Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer in der Strafsache gegen Otto K*** wegen des Verbrechens des teilr vollendeten, teils versuchten Untreue nach § 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall und § 15 StGB sowie gegen Josef K*** wegen des Vergehens der Untreue nach §§ 12 dritter Fall, 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Otto K*** sowie die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft (bezüglich beider Angeklagten) gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 31.Jänner 1986, GZ 21 Vr 2850/83-54, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Stöger, der Angeklagten Otto K*** und Josef K*** sowie deren Verteidiger Dr. Lettner und Dr. Hacker zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto K*** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch (sowie in den darauf beruhenden weiteren Aussprüchen) aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Otto K*** wird (auch) von der gegen ihn erhobenen Anklage, er habe in Hallein als Handlungsbevollmächtigter der T***-P*** Gesellschaft mbH die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich mißbraucht, indem er ihr am 17.Jänner und 27.Jänner 1983 einen Auftrag der Firma S*** über eine Auftragssumme von 1,398.000 S zu entziehen versuchte, wodurch der Gesellschaft ein Schaden von 279.640 S entstehen sollte (Punkt A/1 der Anklageschrift), und er habe hiedurch das Verbrechen der versuchten Untreue nach §§ 15, 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB begangen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird hingegen verworfen.
Die Berufung des Angeklagten Otto K*** wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 16.Jänner 1941 geborene Kaufmann Otto K*** des Vergehens der versuchten Untreue nach §§ 15, 153 Abs. 1 und Abs. 2 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er in Hallein als Handlungsbevollmächtigter der T***-P*** Gesellschaft mbH die ihm durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten, wissentlich mißbraucht, indem er am 17.Jänner und 27. Jänner 1983 einen Auftrag der Firma S*** (Sarajevo) über 1,398.000 S der Gesellschaft zu entziehen versuchte, wodurch dieser ein 5.000 S, jedoch (entgegen der Bewertung in der Anklageschrift) nicht 100.000 S übersteigender Vermögensnachteil zugefügt werden sollte.
Hingegen wurde Otto K*** vom weiteren Anklagevorwurf, dieses Verbrechen (§§ 29, 153 Abs. 1 und Abs. 2 zweiter Fall StGB) auch dadurch begangen zu haben, daß er in Hallein unter wissentlichem Mißbrauch der ihm als Handlungsbevollmächtigtem der T***-P*** Gesellschaft mbH durch Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über deren Vermögen zu verfügen oder sie zu verpflichten,
a) am 25.Februar 1983 einen (weiteren) Auftrag der Firma S*** über 414.484,45 S der T***-P*** Gesellschaft mbH entzogen und ihr dadurch einen Vermögensnachteil von 82.896,89 S zugefügt habe (Punkt A/2 der Anklageschrift), und
b) am 25.Oktober 1982 das Eigentumsrecht der Firma W*** & H*** an - im Anklagetenor näher
bezeichnetem - Spritzgußwerkzeug für die Herstellung von Kunststoffteilen anerkannt und dadurch der T***-P*** Gesellschaft mbH einen (weiteren) Vermögensnachteil in unbekannt gebliebener Höhe zugefügt habe (Punkt A/3 der Anklageschrift), gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.
Ferner wurde auch der am 5.Juli 1945 geborene Mitangeklagte Josef K*** von der Anklage (Punkt B der Anklageschrift), durch Effektuierung des unter Punkt a) bezeichneten Auftrages der Firma S*** in Kenntnis des bezüglichen Befugnismißbrauchs seines Bruders Otto K*** zur Ausführung der in der Anklageschrift unter Punkt A/2 beschriebenen strafbaren Handlung dieses Angeklagten beigetragen und dadurch das Vergehen der Untreue als Beteiligter nach §§ 12 (dritter Fall), 153 Abs. 1 und Abs. 2 (erster Fall) StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Der Angeklagte Otto K*** bekämpft seinen Schuldspruch mit einer auf die Gründe der Z 5, 8 und 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Die nur aus dem Grunde der Z 5 erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hingegen richtet sich gegen die Freisprüche.
