Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann S*** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und Z 2, 130 letzter Fall sowie 15 StGB über die Berufungen der Angeklagten Johann S***, Helmut K*** und Harald S*** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 14.Jänner 1987, GZ 4 c Vr 12.155/85-170, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Rzeszut, und der Verteidiger Dr. Doczekal, Dr. Zanger und Dr. Schindler, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Gemäß § 290 Abs 1 StPO wird das erstgerichtliche Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der den Angeklagten S*** betreffenden getrennten rechtlichen Beurteilung der von den Punkten A und B des Schuldspruches erfaßten Taten einerseits als Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall sowie 15 StGB und andererseits als Verbrechen des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 131 erster Fall StGB sowie demgemäß in dem diesen Angeklagten betreffenden Strafausspruch einschließlich des Ausspruches über die Vorhaftanrechnung aufgehoben und in diesem Umfang nach § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Harald S*** hat durch die ihm laut den Punkten A und B des Schuldspruches zur Last fallenden Taten das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen, teils auch räuberischen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall, 131 erster Fall sowie 15 StGB begangen und wird hiefür nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB sowie gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf die Verurteilung durch das Strafbezirksgericht Wien vom 14.Oktober 1986, AZ 9 U 1172/86 zu 20 (zwanzig) Monaten Freiheitsstrafe als Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 38 Abs 1 Z 1 StGB werden dem Angeklagten S*** die Vorhaftzeiten vom 18.November 1985, 22,30 Uhr, bis 19.November 1985, 16,15 Uhr, vom 14.April 1986, 17,15 Uhr, bis 15.April 1986, 9,00 Uhr, am 17.April 1986 von 1,30 Uhr bis 15,00 Uhr sowie vom 9. Juni 1986, 17,35 Uhr, bis 16.Oktober 1986, 12,00 Uhr, auf die Freiheitsstrafe angerechnet.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte S*** darauf verwiesen. Den Berufungen der Angeklagten S*** und K*** wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafen gemäß §§ 31, 40 StGB jeweils unter Bedachtnahme auf das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 29.September 1986, GZ 20 qu Vr 8037/86-58 (im Strafausspruch abgeändert durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17.Februar 1987, GZ 10 Os 182/86-10) bei S*** auf ein Jahr und bei K*** auf drei Monate, jeweils als Zusatzfreiheitsstrafen, herabgesetzt werden. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten S***, K*** und S*** auch die Kosten des Berufungsverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem bekämpften Urteil, das auch Schuldsprüche mehrerer weiterer am Rechtsmittelverfahren nicht beteiligter Angeklagten sowie Freisprüche enthält, wurden der Angeklagte Johann S*** des in elf Angriffen verübten Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall sowie 15 StGB, der Angeklagte Helmut K*** des in zwei Fällen verübten Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 129 Z 1 StGB und der Angeklagte Harald S***, dem 14 diebische Angriffe zur Last liegen, nach der diesbezüglichen Formulierung des erstgerichtlichen Urteilsspruches des "teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Deliktsfall und 15 StGB" sowie überdies des "Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 131 erster Deliktsfall StGB" schuldig erkannt.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten S*** und S*** wurden vom Obersten Gerichtshof bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung mit dem Beschluß vom 28.April 1987, GZ 10 Os 51/87-6, zurückgewiesen.
Aus Anlaß der Behandlung dieser Nichtigkeitsbeschwerden mußte sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugen, daß dem Schöffengericht in der (oben wiedergegebenen) gesonderten Beurteilung der dem Angeklagten S*** zur Last fallenden Diebstaten als zwei Verbrechen ein der Bestimmung des § 29 StGB zuwiderlaufender materiellrechtlicher Subsumtionsirrtum (§ 281 Abs 1 Z 10 StPO) sowie durch eine - durch die Unterlassung der Anrechnung von Vorhaftzeiten, die der Angeklagte S*** (über die im erstgerichtlichen Urteil angerechneten hinaus) erlitten hatte (vgl S 265 und 299 in Band II) - nur unvollständige Anrechnung von Vorhaftzeiten eine weitere, diesen Angeklagten benachteiligende, Nichtigkeit nach der Z 11 der soeben zitierten Gesetzesstelle bewirkende Verletzung der Bestimmung des § 38 StGB unterlief. Diese Gesetzesverletzuneng blieben ungerügt.
Im Hinblick darauf war mit einer Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO vorzugehen (und zwar deshalb erst im Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung, weil nur in einem solchen die nach Lage des Falles erforderliche Entscheidung in der Sache selbst gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO gefällt werden kann).
