Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Kuderna als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Gamerith und Dr.Maier sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler und Mag.Ernst Löwe als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Georg V***, Pensionist, Köflach, Krennbauerweg 6, vertreten durch Dr.Erwin Gstirner, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei Franz P*** & Co OHG, St.Gertraud im Lavantal, Zellach 6, vertreten durch Dr.Friedrich Bardel, Rechtsanwalt in Wolfsberg, wegen S 62.818,50 brutto samt Anhang, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgerichtes in arbeitsgerichtlichen Rechtsstreitigkeiten vom 28.Oktober 1986, GZ 2 Cg 49/86-19, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeitsgerichtes Voitsberg vom 20.Mai 1986, GZ Cr 61/84-12, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil nach Maßgabe der erfolgten Klageeinschränkung wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 13.519,55 (darin S 1.229,05 Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit S 8.397,35 (darin S 308,85 Umsatzsteuer und S 5.000,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war seit 22.August 1960 im Unternehmen des Josef R*** als Kraftfahrer beschäftigt. Mit Kaufvertrag vom 28.Juni 1973 verkaufte Josef R*** sein Unternehmen an die beklagte Partei, welche mit 1.Juli 1973 den Handel mit festen und flüssigen Brennstoffen aufnahm. Josef R*** meldete den Kläger bei der Gebietskrankenkasse und beim Arbeitsamt ab. Seine sämtlichen Lohnansprüche wurden befriedigt und er erhielt das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld ausbezahlt. In der Folge arbeitete der Kläger noch bis 30.Juni 1984 bei der beklagten Partei. Von dieser erhielt er anläßlich seiner Pensionierung allerdings nur für den Zeitraum ab der Betriebsübernahme durch die beklagte Partei eine Abfertigung von S 50.184,--.
Mit der vorliegenden Klage verlangte der Kläger von der beklagten Partei eine restliche Abfertigung von brutto S 72.139,80 sA. Er brachte vor, daß die beklagte Partei sein Arbeitsverhältnis "nahtlos" übernommen habe. Sie habe ihm ausdrücklich zugesagt, daß hinsichtlich seiner Pensionsansprüche alle Vordienstzeiten angerechnet würden, daß er die gleichen Arbeiten zu verrichten habe, daß er den gleichen Lohn erhalte und daß in seinem Dienstverhältnis keine wie immer geartete Änderung eintrete. An diese Zusagen habe sich die beklagte Partei auch gehalten. Sie habe seine Vordienstzeiten bei der Firma Josef R*** auch hinsichtlich des Urlaubsanspruches voll anerkannt. Es stehe ihm daher noch ein restlicher Abfertigungsanspruch auch für die Zeit vom 22. August 1960 bis zur Betriebsübernahme zu.
Die beklagte Partei beantragt, die Klage abzuweisen und wendet im wesentlichen ein, daß sie mit dem Kläger am 2.Juli 1973 ein neues Dienstverhältnis eingegangen sei. Der Kläger sei keineswegs "nahtlos" in das neue Dienstverhältnis übernommen worden, sondern Josef R*** habe seine Ansprüche vollständig abgerechnet und befriedigt. Die Anrechnung von Vordienstzeiten sei dem Kläger nie zugesagt worden. Zu einer Mehrgewährung an Urlaub sei es lediglich durch einen Irrtum gekommen. Da im Zeitpunkt der Betriebsübernahme durch die beklagte Partei noch kein gesetzlicher Abfertigungsanspruch für Arbeiter bestanden habe, sei jeder Anlaß, darüber zu verhandeln, entfallen.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren im wesentlichen mit der Begründung ab, der Kläger habe mit der beklagten Partei ein neues Arbeitsverhältnis begründet, so daß seine vor der Übernahme des Unternehmens liegende Beschäftigung bei der Firma Josef R*** für die Bemessung des Abfertigungsanspruches nicht heranzuziehen sei. Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Stattgebung des auf brutto S 62.818,50 samt Anhang eingeschränkten Klagebegehrens ab. Es führte das Verfahren gemäß § 25 Abs 1 Z 3 ArbGG neu durch und legte seiner Entscheidung folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde:
Da der Kläger von Josef R*** als guter Kraftfahrer empfohlen worden war, beschloß die beklagte Partei ihn einzustellen und ihm den gleichen Lohn wie bisher zu zahlen. Einige Tage vor der Übernahme des Unternehmens teilte der Gesellschafter Franz P*** dem Kläger mit, daß dieser unter denselben Bedingungen wie bisher bei der beklagten Partei arbeiten könne. Weiters wurde ihm ausdrücklich zugesagt, daß ihm für die Errechnung seines Urlaubsanspruches seine Vordienstzeiten bei Josef R*** angerechnet werden. Diese Zusagen wurden eingehalten und der Urlaub des Klägers unter Anrechnung der Vordienstzeiten ermittelt. Der Kläger hatte die gleichen Arbeiten unter den gleichen Bedingungen zu leisten. Es wurde ihm auch der gleiche Lohn gezahlt.
Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, daß beim Kauf und der Weiterführung eines Unternehmens die Arbeitsverhältnisse zwar nicht automatisch übertragen würden, daß im vorliegenden Fall aber von einer stillschweigenden Mitübernahme des Klägers im Sinne des § 863 ABGB und den damit verbundenen Rechtsfolgen auszugehen sei, da die beklagte Partei keinen ausdrücklichen, entgegenstehenden Vorbehalt gemacht habe. Wenn die beklagte Partei die Vordienstzeiten des Klägers auch nur bei der Bemessung des Urlaubs angerechnet habe - einen gesetzlichen Abfertigungsanspruch habe es für Arbeiter damals noch nicht gegeben -, sei die Übernahme des Klägers unter Anrechnung seiner Vordienstzeiten schlechthin erfolgt. Ihm stehe daher die geltend gemachte restliche Abfertigung zu. Gegen diese Entscheidung richtet sich die aus den Gründen der Mangelhaftigkeit des Verfahrens, der Aktenwidrigkeit und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Revision der beklagten Partei mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil nach Maßgabe der Klageeinschränkung wiederherzustellen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Der Kläger beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist berechtigt.
Die Veräußerung eines Unternehmens beendet das Arbeitsverhältnis zum Veräußerer nicht. Das Arbeitsverhältnis wird dadurch nicht mitübertragen. Damit ein Arbeitsverhältnis auf den Erwerber des Betriebs übergeht, ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer, bisherigem Arbeitgeber und neuem Inhaber erforderlich (Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht 173, Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 235; Floretta in Floretta-Spielbüchler-Strasser, Arbeitsrecht2 I 186; Martinek-Schwarz, AngG6 470 f; Krejci, Betriebsübergang und Arbeitsvertrag 172 ff, 191). Eine solche Vereinbarung, die zu einer automatischen Übernahme des Arbeitsvertrages des Klägers auf den Betriebsnachfolger geführt hätte, wurde nach den Feststellungen nicht getroffen. Die Prozeßparteien haben vielmehr ein neues Arbeitsverhältnis begründet.
