TE OGH 1987/5/7 6Ob583/87

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Veröffentlicht am 07.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dipl.Ing. Hans H***, Forstwirt, Hoyosgasse 5, 1040 Wien, vertreten durch Dr. Max Josef Allmayer-Beck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Alice S***, Private, Trautsohngasse 3, 1080 Wien, vertreten durch Dr. Peter Schmautzer, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 31. Oktober 1984, GZ 41 R 414/84-24, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 30. Jänner 1984, GZ 43 C 562/82-19, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird in seinem abändernden Ausspruch dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.639,04 S (darin enthalten 572,64 S Umsatzsteuer und 340,-- S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist Eigentümer des Hauses in Wien 4.,

Gusshausstraße 8. Die im Revisionsverfahren allein noch streitverfangenen, im Mezzanin dieses Hauses liegenden Bestandräumlichkeiten top.Nr.2, betretbar durch eine mit top.Nr.2 a bezeichnete Türe und bestehend aus sechs Zimmern, Vorraum und drei Nebenräumen, sind ursprünglich vom zwischenzeitig verstorbenen Ehegatten der Beklagten KR Emil S*** als Inhaber der Firma C***-F*** chem. techn. Produkte (in der Folge "Firma C***" genannt) mit Mietvertrag vom 25. November 1958 zur Benützung als Büro- und Geschäftsräume gemietet worden. Die Firma C*** betrieb ein Unternehmen zur Fabrikation von chemischen Baustoffen, Konservierungsmitteln usw. Die Produktionsstätte (Fabrik) befand sich in Linz, während ihr Büro in Wien 4., Gusshausstraße 8/2, betrieben wurde. Die Beklagte führte als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehegatten das Unternehmen der Firma C*** weiter. Sie wurde auch vom Kläger als Mieterin der in Rede stehenden Bestandräumlichkeiten anerkannt.

Die Beklagte veräußerte das Unternehmen der Firma C*** samt Warenbestand, Inventar, Markenrechten und Firmenbezeichnung etc. (nach dem übereinstimmenden Parteienvorbringen im Juli 1981) an die S***-P*** Gesellschaft mbH (in der Folge "Firma S***" genannt). In diesem Zusammenhang konnte jedoch nicht festgestellt werden, daß diese Unternehmensübertragung etwa nur den Zweck der Übertragung der Benützungsmöglichkeit an den Wiener Bestandräumlichkeiten gehabt hätte. Die Firma S*** führte das Unternehmen wie bis dahin fort und übernahm auch einen Großteil der Dienstnehmer, nämlich 40 oder 42 Personen. Nachdem von ihr auch die Räumlichkeiten des Bestandobjektes top.Nr.2 zur Erledigung des Rechnungswesens des fortgeführten Unternehmens regelmäßig benützt worden waren, stellte sich etwa nach einem Jahr heraus, daß hiefür die Räumlichkeiten in ihrer Hauptverwaltung ausreichend sind, zumal den im Verrechnungswesen beschäftigten 12 Personen dort auch ein Computer zur Verfügung stand. Die Hauptverwaltung samt Lagerräumlichkeiten und technischen Büros der Firma S*** befindet sich schon seit 1972 in Wien 21., Pilzgasse 12, wobei allein die dortigen Büroräumlichkeiten ca. 800 m 2 umfassen. In der Zeit von Jänner oder Februar 1982 bis April oder Mai 1982 übersiedelte die Firma S*** daher den Bürobetrieb unter Zurücklassung eines Teiles der Büroeinrichtung schrittweise von den aufgekündigten Bestandräumlichkeiten nach Wien 21., Pilzgasse 12. Im Mai 1982 wurden die Räumlichkeiten des Bestandobjektes top.Nr.2 mit einer Gesamtgröße von ca. 200 bis 240 m 2 mit Ausnahme eines kleineren, ca. 20 bis 30 m 2 großen Raumes von der Firma S*** an das Institut für Gewerbeforschung auf fünf Jahre befristet untervermietet. Dieses Institut zog nach Beendigung der im Anschluß an die Übersiedlung der Firma S*** durchgeführten Renovierungsarbeiten im Juni oder Juli 1982 in die Bestandräumlichkeiten ein und übt dort seither seine rein wissenschaftliche Tätigkeit aus. Die Firma S*** hat nicht angegeben, für welchen Zweck sie den von ihr zurückbehaltenen kleinen Raum benötigt. Dieser ist möbliert, verfügt aber nicht einmal über ein Telefon und wird zur Aufbewahrung von Kisten und Akten verwendet. Er wird von Angestellten der Firma S*** jedoch äußerst selten aufgesucht. Der im Institut für Gewerbeforschung beschäftigte und dort fast ständig anwesende Mag. Christian L*** traf in der Zeit zwischen Juni oder Juli 1982 und November 1983 insgesamt nur ca. fünfmal jemanden von der Firma S*** im Bestandobjekt an.

