Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gamerith und Dr. Petrag sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Ernst Löwe als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parei Siegfried E***, Angestellter, Innsbruck, Negrellistraße 11, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei Sigmund R***, Gastwirt, Igls, Hilberstraße 2, vertreten durch DDr. Jörg Christian Horwath, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen S 127.643,99 samt Anhang brutto, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 16.Dezember 1986, GZ 3 a Cg 37/86-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Innsbruck vom 31.Juli 1986, GZ 2 Cr 212/85-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt vom Beklagten S 127.643,99 brutto sA. Er brachte vor, er sei vom 1.Juli 1984 bis 3.Juli 1985 als Schankbursche in der vom Beklagten betriebenen Diskothek "Happy Night" in Igls beschäftigt gewesen. Am 3.Juli 1985 habe er ein Schreiben des Steuerberaters des Beklagten erhalten, dem er entnommen habe, daß er entlassen sei. Tatsächlich habe er trotz einer bei einem Arbeitsunfall am 28.Mai 1985 erlittenen Rippenprellung noch am 29.Mai und 30.Mai 1985 weitergearbeitet, weil ein Personalengpaß bestanden habe. Der Kläger habe noch Anspruch auf Überstundenentgelt von S 46.765,71, restlichen Lohn für Mai 1985 von S 13.771,79, Entgeltfortzahlung von S 18.616,49, Kündigungsentschädigung von S 7.206,38, Jahresremuneration von S 8.855 und Urlaubsentschädigung von S 32.428,72, jeweils brutto. Der Beklagte wandte ein, der Kläger habe entgegen der Dienstanweisung mehrfach Waren ohne Bon herausgegeben und überdies mit einem Kellner zum Nachteil des Dienstgebers zusammengewirkt, sodaß die Entlassung berechtigt sei. Des weiteren sei von dem Arbeitsunfall vom 28.Mai 1985 weder der Beklagte noch der Geschäftsführer verständigt worden; der Kläger sei ungerechtfertigt der Arbeit ferngeblieben und die Entlassung sei auch deswegen gerechtfertigt. Erst mit Schriftsatz ON 13 wandte der Beklagte ein, er sei nicht passiv legitmiert, ein Beschäftigungsverhältnis des Klägers habe nur mit der Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH bestanden, die am 30.April 1984 zu HRB 4712 des Landesgerichtes Innsbruck registriert worden sei; Geschäftsführerin dieser Gesellschaft mbH sei Erika M***. In der Tagsatzung vom 28. Mai 1986 brachte der Beklagte ergänzend vor, dem Kläger sei aus der Lohnbestätigung vom 10.Oktober 1984 bekannt gewesen, daß er nicht beim Beklagten, sondern bei der genannten Gesellschaft mbH beschäftigt sei, deren Geschäftsführer nunmehr wieder der Beklagte sei. Darüber hinaus seien sämtliche vor dem 30.März 1985 geleisteten Überstunden verfallen; der Kläger habe eine ordnungsgemäße Lohnabrechnung erhalten und die Überstunden weder schriftlich noch mündlich geltend gemacht.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab; das Berufungsgericht bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung.
Die Vorinstanzen gingen von folgenden Feststellungen aus:
Die Diskothek Happy Night in Igls wird von der am 30.April 1984 in das Handelsregister eingetragenen Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH mit Sitz in Igls betrieben. Zunächst waren der Beklagte und Erika M*** Geschäftsführer, vom 21.September 1984 bis 29.Jänner 1986 war Erika M*** allein Gschäftsführerin und seither ist der Beklagte als alleiniger Geschäftsführer eingetrages. Bis 30.April 1984 bestand ein nicht protokolliertes Einzelunternehmen Sigmund R***, das in die genannte Gesellschaft mbH eingebracht wurde. Der Kläger hatte seit Jahresanfang 1984 aushilfsweise an Wochenenden beim Beklagten in dessen Einzelunternehmen gearbeitet. Ab 1.Juli 1984 wurde der Kläger mit einem monatlichen Nettolohn von S 11.000 ständig beschäftigt; die Einstellungsgespräche wurden zwischen dem Kläger und dem Beklagten geführt. Nicht festgestellt werden konnte, daß der Kläger ausdrücklich darauf hingewiesen worden wäre, daß sein Dienstverhältnis mit der Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH begründet werden sollte. Der Beklagte wies auch nicht auf seine Eigenschaft als Geschäftsführer dieser Gesellschaft ausdrücklich hin. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht verfaßt.