Der Kläger wurde aber von der beklagten Partei im gleichen Arbeitsbereich und zum gleichen Lohn eingestellt. Ihm wurde mitgeteilt, daß er unter "denselben Bedingungen" wie bisher bei der beklagten Partei arbeiten könne. Da der Kläger die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter den bisherigen Bedingungen nicht ablehnte, ist daher gemäß § 2 Abs 1 ArbAbfG iVm § 23 Abs 3 AngG zu prüfen, ob sich die beklagte Partei ihm gegenüber verpflichtet hat, die bei seinem früheren Arbeitgeber geleistete Dienstzeit als bei ihr selbst verbracht zu betrachten. Eine solche Verpflichtung muß nicht ausdrücklich erfolgen; es kommt auch eine konkludente Anrechnung der Vordienstzeiten in Betracht (Migsch aaO Rz 236 ff). Erfolgt die Anrechnung von Vordienstzeiten ohne näheren Hinweis auf die Art der dienstzeitabhängigen Ansprüche, für welche die Anrechnung gelten soll, dann gilt sie mangels Einschränkung der Wirkung einer solchen Anrechnung auf bestimmte Ansprüche für alle dienstzeitabhängigen Ansprüche (Martinek-Schwarz, AngG6 451; Arb. 7.031, 9.520, 10.139 mwH, ua). Das ist hier nicht der Fall. Die beklagte Partei setzte das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger weder stillschweigend ohne Vorbehalt fort, noch verpflichtete sie sich zu einer allgemeinen Anrechnung von Vordienstzeiten. Es wurde dem Kläger vielmehr ausdrücklich mitgeteilt, daß ihm seine Vordienstzeiten bei der Firma Josef R*** "für die Errechnung seines Urlaubsanspruches" angerechnet werden. Diese Einschränkung auf einen bestimmten dienstzeitabhängigen Anspruch schließt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes die Annahme, die beklagte Partei hätte durch stillschweigende Übernahme des Klägers im Sinne des § 863 ABGB mit ihm auch schlüssig eine allgemeine, uneingeschränkte Anrechnung aller dienstzeitabhängigen Ansprüche in Gegenwart und Zukunft vereinbart, aus (Arb.9.423). Dagegen spricht auch nicht die dem Kläger erteilte Zusage, daß er unter "denselben Bedingungen" bei der beklagten Partei arbeiten könne, da sich diese "Bedingungen" nach § 23 Abs 3 AngG nur auf die Fortsetzung des Dienstverhältnisses selbst beziehen (gleiche Arbeit, gleicher Lohn), während die Anrechnung der Vordienstzeiten schon nach dem Gesetz noch einer zusätzlichen ausdrücklichen oder schlüssigen Verpflichtung des Arbeitgebers bedarf (Arb.5.157).
Eine vom festgestellten Wortlaut der Vereinbarung über die Anrechnung von Vordienstzeiten für die Bemessung des Urlaubsanspruches abweichende, die Ansprüche erweiternde übereinstimmende Absicht der Parteien hätte vom Kläger nachgewiesen werden müssen; die beklagte Partei war dafür, daß die Parteien nur die sich aus dem Wortlaut der Vereinbarung ohnehin ergebende Einschränkung auf den darin genannten dienstzeitabhängigen Anspruch vereinbaren wollten, nicht beweispflichtig. Wollte man der Auffassung des Klägers und des Berufungsgerichtes folgen, müßten in derartigen Fällen, in denen ausdrücklich nur ein Anspruch bezeichnet wurde, für den die Vordienstzeitenanrechnung gelten soll, noch zusätzlich sämtliche übrigen dienstzeitabhängigen Ansprüche aufgezählt und ausdrücklich ausgeschlossen und überdies noch vereinbart werden, daß diese Anrechnung für Ansprüche, die durch eine Änderung der materiellen Rechtslage neu geschaffen werden, keine Geltung haben soll (14 Ob 195/86). Bei ausdrücklicher Vereinbarung einer eindeutig abgegrenzten Anrechnungspflicht können aus der Unterlassung des Ausschlusses möglicher und zum Zeitpunkt der Vereinbarung noch gar nicht bekannter weiterer Anrechnungsfälle nicht die besonderen Umstände erblickt werden, die auf eine stillschweigende Vereinbarung schließen lassen. Die Beschränkung auf einen einzelnen Anspruch läßt daher mangels anderer berücksichtigungswürdiger Umstände solche zusätzliche Vereinbarungen über allenfalls in der Zukunft entstehende dienstzeitabhängige Ansprüche um so überflüssiger erscheinen, wenn die Anrechnungsverpflichtung nicht einmal alle jene Ansprüche nennt, die schon im Zeitpunkt der Vereinbarung einen Bestandteil der materiellen Rechtsordnung bilden.
Da sich die von der beklagten Partei zugesagte Anrechnung somit nicht auf den Abfertigungsanspruch erstreckt, stand dem Kläger nur der schon ohnehin erfüllte Abfertigungsanspruch zu. Die Kostenentscheidung ist in den §§ 41 und 50 ZPO begründet.
Anmerkung
E11240European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:009OBA00002.87.0520.000Dokumentnummer
JJT_19870520_OGH0002_009OBA00002_8700000_000