Nach den zum Schuldspruch des Angeklagten Otto K*** getroffenen wesentlichen Feststellungen war dieser zur Tatzeit mit der selbständigen Leitung der mit der Erzeugung und dem Vertrieb von Kunststoffartikeln aller Art befaßten T***-P*** GmbH in Hallein betraut. Der Mitangeklagte Josef K*** war gleichfalls bei dieser Gesellschaft, allerdings in untergeordneter Stellung, tätig. Die beiden Angeklagten planten bereits Ende 1982, sich selbständig zu machen und ein eigenes Unternehmen mit dem gleichen Unternehmensgegenstand wie die T***-P*** GmbH zu gründen. Otto K*** löste aus diesem Grund sein Dienstverhältnis durch Aufkündigung seines Dienstvertrages am 31.März 1983. Josef K*** hatte sein Dienstverhältnis mit dieser Gesellschaft durch Aufkündigung schon am 28. Februar 1983 beendet. Von der zunächst in Aussicht genommenen gemeinsamen Firmenneugründung nahmen die beiden Angeklagten aber in der Folge im Hinblick auf die im Dienstvertrag des Angeklagten Otto K*** vereinbarte Konkurrenzklausel (§ 36 AngG) Abstand. Der Angeklagte Josef K*** gründete sodann das Einzelunternehmen "M***-P***, Josef K***, Kunststoffverarbeitung, Export und Import" mit dem Sitz in Hallein. Dieses Unternehmen war in demselben Geschäftszweig wie die T***-P*** GmbH tätig und stellte demnach eine Konkurrenz dar. Der Angeklagte Otto K*** richtete seinerseits am 15.April 1983 in der Bundesrepublik Deutschland (Freilassing) eine Handelsagentur ein, die sich mit der Vermittlung von Zubehör für die Möbelindustrie befaßte.
Die T***-P*** GmbH stand in der Zeit, als der Angeklagte Otto K*** dieses Unternehmen leitete, mit der jugoslawischen Firma S*** (Sarajevo) bzw mit deren in der Bundesrepublik Deutschland (Frankfurt a.M) tätigen Tochterunternehmen S*** derart in Geschäftsverbindung, daß die Gesellschaft Möbelbeschläge verschiedenster Art (die sie zum Teil selbst herstellte, zum Teil ihrerseits einkaufte) der Firma S*** nach Jugoslawien lieferte. Bei der Anbahnung und dem Abschluß der einzelnen Geschäfte schaltete die Firma S*** in der Regel ihr Tochterunternehmen ein. Am 17.Jänner 1983 richtete die Firma S*** mittels Fernschreiben Nr 158 und unter der Evidenznummer 1244 eine Anfrage an die T***-P*** GmbH über die Lieferung verschiedener Möbelbeschläge an die Firma S*** (S 55 f/I), deren Bearbeitung der damals in der Gesellschaft als einziger mit der Erstellung von Anboten befaßte Angeklagte Otto K*** jedoch unterließ. Nach den Urteilsannahmen entfernte er vielmehr diese Anfrage aus dem Schriftverkehr und aus der Buchhaltung der T***-P*** GmbH und erstellte am 27. Jänner 1983 für die damals gemeinsam mit seinem Bruder Josef K*** neu zu gründen geplante M***-P*** GmbH unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die vorerwähnte Anfrage der Firma S*** vom 17. Jänner 1983 (Evidenznummer 1244) ein Anbot in Form einer an die Firma S*** in Sarajevo gerichteten Pro-forma-Rechnung, wobei er sich bei dieser Anbotserstellung eines betriebsfremden Fernschreibers bediente. In diesem, einen Warenwert von ca. 1,398.000 S umfassenden Anbot (S 61 ff/I) wurde die Firma S*** auch ausdrücklich ersucht, den (angeblich bloß) neuen Firmenwortlaut "Firma M***-P*** GmbH, Otto K***" sowie die neue Adresse und Telex-Nummer zu beachten. Zu einer Effektuierung dieses Geschäftes kam es aber in der Folge nicht.
