TE OGH 1987/5/14 6Ob551/87

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Samsegger als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schobel, Dr. Melber, Dr. Schlosser und Dr. Redl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj. Kindes Maria A***, geboren am 27. September 1974, im Haushalt des Vaters Thomas A***, Landwirt, Walchsee, Durchholzen 34, wegen Genehmigung einer Veräußerung, infolge Revisionsrekurses des pflegebefohlenen Kindes, vertreten durch Dr. Albert Feichtner, Rechtsanwalt in Kitzbühel, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 3. Februar 1987, GZ. 1 b R 148/86-10, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Kufstein vom 26. Juni 1986, GZ. P 58/84-7, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird stattgegeben. Der angefochtene Beschluß und der Beschluß erster Instanz werden aufgehoben. Die Pflegschaftssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung über den Genehmigungsantrag an das Gericht erster Instanz zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Das am 27.September 1974 geborene Mädchen ist seit dem 1979 eingetretenen Tod ihrer Mutter Halbwaise. Durch seinen ehelichen Vater stellte das Kind im Dezember 1985 den Antrag, die Übereignung seines Liegenschaftsanteiles an seinen Onkel mütterlicherseits zu genehmigen. Nach dem Vorbringen des Vaters und gesetzlichen Vertreters erfülle das pflegebefohlene Kind mit dem geplanten Übereignungsakt eine bereits von seiner Mutter vertraglich eingegangene Verpflichtung, die zufolge erbrechtlicher Gesamtnachfolge unverändert auf das Kind übergegangen sei. Dazu führte der gesetzliche Vertreter aus: Die behauste Liegenschaft sei seinerzeit im Alleineigentum des mütterlichen Großvaters gestanden. Dessen Nachlaß sei 1972 aufgrund des Gesetzes zu je einem Viertel der Witwe und den drei Kindern, also der mütterlichen Großmutter des pflegebefohlenen Kindes, der Mutter, deren Schwester und deren Bruder eingeantwortet worden. In Vollziehung dieser Einantwortung seien die Großmutter, die Mutter, die Tante und der Onkel zu je einem Viertel Liegenschaftsmiteigentümer geworden. Anläßlich ihrer Eheschließung habe die Mutter des pflegebefohlenen Kindes mit ihrem Bruder mündlich vereinbart, daß sie "hinausbezahlt" werde; dabei hätten die Geschwister den Viertelanteil an der ererbten Liegenschaft einverständlich mit 35.000 S bewertet und der Bruder habe seiner älteren Schwester Möbel in diesem Wert übergeben. Diese habe ihrerseits auch die Nutzung der gesamten Liegenschaft ihrem Bruder überlassen. Mit dem grundbücherlichen Vollzug der Vereinbarung hätten die Geschwister allerdings bis nach dem Tod ihrer gemeinsamen Mutter zuwarten wollen. Am 5.Dezember 1979 sei die Mutter des pflegebefohlenen Kindes gestorben. Ihr Nachlaß sei - mit Rücksicht auf einen Erbverzicht des Vaters - zur Gänze dem Kind eingeantwortet worden; in Vollziehung der Einantwortungsurkunde sei am Viertelanteil der Erblasserin das Eigentum des Kindes einverleibt worden. Am 8.Januar 1984 sei die mütterliche Großmutter gestorben. Das pflegebefohlene Kind wäre aufgrund des Gesetzes zu einem Drittel als Erbe berufen gewesen, habe jedoch durch seinen Vater als gesetzlichen Vertreter keine Erbserklärung abgegeben und auf die Geltendmachung weiterer Erbansprüche im Hinblick darauf verzichtet, daß die verstorbene Mutter 1973 anläßlich ihrer Verehelichung eine Schlafzimmereinrichtung erhalten habe. Nunmehr dränge der Onkel des pflegebefohlenen Kindes dieses zur Erfüllung der von seiner Mutter eingegangenen Verpflichtung zur Übereignung des Liegenschaftsanteiles und der Vater und gesetzliche Vertreter des Kindes anerkenne diese Verpflichtung. Der Onkel des Kindes habe mit seiner jüngeren Schwester, also mit der Tante des Kindes, eine gleichartige Vereinbarung wie mit der Mutter des pflegebefohlenen Kindes getroffen und die Tante des Kindes anerkenne nicht nur ihre eigene Verpflichtung, sondern bestätigte auch die von ihrem Bruder behaupteten Vereinbarungen und Leistungen in Ansehung der Mutter des Kindes.

