Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes HonProf. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Herbert Bauer und Mag. Karl Dirschmied als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Maria S***, Angestellte, Rohrbach a.d. Lafnitz Nr.261, vertreten durch Dr. Othmar Franiek, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei D*** G***-S***, vertreten durch das Bischöfliche Ordinariat Graz, dieses vertreten durch Dr. Harold Schmid und Dr. Kurt Klein, Rechtsanwalt in Graz, wegen Feststellung (Streitwert S 30.001,--), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für ZRS Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 9.Oktober 1986, GZ 2 Cg 51/86-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Graz vom 29.April 1986, GZ 1 Cr 258/85-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.829,75 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon S 257,25 Umsatzsteuer) bei Exekution zu bezahlen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die beklagte Partei begründete mit der seit 1971 bei ihr angestellten Klägerin zwei Dienstverhältnisse, eines als Religionslehrerin (das weiterhin aufrecht ist) und eines als Pastoralassistentin. Zuletzt war die Klägerin in der Pfarre Grafendorf tätig. Mit Schreiben vom 28.1.1985 kündigte die beklagte Partei das Dienstverhältnis der Klägerin als Pastoralassistentin zum 30.6.1985 auf, ohne vorher den beim Bischöflichen Ordinariat der D*** G***-S*** eingerichteten Betriebsrat zu verständigen. Die Klägerin begehrt die Feststellung, daß ihr Dienstverhältnis als Pastoralassistentin zur beklagten Partei weiterhin aufrecht sei, weil die beklagte Partei vor der Kündigung den Betriebsrat nicht verständigt habe (§ 105 Abs 1 und 2 ArbVG).
Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß in der Pfarre Grafendorf, in der die Klägerin beschäftigt gewesen sei, ein Betriebsrat nicht errichtet sei. Zudem sei die Klägerin als Pastoralassistentin ausschließlich im seelsorglichen Dienst gestanden, so daß die betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmungen des Arbeitsverfassungsgesetzes (II.Teil) auf sie keine Anwendung fänden. Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, daß die Beschäftigung der Klägerin vorwiegend durch religiöse, karitative oder soziale Motive bestimmt gewesen sei. Sie sei auch nicht auf Grund eines Arbeitsvertrages beschäftigt worden, so daß sie gemäß § 36 Abs 2 ArbVG nicht als Arbeitnehmerin iS des II.Teiles des ArbVG gelte. Grundlage der Beschäftigung der Klägerin sei die durch bischöfliches Dekret verliehene kirchliche Sendung (missio canonica). Die Unterlassung der Verständigung des beim Bischöflichen Ordinariats eingerichteten Betriebsrates mache daher die Kündigung der Klägerin nicht rechtsunwirksam.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 30.000,-- übersteige. Es verhandelte die Rechtssache gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG von neuem und traf folgende wesentliche Feststellungen:
Die Klägerin wurde nach Absolvierung eines Seminars für kirchliche Berufe mit Dekret des Bischöflichen Ordinariats Graz-Seckau zur Pastoalassistentin bestellt. Mit dieser Bestellung wurde sie auch Mitglied der Berufsgemeinschaft der Pastoralassistenten, die eine öffentliche und mit kirchlicher Rechtspersönlichkeit ausgestattete Vereinigung im Sinne der cc 298-320 CiC ist.
Jedem Pastoralassistenten wird bei Dienstantritt das Statut dieser Berufsgemeinschaft und eine Dienstordnung ausgehändigt, die als Bestandteil des Dienstvertrages gilt. Diese Dienstordnung enthält folgende wichtige Bestimmungen:
Die Lösung des Dienstverhältnisses und die Versetzung sind dem Generalvikar vorbehalten, der vorher mit der Berufsgemeinschaft Rücksprache halten wird. Unmittelbarer Vorgesetzter des Pastoralassistenten ist der jeweils zuständige Pfarrer. Zu den Pflichten eines Pastoralassistenten gehören pastorale Aufgaben. Der Pastoralassistent ist durch seine Ausbildung befähigt und auf Grund seiner Sendung beauftragt, pastorale Aufgaben in eigenständiger Verantwortung zu übernehmen und Initiativen zu entfalten. Sie umfassen
a) Vorbereitung und Mitwirkung bei Gottesdiensten und Feiern der Pfarrgemeinde,
b) pfarrliche Vorbereitung auf die Sakramente sowie die Begleitung der betreffenden ehrenamtlichen Mitarbeiter,
c) außerschulische Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, vor allem mit den dafür zuständigen ehrenamtlichen Mitarbeitern,
d) Mitverantwortung in der Ewachsenenbildung und im Familienpastoral,
e) Sorge um den einzelnen Menschen: Beratung, Lebenshilfe im umfassenden Sinn,
f)
sozial-karitative Dienste,
g)
Religionsunterricht: Das Ausmaß der Religionsstunden muß in einem günstigen Verhältnis zu den übrigen Aufgaben stehen und darf 10 Wochenstunden nicht überschreiten.
