ 321 Abs. 1 StPO) abgeleitet werden kann, nicht zur gesetzmäßigen Darstellung.
Das Erfordernis ursächlichen Zusammenhanges schließlich zwischen einem sonstigen Beitrag im Sinn der letzten Täterschaftsform des § 12 StGB einerseits und der Tat, so wie sie sich abgespielt hat, anderseits wird in der Belehrung zu den Hauptfragen 3 gleichfalls - zum Teil sogar mit den vom Beschwerdeführer vermißten Worten - erörtert; wird doch dazu ausgeführt, daß der Beitrag zur Tat in ihrer individuellen Erscheinungsform in einer kausalen Beziehung stehen muß und jede auch nur geringste Hilfe, welche die Tat fördert und bis zur Vollendung wirksam bleibt, ein ausreichender kausaler Tatbeitrag ist (S 358). Mit der unter Berufung auf Verfahrensergebnisse vorgenommenen Negierung der Ursächlichkeit seines Tatbeitrags bringt er erneut weder den angerufenen noch einen anderen Nichtigkeitsgrund zur prozeßordnungsgemäßen Ausführung. Aus den angeführten Gründen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.
Zu den Berufungen:
Das Geschwornengericht verurteilte die Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu Freiheitsstrafen, und zwar N*** zu fünf Jahren und W*** zu fünfeinhalb Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten als erschwerend das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die zweifache Qualifikation beim Raub, sowie bei W*** überdies zwei einschlägige Vorstrafen, als mildernd bei beiden Angeklagten eine objektive Schadensgutmachung und den geringen Wert des erbeuteten Geldes, bei N*** dagegen überdies das (volle) Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und das Alter unter 21 Jahren zum Zeitpunkt der Tat, bei W*** das Geständnis zum Komplott.
Eine Anwendung der außerordentlichen Strafmilderung des § 41 StGB lehnte das Geschwornengericht aus der Erwägung ab, es handle sich vorliegend nicht um atypisch leichte Fälle, auf die dieses Institut zugeschnitten sei; das große Maß an krimineller Energie, das hartnäckige Bemühen der Angeklagten, den finanziellen Problemen durch die gegenständlichen Straftaten zu begegnen und das getrübte Vorleben des Angeklagten W*** stünden der Annahme des Vorliegens einer begründeten Aussicht künftigen Wohlverhaltens entgegen.
Beide Angeklagten strebten mit ihren Berufungen die Herabsetzung des Ausmaßes der Freiheitsstrafen, N*** überdies die Gewährung bedingter Strafnachsicht an.
Den Berufungen kommt, soweit sie auf Strafmilderung gerichtet sind, Berechtigung zu.
Gewiß ist nicht zu übersehen, daß den nun abgeurteilten Verbrechen mehrere Besprechungen der Täter mit dem Ziel vorangingen, durch Verübungen von Raubüberfällen die finanzielle Situation, namentlich jene des Angeklagten N***, zu verbessern. Desgleichen bleibt der Einsatz einer Waffe zur Drohung beim Raub sowie die vom Erstgericht nicht gesondert gewerteten Tatsachen, daß sich die Raubtat gegen einen Körperbehinderten richtete und das Komplott bereits weitgehend in die Richtung einer Versuchstat gediehen war, von erheblicher Bedeutung.
Andererseits kommt aber doch dem Umstand besonderes Gewicht zu, daß der Angeklagte N*** bisnun unbescholten war, die Taten im Alter unter 21 Jahren beging, voll geständig war und nunmehr - durch Vorlage eines Zeugnisses beim Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung bescheinigt - in der Haft eine Lehrabschlußprüfung abgelegt hat, somit ein Bemühen um Wiedereingliederung in einen geordneten Lebenswandel manifestiert hat. Diesen Milderungsgründen kommt demnach nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes solches Gewicht zu, daß von einem beträchtlichen Überwiegen gesprochen werden kann.
Ähnliches gilt für den Angeklagten W*** trotz zweier Vorstrafen. Diese sind nicht sehr schwerwiegend, sein Tatbeitrag bei den vorliegenden Delikten war in beiden Fällen eher untergeordneter Natur. Zudem ist ersichtlich, daß eine ungünstige familiäre Situation (Tod der Mutter und offenbar gespanntes Verhältnis zum Vater; vgl auch das Schreiben von Sr. M. Angelia A***, einer Tante dieses Angeklagten an den Obersten Gerichtshof) seine Entwicklung als Heranreifender ungünstig beeinflußte. Unter Beachtung dieser speziellen Momente kann auch hier noch von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe gesprochen werden. Bei beiden Angeklagten war daher unter Anwendung des § 41 StGB die Strafe jeweils auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß herabzusetzen, zumal spezialpräventiven Erwägungen angesichts der oben aufgezeigten speziellen Gegebenheiten in den persönlichen Verhältnissen der beiden Angeklagten der Gewährung dieser Rechtswohltat nicht entgegenstehen.
Eine bedingte Strafnachsicht kommt beim Angeklagten N*** schon angesichts des verbleibenden Strafmaßes nicht in Frage. Auf eine Eingabe des Angeklagten N*** (betitelt "Berufung und Nichtigkeit in meiner Strafsache"), war nicht Bedacht zu nehmen, weil das Gesetz nur eine Ausführung der Rechtsmittelschrift vorsieht (Mayerhofer/Rieder, StPO 2 E 36 und 37 zu § 285).
Anmerkung
E10821European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00167.86.0428.000Dokumentnummer
JJT_19870428_OGH0002_0100OS00167_8600000_000