Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Maier, Dr. Petrag und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A*** FÜR L*** W***, 4600 Wels,
Hyrtlstraße 2, vertreten durch Dr. Sylvia Groß-Stampfl, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei Schuhhaus S***, H*** & Co., 8051 Graz-Gösting, Wienerstraße 205, vertreten durch Dr. Peter Kammerlander, Rechtsanwalt in Graz, wegen Unterlassung (Streitwert S 310.000), infolge Rekurses beider Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgerichtes vom 18. September 1986, GZ 6 R 123/86-35, womit das Urteil des Kreisgerichtes Leoben vom 28.April 1986, GZ 4 Cg 301/85-30, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Wohl aber wird dem Rekurs der klagenden Partei Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:
Der Berufung der klagenden Partei wird Folge gegeben. Das erstgerichtliche Urteil wird dahin abgeändert, daß es zu lauten hat:
"Die beklagte Partei ist bei sonstiger Exekution schuldig, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr neben dem Verkauf von Skischuhen die unentgeltliche Zugabe einer Skibindungsmontage anzubieten.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 72.866,95 (darin S 3.540,- Barauslagen und S 6.302,45 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 21.744,- (darin S 800,- Barauslagen und S 1.904,- Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 11.726,25 (darin S 960,- Barauslagen und S 978,75 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses und ihrer Rekursbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Entscheidungsgründe:
Mit der Behauptung, die Beklagte habe einem Käufer von Skischuhen in ihrem Geschäft in Leoben angeboten, eine mitgebrachte Skibindung an mitgebrachten Skiern gratis zu montieren und die Schuhe kostenlos einzupassen, beantragt der klagende Verband die Verurteilung der Beklagten, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr neben dem Verkauf von Skischuhen die unentgeltliche Zugabe der Skibindungsmontage anzubieten. Die solcherart angebotene Zugabe verstoße gegen § 1 ZugG und § 1 UWG.
Die Beklagte beantragt die Abweisung der Klage. Der klagende Verband sei nicht aktiv legitimiert; er bringe nicht vor, wie weit er Interessen von Mitgliedern vertrete, die durch die Handlung berührt werden. Das unentgeltliche Anbringen der Skibindung sei zwar von einem "Lockkunden" des Klägers verlangt, ihm jedoch nicht "angeboten", sondern nur auf sein Verlangen gewährt worden. Eine solche Anpassung der gekauften Schuhe an die Bindung sei handelsüblich; hingegen sei das Vogehen des Testkäufers sittenwidrig. Im übrigen sei der geltend gemachte Anspruch auch verjährt, da nach einem am 6.Mai 1985 eingetretenen Ruhen des Verfahrens dieses nicht gehörig fortgesetzt worden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; es nahm folgenden wesentlichen Sachverhalt als erwiesen an:
Im Auftrag des Klägers begab sich der Detektiv Georg R*** am 17. Dezember 1983 in die Filiale der Beklagten in Leoben. Er brachte ein Paar Kinderskier und eine Skibindung mit und erkundigte sich bei einem Verkäufer, ob die Bindung gratis montiert werde, wenn er ein Paar Kinderskischuhe kaufe. Ohne daß R*** darauf drängte, teilte ihm der Verkäufer mit, daß dies möglich wäre; er müßte jedoch zur mitgebrachten Bindung noch Skistopper kaufen, weil sonst keine Montage erfolgen könne. Der Verkäufer erklärte ausdrücklich, daß die Montage der Bindung unentgeltlich erfolge, wenn die Schuhe im Geschäft gekauft würden. R*** erwarb ein Paar Kinderskischuhe und Skistopper und ließ die Bindung auf den mitgebrachten Skiern montieren. Für die Schuhe zahlte er S 699,80 und für die Skistopper S 150.
Wenn ein Kunde mit Skiern und Bindung in die Filiale der Beklagten in Graz, Joanneumring 10, gekommen wäre, und dort lediglich Schuhe gekauft hätte, wäre ihm die Montage der Bindung in Rechnung gestellt worden. Auch bei anderen Händlern in Leoben und Graz wird beim Kauf lediglich der Skischuhe die Montage der Bindung mit S 45 bis S 90 gesondert verrechnet. Eine Befragung von 400 bis 600 Sportartikelhändlern, die fast ausschließlich Mitglieder des Skikartells waren, ergab, daß nur 2 % der Händler Skibindungen unentgeltlich montieren. Die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Steiermark weist in ihren Ausbildungskursen für Sportartikelverkäufer ausdrücklich darauf hin, daß Bindungen nicht gratis montiert werden dürfen.
