Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 12.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Horak und Dr. Felzmann als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann J*** wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1, Abs 2, zweiter Fall, StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6.November 1986, GZ 7 b Vr 615/86-80, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, des Generalanwaltes Dr. Scheibenpflug, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Ofner zu Recht erkannt:
Spruch
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und es wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 13.Mai 1919 geborene Pensionist Johann J*** des Verbrechens der ("vollendeten") Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB sowie des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Überdies ficht er den Strafausspruch mit Berufung an.
Rechtliche Beurteilung
Die Nichtigkeitsbeschwerde ist berechtigt.
Als Verbrechen der Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB wird dem Angeklagten - laut Urteilsspruch - vorgeworfen, sich Ende Juni 1981 in Wien ein ihm anvertrautes Gut in einem 100.000 S übersteigenden Wert, nämlich Geld, das ihm von Margarita N***-P*** zur bestmöglichen Veranlagung übergeben worden war, mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, zugeeignet zu haben, indem er dafür ohne Wissen der Margarita N***-P*** US-Dollar 50.000 IBM-Anleihen im Wert von umgerechnet 869.000 S und US-Dollar 50.000 GZE-Anleihen im Wert von umgerechnet 878.000 S erwarb, diese Anleihen mit dem Margarita N***-P*** unbekannten Losungswort "H***" belegte und sich in der Folge weigerte, das richtige Losungswort bekanntzugeben. Nach den wesentlichen Feststellungen des Erstgerichtes disponierte der Angeklagte über große Teile des Vermögens der Margarita N***-P***, indem er damit die oben näher bezeichneten Anleihestücke kaufte. Diese Wertpapiere mußten im Depot der Verkäuferin (Ö*** L***) verbleiben, während der Angeklagte nur zwei Juxten-Bons ausgefolgt erhielt. Entgegen seiner sonstigen Gewohnheit, bei Bankgeschäften für Margarita N***-P*** als Losungswort den Vornamen ihrer Mutter ("I***") zu verwenden, vinkulierte er den Depoterlag mit dem Losungswort "H***" (Vorname seines Sohnes), welches er Margarita N***-P*** nicht mitteilte. Damit verwendete er - so die (dem Urteilstenor freilich widersprechenden) weiteren Ausführungen des Erstgerichtes - die hiebei eingesetzten Vermögenswerte insoweit vereinbarungswidrig, als er ursprünglich von Margarita N***-P*** lediglich den Auftrag erhalten hatte, ihr Barvermögen in Pfandbriefen anzulegen. Nachdem sich ihr bis dahin eng freundschaftliches Verhältnis zum Angeklagten verschlechtert und er ihr auf Drängen im Oktober 1981 insgesamt 2,075.000 S in mehreren Teilbeträgen herausgegeben hatte, erfuhr Margarita N***-P*** erstmals vom Anleihekauf. Über Aufforderung des Rechtsanwaltes Dr. K*** gab der Angeklagte am 23. November 1981 auch die beiden Juxten-Bons heraus, verwies auf die Frage nach dem Losungswort aber zunächst darauf, daß Margarita N***-P*** es ohnedies aus früheren Bankgeschäften kenne (womit er das Losungswort "I***" meinte) und behauptete
schließlich - nachdem die Zeugin N***-P*** sowie Dr. K*** bei der Ö*** L*** feststellen hatten müssen, daß
