TE OGH 1987/4/30 6Ob560/87

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Veröffentlicht am 30.04.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Schlosser, Mag. Engelmaier und Dr. Redl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E*** O*** S*** I*** S. A. in Liquidation, 5, Rue Jargonnant, Casse Postale, CH-1211 Genf 6, vertreten durch Dr. Peter H. Prettenhofer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei N*** - N*** O*** G*** mbH, 1020 Wien, Untere

Donaustraße 13-15, vertreten durch Dr. Heinrich Orator, Rechtsanwalt in Wien, wegen 137.811,99 US-Dollar samt Nebenforderungen, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Dezember 1986, GZ 2 R 218, 258/86-43, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 8. Juli 1986, GZ 19 Cg 140/82-38, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

1.) Der Antrag der beklagten Partei, das Revisionsverfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine in den Vereinigten Staaten von Amerika eingebrachte Klage über die hier einredeweise geltend gemachte Gegenforderung zu unterbrechen, wird abgewiesen.

2.) Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 20.168,40 S (darin enthalten 1.200 S Barauslagen und 1.724,40 S Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte zuletzt von der beklagten Partei 137.811,99 US-Dollar samt 12 % Zinsen seit 19. August 1982. Dabei handelt es sich um eine der klagenden Partei von der E*** Corporation USA abgetretene Forderung aus der beklagten Partei aufgrund von Vertriebsverträgen gelieferten Bildschirmgeräten und Schreibmaschinen sowie ihr erbrachten Dienstleistungen. Nach den Klagsbehauptungen habe die beklagte Partei sich im März 1982 in Wien gegenüber der klagenden Partei verpflichtet, die dieser damals bereits abgetretene Forderung im Laufe des Jahres 1982 in Raten zu zahlen und auf ausdrückliche Frage erklärt, keine Gegenforderung zu haben. Nach dem anzuwendenden amerikanischen Recht habe sie damit auf die Gegenforderung verzichtet.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens, gegen das sie eine Schadenersatzforderung von 665.009 US-Dollar einwendete, die bereits Gegenstand von Verhandlungen sei. Diese Forderung gliederte sie in "Schadenersatzansprüche von 5,204.000 S und Auslagen für infolge verspäteter Lieferung von Maschinen durch die amerikanische Firma O*** nicht benötigte Ersatzteile im Wert von 35.000 US-Dollar auf. Die beklagte Partei behauptete, diese Schadenersatzansprüche könnten nach dem anzuwendenden amerikanischen Recht trotz der vertraglichen Bestimmungen, die solche Ansprüche ausschlössen, geltend gemacht werden. In der (letzten) Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 20. Juni 1986 verwies die beklagte Partei bei der Erörterung des von der klagenden Partei vorgelegten Gutachtens über US-amerikanisches Recht darauf, daß zwischen den Parteien auch nach Abschluß der Ratenzahlungsvereinbarung - ergebnislos - weiterverhandelt worden sei.

Das Erstgericht wies das ergänzende Vorbringen der beklagten Partei vom 20. Juni 1986 auf Antrag der klagenden Partei wegen Verspätung und offenbarer Verschleppungsabsicht zurück. Mit Urteil erkannte das Erstgericht die eingeklagte Forderung als mit 137.811,99 US-Dollar samt 10 % Zinsen seit 19. August 1982 zu Recht bestehend, hinsichtlich weiterer 2 % Zinsen als nicht zu Recht bestehend, die von der beklagten Partei eingewendete Gegenforderung als nicht zu Recht bestehend und verurteilte daher die beklagte Partei zur Zahlung des eingeklagten Betrages samt 10 % Zinsen seit 19. August 1982, während es das Zinsenmehrbegehren abwies.

Das Erstgericht führte aus, nach dem anzuwendenden Uniform Commercial Code stelle die Vereinbarung eines Zahlungsplanes über die eingeklagte Forderung ohne gleichzeitige Behauptung von Gegenforderungen durch die beklagte Partei eine verbindliche und zulässige Zusatzvereinbarung über den Verzicht auf allfällige Gegenforderungen dar. Einen dagegen erhobenen "Einspruch" habe die beklagte Partei nicht einmal verspätet behauptet. Dieses Ergebnis entspräche auch dem österreichischen Recht, nach dem ein konkludenter Verzicht anzunehmen sei, wenn der Schuldner dem Gläubiger zwar erzähle, welche Schwierigkeiten er durch dessen Verhalten habe, sich aber dann doch zu Ratenzahlungen verpflichte. Gegen den Beschluß erhob die beklagte Partei Rekurs, gegen das Urteil Berufung, in der sie die Feststellung der von ihr eingewendeten Gegenforderung und die Abweisung des Klagebegehrens, hilfsweise die Aufhebung des angefochtenen Urteiles beantragte. Das Gericht zweiter Instanz gab als Rekursgericht dem Rekurs nicht Folge; als Berufungsgericht verwarf es die Berufung, soweit in dieser Nichtigkeit geltend gemacht wurde, mit Beschluß und gab der Berufung im übrigen mit Urteil nicht Folge.