Rechtlich meinte das Erstgericht, daß nach § 14 UWG jene Vereine aktiv legitimiert seien, die nach ihren Satzungen zur Förderung wirtschaftlicher Interessen von Unternehmen berufen seien. Diese Voraussetzungen träfen bei der klagenden Partei gerichtsbekanntermaßen zu. Die unentgeltliche Montage einer Skibindung sei wohl eine Zugabe im Sinne des § 1 Abs.1 ZugG; der Verkäufer der Beklagten sei aber nicht von sich aus initiativ geworden, sondern habe nur dem Verlangen des Kunden entsprochen. Er habe daher die Zugabe nur gewährt, sie aber nicht angeboten. Das Berufungsgericht hob dieses Urteil auf und verwies die Rechtssache an das Erstgericht zurück; es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 300.000 übersteige, und setzte einen Rechtskraftvorbehalt. Der Begriff des "Anbietens" im wettbewerbsrechtlichen Sinn müsse wirtschaftlich aufgefaßt werden. Auch wenn die Initiative vom Kaufinteressenten ausgehe, genüge es, um ein Verhalten als "Anbieten" zu qualifizieren, daß der Verkäufer dem Kunden eine entsprechende Vergünstigung in Aussicht stellt. Das Verhalten des Verkäufers der Beklagten sei daher als "Anbieten" einer Zugabe im Sinne des § 1 Abs.1 ZugG anzusehen. Die Rechtssache sei aber noch nicht spruchreif, weil das Erstgericht den Einwand der mangelnden Aktivlegitimation des Klägers nur kursorisch geprüft habe. Es komme nicht nur auf den Inhalt der Satzung des klagenden Vereins an, sondern auch auf dessen Mitgliederstruktur und auf die zur Förderung von Unternehmerinteressen sonst entfaltete Tätigkeit. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen habe im Bestreitungsfall der Kläger zu beweisen.
Gegen diesen Beschluß richten sich die Rekurse beider Teile. Der Kläger beantragt, in der Sache selbst zu erkennen und der Klage stattzugeben; in eventu den Aufhebungsbeschluß zu beheben und dem Berufungsgericht aufzutragen, im Sinne einer Klagestattgebung, in eventu nach Verfahrensergänzung, zu entscheiden.
Die Beklagte begehrt die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichtes und stellt hilfsweise einen Aufhebungsantrag. Sie erstattete eine Rekursbeantwortung, in der sie beantragt, dem Rekurs des Klägers keine Folge zu geben.
Der Kläger hat keine Rekursbeantwortung erstattet.
Nur dem Rekurs des Klägers kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Dem Berufungsgericht ist zwar beizupflichten, daß eine nach den § 5 ZugG, § 14 UWG klageberechtigte Vereinigung nicht nur satzungsmäßig der Förderung von wirtschaftlichen Interessen von Unternehmern dienen, sondern eine solche Tätigkeit auch ausüben muß (OGH 10.12.1985, 4 Ob 382/85 - Wecker-Rabatt - ÖBl.1986, 9); doch ist es hinsichtlich des klagenden Verbandes bereits gerichtsbekannt (OGH 4.2.1986, 4 Ob 407/85 - Rabattgutscheine - ÖBl.1986, 100 = JBl.1986, 396), daß er sich aus führenden Sportartikelunternehmungen Österreichs zusammensetzt und mit Informationsbroschüren an den Fachhandel herantritt, Rundschreiben verfaßt, durch Vorträge informiert und seine Ziele über die Fachpresse propagiert. Ob im Einzelfall ein Mitglied des Verbandes durch den Wettbewerbsverstoß der Beklagten beeinträchtigt wird, ist für die Aktivlegitimation ebenso unerheblich wie die Tatsache, daß ein Testkäufer entsendet wurde. Es ist daher, da insoweit zwischen Vereinigungen nach § 14 UWG und Verbänden nach § 12 Abs.1 RabG kein Unterschied besteht (vgl. ÖBl.1986, 13), von der Aktivlegitimation des klagenden Verbandes auszugehen.