dieses Losungswort nicht stimmte -, er habe das hier verwendete Losungswort vergessen und werde es bekanntgeben, sobald er sich dessen wieder entsinne. Daraufhin wurde - nach Einbringung einer Klage auf Bekanntgabe des Losungswortes - die Strafanzeige gegen Johann J*** bei der Staatsanwaltschaft Wien erstattet, welche dort am 14.Dezember 1981 einlangte. Erst danach, nämlich am 12. Jänner 1982, fand sich der Angeklagte - welcher zu diesem Zeitpunkt bereits auf Grund staatsanwaltlicher Erhebungsaufträge zur Vernehmung zum Sicherheitsbüro der Bundespolizeidirektion Wien geladen war - bereit, dem Rechtsanwalt das richtige Losungswort "H***" bekanntzugeben (Bd. II S 157 dA). Das Erstgericht ging in bezug auf die subjektive Tatseite davon aus, daß der Angeklagte mit dem direkten Vorsatz handelte, sich die Anleihestücke zuzueignen und sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern (Bd. II S 154 dA), und beurteilte die Tat - abweichend von der sie als Verbrechen der versuchten Veruntreuung wertenden Anklageschrift (Pkt. I/2 in ON 34) - als Verbrechen der (vollendeten) Veruntreuung nach dem § 133 Abs 1 und Abs 2, zweiter Fall, StGB (Bd II S 154, 163 dA). Als Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs 3 StGB wird dem Angeklagten angelastet, am 1.Juli 1981 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Margarita N***-P*** durch Täuschung über Tatsachen, nämlich durch die Behauptung, er wolle die bei ihr bestehende Schuld in der Höhe von ca. 1,700.000 S (resultierend aus der Gewährung eines Darlehens von 700.000 S und der Verwendung und Realisierung von Pfandbriefen der N***
H*** in der Höhe von 975.000 S) vor ihrer gemeinsamen Reise nach Mexiko in einem Zug tilgen und er verkaufe ihr zur Tilgung in Anrechnung auf diese Schuld ein Waldmüller-Gemälde, das einen Wert von 1,500.000 S repräsentiere, zu einer Handlung verleitet zu haben, die Margarita N***-P*** am Vermögen schädigte, nämlich zum Ankauf eines Bildes, das in Wirklichkeit nur höchstens 500.000 S wert ist, "wobei der Betrag von 1,500.000 S, um 500.000 S verringert, sohin der Schaden 100.000 S übersteigt und ca. 1,200.000 S beträgt" (Urteilssatz Bd. II S 121 dA). Vom Erstgericht wurde hiezu festgestellt, daß der Angeklagte seit mindestens 1978 ein kleines, von Ferdinand Georg Waldmüller (Vater) stammendes Bild im Format 15 x 20 cm besitzt, welches einen Bauernhof mit geöffnetem Tor darstellt. Er erklärte Margarita N***-P***, daß sein Sohn sich mit der Auflösung von Verlassenschaften beschäftige und das Bild um 20.000 S von einer alten Dame gekauft habe. Im Jahr 1979 holte er eine Expertise des damaligen Direktors des Wiener Diözesanmuseums Dr. Rupert F*** ein, welche die Echtheit des Bildes bestätigt, aber keine Wertangaben enthält. Nach Annahme des Erstgerichtes täuschte der Angeklagte der Zeugin N***-P*** "mit direktem Vorsatz" vor, daß er noch vor ihrer (für zwei Tage später) geplanten gemeinsamen Reise nach Mexiko alle seine bei ihr bestehenden Schulden (insbes. 700.000 S aus einem gewährten Darlehen und 975.000 S, welche aus ihrem Vermögen zur Zurückzahlung eines Kredites des Angeklagten aufgewendet worden waren) begleichen und ihr zur Schuldentilgung das Waldmüller-Bild verkaufen wolle. Er verfertigte einen mit 15. Februar 1981 (rück-)datierten Kaufvertrag, in den er als Kaufpreis einen Betrag von 1,500.000 S einsetzte, wobei er mit Schädigungsvorsatz (der auch den tatsächlich eingetretenen Schaden von 1,200.000 S umfaßte) handelte. Das Schöffengericht war der Überzeugung, daß Margarita N***-P***, obwohl sie den wahren Wert des ihr angebotenen Bildes nicht kannte und an dem Kunstgegenstand auch kein Interesse hatte, so unter dem Einfluß des Angeklagten stand, daß sie den Vertrag trotzdem am 1.Juli 1981 unterschrieb (Bd. II S 145 ff dA). Der Schadensberechnung legte das Erstgericht augenscheinlich ein nachträglich (am 3.November 1981) eingeholtes Gutachten des Chefexperten der Kunstabteilung des Dorotheums Wien, Prof. Dr. Hans H***, in dem der Wert des Bildes mit 500.000 S beziffert wurde (Bd. I S 75 dA) und das Gutachten des in diesem Verfahren bestellten Kunstsachverständigen Komm.Rat Rudolf O*** sen. vom 8.Juni 1982 zugrunde, in welchem dem Bild ein Wert von maximal 400.000 S zuerkannt wird (Bd. I S 93 dA).