Die Hausverwaltung des Klägers hat die Firma S*** nicht als Mieterin akzeptiert. Ihre Mietzinsvorschreibungen lauteten stets auf die Firma C***. Feststellungen über die Höhe des für das Bestandobjekt top.Nr.2 zu bezahlenden Hauptmietzinses konnten ebensowenig getroffen werden wie solche über die Höhe des darüber vereinbarten Untermietzinses.

Laut § 7 des Mietvertrages vom 25.November 1958 darf der Mieter die Mieträume nur mit schriftlicher Zustimmung des Vermieters untervermieten oder entgeltlich oder unentgeltlich anderen Personen überlassen. Bei unbefugter Untervermietung kann der Vermieter verlangen, daß der Mieter so bald wie möglich, spätestens jedoch binnen Monatsfrist, das Untermietverhältnis kündigt. Geschieht dies nicht, so kann der Vermieter das Hauptmietverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Teilweise Untervermietung ist jedoch gestattet.

Mit der beim Erstgericht am 11.April 1983 eingelangten Aufkündigung kündigte der Kläger der Beklagten unter anderem auch das von ihr gemietete Geschäftslokal top.Nr.2, erreichbar durch die mit top.Nr.2 a bezeichnete Türe, im Hause in Wien 4., Gusshausstraße 8, halbjährlich zum 30.November 1983 aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG gerichtlich auf. Der Kläger behauptete, schon bei der Unternehmensveräußerung vom Juli 1981 (von der Beklagten an die Firma S***) sei nicht das Unternehmen, sondern nur die Verwertung der Bestandrechte im Vordergrund gestanden. Aus diesem Grunde und im Hinblick darauf, daß die Firma S*** das aufgekündigte Bestandobjekt bereits im Frühjahr 1982 an das Institut für Gewerbeforschung weitergegeben habe, sei daher niemals ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, so sei doch durch die seitens der Firma S*** in den aufgekündigten Räumlichkeiten erfolgte Betriebsstillegung ein ursprünglich gespaltenes Mietverhältnis wieder aufgehoben worden. Die Beklagte habe damit im Ergebnis die Bestandräumlichkeiten ohne offenbar dringenden Eigenbedarf in naher Zeit ganz weitergegeben bzw. habe die Firma S***, deren Verhalten sich die Beklagte zurechnen lassen müsse, die aufgekündigten Bestandräumlichkeiten gegen unverhältnismäßig hohes Entgelt weitergegeben.

Gegen die vom Erstgericht erlassene Aufkündigung vom 12.April 1983, GZ 43 K 79/83-1, erhob die Beklagte rechtzeitig Einwendungen. Soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, hielt sie dem Kläger entgegen, daß sie an die Firma S*** ein lebendes Unternehmen einschließlich der Mietrechte veräußert habe, wobei die Verwertung der Mietrechte keineswegs den Schwerpunkt dieser wirtschaftlichen Transaktion gebildet habe. Das Unternehmen sei von der Firma S*** seit der Übergabe am 1.Juli 1981 unter Beibehaltung des Unternehmensgegenstandes mit den bisherigen Dienstnehmern im Bestandobjekt weitergeführt worden. Es werde von ihr dort auch weiterhin betrieben. Die Firma S*** habe lediglich einen Teil des Bestandgegenstandes untervermietet, was aber gemäß § 7 des Bestandvertrages gestattet sei.

