Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 28.April 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Werner J*** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB, über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht Salzburg vom 15.Oktober 1986, GZ 15 Vr 3664/86-47, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Gehart und des Verteidigers Dr. Hübel, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Werner J*** auf Grund des Wahrspruches der Geschworenen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang "nach § 86 StGB" schuldig erkannt; da diese Strafbestimmung kein eigenes Delikt, sondern lediglich einen qualifizierten Fall der Körperverletzung nach § 83 normiert (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 6 zu § 86), sind allerdings der Formvorschrift des § 260 Abs 1 Z 4 StPO in Verbindung mit §§ 270 Abs 2 Z 4, 342 StPO zuwider die angewendeten strafgesetzlichen Bestimmungen im Urteilsspruch (ungerügt) nur unvollständig angegeben.
Rechtliche Beurteilung
Dem Schuldspruch zufolge hat Werner J*** am 7.Dezember 1985 in Salzburg Dagmar Theresia K*** dadurch, daß er sie am Halse würgte, am Körper mißhandelt, wobei die Tat den Tod der Genannten zur Folge hatte.
Die bezügliche Eventualfrage war von den Geschwornen bejaht worden, nachdem sie die anklagekonform auf das Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB lautende Hauptfrage (mit Stimmengleichheit) verneint hatten.
Der gegen dieses Urteil gerichteten, auf die Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft kommt keine Berechtigung zu:
An der Erläuterung des Vorsatzes in der den Geschwornen erteilten Rechtsbelehrung bemängelt die Beschwerdeführerin, daß der Begriff "dolus directus" weder definiert noch auf andere Art erklärt worden sei, so daß er nur durch einen Umkehrschluß aus der (gegebenen) Definition des bedingten Vorsatzes habe erkannt werden können.
Die Bezeichnung "dolus directus" (im Gegensatz zu einem im geltenden Strafgesetzbuch nicht mehr vorgesehenen dolus indirectus nach Art der vormaligen §§ 1 letzter Halbsatz, 140, 152 StG) umfaßt indes nach ihrem historischen Verständnis im österreichischen Rechtsbereich als Oberbegriff - ebenso wie die Legaldefinition des Vorsatzes schlechthin im ersten Halbsatz des § 5 Abs 1 StGB - alle im weiteren Inhalt des § 5 StGB taxativ angeführten Vorsatzformen (vgl. Leukauf-Steininger, StGB 2 , RN 24 zu § 5; 10 Os 168/83 ua), nämlich sowohl den bedingten Vorsatz (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB) als auch Absicht (§ 5 Abs 2 StGB) und Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB).
Insoweit aber wird in der vorliegenden Rechtsbelehrung ohnehin dargelegt, daß zur Verwirklichung der subjektiven Tatseite des Mordes bedingter Vorsatz genügt, bei welchem der Täter den tatbildmäßigen Erfolg zwar nicht bezweckt und seinen Eintritt auch nicht als gewiß voraussieht, ihn aber doch ernstlich für möglich hält und sich mit ihm abfindet. Damit umfaßt die Belehrung neben dem bedingten Vorsatz inhaltlich auch die Absicht ("bezweckt") und die Wissentlichkeit ("als gewiß voraussieht"), sohin alle Erscheinungsformen des Vorsatzes; angesichts deren (zutreffender) Erläuterung ist demnach die Beschwerdebehauptung, den Geschwornen sei "der Begriff des dolus directus" - richtig: der gesetzliche Ausdruck /§ 321 Abs 2 StPO) "vorsätzliches Handeln" (im hier aktuellen § 7 Abs 1 StGB) - nicht erklärt worden, keineswegs stichhältig.
