Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Klinger und Dr. Kodek als Richter in der Pflegschaftssache des am 23. Juli 1973 ehelich geborenen minderjährigen Sven P*** infolge Revisionsrekurses des Minderjährigen, vertreten durch seinen Vater Alois P***, Kriminalbeamter, Wien 13., Amalienstraße 75/2/12/127, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgerichtes vom 15. Jänner 1987, GZ 47 R 929/86-253, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hietzing vom 12. November 1986, GZ 2 P 73/86-246, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die Ehe der Eltern des minderjährigen Sven P*** ist seit 1976 geschieden. Mit rechtskräftigem Beschluß des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 15. September 1977 war der Minderjährige in die Pflege und Erziehung seines Vaters eingewiesen worden, während der ebenfalls aus der Ehe der Eltern stammende, 1975 geborenen mj. Lars P*** in der Pflege und Erziehung seiner Mutter verblieb. Laut Vereinbarung mit dem Bezirksjugendamt für den 4. und 5. Bezirk als damaligem Einhebungskurator des mj. Sven P*** vom 14. März 1986 war die Mutter ab dem 1. Jänner 1986 zu monatlichen Unterhaltsleistungen in der Höhe von S 534,-- für den genannten Minderjährigen verpflichtet worden, welcher Vereinbarung zugrundelag, daß die Mutter ein monatliches Karenzgeld von S 4.000,-- samt Familienzuschlag für den minderjährigen Sven P*** bezieht.
Mit Beschluß vom 12. November 1986 enthob das Erstgericht die Mutter von der ihr mit Vereinbarung vom 14. März 1986 auferlegten Unterhaltsverpflichtung ab dem 1. Juli 1986. Es ging von folgendem wesentlichen Sachverhalt aus:
Die Mutter ist wieder verheiratet. Aus dieser Ehe stammt der am 10. Juni 1985 geborene mj. Martin F***. Bis 10. Juni 1986 erhielt sie Karenzgeld, aus welchem sie den Unterhaltsbetrag für den mj. Sven P*** bestritt. Seit Ende des Karenzjahres bezieht die Mutter kein eigenes Einkommen, sondern wird von ihrem Ehemann erhalten. Sie ist im Haushalt und mit der Pflege und Erziehung ihrer Kinder Lars P*** und Martin F*** beschäftigt. Sie will auch derzeit keiner Arbeit nachgehen, um sich gebührend um Martin F*** sorgen zu können, der aufgrund seines geringen Alters der besonderen Pflege seiner Mutter bedarf.
Das Rekursgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.
Es führte aus:
Das Erstgericht sei im Sinne der Rechtsprechung zutreffend davon ausgegangen, daß eine Anspannung der Mutter auf ein fiktives Einkommen hier nicht in Frage komme, weil sie für ein Kleinkind unter 3 Jahren zu sorgen habe. Kinder bis zum 3. Lebensjahr bedürften im besonderen der mütterlichen Zuwendung im Sinne eines ständigen oder doch zeitmäßig überwiegenden Kontaktes, damit eine gedeihliche Entwicklung der Pflegebefohlenen gewährleistet sei. Soweit im Rekurs vorgebracht werde, daß der nunmehrige Gatte der Mutter das Kleinkind betreuen könnte, um der Mutter eine Teilzeitbeschäftigung zu ermöglichen, sei dem entgegenzuhalten, daß entsprechend der den Ehegatten autonom obliegenden Gestaltung der ehelichen Verhältnisse der Gatte der Mutter als Bauingenieur voll berufstätig sei. Dagegen sei auch mit Bedacht darauf nichts einzuwenden, daß die Mutter offenkundig nicht annähernd in der Lage wäre, ein ähnlich hohes Einkommen aus einer ihr möglichen Erwerbstätigkeit zu erzielen wie ihr Gatte.
