TE OGH 1987/5/14 13Os60/87

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Veröffentlicht am 14.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14.Mai 1987 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Felzmann, Dr. Brustbauer und Dr. Kuch als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Cortella als Schriftführerin in der Strafsache gegen Agnes H*** wegen des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 24.Februar 1987, GZ. 10 Vr 1893/86-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Über die Berufung wird in einem Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung entschieden werden.

Text

Gründe:

Die am 3.November 1926 geborene Agnes H*** wurde des Verbrechens der Hehlerei nach § 164 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 3, erster Fall, StGB (A) sowie des Vergehens des unbefugten Waffenbesitzes nach § 36 Abs. 1 Z. 4 WaffG (B) schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Badendorf zwischen dem Herbst 1983 und dem Februar 1986 Schmuckstücke im Gesamtwert von 750.500 S und Waffen im Gesamtwert von 71.500 S, die der abgesondert verfolgte Ulrich H*** durch Verbrechen gegen fremdes Vermögen erlangt hatte, teils durch Eintausch gegen Waffen oder andere Gegenstände an sich gebracht, teils um nicht näher bekannte Beträge gekauft (A) sowie vom 1. Mai 1980 bis 27.März 1986 wenn auch nur fahrlässig unbefugt Kriegsmaterial, nämlich eine Maschinenpistole, ein Maschinengewehr, ein Fliegerabwehrmaschinengewehr, eine Panzerfaust und eine Maschinenpistole besessen (B).

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Schuldspruch wendet sich die auf § 281 Abs. 1 Z. 1, 4, 5 und 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten. Den ersterwähnten Nichtigkeitsgrund erblickt die Beschwerdeführerin darin, daß der Richter des Landesgerichts Dr. S*** in der Hauptverhandlung mitgewirkt und entschieden habe, obwohl er im Verfahren gegen den im gegenständlichen Strafverfahren als Zeugen vernommenen Ulrich H*** als Untersuchungsrichter tätig war. Dieser Einwand geht fehl, denn Dr. S*** war in der Strafsache gegen Agnes H*** (verbis: "in derselben Sache" im § 68 Abs. 2 StPO) nicht Untersuchungsrichter, sondern im Verfahren 16 Vr 836/86 des Landesgerichts für Strafsachen Graz gegen Ulrich H***. Daß H*** der Dieb jener Gegenstände, deren Erwerb der Nichtigkeitswerberin nunmehr als Hehlerei angelastet wird, war, vermag daran nichts zu ändern, daß es sich bei den Verfahren 16 Vr 836/86 (gegen H***) einerseits und 16 Vr 1893/86 (gegen H***) andererseits, je des Landesgerichts für Strafsachen Graz, nicht um "dieselbe" Sache gehandelt hat. Eine analoge Anwendung des § 68 Abs. 2 StPO auf Richter, die in einer anderen, aber mit dem Gegenstand der Hauptverhandlung im Zusammenhang stehenden Sache als Untersuchungsrichter tätig waren, ist nicht zulässig (EvBl. 1975/83). Auch die Verfahrensrüge (Z. 4) greift nicht.

Die Vernehmung der Zeugen Milka S***, Elfriede R***, Dr.Ernst H*** und Inge K***, die Einsichtnahme in die Krankengeschichte sowie die Einholung eines psychiatrisch-neurologischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß die Angeklagte wegen eines einige Monate vor ihrer Verhaftung erlittenen Unfalls anläßlich ihrer Einvernahme durch Polizei und Untersuchungsrichter Erinnerungslücken hatte, war entbehrlich: Das Schöffengericht hat die zum Schuldspruch führenden Feststellungen nicht auf die Verantwortung der Agnes H*** in jenen Verfahrensstadien gestützt, sondern im wesentlichen auf die ihm glaubwürdig erscheinenden Aussagen des als Zeugen vernommenen Ulrich H*** (Seiten 378 ff Band II).

