Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith als Vorsitzenden und durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei prot. Firma Toni K***, Maschinenbau und Maschinenhandel, Kitzbühel, Aschbachstraße 8, vertreten durch Dr. Gerhard Engin-Deniz, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Johann H*** & S***, Baumeister, Tischlerei und Zimmerei, Innsbruck, Völserstraße 60 e, vertreten durch Dr. Klaus Herke, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert S 320.000) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 30. Juli 1985, GZ 1 R 136/85-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 29. Dezember 1984, GZ 9 Cg 35/84-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der Beklagten die mit S 12.686,25 (darin S 1.920 Barauslagen und S 978,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Das Amt der Tiroler Landesregierung, Landesbaudirektion, Abteilung VI b 5 Bundesstraßenverwaltung, schrieb im Herbst 1983 das Liefern und Aufstellen dreier Streusalz-Silos aus (Beilage A); dabei wurde ausdrücklich auf die Geltung der "Rechtlichen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Bauleistungen an Bundesstraßen und Bundesstraßenbrücken" (im folgenden: Vertragsbedingungen) hingewiesen. Punkt 2.12 dieser Bedingungen (Beilage C) hat folgenden Wortlaut:
"Der Auftragnehmer hat die Leistung unter eigener Verantwortung und in der Regel durch seinen Betrieb auszuführen. Werden aber Teile der Leistung nach dem Vertrag oder üblicherweise von Subunternehmern ausgeführt, kann der Auftraggeber bestimmte Unternehmer aus triftigen Gründen ausschließen".
Die Klägerin, die Beklagte und drei weitere österreichische Unternehmen reichten Anbote ein; den Zuschlag erhielt die Beklagte. Dem Anbot der Beklagten war nicht zu entnehmen, ob die Silos von der Beklagten selbst oder von einem Subunternehmer angefertigt würden. Tatsächlich bezog die Beklagte die von ihr gelieferten und aufgestellten Silos von der Firma H*** H***, Brannenburg, Bundesrepublik Deutschland.
Die Klägerin beantragt (ua) die Verurteilung der Beklagten, es ab sofort bei öffentlichen Ausschreibungen zu unterlassen, die Herkunft der von ihr angebotenen Produkte zu verschweigen, wenn diese nicht aus ihrer Produktion stammen, insbesondere wenn sie importiert werden. Wie sich aus den Vertragsbedingungen ergebe, sei die vergebende Behörde daran interessiert, daß die ausgeschriebene Leistung auch tatsächlich im Betrieb des Bieters erbracht werde, und zwar nicht nur aus arbeitsplatzpolitischen Gründen, sondern auch deshalb, weil dadurch eine größere Gewähr für die Qualität des Produktes bestehe. Die Beklagte habe von Anfang an beabsichtigt, den Auftrag zur Gänze an ein ausländisches Unternehmen weiterzugeben; trotzdem habe sie auf diesen Umstand, welcher für die entscheidende Behörde von großer Bedeutung gewesen wäre, in ihrem Anbot nicht hingewiesen. Das pflichtwidrige Verschweigen einer so wesentlichen Tatsache verstoße nicht nur gegen § 2 UWG, sondern - weil sich die Beklagte damit einen Wettbewerbsvorsprung habe verschaffen wollen - auch gegen § 1 UWG.
Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens. Die Ausschreibung habe keinen Hinweis darauf enthalten, daß die Silos vom Auftragnehmer selbst hergestellt werden müßten und Zukäufe aus dem Ausland nicht gestattet wären; auch den Vertragsbedingungen sei nichts derartiges zu entnehmen gewesen. Die Beklagte habe den Zuschlag als Bestbieterin erhalten. Nachdem sie ursprünglich beabsichtigt hatte, die Silos in ihrem eigenen Werk herzustellen, habe ihr dann die bayerische Firma H*** ein billigeres Angebot gemacht.
