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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AlVG 1977 §49 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Mag. Klaus Übermasser, Rechtsanwalt in 4060 Leonding, Gewerbegasse 6, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 17. August 2004, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1284/1771/2004-10, betreffend Versagung des Arbeitslosengeldes gemäß § 49 Abs. 2 AlVG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin erklärte nach der Aktenlage am 3. Juni 2004 wegen Erkrankung ihres Sohnes den Austritt aus einer Kursmaßnahme bei einer Arbeitsstiftung. Bei ihrer Vorsprache bei der regionalen Geschäftsstelle wurde sie auf Grund ihrer Mitteilung, bei einem näher genannten Unternehmen über eine Einstellungszusage zum 1. Juli 2004 zu verfügen, - nach dem hierüber angefertigten Aktenvermerk im Informationssystem des Arbeitsmarktservice - zu einem Kontrolltermin am 8. Juni 2004 vorgeladen.
Mit Bescheid vom 24. Juni 2004 wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin gemäß § 49 AlVG 1977 für den Zeitraum vom 8. Juni 2004 bis 16. Juni 2004 kein Arbeitslosengeld erhalte; sie habe den vorgeschriebenen Kontrolltermin am 8. Juni 2004 nicht eingehalten und sich erst wieder am 17. Juni 2004 bei der zuständigen regionalen Geschäftsstelle gemeldet.
Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in der sie im Wesentlichen behauptete, die Betreuerin beim AMS habe zu ihrer Mitteilung, dass sie am 1. Juli 2004 wieder zu arbeiten anfangen werde, gesagt, dass der nächste "Termin" (gemeint: Kontrolltermin) der 8. Juli 2004 sei. Die Betreuerin habe einen anderen Termin "in die Kartei" geschrieben, als sie der Beschwerdeführerin mündlich bekannt gegeben habe. Sie habe "auf ihrer Karte" nicht nachgeschaut, sondern "im Kopf" den "8. Juli fixiert".
Dieser Berufung widersprach die regionale Geschäftsstelle in ihrer zu der Berufung abgegebenen Stellungnahme: Die Beschwerdeführerin habe am 3. Juni 2004 nach dem "Abbruch der Stiftungsmaßnahme" vorgesprochen und bekannt gegeben, dass sie mit 1. Juli 2004 eine Beschäftigung aufnehmen werde. Die Betreuerin habe mit ihr zwecks Vorlage der schriftlichen Einstellungszusage einen Kontrolltermin "natürlich mit Meldekarte" für 8. Juni 2004 vereinbart. Vom 8. Juli 2004 sei keine Rede gewesen. Zu diesem Zeitpunkt hätte die Vorlage der Einstellungszusage auch keinen Sinn mehr ergeben. Nach Aufnahme der "§ 49 Niederschrift" habe die Betreuerin der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass sie einen Bescheid erhalten werde, gegen den sie schriftlich berufen und darin die Gründe angeben könne, warum sie am 8. Juni 2004 nicht zum vereinbarten Termin erschienen sei.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin abgewiesen. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, insbesondere auch des Berufungsvorbringens der Beschwerdeführerin, begründete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid in tatsächlicher Hinsicht zunächst damit, dass unstrittig sei, dass die Beschwerdeführerin die vom Arbeitsmarktservice für den 8. Juni 2004 vorgeschriebene Kontrollmeldung nicht eingehalten und erst am 17. Juni 2004 wieder beim Arbeitsmarktservice vorgesprochen habe. Die "Entschuldigung der Kontrollmeldeversäumnis" könne nur aus triftigen Gründen erfolgen, wobei es sich um einen Grund handeln müsse, der die Beschwerdeführerin tatsächlich behindert habe, die Kontrollmeldung einzuhalten oder der die Einhaltung der Kontrollmeldung unzumutbar gemacht habe. Ein solcher triftiger Grund könne Arbeitssuche sein, wenn sie vorher dem Arbeitsmarktservice gemeldet worden sei, eine Erkrankung, die Erledigung dringender, unaufschiebbarer persönlicher Angelegenheiten, Vorladung zu einer Behörde usw. Entschuldigungsgründe seien zumindest glaubhaft zu machen. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin würden nicht als triftige Gründe im Sinne des Gesetzes angesehen werden können. Um "verbale Missverständnisse zu vermeiden", werde der Termin in die Kontrollmeldekarte eingetragen. Er sei auch "in die EDV eingegeben worden". Der Kontrolltermin am 8. Juni 2004 habe den Sinn gehabt, an diesem Tag eine Bestätigung des Dienstgebers über den Arbeitsbeginn ab 1. Juli 2004 vorlegen zu lassen. Bei einem Kontrolltermin am 8. Juli 2004 wäre dies sinnlos gewesen. Ein triftiger Grund für das Kontrollmeldeversäumnis sei nicht vorgebracht worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 49 Abs. 1 AlVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 142/2000 hat sich der Arbeitslose zur Sicherung des Anspruches auf den Bezug von Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe wöchentlich mindestens einmal bei der nach seinem Wohnort zuständigen regionalen Geschäftsstelle unter Vorweis der Meldekarte persönlich zu melden. Je nach der Situation auf dem Arbeitsmarkt kann die regionale Geschäftsstelle die Einhaltung von Kontrollmeldungen gänzlich nachsehen, die Zahl der einzuhaltenden Kontrollmeldungen herabsetzen oder öftere Kontrollmeldungen vorschreiben. Die regionale Geschäftsstelle kann auch öftere Kontrollmeldungen vorschreiben, wenn der begründete Verdacht besteht, dass das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe nicht gebührt. Die näheren Bestimmungen über die Kontrollmeldungen trifft die Landesgeschäftsstelle. Die Landesgeschäftsstelle kann auch andere Stellen als Meldestellen bezeichnen.
