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66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;Norm
BSVG §24b;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Köller, Dr. Moritz und Dr. Lehofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der Sozialversicherungsanstalt der Bauern in Wien, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in 1070 Wien, Neubaugasse 3/10, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 7. Mai 2003, Zl. 221.386/1-3/03, betreffend Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG (mitbeteiligte Partei: Leopold E in S, vertreten durch Dr. Maximilian Ganzert, Dr. Friedrich W. Ganzert und Dr. Helmut Greil, Rechtsanwälte in 4600 Wels, Dr.-Koss-Straße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerin für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Mitbeteiligte ab 1. Jänner 2001 "bis laufend" nicht der Pflichtversicherung der Krankenversicherung nach dem BSVG unterlegen sei. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Mitbeteiligte seit 1. März 2000 von der Beschwerdeführerin eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer beziehe und einen landwirtschaftlichen Betrieb auf alleinige Rechnung und Gefahr mit einem Gesamteinheitswert über der Versicherungsgrenze zur bäuerlichen Krankenversicherung geführt habe. Der Beschwerdeführer und seine Ehefrau seien Eltern einer Adoptivtochter, geboren am 18. Juni 1968, deren Adoption mit Wirkung vom 25. Mai 1984 bewilligt worden sei. Diese Adoptivtochter habe am 15. Juni 1988 die Reifeprüfung abgelegt. Strittig sei, ob die Übergangsbestimmung des § 262 Abs. 3 i.V.m. § 277 Abs. 5 BSVG in Bezug auf den Mitbeteiligten weiterhin anzuwenden sei. Dazu sei auszuführen, dass der Ausschluss der Ausnahme nach § 262 Abs. 3 BSVG durch § 277 Abs. 5 BSVG insofern zu verneinen sei, als der Mitbeteiligte Vater einer Adoptivtochter sei. Gemäß § 277 Abs. 5 BSVG blieben Personen, die von der Krankenversicherung nach § 262 Abs. 3 BSVG bisher ausgenommen gewesen waren, mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2001 nur dann weiter ausgenommen, wenn auf sie eine der Voraussetzungen des § 24b BSVG zutreffe.
§ 24b Z. 2 BSVG erfordere das Kriterium, dass sich der Angehörige (im gegenständlichen Fall der Mitbeteiligte) der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 78 Abs. 4 erster Satz BSVG widme oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet habe. § 78 Abs. 2 Z. 2 BSVG lege dar, dass als Angehörige eheliche Kinder, die legitimierten Kinder und die Wahlkinder, somit auch das Adoptivkind des Mitbeteiligten gelten würden. Die Angehörigeneigenschaft von Kind und Enkel gelte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres, verlängere sich aber über diesen Zeitpunkt hinaus, wenn sich das Kind in einer Schul-/Berufsausbildung befinde, bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres.
Das Adoptivkind des Mitbeteiligten sei zum Zeitpunkt seiner Adoption am 25. Mai 1984 im 16. Lebensjahr gestanden. Die im angefochtenen Bescheid näher dargelegte Ausbildung der Adoptivtochter schließe an die 8. Schulstufe an und dauere fünf Jahre. Die Adoptivtochter des Mitbeteiligten habe am 15. Juni 1988, somit im 20. Lebensjahr, die Reifeprüfung abgelegt. Der Mitbeteiligte habe sich der Erziehung seiner Adoptivtochter in dem Zeitraum vom 25. Mai 1984 bis zur Ablegung der Reifeprüfung am 15. Juni 1988 gewidmet. Das Kriterium des § 24b Abs. 3 Z. 2 BSVG i. V.m. "§ 78 Abs. 4 Z. 1 BSVG" sei erfüllt worden. Der Berufungswerber bleibe daher weiterhin gemäß § 262 Abs. 3 i.V.m.
§ 277 Abs. 5 BSVG aus der Krankenversicherung nach dem BSVG ausgenommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und stellte den Antrag, die Beschwerde abzuweisen. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 4 Z. 1 BSVG sind in der Krankenversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes die Bezieher einer Pension - von hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen - pflichtversichert, solange sich diese Personen ständig im Inland aufhalten. Gemäß § 262 Abs. 3 BSVG bleiben Personen, die am 31. Dezember 1998 gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 oder als Ehegatten gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 von der Krankenversicherung ausgenommen waren, ausgenommen, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Ausnahme von der Krankenversicherung am 31. Dezember 1997 maßgeblich war. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach dem BSVG nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes.