Rechtliche Beurteilung
Schon der - zum Teil der Sache nach im Rahmen der Rüge wegen Anklageüberschreitung (Z 8) erhobenen - Rechtsrüge (Z 9 lit. a) des Angeklagten Otto K*** gegen diesen Schuldspruch kommt Berechtigung zu, weil die "Angebotsanfrage" (US 7; S 55, 59/I), also eine bloße Einladung zur Anbotserstellung - anders als ein Anwartschaftsrecht (vgl Kienapfel BT II § 146 RN 134; Liebscher im WK § 146 Rz 20) - noch nicht als eine in Geld bezifferbare oder berechenbare, also rechnerisch feststellbare Position im wirtschaftlichen Vermögen der T***-P*** GmbH (als Machtgeberin) angesehen werden kann (vgl Kienapfel aaO § 144 RN 48; § 146 RN 119, 124, 140 f; § 153 RN 48 trotz einschränkender Tendenz in § 146 RN 141, 142; § 153 RN 47 aE, 51). Daher konnte durch das Zuschieben dieser bloßen Einladung an die Firma M***-P*** des Mitangeklagten Josef K*** für die Machtgeberin T***-P*** GmbH ein unmittelbarer Vermögensnachteil im Sinn des § 153 StGB nicht entstehen, sondern es ist darin lediglich ein in Österreich (anders als in der Bundesrepublik Deutschland) strafrechtlich nicht erfaßbarer Treubruch, also eine Verletzung der dem Machthaber rechtsgeschäftlich oblegenen Pflicht zur Wahrung fremder Vermögensinteressen (§ 266 zweiter Fall dStGB) zu erblicken (vgl Kienapfel aaO § 153 RN 51 aE).
Selbst wenn nach dem normalen Verlauf der Geschäftsverbindung zwischen der T***-P*** GmbH und den Firmen S***/S*** im Fall der Erstattung eines Anbots durch die T***-P*** GmbH (auf Grund der an sie ergangenen Einladung) rein faktisch dessen Annahme durch den Geschäftspartner zu erwarten (siehe dagegen S 161, 362/I) und in weiterer Folge mit einem Gewinn aus dem (erst damit durch letzteren zum Abschluß gebrachten) Geschäft zu rechnen gewesen wäre, würde das nichts daran ändern, daß der bloßen Einladung zur Anbotserstellung noch kein effektiver wirtschaftlicher Vermögenswert zukam, zumal für die Annahme eines daraufhin erstellten Anbots keinerlei Gewähr gegeben und der Vertragsabschluß auch nicht erzwingbar gewesen wäre (vgl 12 Os 88/85; 10 Os 37/81 = EvBl 1983/112 aE).
Da die dem Schuldspruch zugrunde liegende Annahme, daß mit dem festgestellten treuwidrigen Verhalten des Angeklagten (schon) über fremdes Vermögen verfügt worden sei - die im übrigen konsequenterweise zur Beurteilung des Sachverhalts als vollendetes Vergehen der Untreue hätte führen müssen, weil diesfalls der Vermögensnachteil der T***-P*** GmbH schon mit dem Zuschieben der "Angebotsanfrage" an die Firma M***-P*** eingetreten wäre - nicht zutrifft, erstreckte sich dessen Vorsatz von vornherein weder auf die Vornahme einer Verfügung über fremdes Vermögen noch auf eine dadurch unmittelbar zu bewirkende Schädigung des Machtgebers am Vermögen, sodaß auch eine Beurteilung des Sachverhalts als Versuch nach § 15 (zu § 153) StGB nicht in Betracht kommt.
