Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Prof. Dr. Friedl als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith, Dr. Petrag, Dr. Kodek und Dr. Niederreiter als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Violet U***, Liegenschaftseigentümerin, Wien 16., Johann-Staud-Straße 34-36, vertreten durch Dr. Alfred Fürst, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Dr. Christian T***, Rechtsanwalt in Wien, als Masseverwalter im Konkurs über das Vermögen der C*** Immobiliengesellschaft mbH, Wien 7., Mariahilfer Straße 124, wegen Aufkündigung, infolge Rekurses der Klägerin und der C*** Immobiliengesellschaft mbH (Gemeinschuldnerin), vertreten durch Dr. Herbert Jahn, Dr. Erich Unterer und Dr. Rainer Handel, Rechtsanwälte in Wien, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 23. Dezember 1986, GZ 48 R 459/86-28, womit die Berufung der klagenden Partei gegen das Urteil des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. August 1986, GZ 6 C 144/85-18, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, verworfen und im übrigen zurückgewiesen wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
1.) Die "Revision" (richtig: der Rekurs) der Klägerin wird zurückgewiesen.
2.) Die "Revisionsbeantwortung" (richtig: die Rekursbeantwortung) der Gemeinschuldnerin wird zurückgewiesen.
3.) Dem Rekurs der Gemeinschuldnerin wird nicht Folge gegeben. Diese hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
Die Klägerin kündigte eine der früheren beklagten Partei (und nunmehrigen Gemeinschuldnerin) zur Aufstellung eines Musterhauses (Fertigteilhauses) in Bestand gegebene Fläche der EZ 1464 KatGem Ottakring zum 31. März 1985 gerichtlich auf. Diese erhob gegen den Auftrag des Gerichtes zur Übergabe des Bestandobjektes fristgerecht Einwendungen, behauptete einen Kündigungsverzicht der Klägerin und brachte in der Folge vor, ihrerseits das Bestandobjekt zum 31. August 1985 gerichtlich aufgekündigt zu haben. Zwischen dem Schluß der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 9. April 1986 und der Fällung des Urteils am 5. August 1986 (§ 415 ZPO), mit dem das Erstgericht die Aufkündigung für rechtsunwirksam erklärte, wurde über die beklagte Partei mit Beschluß des Handelsgerichtes Wien vom 22. April 1986, 5 S 35/86, der Konkurs eröffnet und Rechtsanwalt Dr. Christian T*** zum Masseverwalter bestellt.
Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Klägerin, soweit sie Nichtigkeit geltend machte (Punkt 1.), und wies dieses Rechtsmittel im übrigen zurück (Punkt 2.). Ebenso wies es die vom Masseverwalter nicht genehmigte Berufungsbeantwortung der Gemeinschuldnerin zurück (Punkt 3.) und sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes S 15.000 übersteige.
Das Berufungsgericht war der Ansicht, daß der von der Klägerin geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der mangelnden Verfügungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin (§ 1 KO; § 477 Abs 1 Z 5 ZPO) nicht vorliege, weil die erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung eingetretene Unterbrechung des Rechtsstreites gemäß § 163 Abs 3 ZPO die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert habe; weder dieses Urteil noch seine Zustellung an den Masseverwalter sei nichtig. In ihrem übrigen Umfang sei die Berufung der Klägerin unzulässig: Gemäß § 163 Abs 2 ZPO seien die von einer Partei während der Unterbrechung in Ansehung der anhängigen Rechtssache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung. Das Gericht könne daher über ein nach Unterbrechung des Verfahrens eingebrachtes Rechtsmittel, solange das Verfahren nicht wieder aufgenommen worden sei, nicht sachlich entscheiden, sondern es habe das Rechtsmittel zurückzuweisen. Das gelte nur insoweit nicht, als das Urteil mit der Begründung bekämpft werde, daß es wegen der inzwischen erfolgten Konkurseröffnung nicht mehr hätte gefällt werden dürfen, und damit ein Verstoß gegen § 7 Abs 1 KO abgewehrt werde. Soweit die Berufung über die Geltendmachung der Nichtigkeit hinaus das Ersturteil meritorisch bekämpfe, sei sie daher zurückzuweisen. Da der Gemeinschuldnerin infolge der Konkurseröffnung die Prozeßfähigkeit mangle, sei die von ihren gewählten Vertretern erstattete, vom Masseverwalter aber nicht genehmigte Berufungsmitteilung gleichfalls zurückzuweisen.
Gegen diese Entscheidung erhebt die Klägerin "Revision" (richtig: Rekurs) mit dem Antrag, das "Urteil" des Berufungsgerichtes (richtig: dessen Beschluß), sowie das Ersturteil als nichtig aufzuheben "bzw." dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen oder dessen Urteil im Sinne der Stattgebung des Begehrens abzuändern.