Gleichfalls unbegründet ist der mit Bezug auf die objektive Zurechenbarkeit der Todesfolge (§ 7 Abs 2 StGB) erhobene Vorwurf, die Rechtsbelehrung enthalte bei der Körperverletzung (§ 86 StGB) keine Verweisung auf die (nur) zu § 75 StGB gegebene Erläuterung der Erfordernisses eines Kausalzusammenhangs (als Grundvoraussetzung jeder objektiven Erfolgszurechnung). Auf eben jene Informationen wurden nämlich die Geschwornen durch die Darlegung, daß der Tod des Opfers hier zum - darnach in diesem Belang einzigen - Unterschied vom Mord nicht eine vorsätzlich, sondern eine fahrlässig herbeigeführte Folge der Tathandlung ist, worin das Kausalitätserfordernis unmißverständlich zum Ausdruck kommt, deutlich genug hingewiesen.
Im übrigen allerdings ist der Anklagebehörde zwar einzuräumen, daß die gerügte Belehrung eine (im § 321 Abs 2 StGB vorgeschriebene) Auslegung jener in der (bloß wörtlich wiedergegebenen) Legaldefinition des - für die Zurechnung der Todesfolge nach § 86 StGB relevanten (§ 7 Abs 2 StGB) - Begriffs "fahrlässig" (§ 6 StGB) enthaltenen Ausdrücke des Gesetzes, die den objektiven und subjektiven Sorgfaltsmaßstab sowie die Zumutbarkeit betreffen, ebenso vermissen läßt wie eine Erläuterung des Begriffs "Folge" (§ 86 StGB) in Ansehung der Kriterien eines für eine objektive Erfolgszurechnung vorauszusetzenden Risiko-, und Adäquanzzusammenhangs.
Eine Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung kommt jedoch einer Unrichtigkeit im Sinn des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes nur dann gleich, wenn sie geeignet ist, die Geschwornen bei der im konkreten Fall für sie aktuellen Lösung von im § 321 Abs 2 StPO umschriebenen Rechtsproblemen zu beirren: in Ansehung der zuletzt relevierten Fragen kann davon im vorliegenden Fall unzweifelhaft nicht gesprochen werden.
Denn im Bereich der Vorsatzdelinquenz, und zwar auch bei den erfolgsqualifizierten Vorsatzdelikten (wie etwa § 86 StGB), indiziert in der Regel schon der Kausalzusammenhang auch die objektive Erfolgszurechnung. einer eingehenderen Überprüfung des Risikozusammenhangs und eine Belehrung hiezu bedarf es daher nur in jenen Fällen, die Anhaltspunkte dafür bieten, daß durch das inkriminierte vorsätzliche Täterverhalten ausnahmsweise nicht jenes Risiko verwirklicht worden sein könnte, dem der betreffende Straftatbestand entgegenwirken soll (12 Os 176/85). Das gilt in gleichem Maße auch für den Adäquanzzusammenhang, der nur dann einer gesonderten Prüfung bedarf, wenn sich aus dem Sachverhalt Anhaltspunkte für einen atypischen Kausalverlauf ergeben (SSt 55/86 = EvBl 1985/133). Im gegenständlichen Verfahren sind aber Umstände, die zu Zweifeln in die eine oder in die andere Richtung hin hätten Anlaß bieten können, nicht hervorgekommen; lag es doch durchaus im Rahmen des vom Täter eingegangenen Gefahrenrisikos und keinesfalls außerhalb jeder Lebenserfahrung (vgl JBl 1984, 326; ÖJZ-LSK 1984/170 ua), daß das Würgen eines Menschen am Hals den Tod herbeiführen kann, wobei es für die Erfolgszurechnung keine Rolle spielt, daß der Tod der Dagmar K*** laut gerichtsärztlichem Gutachten (in concreto) nicht durch Ersticken, sondern (mit höchster Wahrscheinlichkeit) infolge eines durch Druck auf den 10. Hirnnerv im Zuge des Würgens ausgelösten reflektorischen Herzstillstands eingetreten ist (S 233, 370).