Das Erstgericht erklärte die von ihm erlassene Aufkündigung vom 12. April 1983, 43 K 79/83, für rechtswirksam und sprach die Beklagte schuldig, binnen 14 Tagen auch die vorgenannten Geschäftsräumlichkeiten top.Nr.2, erreichbar durch die mit top.Nr.2 a bezeichnete Türe, dem Kläger geräumt zu übergeben. Es traf die bereits wiedergegebenen wesentlichen Feststellungen und folgerte daraus in rechtlicher Hinsicht, daß der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG verwirklicht sei. Dies sei zwar noch nicht durch die seitens der Beklagten erfolgte Unternehmensveräußerung an die Firma S*** und die damit verbundene Überlassung der Benützung der gemieteten Geschäftsräumlichkeiten geschehen, weil letztere nicht den Schwerpunkt dieser wirtschaftlichen Transaktion gebildet habe. Damit sei vielmehr ein gespaltenes Mietverhältnis entstanden. Da die Firma S*** als Erwerberin eines lebenden Unternehmens dieses aber in den Bestandräumlichkeiten nach ca. einjähriger Verwendung faktisch aufgelassen, den Betrieb zur Gänze wo anders hin verlegt und die Räumlichkeiten einem unternehmensfremden Dritten überlassen habe, könne von einer Fortführung des lebenden Unternehmens in den bisherigen Mieträumlichkeiten nicht mehr gesprochen werden. Die ursprüngliche Unternehmensübertragung der Beklagten sei daher als gänzliche Weitergabe des Mietobjektes im Sinne des angezogenen Kündigungsgrundes zu qualifizieren. Daran könne auch die Tatsache der Zurückbehaltung eines verhältnismäßig kleinen Raumes durch die Firma S*** nichts ändern, weil in diesem das Unternehmen nicht fortgeführt werde, sondern dieser Raum lediglich dazu diene, eine Benützung vorzutäuschen, zumal darin keine sinnvolle geschäftliche Tätigkeit entfaltet werde. Daran könne auch die mietvertragliche Gestattung der teilweisen Untervermietung nichts ändern, weil damit nicht auf die Geltendmachung des gesetzlichen Kündigungsgrundes der gänzlichen Weitergabe verzichtet worden sei. Eine solche liege aber auch bei teilweiser Weitergabe von Geschäftslokalen vor, wenn deren restliche Teile nicht mehr benützt würden.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge und änderte das erstgerichtliche Urteil dahin ab, daß dessen Aufkündigung vom 12.April 1983, 43 K 79/83, hinsichtlich des Geschäftslokales top.Nr.2 aufgehoben werde. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes in diesem Zusammenhang 15.000 S, nicht aber 300.000 S übersteigt und die Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung den eingangs dargestellten wesentlichen Sachverhalt zugrunde und erachtete insoweit die erstrichterlichen Feststellungen als unbedenklich. Es billigte auch die Rechtsansicht des Erstgerichtes, wonach mit der Veräußerung des von der Beklagten im Bestandobjekt betriebenen Unternehmens im Jahre 1981 ein gespaltenes Bestandverhältnis entstanden sei, und daß dieser Vorgang den Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht herzustellen vermöge, weil ein lebendes Unternehmen einschließlich der Bestandrechte veräußert und dabei nicht lediglich der Zweck verfolgt worden sei, der Erwerberin die Ausnützung der Bestandrechte zu ermöglichen. Das Erstgericht habe aber, wenngleich es auch auf die mietvertragliche Gestattung der teilweisen Untervermietung Bedacht genommen habe, zu Unrecht den Fall der teilweisen Weitergabe des Geschäftslokales jenem der gänzlichen Weitergabe gleichgestellt und damit den letzten Satz des § 30 Abs 2 Z 4 MRG, welcher sich bloß auf Wohnungen beziehe, auch auf Geschäftsräume ausgedehnt. Bei einer teilweisen Weitergabe von Geschäftsräumlichkeiten und einer Scheinbenützung der verbleibenden Teile könne jedoch der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG nicht zum Tragen kommen. Ob hiedurch allein oder doch bei vertraglicher Gestattung der teilweisen Untervermietung des Bestandobjektes durch eine teilweise Weitergabe gegen unverhältnismäßig hohes Entgelt allenfalls ein sonstiger wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 1 MRG verwirklicht werde, könne dahingestellt bleiben, weil der Kläger einen solchen Kündigungsgrund nicht geltend gemacht habe. Das Ersturteil sei daher im Sinne einer Aufhebung der Aufkündigung hinsichtlich des Bestandobjektes top.Nr.2 abzuändern gewesen. Die Nichtzulassung der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß im Hinblick auf die von ihm zitierte Rechtsprechung die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO nicht gegeben seien. Diesen abändernden Teil des Urteiles des Berufungsgerichtes bekämpft der Kläger mit seiner außerordentlichen Revision. Als Grund, warum entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichtes die Revision nach § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig zu erachten wäre, macht er geltend, das Berufungsgericht sei bei der Lösung der Rechtsfrage der Abgrenzung einer teilweisen von einer gänzlichen Weitergabe des Bestandobjektes im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 MRG von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen. Es sei zu Unrecht auf die Frage des Vorliegens des Kündigungsgrundes nach der Generalklausel des § 30 Abs 1 MRG nicht eingegangen und habe selbst unter Zugrundelegung seiner unrichtigen Rechtsansicht übersehen, daß die Beklagte die Bestandräumlichkeiten zur Gänze weitergegeben habe, weil mit der Einstellung der unternehmerischen Tätigkeit der Unternehmenserwerberin Firma S*** jedenfalls die Voraussetzungen für ein gespaltenes Mietverhältnis weggefallen seien.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Berufungsgerichtes im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern. Die Beklagte stellt den Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zulässig, weil das Berufungsgericht zu Unrecht von einer teilweisen Weitergabe der Geschäftsräumlichkeiten und somit vom Vorliegen des auf Wohnraummieten beschränkten Kündigungsgrundes des § 30 Abs 2 Z 4 Satz 2 MRG ausgegangen ist. Dabei hat es nämlich die zur Abgrenzung einer gänzlichen Weitergabe des Mietgegenstandes zu dessen teilweiser Weitergabe bereits ergangene Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes außer Acht gelassen.