Dem Kläger wurde über sein Ersuchen am 10.Oktober 1984 vom Steuerberater des Unternehmens nachfolgende Lohnbestätigung übergeben:
"Ich bestätige hiemiet, daß Herr Siegfried E***, geboren am 8. September 1950, wohnhaft in Vögelebichl 24 c, Innsbruck, seit 1. Juli 1984 bei der Firma Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH als Schankhilfe beschäftigt ist und monatlich brutto S 15.646,30 bezieht, dies entspricht einem Nettolohn von S 11.000."
Spätestens ab diesem Zeitpunkt "war dem Kläger somit bekannt, daß er nicht beim Beklagten persönlich, sondern bei der genannten Firma angestellt war."
Ob der Kläger noch anderweitig vom Bestehen bzw. der Gründung der Gesellschaft mbH unterrichtet wurde, ist nicht feststellbar. Das Dienstverhältnis wurde im Zuge eines Krankenstandes des Klägers durch den Arbeitgeber zur Auflösung gebracht. Mit 29.Mai 1985 wurde der Kläger bei der Tiroler Gebietskrankenkasse, bei der als Arbeitgeber die Firma Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH aufschien, abgemeldet.
Das Erstgericht vertrat die - in die Feststellungen aufgenommene - Rechtsansicht, daß das Di*nstverhältnis zwischen dem Kläger und der Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH begründet worden sei. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte es ferner aus, spätestens mit Ausstellung der Lohnbestätigung am 10. Oktober 1984 sei der Kläger zwar nach Eingehen aber noch während des aufrechten Dienstverhältnisses über seinen Dienstgeber aufgeklärt worden.
Das Berufungsgericht gelangte nach Neudurchführung des Verfahrens gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG zu den gleichen Feststellungen wie das Erstgericht und nahm in diese gleichfalls die rechtliche Folgerung auf, das Dienstverhältnis sei zwischen dem Kläger und der genannten Gesellschaft mbH zustande gekommen. Es vertrat aber im Rahmen der Behandlung der Rechtsrüge die Ansicht, daß der Kläger durch sein Schweigen zur Lohnbestätigung vom 10.Oktober 1984 sein Einverständnis zur Änderung des mit dem Beklagten abgeschlossenen Dienstvertrages in einen solchen mit der Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH als Dienstgeber stillschweigend bekundet habe. Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision des Klägers aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im klagsstattgebenden Sinn abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Beklagte stellt in seiner Revisionsbeantwortung den Antrag, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Dem Revisionswerber ist darin beizupflichten, daß sich die als rechtliche Schlußfolgerung zu qualifizierende "Feststellung" der Vorinstanzen, der Kläger sei am 1.Juli 1984 als Schankgehilfe in die Dienste der Firma Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH eingetreten, aus dem festgestellten Sachverhalt nicht ableiten läßt. Da im Stellvertretungsrecht der Offenlegungsgrundsatz herrscht, bedarf es in jedem Einzelfall, in dem ein ausdrückliches Handeln im fremden Namen nicht vorliegt, sorgfältiger Prüfung, wie der Dritte - von seinem Erkenntnishorizont aus gesehen - das Auftreten des Handelnden verstehen mußte; im Zweifel ist ein Eigengeschäft des Handelnden anzunehmen (Arb.9374 = ZAS 1976/21; SZ 57/12; RdW 1985, 337; Koziol Welser Grundriß7 I, 149). Der Zuordnungswille des Handelnden muß - und sei es auch nur aus den Umständen, unter denen die Handlung vorgenommen wird - klar erkennbar sein (Arb 9973; SZ 53/138; JBl 1980, 535, jeweils mwH).