Es war demnach das angefochtene Urteil in der den Angeklagten S*** betreffenden rechtlichen Beurteilung und demzufolge auch im Strafausspruch sowie im Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaftzeiten betreffend diesen Angeklagten aufzuheben und in diesem Umfang gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO in der Sache selbst zu erkennen. Die (gleichartig realkonkurrierenden, nur in den einzelnen Qualifikationen unterschiedlichen) Taten des Angeklagten S*** stellen in rechtlich richtiger Beurteilung (ein) Verbrechen (§ 28 StGB) des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen, teils auch räuberischen Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall, 131 erster Fall sowie 15 StGB dar.
Bei der danach erforderlichen Neubemessung der über den Angeklagten S*** zu verhängenden Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die mehrfachen Vorverurteilungen wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Taten, den Umstand, daß der Wert der Beute nahe an der Grenze von 100.000 S liegt (ÖJZ-LSK 1977/74 ua), darüber hinaus aber auch die mehrfache Qualifikation und die Tatwiederholung, welche Umstände nicht zu den begrifflichen Voraussetzungen der Gewerbsmäßigkeit gehören und daher auch hier bei der Gewichtung der Strafzumessungsgründe innerhalb des aktuellen Strafrahmens nicht außer Betracht bleiben können (ÖJZ-LSK 1983/120), als mildernd dagegen das Geständnis, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb und zum Teil eine Einwirkung des Mitangeklagten B*** (dem das Schöffengericht auch eine führende Tatbeteiligung als erschwerend zur Last legte) sowie das Alter des Angeklagten S*** unter 21 Jahren zu Tatzeiten. Wenngleich durch die - oben dargelegte - Notwendigkeit, das angefochtene Urteil von Amts wegen auch im Strafausspruch des Angeklagten S*** aufzuheben und mit einer Strafneubemessung vorzugehen, dessen gegen diesen Ausspruch gerichtetu Berufung darauf zu verweisen war, hat sich der Oberste Gerichtshof hiebei dennoch mit dem in diesem Rechtsmittel enthaltenen Vorbringen auseinandergesetzt.
Eine Bereitschaft zur Schadensgutmachung und ein Anerkenntnis des Ersatzanspruches des Geschädigten stellen allerdings keinen Milderungsgrund dar (vgl Leukauf-Steininger, StGB 2 RN 23 zu § 34). Auch der Alkohol- und Tablettenmißbrauch, auf den er verweist, ist nicht mildernd, denn dieser von ihm selbst zugegebene fortgesetzte übermäßige (vgl S 387/III) Genuß berauschender Mittel stellt sich nach den Umständen des Falles als vorwerfbar im Sinn des § 35 StGB dar.
Auf der Grundlage der vom Obersten Gerichtshof festgestellten Strafzumessungsgründe scheint die Verhängung einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 20 Monaten als dem Unrechtsgehalt der Taten und der Schuld des Täters angemessen.
Die Gewährung der bedingten Strafnachsicht nach dem 2. Absatz des § 43 StGB konnte angesichts der einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten S*** und der Deliktshäufung im gegenständlichen Verfahren nicht in Erwägung gezogen werden, weil dem einerseits generalpräventive Erwägungen entgegenstehen und andererseits auch aus spezialpräventiver Sicht die - nach der zitierten Gesetzesstelle erschwerten - hiezu erforderlichen Voraussetzungen nicht vorliegen. In den - ebenfalls aus Anlaß der Neubemessung der Strafe neu zu fassenden Ausspruch über die Anrechnung der Vorhaft waren auch die vom Erstgericht übersehenen Vorhaftzeiten zusätzlich aufzunehmen. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten S*** nach dem zweiten Strafsatz des § 130 StGB zu 15 Monaten und den Angeklagten K*** nach § 129 StGB zu sechs Monaten Freiheitsstrafe; bei letzterem sah es die Strafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nach.
Bei der Strafbemessung wertete es bei S*** keinen Umstand, bei K*** die Begehung zweier Einbruchsdiebstähle als erschwerend, bei beichn das Geständnis und die jweilige Unbescholtenheit, bei S*** überdies den Umstand, daß es teilweise beim Versuch blieb, bei K*** hingegen die Schadensgutmachung als mildernd. Den Berufungen dieser beiden Angeklagten, die das Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe oder zumindest (teils ausdrücklich, teils implicite) eine Strafreduktion anstreben, kommt Berechtigung zu.