Die Revision ist auch berechtigt.

§ 30 Abs 2 Z 4 MRG enthält zwei Kündigungstatbestände, die gleichermaßen auf die Geschäftsraum- wie auf die Wohnungsmieten anwendbar sind, nämlich 1. die gänzliche Weitergabe des Mietgegenstandes ohne Bedarf in naher Zukunft und 2. die Weitergabe auch nur eines Teiles gegen unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Dem ersten Fall ist gemäß § 30 Abs 2 Z 4 Satz 2 MRG die teilweise Weitergabe einer Wohnung ohne regelmäßige Benützung des Restes gleichgestellt. Gänzliche Weitergabe des Mietgegenstandes im Sinne des ersten Falles liegt nach Lehre und Rechtsprechung bei jeder entgeltlichen oder unentgeltlichen Gebrauchsüberlassung vor, auch wenn der Mieter bloß unwesentliche Benützungsvorbehalte gemacht oder einen Teil der Bestandräumlichkeiten nur zum Schein behalten hat (Derbolav in Korinek-Krejci, HBzMRG 443; Würth in Rummel, ABGB, Rdz 24 zu § 30 MRG; MietSlg 30.391 mwN). Ob die Weiterbenützung des Mietgegenstandes durch den Mieter als unerheblich anzusehen und die Annahme gerechtfertigt ist, daß dieser Mietgegenstand von ihm nicht mehr regelmäßig zur Befriedigung seines Wohnungsbedürfnisses bzw. bei Geschäftsraummiete wie im vorliegenden Fall zur Benützung als Büro- und Geschäftsraum verwendet wird, ist nach dem Umfang der Benützung in räumlicher und zeitlicher Hinsicht und nach der Intensität der Benützung zu beurteilen (vgl. MietSlg 18.424, 19.329, 30.392 ua). Für die Beurteilung der Frage der Erheblichkeit der Weiterbenützung der vorbehaltenen Räume ist dabei die allgemeine Verkehrsauffassung von Belang (MietSlg 16.379).