Der Beklagte hat bei Abschluß des Arbeitsvertrages nicht zu erkennen gegeben, daß er im Namen der von ihm als Geschäftsführer vertretenen Gesellschaft mbH handle; er hat nicht einmal negativ offengelegt, nicht im eigenen Namen zu handeln, sodaß der Kläger mit der Parteistellung des Beklagten rechnen mußte (siehe Hügel, Probleme des Offenlegungsgrundsatzes bei Rechtsgeschäften, JBl 1983, 456). Auch wenn es sich bei der Aufnahme des Klägers als Schankbursche für eine Diskothek um ein unternehmensbezogenes Geschäft handelte, kann nicht davon ausgegangen werden, daß das Interesse des Klägers nicht auch auf Offenlegung der Person des Vertragspartners gerichtet war, sodaß der Vertrag mit dem jeweiligen Unternehmensträger zustande gekommen wäre (SZ 57/198). Zieht man allein das von Hügel aaO, 529 ausführlich dargelegte Risiko des vertragsschließenden Dritten in Betracht, seine Ansprüche gegen eine passiv nicht legitimierte Person geltend zu machen, muß wohl grundsätzlich bei jedem Geschäft, das nicht sofort erfüllt wird und aus dem Folgeansprüche (etwa aus dem Titel der Gewährleistung) zu erwarten sind, ein Interesse des vertragschließenden Dritten an der Offenlegung der Person des Vertragspartners bejaht werden. Im Falle eines Dauerschuldverhältnisses, insbesondere des Arbeitsvertrages, besteht darüber hinaus die Gefahr, daß der vertragschließende Dritte im Vertrauen auf die Parteistellung des Vertreters diesem gegenüber Erklärungen abgibt (etwa Kündigung des Dienstvertrages, Geltendmachung von Überstunden vor Ablauf der Verfallsfrist), Weisungen des Vertreters befolgt bzw. ihm gegenüber die aus der Treuepflicht entspringenden Nebenpflichten erfüllt, obwohl dies durch die Zuständigkeit des Vertreters nicht oder nicht mehr gedeckt ist. Es ist hier daher davon auszugehen, daß der Arbeitsvertrag mangels Offenlegung der Vertretung durch den Beklagten zwischen den Streitteilen zustandekam.
Es bleibt noch zu untersuchen, ob das Stillschweigen des Klägers auf die Übermittlung der Lohnbestätigung vom 10.Oktober 1984, aus der die Gesellschaft mbH als Dienstgeber zu ersehen war, eine Änderung des zwischen den Streitteilen bereits begründeten Vertragsverhältnisses bewirkte. Die von den Vorinstanzen im Zusammenhang mit der Ausstellung der Lohnbestätigung am 10.Oktober 1984 getroffene "Feststellung", spätestens ab diesem Zeitpunkt sei dem Kläger somit bekannt gewesen, daß er nicht beim Beklagten persönlich, sondern bei der genannten Gesellschaft angestellt gewesen sei, beinhaltet in ihrem zweiten Teil die vom Obersten Gerichtshof nicht geteilte Rechtsansicht, das Dienstverhältnis sei nicht zwischen den Streitteilen, sondern zwischen dem Kläger und der genannten Gesellschaft zustandegekommen. Der erste Teil dieses Satzes ist insbesondere im Hinblick auf die aus dem Wort "somit" zu erschließende Ableitung dieser Feststellung daher nur dahin zu werten, daß der Kläger wußte, daß als Dienstgeber in dieser Bestätigung die Sigmund R*** D*** H*** N*** Gesellschaft mbH angeführt war. Selbst wenn der Kläger diese nach Begründung des Dienstverhältnisses mit dem Beklagten ausgestellte Bestätigung entgegennahm und ihr entnahm, daß als Arbeitgeber nicht der Beklagte, sondern eine den Namen des Beklagten und die bisherige Etablissementsbezeichnung in ihrer Firma enthaltende Gesellschaft mbH aufschien, kann aus seinem Schweigen nicht sein Einverständnis zur Änderung des Arbeitsvertrages erschlossen werden. Die auf Verlangen des Klägers ausgestellte Lohnbestätigung war schon ihrer Funktion nach nicht dazu bestimmt, Anbote des Vertragspartners auf Änderung des bereits abgeschlossenen Vertrages aufzunehmen (ähnlich SZ 55/106); der Aussteller dieser Bestätigung konnte daher nicht mit einer Beantwortung rechnen und bei Ausbleiben der Antwort Grund zur Annahme haben, daß der Kläger durch sein Schweigen zu einer allfälligen Abweichung vom Inhalt des geschlossenen Arbeitsvertrages einer derartigen Änderung dieses Vertrages zustimme (siehe auch Gschnitzer in Klang IV/1, 80 f sowie Arb.9.374). Entgegen der Ansicht der Vorinstanzen war daher der Beklagte auch nach Ausstellung der Lohnbestätigung weiterhin Arbeitgeber des Klägers. Im fortgesetzten Verfahren wird sich das Erstgericht mit den vom Beklagten behaupteten Entlassungsgründen und den von der Entlassung unabhängigen Ansprüchen des Klägers auseinanderzusetzen haben. Der Revision war daher im Sinne des Eventualantrages Folge zu geben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
Anmerkung
E11232European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00003.87.0520.000Dokumentnummer
JJT_19870520_OGH0002_009OBA00003_8700000_000