Gleiches gilt für das Unterbleiben der Einvernahme der Zeugen Otto P*** und Elisabeth J***, denn entscheidungswesentlich ist nicht, welchen Eindruck Ulrich H*** auf seine Umwelt hinterließ, sondern die Konstatierung, H*** habe die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß es sich bei den verfahrensgegenständlichen Sachen um gestohlene Ware handle, daß die "heiß" sei und sie damit sehr vorsichtig sein müsse (S. 376 Band II).

Die Nichtigkeitswerberin beantragte in der Hauptverhandlung des weiteren die Vernehmung der Zeugen Naim R***, Otto O***, Josef B*** und Gottfried G*** zum Beweis dafür, daß sie nicht Schmuck mit O*** getauscht habe; dieser sei als Teppichhändler zu ihr gekommen, und die von ihm ihr übergebenen Teppiche seien redlicher Herkunft gewesen. O*** müsse wissen, ob sich unter den Schmuckstücken, die er im Tauschwege erwarb, solche aus den Einbrüchen bei K***, K*** und U*** befanden;

O*** mache aber nicht den Eindruck eines Hehlers oder Unterweltlers. Auch dieses Beweisthema ist nicht von Relevanz, denn Gegenstand dieses Strafverfahrens ist nicht, ob Otto O*** gleichfalls Hehlereihandlungen gesetzt hat, sondern ob die Angeklagte in Kenntnis der diebischen Herkunft Sachen von Ulrich H*** übernommen hat.

Weder für die Entscheidung über die Schuld noch für den anzuwendenden Strafsatz war von Einfluß, wann und zu welchen Preisen die Juweliere W*** und B*** den Zeugen K*** und

U*** die in der Anklage aufgezählten Schmuckstücke verkauft haben sowie, ob man an dem aus dem Diebstahl bei U*** stammenden Ring erkennen könne, daß er dort gestohlen und daß er von H*** an B*** weitergegeben worden sei, daß dieser Ring mit 28.000 S überbewertet sei und daß die von der Polizei angegebenen Bewertungen weit über den tatsächlichen Werten der Schmuckstücke liegen. Weder im Anklageeinspruch noch in der Hauptverhandlung, auch nicht in den Beweisanträgen und in der Rechtsmittelschrift hat die Beschwerdeführerin jemals behauptet, der Wert der (in der Anklageschrift mit mehr als 850.000 S bezifferten) Diebsbeute übersteige nicht den Betrag von 100.000 S. So gesehen betreffen die beantragten Vernehmungen der Zeugen W*** und B*** und das begehrte Gutachten eines Sachverständigen aus dem Juwelierfach keine erheblichen Beweisthemen. Die Beweisgrundlage für die Annahme des subjektiven Hehlereitatbestands wurde schon oben erörtert. Die behauptete Nichtigkeit liegt daher nicht vor (E.Nr. 64 zu § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO in Mayerhofer-Rieder 2 ).

In dem Zusammenhang ist der Nichtigkeitswerberin zu erwidern, daß die Formulierung in den Beweisanträgen der Verteidigung (ONr. 46): "Es wird daher die Einvernahme eines gerichtlich beeideten Sachverständigen für die Bewertung von Schmuck, Gold und Edelsteinen sich nicht umgehen lassen, wahrscheinlich wird auch ein Sachverständiger über den Wert von Waffen zu befragen sein" keinen formellen Antrag im Sinn der Z. 4 des § 281 Abs. 1 StPO darstellt. Zur Rüge der Nichteinholung eines Gutachtens über den Wert der Waffen ist die Angeklagte daher nicht legitimiert.

Durch die Abweisung des Antrags auf Verlesung der Strafregisterauskünfte betreffend Ulrich H*** und Franz F*** kann sich die Rechtsmittelswerberin nicht als beschwert erachten, denn nach dem ungerügt gebliebenen Protokoll über die Hauptverhandlung vom 24.Februar 1987, Seite 366 Band II, wurde die Anzeige ONr. 2 verlesen, deren Inhalt auch die bezughabenden Strafregisterauskünfte sind.