Das Erstgericht legte aufgrund der Niederschrift des Gerichtskommissärs in der Abhandlung des Nachlasses nach der mütterlichen Großmutter des Kindes vom 21.Juni 1985 zugrunde, daß der Onkel des Kindes als berufener Erbe damals vorgebracht habe, seine 1979 gestorbene Schwester habe im Jahre 1973 anläßlich ihrer Verehelichung in Abgeltung ihrer mütterlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche eine Schlafzimmereinrichtung erhalten und damals erklärt, daß sie mit Erhalt dieser Schlafzimmereinrichtung hinsichtlich ihrer mütterlichen Erb- und Pflichtteilsansprüche vollkommen zufrieden gestellt sei und für sich und ihre Nachkommen auf weitere Erb- und Pflichtteilsansprüche gegen ihre Mutter verzichte.

Das Erstgericht folgerte, die in der zu genehmigenden Urkunde erwähnte Leistung des Onkels an die Mutter des pflegebefohlenen Kindes sei für deren Verzicht auf Erb- und Pflichtteilsansprüche nach ihrer Mutter (also der mütterlichen Großmutter des Kindes), nicht aber als Gegenleistung für den väterlichen Erbteil (also den vom mütterlichen Großvater im Erbwege auf die Mutter des Kindes übergegangenen Viertelanteil der Liegenschaft) erfolgt. Das Erstgericht versagte daher der vorgelegten Rechtsgeschäftserklärung des Kindes die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung.

Das Rekursgericht ging dagegen aufgrund einer notariell beurkundeten Erklärung des Vaters und gesetzlichen Vertreters des Kindes vom 8.April 1986 davon aus, daß die drei Kinder des mütterlichen Großvaters nach der Abhandlung seines Nachlasses vereinbart hätten, der Onkel des pflegebefohlenen Kindes werde seine beiden Schwestern "hinauszahlen" und solle Alleineigentümer der ehemals dem mütterlichen Großvater gehörenden Liegenschaft werden. Das Rekursgericht folgerte aber, daß die Mutter des pflegebefohlenen Kindes gegenüber ihrem Bruder gegen Übergabe einer Schlafzimmereinbaueinrichtung im Wert von 35.000 S auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche nach ihrem Vater verzichtet habe und das Kind als Erbe nach seiner Mutter an deren Erklärung gebunden sei. Die Leistung des Onkels an die Mutter des pflegebefohlenen Kindes sei aber (teilweise) als Gegenleistung für das Abstehen von erbrechtlichen Ansprüchen nach der mütterlichen Großmutter herangezogen worden, die Genehmigung der vorgelegten Rechtsgeschäftserklärung würde im Ergebnis bedeuten, daß das pflegebefohlene Kind - als Alleinerbe nach seiner Mutter und als deren Repräsentantin in der Abhandlung der mütterlichen Großmutter - ein Zwölftel der gesamten Liegenschaft ohne jede Gegenleistung hingegeben hätte.

Das Rekursgericht bestätigte aus dieser Erwägung die abweisende Entscheidung des Erstgerichtes.