Das Berufungsgericht übernahm auch die gerügte Feststellung, der Geschäftsführer der beklagten Partei habe im März 1982 bei seiner Besprechung mit den Vertretern der klagenden Partei keine Gegenforderungen erhoben, als Ergebnis einer schlüssigen Beweiswürdigung.

Zur Auffassung der beklagten Partei, durch die Zurückweisung ihres (zusätzlichen) Vorbringens wäre ihr die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, genommen worden, führte das Berufungsgericht aus, der im § 477 Abs. 1 Z 4 ZPO bezeichnete Nichtigkeitsgrund liege dann vor, wenn eine Partei von der Verhandlung völlig ausgeschlossen, nicht aber, wenn ihr ein Teil des Vorbringens verwehrt worden sei. Übrigens habe das Erstgericht diesbezüglich nicht rechtswidrig gehandelt.

Schließlich vertrat das Berufungsgericht die Rechtsmeinung, die beklagte Partei habe zwar auch den Rechtsmittelgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung angeführt, ihre diesbezüglichen Ausführungen (Punkt II. der Berufung) stellten jedoch keine gesetzgemäße Rechtsrüge dar, weil sie mit keinem Wort darlegten, aus welchem Grunde die rechtliche Beurteilung der Sache, also des festgestellten Sachverhaltes, rechtlich unzutreffend sein soll, sondern ausdrücklich die Frage dahingestellt ließen, ob die Rechtsausführung, es liege ein Verzicht vor, richtig sei. Die beklagte Partei verweise nur abermals darauf, daß das Urteil von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehe. Sie habe nämlich (gemeint offenbar: bei Abschluß der Vereinbarung vom März 1982) ihre Gegenforderungen geltend gemacht. Weil somit keine Rechtsrüge vorliege, sei dem Berufungsgericht die materiellrechtliche Überprüfung der Entscheidung verwehrt.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit den Anträgen, das Urteil durch Abweisung des Klagebegehrens abzuändern, hilfsweise es aufzuheben.

In der Revisionsschrift beantragt die beklagte Partei mit der Behauptung, die hier einredeweise geltend gemachte Gegenforderung in den Vereinigten Staaten von Amerika selbständig eingeklagt zu haben, die Unterbrechung des Revisionsverfahrens bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die diesbezügliche Klage.

Die klagende Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben und bezeichnet den Unterbrechungsantrag als unzulässig. Der Antrag auf Unterbrechung des Revisionsverfahrens war schon deshalb abzuweisen, weil die Antragstellerin nicht einmal behauptet hat, bei welchem Gericht sie die Forderung eingeklagt habe und daß das angeblich präjudizielle Verfahren bereits im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung anhängig gewesen sei (Fasching, Komm. II 917; RZ 1973/152; SZ 47/100 ua).

Die nach § 502 Abs. 4 Z 2 ZPO zulässige Revision ist nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Darin, daß das Berufungsgericht das von der beklagten Partei in der Tagsatzung vom 20. Juni 1986 beantragte Gutachten über die Unrichtigkeit des von der klagenden Partei vorgelegten Rechtsgutachtens über den Verzicht auf die Gegenforderungen durch Abschluß der Ratenvereinbarung nicht einholte, liegt keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens im Sinne des § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Daß das Berufungsgericht den Berufungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung der Sache als nicht gesetzgemäß ausgeführt erachtet und deshalb die rechtliche Beurteilung der ersten Instanz nicht überprüft hat, könnte einen Mangel des Berufungsverfahrens darstellen, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Streitsache zu hindern geeignet sein könnte. Ein solches Berufungsurteil würde jedoch auf keiner unrichtigen rechtlichen Beurteiulung der Sache beruhen. Die diesbezüglichen Revisionsausführungen sind daher entgegen der Meinung der Revisionswerberin dem im § 503 Abs. 1 Z 2 ZPO und nicht dem in der Z 4 dieser Gesetzesstelle umschriebenen Revisionsgrund zuzuordnen (vgl. insbesondere JBl. 1957, 100).

Auch diesbezüglich liegt jedoch keine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens vor (§ 510 Abs. 3 ZPO).

Daraus folgt, daß die beklagte Partei die rechtliche Beurteilung der Sache erstmals in der Revision bekämpft, was ihr aber nach ständiger Rechtsprechung verwehrt ist (vgl. SZ 50/152, SZ 51/8 uva). Der unberechtigten Revision war daher nicht Folge zu geben. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO, wobei die Bemessungsgrundlage nach § 6 RATG nach dem Kurs im Zeitpunkt der Entscheidung über die Verpflichtung zum Kostenersatz zu ermitteln war.

Anmerkung

E10976

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00560.87.0430.000

Dokumentnummer

JJT_19870430_OGH0002_0060OB00560_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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