Gemäß § 49 Abs. 2 AlVG verliert ein Arbeitsloser, der trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Kontrollmeldung unterlässt, ohne sich mit triftigen Gründen zu entschuldigen, vom Tage der versäumten Kontrollmeldung an bis zur Geltendmachung des Fortbezuges den Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe. Liegen zwischen dem Tag der versäumten Kontrollmeldung und der Geltendmachung mehr als 62 Tage, so erhält er für den übersteigenden Zeitraum kein Arbeitslosengeld bzw. keine Notstandshilfe. Der Zeitraum des Anspruchsverlustes verkürzt sich um den Tag einer arbeitslosenversicherungspflichtigen Beschäftigung, die er in diesem Zeitraum ausgeübt hat. Ist die Frage strittig, ob ein triftiger Grund für die Unterlassung der Kontrollmeldung vorliegt, so ist der Regionalbeirat anzuhören.
In der vorliegenden Beschwerde wird ebenso wenig wie in der von der Beschwerdeführerin eingebrachten Berufung bestritten, dass auf der Kontrollkarte der Beschwerdeführerin der 8. Juni 2004 als Kontrolltermin eingetragen worden ist. Unbestritten ist ferner, dass die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage zuletzt am 3. Juni 2004 (nach den Berufungsbehauptungen am 4. Juni 2004) bei der regionalen Geschäftsstelle vorgesprochen hat. Der belangten Behörde ist zunächst darin Recht zu geben, dass die im Gesetz vorgeschriebene Einrichtung der Meldekarte gerade dazu dient, Missverständnisse wie die hier behaupteten zu vermeiden und durch die Eintragung in diese Meldekarte den Kontrolltermin in zweifelsfreier Weise festzulegen.
Die Beschwerde erweist sich aber aus nachstehenden Gründen als im Ergebnis begründet:
Aus den vorgelegten Verwaltungsakten, und zwar aus den EDV-Ausdrucken, sind zwar Vermerke ersichtlich, wonach die Betreuerin der Beschwerdeführerin mit dieser für den 8. Juni 2004 eine Kontrollmeldung mit "schriftl. Esz." (schriftlicher Einstellungszusage) "vereinb." (= vereinbart) habe, es kann aber weder diesen Eintragungen noch sonst einem Stück des vorgelegten Verwaltungsaktes entnommen werden, dass der Beschwerdeführerin, wie dies § 49 Abs. 2 AlVG ausdrücklich vorschreibt, eine Belehrung über die Rechtsfolgen der Unterlassung einer Kontrollmeldung erteilt worden wäre. Mit dieser Aktenlage übereinstimmend enthält auch der Berufungsbescheid - wie schon der erstinstanzliche Bescheid - keine Feststellungen darüber, dass die Beschwerdeführerin über die Rechtsfolgen der Unterlassung der Kontrollmeldung belehrt worden wäre.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt eine solche Belehrung (und nicht auch schon die Aushändigung einer diese Belehrung enthaltenden Terminkarte) eine wesentliche Tatbestandsvoraussetzung für den Eintritt der Rechtsfolgen des § 49 Abs. 2 AlVG dar, und zwar jedenfalls dann, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die Partei auf Grund mehrerer bereits absolvierter Kontrolltermine über die Rechtsfolgen von deren Nichteinhaltung bereits Bescheid wusste, insbesondere wenn es sich - wie im Beschwerdefall - offenbar um einen ersten Kontrolltermin dieser Partei handelt (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 11. Mai 1993, Zl. 92/08/0145, mit weiteren Hinweisen sowie die Erkenntnisse vom 21. Juni 2000, Zl. 95/08/0302, und vom 20. November 2002, Zl. 2002/08/0136).
Da sich die Versagung des Arbeitslosengeldes daher schon aus diesen - im Rahmen des geltend gemachten Beschwerdepunktes auch von Amts wegen aufzugreifenden - Gründen als rechtwidrig erweist, erübrigt es sich, auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 7. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2004080253.X00Im RIS seit
18.10.2005