Das Erstgericht wies die Klage ab und nahm folgenden weiteren Sachverhalt als erwiesen an:
Punkt 2.12 der Vertragsbedingungen wird von den zuständigen Beamten des Amtes der Tiroler Landesregierung und des Bundesministeriums für Bauten und Technik so ausgelegt, daß sich daraus keine Verpflichtung des Anbotstellers ergibt, schon im Anbot allfällige Subunternehmer bekanntzugeben; eine Verpflichtung dazu besteht nur dann, wenn sie schon in die Ausschreibung aufgenommen worden ist.
Im Baugewerbe ist es vielfach üblich, daß sich der Auftragnehmer bei Aufträgen größeren Umfanges eines oder mehrerer Subunternehmer bedient. Einen solchen Umfang wies der gegenständliche Auftrag allerdings nicht auf.
Bei einer Ausschreibung, wie sie hier vorliegt, wird der Zuschlag dem Bestbieter erteilt. Zur Teilnahme sind auch ausländische Unternehmen berechtigt, wenn sie in Österreich eine Niederlassung haben. Beim Bundesministerium für Bauten und Technik gibt es Listen von Firmen, denen keine Aufträge erteilt werden, weil man mit ihnen schlechte Erfahrungen gemacht hat. Punkt 2.12. der Vertragsbedingungen soll dem Auftraggeber die Möglichkeit geben, solche Firmen als Subunternehmer auszuschließen. Hätte die Beklagte im konkreten Fall von vornherein bekanntgegeben, daß sie beabsichtige, Silos der Firma H*** zu liefern, dann hätte dies auf die Vergabe des Auftrages an sie keinen negativen Einfluß gehabt, zumal Silos dieser deutschen Herstellerin den für die Vergabe zuständigen Landesbeamten bekannt waren und diese damit positive Erfahrungen gemacht hatten.
Sollte der theoretische Fall eintreten, daß zwei nach Preis und Qualität exakt übereinstimmende Anbote eingereicht werden, dann würde die vergebende Behörde jenes Unternehmen bevorzugen, dessen Leistungen ihr bereits bekannt sind; sollte auch das nicht möglich sein, dann könnte, wenn einer der Anbotsteller ein ausländisches Unternehmen ist, praktisch das inländische Unternehmen bevorzugt werden, wenngleich es hiefür keine rechtliche Grundlage gibt. Im Baugewerbe ist es durchaus üblich, daß der Anbotsteller zur Zeit der Anbotstellung noch nicht weiß, welcher Subunternehmer er sich bedienen wird.
Rechtlich hielt das Erstgericht eine Verpflichtung der Beklagten, schon im Anbot bekanntzugeben, ob bzw. welches Subunternehmers sie sich bedienen werde, nicht für gegeben. Da es im übrigen auf die Vergabe keinen Einfluß gehabt hätte, wenn die Beklagte die Firma H*** - gegen welche seitens der vergebenden Behörde keinerlei Einwände bestanden - als Zulieferer bekanntgegeben hätte, sei eine Irreführung im Sinne des § 2 UWG zu verneinen. Damit könne aber die Frage, ob die Beklagte im Zeitpunkt der Anbotstellung tatsächlich die Absicht hatte, die Silos selbst herzustellen, auf sich beruhen.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, S 60.000, nicht aber S 300.000 übersteige und die Revision nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig sei. Auf der Grundlage der als unbedenklich übernommenen Tatsachenfeststellungen des Ersturteils bestünden gegen die rechtliche Beurteilung dieses Sachverhalts durch das Prozeßgericht erster Instanz keine Bedenken. Selbst wenn das in der Ausschreibung geforderte "Liefern und Aufstellen" der drei Silos auch deren Herstellung eingeschlossen haben sollte, wäre kein Verstoß der Beklagten gegen die Vertragsbedingungen zu erkennen, weil die Leistung zweifellos unter ihrer alleinigen Verantwortung ausgeführt worden sei. Es wäre Sache des Auftraggebers gewesen, schon bei der Ausschreibung die Bekanntgabe allfälliger Subunternehmer zu verlangen. Da er dies hier nicht getan habe und im übrigen nicht unbillig sein könne, was dem öffentlichen Auftraggeber selbst rechtens erscheint, begründe das Unterbleiben eines solchen Hinweises im Anbot keinen Verstoß gegen § 1 oder § 2 UWG.