Das pflegebefohlene Kind ficht diese Rechtsmittelentscheidung wegen Aktenwidrigkeit und offenbarer Gesetzwidrigkeit mit einem auf Erteilung der beantragten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung zielenden Abänderungsantrag und einem hilfsweise gestellten Aufhebungsantrag an.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsmittelausführungen zur Aktenwidrigkeit bringen diesen Anfechtungsgrund nicht schlüssig zur Darstellung, weil das Rekursgericht bei seinen Bemühungen zur Klärung des Inhaltes der die behauptete Vereinbarung zur Eigentumsübertragung begründenden Rechtsgeschäftserklärungen einerseits die Angaben der Beteiligten in einem abgeschlossenen Abhandlungsverfahren und andererseits die zu Beweiszwecken schriftlich festgehaltenen Beurkundungen zu würdigen hatte, dabei aber keiner zu Beweiszwecken herangezogenen Urkunde einen anderen Wortlaut als den schriftlich niedergelegten unterstellte. Die aus den Formulierungen der richtig zitierten Urkundenstellen gezogenen Folgerungen über die viele Jahre zuvor tatsächlich gewechselten mündlichen Rechtsgeschäftserklärungen sind ein Akt der Beweiswürdigung.

Gegenstand der beantragten pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung ist die Verfügung über einen Liegenschaftsanteil des pflegebefohlenen Kindes (§ 154 Abs.3 ABGB). Die Genehmigung darf im Sinne des § 232 ABGB nur erteilt werden, wenn sie zum offenbaren Vorteil des Kindes erfolgte. Daher obliegt dem Pflegschaftsgericht die Prüfung der behaupteten vertraglich begründeten Leistungsverpflichtung, um die Prozeßaussichten im Falle der Bestreitung eines vom Onkel als Anspruchswerber gegen das Kind klageweise geltend zu machenden Leistungsbegehrens abschätzen zu können. Der Vater und gesetzliche Vertreter des Kindes hält das Begehren seines Schwagers ebenso für berechtigt, wie die Tante des Kindes, die in einer parallelen Lage für ihre eigene Person die Ansprüche ihres Bruders erfüllt. Die im Abhandlungsverfahren niederschriftlich festgehaltenen Erklärungen und die zu Beweiszwecken abgegebenen Erklärungen des Vaters und der Tante des Kindes lassen zwar die Ansicht der Beteiligten darüber erkennen, was nach ihrem Dafürhalten recht und vor allem billig erscheine, eine auffallende Unschärfe im Ausdruck unter Gebrauch von rechtlichen Begriffen in einem der Rechtslage offenbar nicht gemäßen Sinn lassen aber derartige Zweifel an den tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen aufkommen, daß der Versuch zur weiteren Klärung der tatsächlichen Vorgänge unerläßlich ist, um den Prozeßerfolg des Kindes in einem allfälligen Rechtsstreit einigermaßen verläßlich beurteilen zu können. Daß die Vorinstanzen diesen Gesichtspunkt nicht eindeutig genug in den Vordergrund gestellt haben, begründet eine offenbare Gesetzwidrigkeit.

Erachtet sich der Pflegebefohlene zur Entäußerung einer unbeweglichen Sache verpflichtet und strebt er deshalb die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung zur Entäußerung an, hat das Pflegschaftsgericht seine Entscheidung am wahrscheinlichen Ausgang eines möglichen Rechtsstreites auszurichten und muß dazu mit dem gesetzlichen Vertreter die Tatsachengrundlagen und deren Beweisbarkeit möglichst vollständig erheben und den so gewonnenen Sachverhalt einer umfassenden rechtlichen Würdigung unterziehen. Im vorliegenden Fall sind daher Anlaßzeit, Inhalt und Form der behaupteten Rechtsgeschäftserklärungen der Mutter des pflegebefohlenen Kindes und insbesondere die Person des jeweiligen Erklärungsempfängers als unmittelbare Beweisthemen ins klare zu setzen und der gewonnene Sachverhalt danach vor allem auf Formunwirksamkeit und Sittenwidrigkeit zu prüfen.

Zur Behebung der aufgezeigten Feststellungsmängel waren in Stattgebung des Revisionsrekurses die Enscheidungen beider Vorinstanzen aufzuheben und war die Sache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Gericht erster Instanz zurückzuverweisen.

Anmerkung

E11188

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0060OB00551.87.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19870514_OGH0002_0060OB00551_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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