Die Mithilfe in der Pfarrkanzlei, im Pfarrhaushalt und bei der Kirchen- und Heimreinigung sowie das Reinigen der Kirchenwäsche und ähnliche Arbeiten, ferner der Organisten- und Mesnerdienst gehören nicht zum Aufgabenbereich des Pastoralassistenten. Der Pastoralassistent muß sich um ein Leben im Geiste der christlichen Botschaft und im Sinne der für die Diözese geltenden Anstellungsbedingungen bemühen. Ein christliches Zeugnis hat er auch in der äußeren Lebensführung kundzutun.
Das Statut der Berufungsordnung der Pastoralassistenten der D*** G***-S*** beschreibt diese Aufgabe als "Grunddienst der Seelsorge", zu dem beispielsweise die Verkündigung und die Diakonie gehören. Der Zweck der Berufsgemeinschaft der Pastoralassistenten besteht vor allem darin, den Beruf des Pastoralassistenten im kirchlichen Dienst zu fördern, für die religiöse, geistige und fachliche Weiterbildung zu sorgen, die rechte Ausübung des Berufes ihrer Mitglieder zu fördern und diese in persönlichen und beruflichen, dienstrechtlichen und sozialen Angelegenheiten gegebenenfalls zu beraten und beim Dienstgeber zu vertreten. Am Bischöflichen Ordinariat der D*** G***-S*** besteht ein Betriebsrat, in dem Arbeiter und Angestellte zusammengefaßt sind und der jene ca. 200 Arbeitnehmer vertritt, die der "Dienstordnung für die Zentralstellen der Diözese" unterliegen, wozu auf Grund eines Anhanges zur Dienstordnung auch die Beschäftigten der Bischöflichen Finanzkammer gehören. Die Pastoralassistenten, die, wie bisher die Klägerin, bei den einzelnen Pfarren auf dem Lande beschäftigt sind, nehmen an der Wahl zu diesem Betriebsrat nicht teil. Die beklagte Partei vertritt die Auffassung, daß die Pastoralassistenten durch diesen Betriebsrat nicht vertreten werden.
Die Klägerin war als Pastoralassistentin fünf Jahre an der Pfarre in Leibnitz, dann fünf Jahre in Leoben-Waasen, dann ein Jahr in St.Nikolai o.D., anschließend an der Pfarre Rohrbach und zuletzt an der Pfarre Grafendorf tätig. Die Pfarre Grafendorf ist wie alle Pfarren und wie die Diözese eine juristische Person und eine eigene organisatorische und wirtschaftliche Einheit mit eigenem Vermögen, das dem Gottesdienst und der Seelsorge dient. Die Voraussetzungen für die Errichtung eines Betriebsrates sind in der Pfarre Grafendorf wie in allen andern Pfarren nicht gegeben. Den Gehalt als Pastoralassistentin bezog die Klägerin von der D*** G***-S***. Das Berufungsgericht war - im Gegensatz zum Erstgericht - der Ansicht, daß die Klägerin bei der beklagten Partei auf Grund eines Arbeitsvertrages iS des § 36 Abs 1 Z 5 ArbVG beschäftigt worden sei. Da der beklagten Partei als einer gesetzlich anerkannten Religionsgemeinschaft nach dem österreichischen Staatskirchenrecht keine Dienstherrnfähigkeit zukomme, seien die Berechtigungen und Verpflichtungen aus dem vorliegenden Dienstverhältnis nach bürgerlichem Recht zu beurteilen.
