Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Evelyne B***, Angestellte, Gußriegelstraße 29/20/3, 1100 Wien, vertreten durch Dr. Martha Friedmann, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ing. Norbert B***, Angestellter, Schenkendorfstraße 57/7, 1210 Wien, vertreten durch Dr. Michael Datzik, Rechtsanwalt in Wien, wegen Wiederaufnahme des Ehescheidungsverfahrens infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 21. November 1986, GZ 15 R 248/86-13, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. August 1986, GZ 3 Cg 171/85-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 5.657,85 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Umsatzsteuer von S 514,35) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit dem Urteil des Erstgerichtes vom 11. Juni 1986, GZ 3 Cg 453/81-37, wurde die Ehe der Streitteile aus dem überwiegenden Verschulden der Klägerin geschieden. Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung wurde nicht Folge gegeben. Mit Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17. März 1987, 5 Ob 524/87, wurde der Revision der Klägerin nicht Folge gegeben. Als schwere Eheverfehlung des Beklagten waren unter anderem ehewidrige Beziehungen zu Hermine S*** der Witwe seines Onkels geltend gemacht worden. Sie wurden jedoch als nicht erwiesen gewertet: Die Klägerin habe den Beklagten zwar durch Detektive überwachen lassen, doch hätten deren Beobachtungen keinen Anhaltspunkt für eine solche Verdächtigung ergeben. Daß sich der Beklagte nach Kinobesuchen bei seiner um fünfzehn Jahre älteren Tante, die nach dem Tode ihres Mannes alleinstehend war, "eingehängt" habe, sei ein harmloses Verhalten und lasse keinen Schluß auf ehewidrige Beziehungen zu. Der Altersunterschied und das Verwandtschaftsverhältnis ließen solche Beziehungen auch wenig glaubhaft erscheinen, zumal die Beobachtung der beiden keine diesbezüglichen Anhaltspunkte erbrachte. In der vorliegenden Wiederaufnahmsklage behauptete die Klägerin, daß sie am 28. Mai 1985, also nach dem Schluß der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz des Verfahrens 3 Cg 453/81, in Kenntnis von Tatsachen gelangt sei, die nunmehr eindeutig die Beziehungen des Beklagten zu Hermine S*** als ehewidrig klarstellten. Der Beklagte unternehme gemeinsame Reisen mit dieser und nächtige mit ihr in einem Zweibettzimmer, wobei sich diese als "Frau Bruckner" ausgebe. Dies lasse den Schluß auf ehebrecherische Beziehungen zu und sei auf jeden Fall ehewidrig.
Der Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Es sei richtig, daß er im Mai 1985 eine Reise mit seiner Tante Hermine S*** unternommen habe. Es habe sich dabei jedoch um ein Familientreffen anläßlich einer Hochzeit in Lokeren in Belgien gehandelt, wozu der Beklagte und Hermine S*** eingeladen worden waren. Zunächst sei ihnen mitgeteilt worden, daß sie im Haus des Cousins wohnen könnten. Im April 1985 hätten sie allerdings erfahren, daß dort doch kein Platz sei, der Cousin aber ein Zimmer bestellen und bezahlen werde. Die Anreise sei mit dem Wagen Hermine S*** erfolgt. Bei ihrem Eintreffen in Lokeren sei schon ein Zweibettzimmer durch den Cousin bestellt gewesen. Es seien die Pässe des Beklagten und Hermine S*** an der Rezeption des Hotels vorgelegt worden. Ein Meldeformular sei nur vom Beklagten ausgefüllt worden; dieser habe Hermine S*** nicht als seine Ehefrau ausgegeben.