Nach § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung war der Ehegatte einer Person, die auf Grund anderer bundesgesetzlicher Vorschriften in der Krankenversicherung pflichtversichert war, von der Pflichtversicherung in der bäuerlichen Krankenversicherung ausgenommen, sofern er nicht dem Personenkreis des § 78 Abs. 6 BSVG angehörte (was hier nicht in Betracht kommt).
2. Nach dem im Verfahren unwidersprochen gebliebenen Vorbringen des Mitbeteiligten, von dem auch die Beschwerdeführerin in ihrem Beschwerdevorbringen ausgeht, unterlag die Ehefrau des Mitbeteiligten (jedenfalls) seit 1. Jänner 1996 der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem ASVG, sodass der Mitbeteiligte von der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung nach dem BSVG gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 BSVG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung zum Stichtag gemäß § 262 Abs. 3 BSVG ausgenommen war.
3. § 262 Abs. 3 BSVG lautet:
"Personen, die am 31. Dezember 1998 gemäß § 5 Abs. 2 Z. 4 oder als Ehegatten gemäß § 5 Abs. 2 Z. 2 von der Krankenversicherung ausgenommen waren, bleiben ausgenommen, solange jener Sachverhalt unverändert bleibt, der für die Ausnahme von der Krankenversicherung am 31. Dezember 1997 maßgeblich war. Dabei gilt der Anfall einer Pension nach diesem Bundesgesetz bzw. der Bezug eines Arbeitslosengeldes nicht als Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes."
Durch die BSVG-Novelle BGBl. I Nr. 101/2001 wurde mit Wirkung vom 1. Jänner 2001 (vgl. § 280 Abs. 1 Z. 4 BSVG) in § 277 Abs. 5 BSVG die Regelung getroffen, dass Personen, die von der Krankenversicherung nach § 262 Abs. 3 bisher ausgenommen sind, nur dann ausgenommen bleiben, wenn auf sie eine der Voraussetzungen des § 24b zutrifft. § 24b BSVG steht unter der Überschrift "Zusatzbeitrag für Angehörige" und lautet wie folgt:
"§ 24b. (1) Für Angehörige (§ 78) ist ein Zusatzbeitrag im Ausmaß von 3,4% der für den Versicherten (die Versicherte) heranzuziehenden Beitragsgrundlage (Pension) zu leisten, für deren Ermittlung § 21 AlVG sinngemäß anzuwenden ist. Der Zusatzbeitrag entfällt zur Gänze auf den (die) Versicherte(n).
(2) Alle für die Beiträge zur Pflichtversicherung in der Krankenversicherung geltenden Rechtsvorschriften sind, sofern nichts anderes bestimmt wird, auf den Zusatzbeitrag nach Abs. 1 anzuwenden. Der (die) Versicherte schuldet jedoch den Zusatzbeitrag selbst und hat ihn auf seine (ihre) Gefahr und Kosten selbst einzuzahlen. Davon abweichend ist bei Pensionsbeziehern auf Antrag der Zusatzbeitrag von der jeweiligen Pension (Pensionssonderzahlung) einzubehalten und an den Versicherungsträger als Krankenversicherungsträger zu überweisen.
(3) Kein Zusatzbeitrag nach Abs. 1 ist einzuheben
1.
für Personen nach § 78 Abs. 2 Z 2 bis 6 und Abs. 4;
2.
wenn und solange sich der (die) Angehörige, mit Ausnahme solcher nach § 78 Abs. 7 Z 2, der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 78 Abs. 4 erster Satz widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat;
3. wenn und solange der (die) Angehörige Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze hat;
4. wenn und solange der (die) Angehörige den Versicherten (die Versicherte) mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 4 nach dem Bundespflegegeldgesetz oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze pflegt.
(4) Der Versicherungsträger hat bei Vorliegen einer besonderen sozialen Schutzbedürftigkeit des (der) Versicherten nach Maßgabe der vom Hauptverband hiezu erlassenen Richtlinien (§ 31 Abs. 5 Z 16a ASVG) von der Einhebung des Zusatzbeitrages nach Abs. 1 abzusehen oder diesen herabzusetzen. Eine besondere soziale Schutzbedürftigkeit liegt jedenfalls dann vor, wenn das Nettoeinkommen im Sinne des § 140 des (der) Versicherten den Richtsatz nach § 141 Abs. 1 lit. a aa nicht übersteigt."