Die Abberufung der Klägerin von ihrem Amt sei nach Art.15 des Staatsgrundgesetzes über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger (im folgenden: StGG) eine innere Angelegenheit der römisch-katholischen Kirche. Die Tätigkeit der Klägerin als Pastoralassistentin sei nach ihrem Inhalt die Ausübung eines kirchlichen Amtes. Diese Tätigkeit bestehe so gut wie ausschließlich in der Verkündung und Verbreitung von Heilswahrheiten und diene unmittelbar der Festigung des Glaubens. Die Frage, ob die Klägerin diese Tätigkeit ausüben dürfe, sei daher eine innerkirchliche Angelegenheit, in die sich staatliche Behörden nicht einzumischen hätten. Ein Urteilsspruch, der die beklagte Partei verpflichten würde, der Klägerin die Ausübung der Tätigkeit als Pastoralassistentin weiterhin zu gestatten, wäre rechtswidrig.
Davon zu unterscheiden sei jedoch die Frage, ob die Beklagte das mit der Klägerin begründete Dienstverhältnis unabhängig davon aufrecht erhalten müsse, ob sie eine Möglichkeit sieht, der Klägerin weiterhin einen Teil jener Tätigkeit zuzuweisen, zu deren Verrichtung das Dienstverhältnis begründet wurde. Gemäß § 132 Abs 4 ArbVG seien die Bestimmungen des II.Teiles des ArbVG auf Unternehmen und Betriebe, die konfessionellen Zwecken einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft dienten, nicht anzuwenden, soweit die Eigenart dieser Unternehmen oder Betriebe dem entgegenstehe. Diese Vorschrift sei als Versuch einer Grenzziehung zwischen den inneren Angelegenheiten einer Kirche oder Religionsgesellschaft und äußeren Angelegenheiten zu verstehen. Die Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses der Klägerin wegen unterbliebener Mitwirkung des Betriebsrates sei mit der Eigenart und den konfessionellen Zwecken von Pfarre und Diözese nicht vereinbar. Da alle Tätigkeiten der Klägerin unmittelbar der Verkündigung und Verbreitung von Heilswahrheiten und der Festigung des Glaubens zu dienen hatten, bleibe so gut wie kein Tätigkeitsbereich übrig, den sie im Rahmen eines Dienstverhältnisses noch ausfüllen könnte. Es sei mit der Eigenart von Pfarre und Diözese unvereinbar, diese organisatorischen Einheiten mit Pflichten aus einem Dienstverhältnis zu belasten, denen keine Diensttätigkeit der Klägerin mehr entsprechen könne. Die zwischen der konfessionellen Eigenart des Betriebes und der Funktion einer betrieblichen Interessenvertretung durchzuführende Interessenabwägung müsse daher zugunsten der konfessionellen Eigenart ausschlagen. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf den Schutz eines Betriebsrates.
Die gegen das Urteil des Berufungsgerichtes wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt. Der Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Rechtliche Beurteilung
Gemäß Art.15 StGG ordnet und verwaltet jede gesetzlich anerkannte Kirche und Religionsgesellschaft ihre inneren Angelegenheiten selbständig; sie ist aber, wie jede Gesellschaft, den allgemeinen Staatsgesetzen unterworfen. Zu den "inneren Angelegenheiten" sind jene zu zählen, die den inneren Kern der kirchlichen Betätigung betreffen und in denen die Kirchen- und Religionsgesellschaften ohne Autonomie in der Verkündigung der von ihnen gelehrten Heilswahrheiten und der praktischen Ausübung ihrer Glaubenssätze eingeschränkt wären. Der sich dadurch ergebende Bereich der inneren Angelegenheiten kann naturgemäß nicht erschöpfend aufgezählt werden. Zu den inneren Angelegenheiten der Kirche werden aber insbesondere alle Normen gezählt, die die Einrichtung und Abschaffung von Ämtern, die Anstellungsvoraussetzungen, die Abberufung von Ämtern, die Art der Amtsführung, die Amtstitel und dgl. betreffen. Da aber die Begründung öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse einer besonderen gesetzlichen Grundlage bedürfte, kann das Dienstverhältnis der Organwalter der Religionsgesellschaften nur im Vertragsweg einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis angepaßt werden, ohne daß sich aber dadurch die Zugehörigkeit zum Privatrechtskreis ändert (Melichar, Die verfassungsrechtliche Stellung der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaften nach österreichischem Recht, JBl 1957, 57 ff, 91 ff, 123 ff !124 ). Die Rechtsprechung hat daher die Zulässigkeit des Rechtsweges für Streitigkeiten zwischen einer Kirche und ihren Amtsträgern auf Grund von privatrechtlichen Dienstverhältnissen - jedenfalls bei Ausklammerung der Vorfrage der Rechtsgültigkeit der Amtsenthebung - bejaht (SZ 47/135 = Arb.9.286 = ZAS 1976/15 !mit kritischer Besprechung von Gampl ; auch JBl.1962,315). Die damit vorgenommene Grenzziehung zwischen den "inneren Angelegenheiten" der Kirche und der staatlichen Gerichtsbarkeit für die sich aus der Bestellung und Enthebung von kirchlichen Organen ergebenden dienstrechtlichen Streitigkeiten bedarf im vorliegenden Fall schon deshalb keiner neuerlichen Überprüfung, weil beide Vorinstanzen übereinstimmend von der Zulässigkeit des Rechtsweges ausgegangen sind. Soweit die Revisionswerberin in Verkennung dieser Rechtslage wiederholt auf den - ohnehin angenommenen - privatrechtlichen Charakter ihres Dienstverhältnisses hinweist und die Gewährung staatlichen Rechtsschutzes fordert, ist ihrem Standpunkt stets entsprochen worden und daher auf die diesbezüglichen Ausführungen nicht einzugehen. Streitpunkt des Revisionsverfahrens ist nur, ob sich die Klägerin, deren Dienstverhältnis vertragsrechtlich einwandfrei unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist gelöst wurde, darüber hinaus auf den betriebsverfassungsrechtlichen Schutz des § 105 ArbVG berufen kann.
Gemäß § 132 Abs 4 Satz 1 ArbVG sind die Bestimmungen des II.Teiles des ArbVG (Betriebsverfassung: §§ 33 bis 134) auf Unternehmen und Betriebe, die konfessionellen Zwecken einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft dienen, nicht anzuwenden, soweit die Eigenart des Unternehmens oder des Betriebes dem entgegensteht. Mit dieser Bestimmung, die Bestandteil des sogenannten Tendenzschutzes für Betriebe mit besonderer Zweckbestimmung und Verwaltungsstellen juristischer Personen des öffentlichen Rechts ist (dazu insbesondere Floretta-Strasser, Kommz ArbVG 903 ff; Floretta-Spielbüchler-Strasser Kollektives Arbeitsrecht2 311 ff; Schrammel, Probleme des Tendenzschutzes in der österreichischen Betriebsverfassung, in Strasser-FS 559 ff; Pree, Österreichisches Staatskirchenrecht 115 ff; Richardi, Das System der Mitbestimmungsordnung in der Bundesrepublik Deutschland - unter besonderer Berücksichtigung der österreichischen Rechtslage, RdA 1977, 113 ff !117 f ), respektiert der Gesetzgeber die durch Art 15 StGG gewährleistete Kirchenautonomie und nimmt für das Gebiet der Betriebsverfassung eine Grenzziehung zwischen inneren und äußeren Angelegenheiten der Kirche vor (Richardi aaO 118; Pree, aaO 117). Dieser Tendenzschutz ist von dem Gedanken bestimmt, daß die allgemein normierte Beteiligung der Arbeitnehmer an bestimmten Entscheidungen des Betriebsrates in sozialen, persönlichen und wirtschaftlichen Angelegenheiten in bestimmten Unternehmen und Betrieben wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung nicht oder nicht in gleichem Maße wie sonst zustehen soll (Schrammel aaO 559). Voraussetzung für die Anwendung des § 132 Abs 4 Satz 1 ArbVG ist zunächst, daß die betreffenden Unternehmen und Betriebe konfessionellen Zwecken einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft dienen, was für die hier betroffene Pfarre oder Diözese der römisch-katholischen Kirche nicht zweifelhaft sein kann. Der Schutz des § 132 Abs.4 Satz 1 ArbVG ist aber - anders als nach § 132 Abs 1 und Abs 4 Satz 2 ArbVG - nur ein relativer (Schrammel aaO 579 spricht zutreffend von einer "Relativklausel"). Der Tendenzschutz wird nur gewährt, soweit die Eigenart des Betriebes oder des Unternehmens einer Anwendung der Bestimmungen des zweiten Teiles des