Die Gemeinschuldnerin bekämpft Punkt 2. und 3. des Beschlusses des Berufungsgerichtes mit Rekurs mit dem Antrag, der zweiten Instanz die (meritorische) Entscheidung über die Berufung aufzutragen, soweit sie nicht verworfen wurde.
Die Gemeinschuldnerin erstattete zur "Revision" der Klägerin eine "Revisionsbeantwortung" mit dem Antrag, das allenfalls als Rekurs zu wertende Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen.
1. Zum Rechtsmittel der Klägerin:
a) Soweit sich die Klägerin gegen die Verwerfung ihrer Nichtigkeitsberufung (Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses) wendet, ist sie auf § 519 Abs 1 Z 2 ZPO zu verweisen, wonach gegen die im Berufungsverfahren ergehenden Beschlüsse des Berufungsgerichtes der Rekurs unter anderem nur statthaft ist, wenn die zweite Instanz die Nichtigkeit des erstrichterlichen Urteils und die Zurückweisung der Klage durch Beschluß ausgesprochen hat. Daraus wird in ständiger Rechtsprechung (JBl 1955, 276 uva; zuletzt etwa ÖBl 1984, 5) e contrario abgeleitet, daß der Beschluß des Berufungsgerichtes, mit dem eine wegen Nichtigkeit erhobene Berufung verworfen wurde, weder mit Revision (die hier mangels Vorliegens einer meritorischen Entscheidung der zweiten Instanz nicht in Betracht kommt, weshalb das Rechtsmittel der Klägerin als Rekurs zu behandeln ist) noch mit Rekurs bekämpft werden kann. Trotz Unzulässigkeit ihres Rechtsmittels sei die Klägerin darauf verwiesen, daß sie mit ihren Ausführungen zu Punkt 1. des angefochtenen Beschlusses die Bestimmung des § 163 Abs 3 ZPO negiert, wonach durch die nach dem Schluß einer mündlichen Verhandlung eintretende Unterbrechung die Verkündung der auf Grund dieser Verhandlung zu erlassenden Entscheidung nicht gehindert wird.
b) Zu Punkt 2. des angefochtenen Beschlusses (Zurückweisung der Berufung, soweit damit meritorische Anfechtungsgründe geltend gemacht wurden) beschränkt sich das Rechtsmittel der Klägerin auf den verfehlten Hinweis, daß mit dem Revisionsgrund der Nichtigkeit auch jener der unrichtigen rechtlichen Beurteilung gegeben sei. Zulässig wäre der Rekurs gegen die Zurückweisung der Berufung nur insoweit, als damit geltend gemacht würde, daß das Verfahren durch die Konkurseröffnung nicht unterbrochen wurde und daher über die Berufung meritorisch zu entscheiden gewesen wäre. Dies beantragt zwar die Klägerin hilfsweise, ohne aber irgendwelche Gründe, aus denen die Unterbrechung des Rechtsstreites trotz Konkurseröffnung nicht eingetreten sein soll, geltend zu machen; sie will mit ihrem primären Antrag sogar die Nichtigerklärung des Ersturteils erreichen. Schon aus diesem Grund ist der Rekurs auch, soweit er sich gegen Punkt 2. des Beschlusses des Berufungsgerichtes richtet, zurückzuweisen.
2. Zum Rechtsmittel der Gemeinschuldnerin:
Im Gegensatz dazu führt die Gemeinschuldnerin - wie auch schon in der zurückgewiesenen Berufungsbeantwortung (ON 21) - aus, aus welchen Gründen das Verfahren nicht vom Unterbrechungsgrund des § 6 Abs 1 und § 7 Abs 1 KO betroffen worden und ihre Parteistellung als Gemeinschuldnerin aufrechtgeblieben sei. Sie verweist darauf, daß sie, wenn auch zu einem späteren Kündigungstermin als die Klägerin, nämlich zum 31. August 1985, den klagegegenständlichen Bestandvertrag selbst aufgekündigt habe (6 K 132/85 BG Hernals) und diese Aufkündigung noch längst vor Eröffnung des Konkurses in Rechtskraft erwachsen sei; damit könne das Bestandrecht nicht mehr als ein zur Konkursmasse gehörendes Vermögen betrachtet werden. Sie sei daher im Prozeß verfügungsfähig geblieben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der Gemeinschuldnerin ist zulässig.