Das Urteil des Berufungsgerichtes wird seinem ganzen Inhalt nach von der Klägerin mit Revision wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung bekämpft. Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, daß ihrem Urteilsantrag im vollen Umfang stattgegeben werde; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Die Beklagte beantragt, diesem Rechtsmittel nicht Folge zu geben; ihrer Revisionsbeantwortung ist überdies das Begehren zu entnehmen, die Revision als unzulässig zurückzuweisen. Das Berufungsgericht hat seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung (ÖBl. 1984, 48; ÖBl. 1985, 51 uva) damit begründet, daß das Wettbewerbsrecht weitgehend durch die Rechtsprechung geprägt werde, so daß "die Fortbildung der Judikatur insoweit erhebliche Rechtsfragen betreffe". Inwiefern diese Rechtsansicht deshalb "gesetzwidrig" sein sollte, weil es an einer lückenlosen Veröffentlichung der gesamten Judikatur des Obersten Gerichtshofes fehle, ist nicht zu sehen; mit dem Hinweis auf Fasching (Lehrbuch 866 RN 1894), ist für diese Auffassung der Beklagten schon deshalb nichts zu gewinnen, weil sich die dort geäußerten Bedenken lediglich auf die im letzten Halbsatz des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO angeführten Beispielsfälle - Abweichen des Berufungsgerichtes von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, Fehlen oder Uneinheitlichkeit einer solchen Rechtsprechung - beziehen. Da die hier zu fällende Entscheidung über den konkreten Fall hinaus von erheblicher Bedeutung für die Rechtseinheit und die Rechtssicherheit sein kann, ist die Revision gemäß § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig. Sie ist aber nicht berechtigt:
Die Klägerin wiederholt auch in dritter Instanz ihren Vorwurf, die Beklagte habe ihre von vornherein feststehende Absicht, ausländische Silos zu liefern, der vergebenden Behörde verschwiegen und damit nicht nur die zuständigen Beamten irregeführt (§ 2 UWG), sondern durch ein solches "Unterschieben" eines ausländischen Erzeugnisses auch gegen die guten Sitten im Sinne des § 1 UWG verstoßen. Sie übersieht dabei, daß nach den Feststellungen der Vorinstanzen Punkt 2.12 der Vertragsbedingungen von den zuständigen Beamten des Amtes der Tiroler Landesregierung und des Bundesministeriums für Bauten und Technik so ausgelegt wird, daß sich daraus allein keine Verpflichtung des Anbotstellers ergibt, schon in seinem Anbot allfällige Subunternehmer bekanntzugeben; einer solchen Offenlegung bedarf es vielmehr nur dann, wenn sie - was hier nicht der Fall war - schon in der Ausschreibung ausdrücklich verlangt wird. Bei dieser Sachlage kann aber die von der Klägerin in den Mittelpunkt ihrer Revisionsausführungen gestellte Frage, ob die Beklagte schon im Zeitpunkt der Anbotstellung die Lieferung ausländischer Silos beabsichtigt hatte, im Sinne der zutreffenden Ausführungen des angefochtenen Urteils tatsächlich auf sich beruhen: Eine Verpflichtung des Anbieters, zur Vermeidung falscher Vorstellungen über den Inhalt seines Anbotes die ausschreibende Behörde von Anfang an über die geplante Beiziehung ausländischer Subunternehmer zu informieren, ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die zuständigen Beamten - wie hier - eine solche Aufklärung für entbehrlich halten; das Verschweigen von Umständen, deren Bekanntgabe der (potentielle) Vertragspartner gar nicht erwartet, ist weder zur Irreführung iS des § 2 UWG geeignet, noch verstößt es gegen die guten Sitten iS des § 1 UWG.
Schon diese Erwägungen führen zur Bestätigung des angefochtenen Urteils.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10714European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00396.85.0505.000Dokumentnummer
JJT_19870505_OGH0002_0040OB00396_8500000_000