In Ansehung der unterbliebenen Einvernahme von Revierinspektor F*** und des Gefangenenhausarztes sowie des Untersuchungsrichters Dr. G*** wurden gleichfalls Verteidigungsrechte nicht verletzt. Daß "ohne schriftlichen mit Gründen versehenen Hausdurchsuchungsbefehl am 20.3.1986 mit einem Großaufgebot an Strafverfolgungsorganen gegen die Angeklagte vorgegangen und diese aufs ärgste verstört wurde, daß derselbe Zeuge (F***) die Presse verständigt und die Medienjustiz gegen die Angeklagte veranlaßt hat, daß die Angeklagte auch in der Untersuchungshaft noch von diesen Strafverfolgungsorganen vernommen wurde, was der Strafprozeßordnung straks widerspricht, daß die Angeklagte daher verstört war, jedes Vertrauen in die Gerichtsbarkeit verloren hat und so auch ihre Angaben in ihrer Verantwortung erklärlich seien" (S. 403 f. Band II) sowie "daß die Angeklagte von Anfang an die Behauptungen des H*** zum subjektiven Tatbestand als Lüge bezeichnet hat" (S. 404 Band II), ist weder für die Unterstellung der Tat unter ein bestimmtes Strafgesetz noch für die Wahl des anzuwendenden Strafsatzes von Bedeutung. Auch die Beschwerdeausführung läßt diesbezügliche Hinweise vermissen. Das übrige, vielfach mit Zitaten aus den Akten versehene Vorbringen zum Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 4 StPO entbehrt einer gesetzmäßigen Darstellung, weil es nicht von den Anträgen im erstinstanzlichen Verfahren ausgeht.

Die Mängelrüge (Z. 5) ist gleichfalls nicht im Recht. Nicht substantiiert und daher einer sachbezogenen Erörterung unzugänglich sind die behaupteten Aktenwidrigkeiten und "nicht durch offenbar zureichende Gründe gedeckten" sowie die "undeutlichen und unvollständigen" Feststellungen.

Sofern aber Agnes H*** in diesem Punkt der Nichtigkeitsbeschwerde auf ihre Verantwortung verweist, dartut, was ihrer Meinung nach erwiesen ist und was nicht sowie die Glaubwürdigkeit der Angaben des Zeugen Ulrich H*** in Zweifel zieht und wörtlich ausführt: "Völlig daneben ist die Behauptung, der Rubinring, der offenbar zu klein ist, sei ein corpus delicti, welches vom Angeklagten stamme" (S. 406 Band II), ficht sie nach der Art einer im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung des Erstgerichts an. Die Rechtsrüge (Z. 9 lit. a der Zielsetzung nach auch Z. 9 lit. b und Z. 10) unterläßt es, den Urteilssachverhalt mit dem darauf angewendeten Strafgesetz zu vergleichen. Das gilt für den Hinweis auf § 165 StGB, für die Geltendmachung eines Rechtsirrtums und für die Anfechtung des Urteils "vorsichtshalber seinem ganzen Umfange nach". Sofern die Beschwerdeführerin namentlich im Faktum B (bezüglich dessen sie sich in der Hauptverhandlung "vollinhaltlich" schuldig bekannt hat - S. 354 Band II) einen Rechtsirrtum behauptet, argumentiert sie in der Richtung eines Begründungsmangels, ohne aber das einen solchen Irrtum entgegenstehende, schon mehrfach erwähnte faktische Urteilssubstrat zu berücksichtigen.

Da die Nichtigkeitsbeschwerde, soweit sie auf § 281 Abs. 1 Z. 1 und 4 StPO gestützt wird, zum Teil offenbar unbegründet, zum andern Teil nicht gesetzmäßig ausgeführt ist, soweit sie aber die Gründe der Z. 5, 9 lit. a und und b sowie 10 derselben Gesetzesstelle releviert, nicht prozeßordnungsgemäß vorgetragen wird, war sie schon bei einer nichtöffentlichen Beratung teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 2 StPO, teils gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1 StPO iVm § 285 a Z. 2 StPO zurückzuweisen.

Für die Verhandlung und Entscheidung über die Berufung wird ein Gerichtstag anberaumt werden (§ 296 Abs. 3 StPO).

Anmerkung

E11062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0130OS00060.87.0514.000

Dokumentnummer

JJT_19870514_OGH0002_0130OS00060_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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