Dem Vorbringen, daß die Mutter einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem derzeitigen Gatten habe (aus dem sie den Unterhalt für den Minderjährigen finanzieren könnte), sei zu erwidern: Abgesehen davon, daß der Unterhaltsanspruch der Frau im Sinne des § 94 ABGB grundsätzlich ein Anspruch auf Naturalunterhalt sei, ergäbe sich beim Einkommen des Gatten von rund S 16.900,-- im Monatsdurchschnitt unter Berücksichtigung der weiteren Sorgepflicht für den mj. Martin F*** ein fiktiver Geldunterhaltsanspruch der Mutter in der Höhe von rund S 4.900,--. Bei einem zur Deckung der gesamten Lebensbedürfnisse zur Verfügung stehenden Betrag in dieser Höhe sei aber der Mutter die Leistung eines Geldunterhaltes für den Minderjährigen im Sinne des § 140 ABGB nicht mehr zumutbar. Es komme hier daher die Bestimmung des § 140 Abs 2 letzter Satz ABGB zum Tragen, wonach der betreuende Elternteil zum Unterhalt des Kindes beizutragen habe, soweit der andere Teil zur vollen Deckung der Bedürfnisse des Kindes nicht imstande sei oder mehr leisten müßte, als es seinen eigenen Lebensverhältnissen angemessen wäre. Soweit der Rekurswerber meinen sollte, der derzeitige Ehegatte der Mutter habe dieser auch die Mittel für den Unterhalt des mj. Sven P*** zur Verfügung zu stellen, könne dem nicht gefolgt werden. Nicht zu den vom unterhaltspflichtigen Gatten zu deckenden Bedürfnissen gehöre es, dem anderen Gatten zusätzliche Mittel zu verschaffen, die ihn in die Lage versetzten, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht Dritten gegenüber nachzukommen. Eine mittelbare Verpflichtung des Ehepartners, den Unterhalt jener Personen zu decken, für die nur sein Gatte gesetzlich unterhaltspflichtig sei, lasse sich dem Gesetz nicht entnehmen. Durch solche Pflichten würden vielmehr die vom Gatten zu deckenden Bedürfnisse nicht erhöht. Daraus folgte, daß vom derzeitigen Ehegatten der Mutter nicht verlangt werden könne, er habe zum Unterhalt des mj. Sven P*** durch Erhöhung seiner Unterhaltsleistungen an die Mutter beizutragen (1 Ob 677/83).
Gegen den bestätigenden Beschluß des Rekursgerichtes richtet sich der offenbare Gesetzwidrigkeit geltend machende Revisionsrekurs des durch den Vater vertretenen mj. Sven P***.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist unzulässig.
Soweit sich der Revisionsrekurs gegen die Auffassung des Rekursgerichtes wendet, es sei der Mutter weder die Aufnahme einer eigenen Erwerbstätigkeit noch die Heranziehung von Mitteln aus der an sie erbrachten Unterhaltsleistung ihres derzeitigen Ehemannes zumutbar, bekämpft er die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Mutter durch die Vorinstanzen, also Fragen der Unterhaltsbemessung, die gemäß § 14 Abs 2 AußStrG nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden können (jud. 60 neu = SZ 27/177 uva). Die auf die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. Juli 1983, 1 Ob 677/83, gestützt Ansicht des Rekursgerichtes, daß sich eine mittelbare Verpflichtung des Ehepartners (hier: des derzeitigen Ehemannes der Mutter), den Unterhalt jener Personen zu decken, für die nur sein Gatte (hier: die Mutter) gesetzlich unterhaltspflichtig ist, dem Gesetz nicht entnehmen lasse, ist nicht offenbar gesetzwidrig. Bereits in der genannten Entscheidung des Obersten Gerichtshofes wurde auch darauf hingewiesen, daß es nicht zu den vom unterhaltspflichtigen Ehegatten (hier: vom derzeitigen Ehemann der Mutter) zu deckenden Bedürfnissen gehört, soweit nicht die Voraussetzungen des § 5 USchG 1960 (nunmehr: § 2 USchG 1985) gegeben sind, dem anderen Ehegatten (hier: der Mutter) zusätzliche Mittel zur Verfügung zu stellen, die ihn in die Lage versetzen, seiner gesetzlichen Unterhaltspflicht Dritten gegenüber nachzukommen. Daß hier die vorerwähnten Voraussetzungen gegeben wären, ist weder behauptet worden noch hervorgekommen. "Dienste" im Sinne des § 5 USchG 1960 (nunmehr: § 2 USchG 1985) sind nicht jene Verrichtungen, die eine Ehegattin nur im Rahmen ihrer gesetzlichen Beistandspflicht im Haushalt leistet (vgl. SZ 36/19, EvBl 1964/355 ua).
Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Anmerkung
E10729European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00538.87.0428.000Dokumentnummer
JJT_19870428_OGH0002_0050OB00538_8700000_000