Wie der Beschwerdeführer zutreffend vorbringt, blieben die Urteilsfeststellungen über den Täuschungsvorsatz des Angeklagten und über die Täuschung der Margarita N***-P*** unvollständig begründet. Abgesehen davon, daß die Annahme, Margarita N***-P*** habe an einen Wert des Bildes von 1,500.000 S geglaubt, angesichts der für erwiesen erachteten Tatsache, daß ihr der seinerzeitige Kaufpreis von 20.000 S bekannt war, einer eingehenden Begründung bedurft hätte, setzte sich das Erstgericht auch nicht mit der Zeugenaussage der Margarita N***-P*** in der Hauptverhandlung auseinander, wonach sie das Bild "nicht interessiert habe" und sie es "nicht haben wollte". Sie knüpfte daran noch die (rhetorische) Frage, warum sie das Bild - in Kenntnis des angeblichen Ankaufspreises von 20.000 S - um 1,500.000 S "hätte kaufen sollen"; der Angeklagte habe es schätzen lassen und "einer hat das Bild auf 400.000 S und ein anderer auf 500.000 S geschätzt"; der Angeklagte habe aber dafür 1,000.000 S verlangt; außerdem habe er ihr gesagt, daß der Kaufvertrag nach der Rückkehr aus Amerika vernichtet werde (Bd. II S 105 und 106 dA).
Diese Angaben sind zwar insoweit erwiesenermaßen objektiv falsch, als die Schätzungsgutachten erst später teils durch die Zeugin selbst, teils durch das Gericht eingeholt wurden und der Kaufpreis - laut im Akt erliegendem Kaufvertrag - nicht 1,000.000 S, sondern 1,500.000 S betrug. Dessenungeachtet könnten sie jedoch im Zusammenhalt mit den festgestellten zunächst engen freundschaftlichen Beziehungen der Zeugin zum Angeklagten und ihrer sich aus den illustrativen Urteilsfeststellungen ergebenden außerordentlichen finanziellen Freizügigkeit während dieser Zeit zur Annahme führen, daß Margarita N***-P*** den weit unter dem (als bloße Verrechnungsgröße angesehenen) Kaufpreis anzusetzenden tatsächlichen Wert des Kunstobjekts ohnedies kannte, ihr aber damals weniger an einer Tilgung der Schulden des Angeklagten als vielmehr daran gelegen war, die gemeinsame Reise nach Mexiko zu sichern, die der Angeklagte abzusagen drohte, falls sie eine "Schuldentilgung" durch Vertrag nicht akzeptiere (Bd. I/ON 3, S 40; Verlesung Bd. II S 112 dA).
Den Feststellungen über den Täuschungsvorsatz des Angeklagten im Betrugsfaktum II und über die Täuschung der Zeugin N***-P*** in bezug auf den Wert des Bildes haften daher die geltend gemachten formalen Begründungsmängel im Sinn des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 5 StPO an.
Infolge des engen sachlichen Zusammenhanges ist aber eine Rückwirkung solcher Würdigung der Verfahrensergebnisse auf Tatsachenfeststellungen, die das Urteilsfaktum I (Veruntreuung) betreffen, nicht völlig auszuschließen, weswegen eine Beschränkung der Urteilsnichtigkeit auf den von ihr unmittelbar betroffenen Teil des Schuldspruches gemäß dem § 289 StPO nicht möglich ist. Demnach mußte das angefochtene Urteil zur Gänze aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen werden, wobei auf das übrige Beschwerdevorbringen nicht mehr einzugehen war.
Sollte das Schöffengericht im erneuerten Verfahren einen zu Schuldsprüchen führenden Sachverhalt für erwiesen erachten, wird es zum Anklagevorwurf der Veruntreuung auch eindeutig festzustellen haben, ob dem Angeklagten - wie zu Punkt I des Urteilssatzes und auch in Passagen der Gründe (Bd. II S 132 f, 172 dA) zum Ausdruck gebracht - Vermögensteile "zur bestmöglichen Veranlagung übergeben" wurden, oder ob ihm - wie insbesondere im Zug der Rechtsausführungen dargelegt (Bd. II S 174 dA) - ein bindender Auftrag erteilt wurde, "dieses Vermögen in Form von Pfandbriefen oder Wertpapieren anzulegen", um (bei Zutreffen der jeweils geforderten weiteren Tatbestandsmerkmale) eine rechtsrichtige Subsumtion des inkriminierten Verhaltens als Untreue (§ 153 StGB) oder Veruntreuung (§ 133 StGB) zu ermöglichen.
Mit der durch die Aufhebung des Urteils (auch) im Strafausspruch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E10838European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0110OS00034.87.0512.000Dokumentnummer
JJT_19870512_OGH0002_0110OS00034_8700000_000