Da sich das Rechtsmittel gegen den Beschluß eines Berufungsgerichtes nach § 519 Abs 1 Z 1 ZPO richtet, bedarf es keines Ausspruches über den Wert des Streitgegenstandes im Sinne des § 500 Abs 2 ZPO (iVm § 526 Abs 3 ZPO) und über die Zulässigkeit eines Rekurses gemäß § 500 Abs 3 ZPO (iVm § 526 Abs 3 ZPO). Erforderlich war allerdings der - von der zweiten Instanz im Hinblick auf die zwingende Bewertungsvorschrift für Bestandstreitigkeiten nach § 49 Abs 2 Z 5 JN [§ 500 Abs 2 ZPO] ohnehin vorgenommene - Ausspruch nach § 527 Abs 1 Satz 2 ZPO darüber, ob der Wert des Bestandgegenstandes S 15.000 übersteigt, weil die Bestimmung des § 528 Abs 1 ZPO sowohl für Beschlüsse des Berufungsgerichtes als auch des Rekursgerichtes gilt (Fasching, Lehrbuch Rz 1981; MietSlg 37.785/11 mwN; vgl. Petrasch in ÖJZ 1983, 203).
Der Zulässigkeit des Rekurses der Gemeinschuldnerin gegen Punkt 2. des Beschlusses des Berufungsgerichtes steht auch nicht entgegen, daß damit ein Rechtsmittel der Gegenseite zurückgewiesen wurde, weil auch der Rechtsmittelgegner dadurch beschwert ist, daß über das Rechtsmittel des anderen nicht meritorisch entschieden wurde und er damit nicht die Möglichkeit gehabt hat, sofort eine für ihn günstige abweisende Sachentscheidung zu erreichen. Auch die nur aus Anlaß des Berufungsverfahrens (vgl. Fasching IV 407; ähnlich zur Zurückweisung einer Nebenintervention SZ 33/58) in untrennbarem Zusammenhang mit der Frage der Verfügungsfähigkeit der Gemeinschuldnerin über den erhobenen Anspruch erfolgte Zurückweisung der Berufungsmitteilung (Punkt 3. des Beschlusses des Berufungsgerichtes) ist trotz § 519 Abs 1 ZPO anfechtbar. Die Bestimmung des § 163 Abs 2 ZPO, die anordnet, daß die während der Unterbrechung von einer Partei in Ansehung der anhängigen Streitsache vorgenommenen Prozeßhandlungen der anderen Partei gegenüber ohne rechtliche Wirkung sind, steht dem Rechtsmittel der Gemeinschuldnerin schon begrifflich nicht entgegen, weil sich diese ja darauf stützt, daß die in § 163 ZPO angeordneten Unterbrechungswirkungen mangels Vorliegens einer Rechtsstreitigkeit, welche die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen bezweckt, hier nicht eingetreten seien. Der Rekurs der beklagten Partei ist jedoch nicht berechtigt. Für die Frage, ob eine Rechtsstreitigkeit unter § 6 Abs . 1 KO fällt und damit von den Wirkungen des § 7 Abs 1 KO (iVm § 163 ZPO) erfaßt wird, ist entscheidend, welcher Anspruch vom Kläger geltendgemacht wird, und nicht, welche Einwendungen der Beklagte gegen diesen Anspruch erhebt. Die Klägerin begehrt die Rechtswirksamerklärung einer gerichtlichen Kündigung und die Räumung eines Bestandobjektes (Grundstückes), das die Gemeinschuldnerin im Rahmen ihres Unternehmens zum Zweck der Aufstellung eines Musterhauses gemietet hat, um dadurch den Verkauf von Fertighäusern im Rahmen ihres Unternehmens zu fördern. Der Rechtsstreit bezweckt daher die Geltendmachung von Ansprüchen auf das zur Konkursmasse gehörige Vermögen im Sinne des § 6 Abs 1 KO. Die Behauptung der Gemeinschuldnerin, es handle sich um einen konkursfreien Vermögensbestandteil, läuft im Ergebnis darauf hinaus, daß der von der Klägerin erhobene Anspruch, wenn auch zu einem späteren Termin, bereits erfüllt worden und damit dem Rechtsstreit jedenfalls in der Hauptsache die Grundlage entzogen worden sei. Diese Einwendung betrifft aber nur die materielle Begründetheit des Anspruches der Klägerin und ändert nichts daran, daß eine Rechtsstreitigkeit im Sinne des § 6 Abs 1 KO vorliegt. Das Verfahren wurde daher durch die Konkurseröffnung unterbrochen, so daß das Erstgericht die Berufung der Klägerin und die Berufungsbeantwortung der Gemeinschuldnerin mit Recht zurückgewiesen hat.
Die "Revisionsbeantwortung" (= Rekursbeantwortung) der beklagten Partei ist zurückzuweisen, da kein Fall des § 521 a Abs 1 und 2 ZPO vorliegt.
Die Gemeinschuldnerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rekurses selbst zu tragen (§§ 41, 50 ZPO).
Anmerkung
E10929European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0040OB00514.87.0519.000Dokumentnummer
JJT_19870519_OGH0002_0040OB00514_8700000_000