Das Erstgericht wies die Wiederaufnahmsklage ab. Es gab die Feststellungen des Scheidungsverfahrens wieder und stellte weiters folgenden für das Wiederaufnahmeverfahren relevanten Sachverhalt fest:
Im Jahre 1984 kündigte der in Belgien lebende uneheliche Sohn des verstorbenen Ehegatten Hermine S*** dieser und dem Beklagten, dem Neffen des verstorbenen Mannes der Hermine S***, die Hochzeit seiner Tochter Heidi für Mai 1985 an. Er lud sie beide dazu ein und versprach ihnen, auch für die Unterkunft zu sorgen. Der Beklagte fuhr mit Hermine S*** von Wien ab und übernachtete in einem Zimmer im Rheintal gemeinsam mit ihr. Am frühen Nachmittag des 28. April 1985 kam der Beklagte mit Hermine S*** in Lokeren in Belgien an. Beim Sohn des verstorbenen Ehegatten von Hermine S*** wurde gegessen und um etwa 23 Uhr kam der Beklagte mit dieser in das Hotel "Le Fox Reinard". Dort zeigten sowohl der Beklagte als auch Hermine S*** die Pässe; der Angestellte sagte "okay". Er händigte dem Beklagten den Zimmerschlüssel aus. Die beiden nächtigten in diesem Zimmer; es ist dort ein separiertes Badezimmer vorhanden, der Beklagte hat Hermine S*** nicht nackt gesehen, diese hat sich zu der Zeit, als der Beklagte zum Frühstück ging, gewaschen und angezogen. Der Beklagte und Hermine S*** gaben sich niemals als Ehepaar aus und hatten auch gar keine Gelegenheit dazu. Der Beklagte trug lediglich seinen Namen im Meldezettel ein und setzte dort die Adresse von Hermine S*** ein. Am Samstag, dem 4. Mai um die Mittagszeit reisten beide aus Lokeren ab. Etwa um Mitternacht kamen sie in Wien an. Der Beklagte nächtigte damals im Wohnzimmer von Hermine S***.
Am 28. Mai 1985 erhielt die Klägerin Kenntnis von der Tatsache, daß der Beklagte und Frau S*** in Lokeren gemeinsam genächtigt hatten.
In seinen rechtlichen Ausführungen wies das Erstgericht zunächst auf die Behauptungen der Wiederaufnahmsklägerin im Scheidungsverfahren 3 Cg 453/81 des Erstgerichtes hin, wonach der Beklagte zu Hermine S*** ehewidrige Kontakte habe. Gemäß § 530 Abs 1 Z 1 ZPO könnten zwar für diese Tatsachenbehauptung weitere Beweismittel als Wiederaufnahmsgründe vorgebracht werden, die erst nach Schluß der Verhandlung entstanden seien; das Beweisverfahren habe jedoch ergeben, daß sich der Beklagte und Hermine S*** niemals als Ehepaar ausgegeben hätten. Dem Gericht sei schon im Scheidungsverfahren bekannt gewesen, daß sie wiederholt gemeinsam Tage und Nächte, und zwar auch in Hotelzimmern, verbracht hätten. Das neue Vorbringen wäre daher nicht geeignet gewesen, eine günstigere Entscheidung im Scheidungsverfahren herbeizuführen. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, sondern bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung. Es verwarf deren Mängelrüge, wonach das Erstgericht zu Unrecht einen weiteren Detektiv nicht vernommen habe. Weiters wies es darauf hin, daß die Tatsache der gelegentlichen Übernachtung des Beklagten bei seiner Tante nach deren unwiderlegten eigenen Aussage keineswegs erst seit dem Tode eines Ehegatten der Fall war. Daß beide aus wirtschaftlichen Gründen in Zweitbettzimmern übernachteten, stehe durchaus im Einklang mit dem relativ geringen Einkommen des Beklagten, das dieser mit seiner Ehefrau und zwei Kindern teilen müsse. Die durch nichts erwiesene Behauptung der Klägerin, daß Hermine S*** "immer einen Mann brauche", spreche eher dafür, daß ein erotischer oder sonstiger ehewidriger Hintergrund der Beziehungen des Beklagten zu seiner fünfzehn Jahre älteren Tante von der Klägerin nur aus prozeßtaktischen Gründen behauptet