ArbVG entgegensteht. Der Begriff "Eigenart" knüpft an die besonderen Merkmale an, die gerade für ein bestimmtes Unternehmen oder einen bestimmten Betrieb charakteristisch sind und diesen Betrieb oder dieses Unternehmen gegenüber anderen Betrieben oder Unternehmen näher kennzeichnen. Eigenart bedeutet im Rahmen des § 132 Abs 4 ArbVG, daß andere Unternehmen und Betriebe ohne konfessionelle Zwecksetzung regelmäßig anders geartet sind (Schrammel aaO 579, Floretta-Strasser aaO 918). Die Eigenart eines konfessionellen Betriebes oder Unternehmens steht einer Anwendung von Bestimmungen des ArbVG dann entgegen, wenn die Mitwirkungsrechte der Belegschaft mit den besonderen konfessionellen Zwecken unvereinbar sind oder wenn die Mitwirkung der Arbeitnehmer für die Kirche zu unerträglichen oder grob unzweckmäßigen Ergebnissen führt. Das für die Kirche unerträgliche Ergebnis kann zB darin bestehen, daß das Mitbestimmungsrecht der Belegschaft Maßnahmen des Arbeitgebers verhindert oder doch auf ungewisse Zeit verzögert. Besondere praktische Bedeutung gewinnt die sich aus der Relativklausel ergebende beschränkte Anwendbarkeit des ArbVG vor allem bei den Mitwirkungsrechten der Belegschaft in personellen Angelegenheiten, die jene Arbeitnehmer betreffen, deren Aufgabe es ist, die konfessionelle Zwecksetzung unmittelbar zu verwirklichen (sogenannte "Tendenzträger"; Schrammel aaO 579 f). Der Arbeitgeber soll nicht gezwungen werden, mit dem Betriebsrat eine Auseinandersetzung darüber zu führen, ob ein Arbeitnehmer für eine Organstellung, die unmittelbar konfessionellen Zielen dient, noch tragbar ist. Eine Mitwirkung der Belegschaft hat bereits dann zu unterbleiben, wenn ein derartiger "Tendenzträger" von einer personellen Maßnahme des Arbeitgebers schlechthin betroffen wird und nicht erst dann, wenn die Maßnahme aus tendenzbedingten Gründen erfolgt (vgl. auch Schrammel aaO 580). Zwischen tendenzbedingten Gründen (zB abweichende religiöse Einstellung) und tendenzneutralen Gründen (zB bestimmte Pflichtenverletzungen oder ehrverletzenden Äußerungen) bestehen nämlich häufig Zusammenhänge, so daß es der betreffenden Kirche oder Religionsgesellschaft auch in solchen Fällen unbenommen bleiben muß, die Eignung des betreffenden Tendenzträgers für ein Kirchenamt allein zu beurteilen. Da die Tätigkeit der Klägerin so gut wie ausschließlich der Verkündung und Verbreitung von Heilswahrheiten und der Festigung des Glaubens diente, sie also zu jenen Arbeitnehmern gehörte, deren Aufgabe es ist, die konfessionelle Zielsetzung der beklagten Partei unmittelbar zu verwirklichen, wäre es der beklagten Partei unzumutbar, mit dem Betriebsrat eine Auseinandersetzung über die Gründe der Kündigung und die Eignung der Klägerin für ihr Amt zu führen. Die Eigenart des Betriebes der beklagten Partei steht hier der Anwendung des § 105 ArbVG entgegen, so daß die Frage auf sich beruhen kann, ob die Pfarre, in der die Klägerin zuletzt tätig war, ein eigener Betrieb im Sinne des § 34 Abs 1 ArbVG ist oder ob die Klägerin zum Betrieb des Bischöflichen Ordinariats der D*** G***-S*** gehörte, bei der ein Betriebsrat eingerichtet ist. Ob die Klägerin auch als Religionslehrerin "Tendenzträgerin" (im selben Ausmaß) ist und damit auch auf dieses Dienstverhältnis § 105 ArbVG allenfalls nicht anzuwenden wäre, bedarf keiner Klärung, weil das zweite Dienstverhältnis der Klägerin nicht aufgekündigt wurde. Die Behauptung der Revision, die Klägerin besitze nur ein Anstellungsdekret, ist eine unzulässige Neuerung (§ 504 ZPO). Beide Vorinstanzen gingen davon aus, daß zwischen den Streitteilen zwei Dienstverhältnisse begründet worden sind. Zu den übrigen an der Rechtslage vorbeigehenden Revisionsausführungen ist nicht Stellung zu nehmen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E11140European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:014OBA00029.87.0506.000Dokumentnummer
JJT_19870506_OGH0002_014OBA00029_8700000_000