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt sich daher, daß die Untervermietung der Bestandräumlichkeiten durch die Firma S*** an das Institut für Gewerbeforschung trotz Rückbehaltes eines kleineren Raumes grundsätzlich eine gänzliche Weitergabe im Sinne des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG darstellte. Die Firma S*** hat nämlich im Hinblick auf die ihr in ihrer Hauptverwaltung zur Verfügung stehenden Büroflächen von ca. 800 m 2 und deren bessere technische Ausstattung den bis dahin im Bestandobjekt geführten Bürobetrieb dorthin übersiedelt. Sie hat sich lediglich einen im Verhältnis zur Gesamtfläche des Bestandobjektes von ca. 200 bis 240 m 2 nicht ins Gewicht fallenden kleinen Raum von 20 bis 30 m 2 vorbehalten. Dieser ist zwar möbliert aber ohne Telefon, wird nur zur Aufbewahrung von Kisten und Akten verwendet und äußerst selten aufgesucht. Nach der allgemeinen Verkehrsauffassung kann darin nicht mehr eine Verwendung für Büro- und Geschäftszwecke erblickt werden. Es liegt vielmehr ein nicht zu berücksichtigender unwesentlicher Benützungsvorbehalt bzw. ein Scheinvorbehalt vor. Daran vermag auch die mietvertraglich gestattete teilweise Untervermietung nichts zu ändern, weil eine solche keineswegs die Zustimmung zur gänzlichen Weitergabe bedeutet. Da aber der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG in allen seinen Fällen eine Weitergabe des Bestandobjektes durch den Mieter voraussetzt (Würth aaO Rdz 21 zu § 30 MRG), muß auch noch in die Prüfung der Frage eingetreten werden, ob solches nach den vorliegenden Feststellungen zu bejahen ist. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die gänzliche Weitergabe des Bestandobjektes durch die Firma S*** im Wege der Untervermietung an das Institut für Gewerbeforschung der Beklagten als Mieterin zurechenbar ist (vgl. dazu MietSlg 17.458/16, wo dies für den zweiten Fall des § 30 Abs 2 Z 4 MRG verneint worden ist, wenn der Unternehmenspächter des Mieters die gemieteten Geschäftsräume an einen Dritten teilweise überläßt; ähnlich auch MietSlg 21.484 und 25.314 bei Weitergabe durch den Untermieter des Mieters), weil mit dieser Weitergabe im vorliegenden Fall jedenfalls zugleich auch die Einstellung der Fortführung des von der Firma S*** erworbenen Unternehmens der Beklagten im Bestandobjekt verbunden war. In diesem Zusammenhang zieht selbst der Revisionswerber nicht mehr in Zweifel, daß mit der Veräußerung des Unternehmens der Firma C*** durch die Beklagte an die Firma S*** im Juli 1981 und durch die unveränderte Unternehmensfortführung der Erwerberin in den Bestandräumlichkeiten ein sogenanntes gespaltenes Bestandverhältnis (vgl. dazu Würth aaO Rdz 16 zu § 1098; Fenyves in Korinek-Krejci, HBzMRG 314 ff) entstanden ist. Mit Recht weist er aber darauf hin, daß damit die hier entscheidende Frage noch nicht beantwortet ist, welche Folgen eintreten, wenn in einem solchen Falle die Fortführung des Unternehmens im Bestandobjekt aufhört. Um dies beurteilen zu können, ist auf den Schutzzweck zurückzukommen, der die Rechtsprechung seinerzeit überhaupt veranlaßt hat, die Rechtsfigur des sogenannten gespaltenen Bestandverhältnisses zu entwickeln. Es war dies die Erkenntnis, daß Unternehmen, die in aller Regel in (gemieteten) Geschäftslokalen betrieben werden, vom Unternehmer (Mieter) nur dann veräußert oder verpachtet werden können, wenn er dem Erwerber bzw. Pächter auch die Nutzung des Geschäftslokals verschaffen kann. Dem stand aber der Kündigungstatbestand des § 19 Abs 2 Z 10 MG (nunmehr § 30 Abs 2 Z 4 MRG) entgegen. Es wurde daher dieser Kündigungstatbestand teleologisch reduziert und sein Vorliegen verneint, wenn im Geschäftslokal das Unternehmen des Mieters von dessen Erwerber oder Pächter weiterbetrieben worden ist, weil dem Mieter die Verwertung seines Unternehmens ermöglicht werden sollte. Der Rechtsprechung liegt somit der Gedanke der Schaffung eines "Ladenschutzes" zugrunde (vgl. Fenyves aaO 312 f). Dieser tragende Schutzzweck fällt aber - zumindest im Falle einer Unternehmensveräußerung wie sie auch hier vorliegt - immer dann weg, wenn der Unternehmenserwerber mit der Unternehmensfortführung im Bestandobjekt aufhört. Ab diesem Zeitpunkt benützt der Mieter das Bestandobjekt nicht mehr vertragsgemäß, weshalb eine teleologische Reduktion des Kündigungstatbestandes des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG nicht mehr gerechtfertigt und dieser daher verwirklicht ist (so im Ergebnis auch Zingher in ÖJZ 1982, 116 linke Spalte oben). In Stattgebung der außerordentlichen Revision war daher das Urteil erster Instanz wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zweiter und dritter Instanz beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

Anmerkung

E10981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00583.87.0507.000

Dokumentnummer

JJT_19870507_OGH0002_0060OB00583_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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