worden sei, um diese als einzige mit der Sachlage näher vertraute und zur Aussage bereite Zeugin auszuschalten. Es sei bei Zufahrten mit dem Auto keineswegs ungewöhnlich, daß der genaue Name eines kleineren Ortes im Ausland, in welchem Station gemacht wurde, ebensowenig wie die dort zur Nächtigung benützte Pension nicht in Erinnerung blieben. Es habe daher im Beweisverfahren nicht erhärtet werden können, daß der Beklagte auf gemeinsamen Reisen mit der um fünfzehn Jahre älteren Hermine S*** ehebrecherische Beziehungen unterhalten habe. Es habe lediglich festgestellt werden können, daß der Beklagte mit ihr nach wie vor gelegentlich auf gemeinsamen Reisen aus finanziellen Gründen (oder auch mangels ausreichender Zahl an Einbettzimmern) in Zweibettzimmern übernachtet habe. Damit sei aber nur ein Verhalten fortgesetzt worden, das zur Zeit des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz des wiederaufzunehmenden Verfahrens bereits bekannt gewesen und als nicht ehewidrig beurteilt worden sei.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Klägerin aus den Anfechtungsgründen des § 503 Abs 1 Z 2, 3 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Begehren auf Wiederaufnahme des Scheidungsverfahrens 3 Cg 453/81, 77/82 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die Klägerin macht zunächst angebliche Verfahrensmängel nach § 503 Abs 1 Z 2 ZPO geltend und behauptet weiters, daß dem Berufungsgericht Aktenwidrigkeiten im Sinne des § 503 Abs 1 Z 3 ZPO unterlaufen seien; die geltend gemachten Revisionsgründe liegen jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).
Unter Heranziehung des Revisionsgrundes des § 503 Abs 1 Z 4 ZPO führt die Klägerin aus, daß die wiederholten Nächtigungen des Beklagten mit der Tante "nur als erotische Handlungen" beurteilt werden könnten. Dem stehen jedoch die Feststellungen der Vorinstanzen entgegen, wonach ein erotischer Hintergrund zwischen den erhobenen Beziehungen des Beklagten zu der um 15 Jahre älteren Witwe seines Onkels nicht bestand. Die Rechtsrüge ist demnach in diesem Belang nicht gesetzmäßig ausgeführt.
Im übrigen haben die Vorinstanzen zutreffend die von der Klägerin neu vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel im Wiederaufnahmeverfahren nicht nur im Hinblick auf ihre abstrakte Eignung, eine Änderung der im Vorprozeß erflossenen Entscheidung herbeizuführen, gewürdigt, sondern auch eine Prüfung dahingehend vorgenommen, ob die Nichtberücksichtigung der neuen Tatsachen und Beweismittel im Vorprozeß geeignet war, die Beweiswürdigung im Vorprozeß zu beeinflussen und etwa aus diesem Grund die Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens und damit die Aufhebung der Vorentscheidung gerechtfertigt erscheint (Fasching IV 517; derselbe in JBl 1956, 245 ff; SZ 27/149; SZ 32/33 = EvBl 1959/166; SZ 38/215; JBl 1972/89, EFSlg 18.575, 20.848; 3 Ob 22/75 ua). Dabei hat das Berufungsgericht zutreffend darauf hingewiesen, daß nach der nunmehr erweiterten Sachverhaltsgrundlage nur die Fortsetzung eines Verhaltens des Beklagten und seiner Tante festgestellt werden konnte, das zur Zeit des Schlusses der mündlichen Streitverhandlung erster Instanz des wiederaufzunehmenden Verfahrens bereits bekannt war und als nicht ehewidrig beurteilt wurde. Alle gegenteiligen Argumente der Klägerin sind daher nicht stichhältig.
Ihrer Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
Anmerkung
E10959European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0050OB00548.87.0508.000Dokumentnummer
JJT_19870508_OGH0002_0050OB00548_8700000_000