Zum Zeitpunkt der Fällung des erstgerichtlichen Urteils war das Urteil des Geschwornengerichtes beim 5andesgericht für Strafsachen Wien vom 29.September 1986, GZ 20 qu Vr 8037/86-58, mit dem die Angeklagten S*** und K*** des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 erster und zweiter Fall StGB, S*** jeweils auch nach § 15 StGB, schuldig erkannt und zu Freiheitsstrafen verurteilt wurden, noch nicht rechtskräftig. Das Schöffengericht war somit - entgegen der vom Angeklagten K*** in seiner Berufung vertretenen Meinung - nicht in der Lage, darauf Bedacht zu nehmen. Mittlerweile wurde jener Straffall durch das Urteil des Obersten Gerichtshofes vom 17.Februar 1987, GZ 10 Os 182/86-10, abgeschlossen; mit diesem Urteil wurde die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten K*** verworfen; in Stattgebung der Berufungen der beiden genannten Angeklagten wurden die verhängten Freiheitsstrafen - bei S*** auf sechs Jahre und bei K*** auf fünf Jahre - herabgesetzt. Somit ist auf die nunmehr rechtskräftige Entscheidung in jenem Straffall Bedacht zu nehmen. Dem Berufungsvorbringen des Angeklagten S*** zuwider kann allerdings von einer nennenswerten Schadensgutmachung keine Rede sein. Richtig ist jedoch, daß auch ihm im Hinblick auf die vom Schöffengericht konstatierte führende Tatbeteiligung des Mitangeklagten B*** im gewissen Ausmaß dessen Einwirkung als mildernd zugutekommt.
Dagegen fällt ihm - aus jenen Erwägungen, die bereits zur Strafbemessung beim Angeklagten S*** angestellt wurden - trotz der Annahme der Gewerbsmäßigkeit auch die Faktenhäufung und die mehrfache Qualifikation als erschwerend zur Last.
Dem Angeklagten K*** hinwieder ist über die vom Erstgericht konstatierten Milderungsgründe weiters zugutezuhalten, daß er die beiden Diebstaten im Oktober 1985 noch vor Vollendung des 21. Lebensjahres beging.
Auch unter Berücksichtigung der solcherart korrigierten Strafzumessungsgründe kommt jedoch bei diesen beiden Angeklagten ein Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe nicht in Betracht. Bei S*** wäre bei gemeinsamer Aburteilung wegen dreier Raubfakten, wovon eine Tat beim Versuch blieb und der im vorliegenden schöffengerichtlichen Urteil behandelten Diebstähle eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Jahren angemessen gewesen. Demnach war nunmehr die Strafdauer auf ein Jahr Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe zu mäßigen.
Beim Angeklagten K*** wäre es bei gemeinsamer Aburteilung wegen zweier Raubfakten und der nunmehr behandelten zwei Diebstahlsfakten nicht angebracht gewesen, mit der gesetzlichen Mindeststrafe (von fünf Jahren) vorzugehen, sodaß ein Absehen von der Verhängung einer Zusatzstrafe nicht in Betracht gezogen werden kann. Allerdings ist das Gewicht der beiden nun zu behandelnden Diebstähle verhältnismäßig gering. Die Strafe war demnach auf drei Monate als Zusatzstrafe zu mäßigen.
Die Gewährung bedingter Strafnachsicht für diesen Angeklagten wurde nicht angefochten und ist damit nicht Gegenstand des nunmehrigen Berufungsverfahrens.
Im Hinblick auf die im schöffengerichtlichen Urteil unterlassene Vorhaftanrechnung bei den Angeklagten S*** und K***, die damit begründet wurde, daß die Vorhaftzeiten bereits im Verfahren AZ 20 qu Vr 3837/86 des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien angerechnet worden seien (US 33), bleibt anzumerken:
Wie dargestellt, war zum Zeitpunkt des schöffengerichtlichen Urteils das erwähnte geschwornengerichtliche Urteil nicht rechtskräftig. In einem solchen Fall ist die (neuerliche) Vorhaftanrechnung zwingend geboten (ÖJZ-LSK 1976/43, 1976/122, 1978/42, 1979/119 uam); die Vorgangsweise das Erstgerichtes würde nämlich sonst dazu führen, daß für den Fall eines durch das Rechtsmittelgericht oder in einem erneuten Verfahrensgang gefällten Freispruches in jenem Verfahren, in welchem zuerst ein (bekämpftes) Urteil erging, die Vorhaft überhaupt unangerechnet bliebe. Sie verwirklichte somit an sich einen Nichtigkeitsgrund im Sinn der Z 11 des § 281 Abs 1 StPO. Dieser war aber vorliegend mangels eines im nunmehrigen Zeitpunkt noch wirksamen Nachteils für die Angeklagten S*** und K*** nicht mehr von Amts wegen aufzugreifen, denn aus dem vom Obersten Gerichtshof beigeschafften Akt AZ 20 qu Vr 8037/86 des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien ergibt sich, daß dort mittlerweile der Strafvollzug über S*** und K*** eingeleitet und dabei bereits bei Berechnung der Strafzeit auf die im geschwornengerichtlichen Verfahren angerechneten Vorhaft Bedacht genommen wurde (ON 70 und 71 im zitierten Akt; vgl hiezu ÖJZ-LSK 1977/6).
Anmerkung
E10816European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00051.87.0512.000Dokumentnummer
JJT_19870512_OGH0002_0100OS00051_8700000_000