Der aufgezeigte Mangel am Tatbestand mußte daher in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Otto K*** zu dessen Freispruch vom Anklagefaktum A/1 führen.
Aus den gleichen Erwägungen kann aber der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Freispruch der Angeklagten Otto K*** und Josef K*** von den Anklagefakten A/2 bzw B ein Erfolg nicht beschieden sein, weil auch insoweit nicht gesagt werden kann, daß die T***-P*** GmbH durch das Zuschieben der dort aktuellen gleichartigen Einladung zur Anbotserstellung an die Firma M***-P*** einen Vermögensnachteil im Sinn des § 153 StGB erlitten hätte.
Aber auch die gegen den Freispruch des Angeklagten Otto K*** vom Anklagefaktum A/3 gerichtete Beschwerde der Staatsanwaltschaft schlägt nicht durch.
Ihm wurde insoweit als Untreue im Sinn des § 153 StGB (weiters) zum Vorwurf gemacht, unter wissentlichem Mißbrauch seiner Vertretungsbefugnis zum Nachteil der T***-P*** GmbH am 25. Oktober 1982 das Eigentumsrecht der Firma W*** & H*** an Spritzgußwerkzeug, das in Wahrheit der Gesellschaft gehört hatte, anerkannt und dadurch dem von ihm vertretenen Unternehmen einen Vermögensnachteil zugefügt zu haben.
Das tatgegenständliche Werkzeug wude über Bestellung der Firma W*** & H*** von der T***-P*** GmbH hergestellt und diente ihr ausschließlich zur Erzeugung von Plastikprodukten, die an die genannte Firma geliefert wurden. Auf Grund des für die Gesellschaft verbindlichen Anerkenntnisses des Angeklagten Otto K*** vom 25.Oktober 1982 (S 87/I) folgte diese das gesamte vom Anerkenntnis betroffene Spritzgußwerkzeug am 30.März 1983 der Firma W*** & H*** aus, die es sodann dem (neu gegründeten) Unternehmen des Josef K***, das mit ihr Geschäftsbeziehungen aufgenommen hatte, zur Verfügung stellte.
Das Erstgericht stützte den Freispruch des Angeklagten Otto K*** von diesem Anklagevorwurf im wesentlichen darauf, daß dessen Verantwortung, das Spritzgußwerkzeug als Eigentum der Firma W*** & H*** angesehen zu haben, durch die für unbedenklich erachteten Aussagen der Zeugen Ernst S*** und Rudolf J*** gestützt werde und jene Depositionen des Steuerberaters der T***-P*** GmbH, Dr.Helmut F*** (S 375 f/I), sowie des Zeugen Werner F***, eines von deren Gesellschaftern (S 275/I, S 21/II), wonach es im Eigentum der Gesellschaft gestanden sei, zur Widerlegung der Darstellung des Angeklagten nicht ausreichten. Formelle Begründungsmängel (Z 5) in Ansehung dieser Beweiswürdigung vermag die Anklagebehörde nicht aufzuzeigen. Der einzige von ihr ins Treffen geführte Umstand, daß die Verantwortung des Angeklagten vor dem Untersuchungsrichter, soweit sie die von ihm behauptete Gutgläubigkeit seinerseits betraf, in ihrer Begründung durch die Aussage des Zeugen Dr.F*** in der Hauptverhandlung widerlegt worden sei, bedurfte schon im Hinblick darauf, daß er jene Darstellung in diesem Verfahrensstadium ohnedies selbst nicht aufrecht erhalten hat, jedenfalls keiner Erörterung im Urteil. Auch insoweit war die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft demnach zu verwerfen.
Schließlich war noch die verspätet angemeldete, gar nicht ausgeführte und jedenfalls gegenstandslose Berufung des Angeklagten Otto K*** formell zurückzuweisen (§ 294 Abs. 4 StPO).
Anmerkung
E10622European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00158.86.0428.000Dokumentnummer
JJT_19870428_OGH0002_0100OS00158_8600000_000