Die Bestimmung, wonach die bisher von der Krankenversicherung nach § 262 Abs. 3 BSVG ausgenommenen Personen nur dann ausgenommen bleiben, wenn auf sie eine der Voraussetzungen des § 24b BSVG zutrifft, kann nur dahingehend verstanden werden, dass die Ausnahme von der Krankenversicherung weiterhin aufrecht bleibt, wenn ein Sachverhalt vorliegt, nach dem gemäß § 24b Abs. 3 und 4 BSVG kein Zusatzbeitrag für Angehörige zu leisten wäre. Dies ergibt sich auch daraus, dass nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage betreffend das Budgetbegleitgesetz 2001, mit dem diese Regelung materiell (damals in § 24c und § 277 Abs. 2 BSVG) geschaffen wurde, Angehörige mit Ausnahme der Kinder und Enkel in Hinkunft nur mehr dann beitragsfrei "mitversichert" sein sollten, wenn besonders berücksichtigungswürdige Umstände, wie z. B. Kindererziehungsarbeit, vorliegen. Solche "besonders berücksichtigungswürdigen Umstände" vermögen auch die Beibehaltung der Ausnahme von der Krankenversicherung zu begründen, sodass der an sich unklare Verweis auf § 24b BSVG in diesem Sinne zu verstehen ist.
Im vorliegenden Fall kommt zur Begründung einer weiteren Ausnahme des Mitbeteiligten von der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung nach dem BSVG ausschließlich § 24b Abs. 3 Z. 2 BSVG in Betracht. Demnach würde die Pflichtversicherung gemäß § 262 Abs. 3 BSVG i.V.m. § 277 Abs. 5 BSVG nicht eintreten, wenn oder solange sich der (die) Angehörige (mit der hier nicht relevanten Ausnahme von Angehörigen nach § 78 Abs. 7 Z. 2 BSVG) der Erziehung eines oder mehrerer im gemeinsamen Haushalt lebender Kinder nach § 78 Abs. 4 erster Satz widmet oder durch mindestens vier Jahre hindurch gewidmet hat.
§ 78 Abs. 4 erster Satz BSVG lautet:
"Kinder und Enkel (Abs. 2 Z. 2 bis 6) gelten als Angehörige
bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres."
Die von der belangten Behörde vorgenommene Auslegung, dass als Kinder und Enkel im Sinne des in § 24b Abs. 3 Z. 2 BSVG enthaltenen, ausdrücklich auf § 78 Abs. 4 erster Satz bezogenen Verweises auch Kinder und Enkel nach Vollendung des 18. Lebensjahres gelten (wenn und solange sie sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befinden, die ihre Arbeitskraft überwiegend beansprucht, längstens bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres), entfernt sich vom klaren Gesetzeswortlaut, da diese Erweiterung des Angehörigenbegriffs auf Kinder nach Vollendung des 18. Lebensjahres erst im zweiten Satz des § 78 Abs. 4 BSVG enthalten ist. Eine Begründung, weshalb die belangte Behörde vom klaren Wortlaut der anzuwendenden Norm abweicht, ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen und ist auch für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, zumal das Abstellen auf die Altersgrenze von 18 Jahren (und die damit in der Regel gegebene Volljährigkeit) unter dem Gesichtspunkt der Berücksichtigung der "Kindererziehungsarbeit", wie sie in den zitierten Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2001 angesprochen wird, nicht als unsachlich zu erkennen ist.
Im Hinblick auf die Adoption des Kindes am 25. Mai 1984 und die Vollendung des 18. Lebensjahres am 18. Juni 1986 konnte der Mitbeteiligte die Voraussetzung einer Erziehungstätigkeit durch mindestens vier Jahre im Sinne des § 24b Abs. 3 Z. 2 BSVG somit nur unter der Voraussetzung erfüllen, dass schon vor dem Wahlkindverhältnis ein Pflegekindschaftsverhältnis im Sinne des § 78 Abs. 2 Z. 6 BSVG bestanden hätte. Dies hat die belangte Behörde bislang aber weder untersucht noch festgestellt.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.
Wien, am 7. September 2005
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2005:2003080125.X00Im RIS seit
20.10.2005