Wird aber die Aktivlegitimation des Klägers bejaht, dann ist der Unterlassungsanspruch begründet. Nach § 1 ZugG ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr neben Waren oder Leistungen unentgeltliche Zugaben (Prämien) anzubieten, anzukündigen oder einem größeren Kreis von Personen zu gewähren. Daß es sich bei einer Gratis-Bindungsmontage beim Kauf von Skischuhen um keine handelsübliche Nebenleistung iS des § 2 Abs 1 lit d ZugG handelt, wird im Rechtsmittelverfahren auch von der Beklagten nicht mehr in Zweifel gezogen; sie hält aber auch in dritter Instanz daran fest, daß die Begriffe des "Ankündigens" und des "Gewährens" im Rabattgesetz nicht jenen des "Anbietens" und des "Gewährens" im Zugabengesetz gleichgestellt werden dürfen; hier komme es letztlich darauf an, von wem die Initiative zur Zugabe ausgehe. Richtig ist, daß "Anbieten", "Ankündigen" und "Gewähren" drei selbständige, voneinander begrifflich zu trennende Werbehandlungen sind. Unter dem "Anbieten" einer Zugabe versteht das Gesetz jedes Verhalten, das nach richtiger Verkehrsauffassung den Schluß rechtfertigt, daß Zugaben gegeben werden; "Ankündigen" bedeutet eine öffentliche Bekanntmachung oder Mitteilung für einen größeren Personenkreis, die das Gewähren von Zugaben in Aussicht stellt (ÖBl. 1976, 84); unter dem "Gewähren" versteht man die tatsächliche Zuwendung (Hoth-Gloy, Zugabe und Rabatt 71 ff; ÖBl.1958, 42). Entscheidend ist hier entgegen der Ansicht der Beklagten nicht die Wortauslegung, sondern der sich aus dem Zweck der Norm ergebende Sinngehalt. Der mit der Zugabe gewährte Vorteil muß mit der Hauptware in einem solchen Zusammenhang stehen, daß er objektiv geeignet ist, den Kunden zum Erwerb der Hauptware zu beeinflussen; die Zugabe muß daher die Eigenschaft eines Werbe- und Lockmittels haben. Das Verbot unentgelticher Zugaben soll eine durch solche Zugaben bewirkte Preisverschleierung und eine aus diesen Gründen bedenkliche Beeinflussung des Kunden zum Erwerb der Hauptware vermeiden. Wird daher einem Kunden noch vor Abschluß des Geschäftes eine Zugabe "angeboten", dh für den Fall des Vertragsabschlusses in Aussicht gestellt, dann treten eben jene Gefahren der Preisverschleierung und der Beeinflussung des Kunden auf, die das Gesetz vermeiden will. Das Anbieten der Gratismontage von Skibindungen als Zugabe verfolgt in einem solchen Fall gerade den verpönten Zweck, den Kunden auf diese Weise zum Abschluß eines Kaufvertrages über die Skischuhe zu beeinflussen. Diese Gefahr besteht bereits für jeden einzelnen Kunden und wird vom Normzweck des Zugabengesetzes unmittelbar erfaßt. Daraus folgt, daß das "Anbieten" im Gegensatz zum "Ankündigen" von Zugaben keinen größeren Personenkreis voraussetzt. Dabei spielt es auch keine Rolle, daß die von der Beklagten als wesentlich erachtete Initiative zu der angestrebten Zugabe vom Kaufinteressenten selbst ausgeht, da auch hier der Kaufentschluß erst dem Anbieten der Zugabe durch den Verkäufer folgt. Der Beklagten fällt daher ein Verstoß gegen § 1 Abs.1 ZugG zur Last, wobei das anschließende Gewähren der zunächst als Kaufanreiz angebotene Zugabe für die zugabenrechtliche Beurteilung belanglos ist (OGH 10.7.1984, 4 Ob
346/84 - Tennisschläger - ÖBl.1985, 47; 16.12.1975, 4 Ob 357/75 ÖBl.1976, 84 ua).
Was schließlich den Einwand der Verjährung wegen nicht gehöriger Fortsetzung des Verfahrens betrifft, so ist nicht ein allfälliges außergerichtliches Vergleichsangebot der klagenden Partei - das gar nicht festgestellt wurde - beachtlich, sondern lediglich die Versäumung der Tagsatzung vom 6.Mai 1985 durch die Klagevertreterin. Diese stellte aber bereits unmittelbar nach Ablauf der Frist des § 168 ZPO einen Fortsetzungsantrag und brachte zur Entschuldigung vor, daß sie durch einen Verkehrsstau am rechtzeitigen Erscheinen zur Tagsatzung gehindert gewesen sei. Der Erstrichter bestätigte, daß die Klagevertreterin tatsächlich ca. 10 bis 15 Minuten nach dem Aufruf der Sache in den Verhandlungssaal gekommen sei. Abgesehen davon, daß Ruhen des Verfahrens allein die Unterbrechungswirkung noch nicht beseitigt (EvBl.1971/230), liegen daher keinerlei Gründe für die Annahme der Beklagten vor, die klagende Partei hätte an der Fortsetzung des Verfahrens kein Interesse mehr gezeigt (Schubert in Rummel, ABGB § 1497 Rz 10).
Diese Erwägungen führen zur klagestattgebenden Sachentscheidung (§ 519 Abs.2 ZPO) im Sinne der Berufung des Klägers (Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1983).
Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich des Verfahrens erster Instanz auf § 43 Abs.2 ZPO, hinsichtlich des Berufungs- und des Revisionsverfahrens auf den §§ 50 und 41 Abs.1 ZPO.
Anmerkung
E11132European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00404.86.0519.000Dokumentnummer
JJT_19870519_OGH0002_0040OB00404_8600000_000