Die objektive und die subjektive Sorfaltswidrigkeit als Fahrlässigkeitskriterien hinwieder sind bei den erfolgsqualifizierten Vorsatzdelikten gleichfalls in der Regel schon durch die Erfüllung des Grundtatbestandes - der sich als Verstoß gegen die zur Vermeidung der besonderen Folge objektiv gebotene Sorgfalt darstellt - indiziert, es sei denn im Falle atypischer Ungefährlichkeit der Begehungsweise des Grunddelikts in bezug auf die qualifizierten Tatfolge (vgl. Burgstaller im WK Rz 20 zu § 7; Kienapfel BT I 2 RN 9 zu § 86), wovon aber vorliegend keine Rede sein kann. Allein für die objektive Sorfaltswidrigkeit aber hätte die von der Beschwerdeführerin vermißte Erklärung des Wesens einer "differenzierten Maßfigur", durch deren hypothetisches Verhalten für einen Teilbereich der in Betracht kommenden Fallkonstellationen das Maß der zur Vermeidung fahrlässigen Verhaltens objektiv gebotenen Sorgfalt bestimmt wird (Leukauf-Steininger, aaO, RN 12 zu § 6), überhaupt von Belang sein können.
Inwiefern das dem Angeklagten auf Grund seiner früheren Tätigkeit als Rotkreuzhelfer in diesem Zusammenhang von der Beschwerdeführerin unterstellte "besondere Wissen über eine leicht und schnell zu bewerkstelligende Tötung eines Menschen auch Bestandteil seines Tatwillens wurde", wodurch (Tötungs-)Vorsatz indiziert wäre, ist zudem eine reine Beweisfrage, deren Relevanz keinesfalls in der schriftlichen Rechtsbelehrung, sondern lediglich im Rahmen der nahc § 323 Abs 2 StPO vorgegebenen Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen dargetan werden konnte. Das Unterbleiben einer Erläuterung zum weiteren Fahrlässigkeitskritierium der Zumutbarkeit schließlich konnte die Geschwornen im gegebenen Falle deswegen nicht irreleiten, weil die Verfahrensergebnisse für die Annahme einer Unzumutbarkeit sorgfaltsgemäßen Verhaltens für den Angeklagten keinerlei Anhaltspunkt bieten.
Nach dem Gesagten waren demnach die Laienrichter, dem Beschwerdevorbringen zuwider, schon durch die (über den Gesetzeswortlaut hinausgehende) zutreffende Darlegung der Kriterien des bedingten Vorsatzes gleichwie der Voraussetzungen der (unbewußten und bewußten) Fahrlässigkeit (in Form wörtlicher Wiedergabe ihrer allgemeinverständlichen Legaldefiniton nach § 6 Abs 1 und Abs 2 StGB) sehr wohl auch in die Lage versetzt, den Unterschied zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahhrlässigkeit zu erkennen (vgl 10 Os 96/81).
Nicht um das prozessuale "Verhältnis der einzelnen Fragen zueinander" (§ 32 Abs 2 StPO) aber geht es bei der Erkenntnis, daß der Tötungsvorsatz einen anfänglichen bloßen Körperverletzungsvorsatz in Ansehung desselben Opfers nicht ausschließt, so daß eine vorsätzliche Körperverletzung auch nur ein Durchgangsstadium zur vorsätzlichen Tötung sein kann (und diesfalls mit letzterer nur scheinbar konkurriert), sondern um eine Beweisfrage; insoweit fiel es daher gleichfalls in den Rahmen der schon zuvor erwähnten Besprechung (§ 323 Abs 2 StPO), die in die Fragen aufgenommenen Merkmale der strafbaren Handlungen (hier: des jeweiligen Vorsatzes) auf den ihnen zugrunde liegenden Sachverhalt zurückzuführen.
Von einer Irreleitung der Geschwornen geeigneten und mithin einer Unrichtigkeit im Sinne des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes gleichkommenden Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung - für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit der § 331 Abs 1 StPO behandeten Fall einer Stimmengleichheit bei der Beantwortung einer Frage durch die Geschwornen entgegen den Beschwerdeausführungen keineswegs ein Kriterium bildet - kann daher keine Rede sein.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach zu verwerfen.
Anmerkung
E10817European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00011.87.0428.000Dokumentnummer
JJT_19870428_OGH0002_0100OS00011_8700000_000