Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Brigitte K***, Angestellte, Mollgasse 3-5/4/4, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Franz Clemens Obendorfer, Rechtsanwalt in Wien, wider den Antragsgegner Leopold K***, Oberbrandmeister, Mollgasse 3-5/4/4, 1180 Wien, vertreten durch Dr. Walter Mardetschläger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens, infolge Revisionsrekurses des Antragsgegners gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Wien als Rekursgerichtes vom 22. Jänner 1987, GZ 47 R 677/86-18, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Döbling vom 23. Juni 1986, GZ 2 F 1/86-13, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Aus Anlaß des Revisionsrekurses wird der angefochtene Beschluß als nichtig aufgehoben.
Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Rekurs des Antragsgegners nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsrekurses des Antragsgegners sind als weitere Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu behandeln.
Text
Begründung:
Nach Scheidung der Ehe der Streitteile begehrte die Antragstellerin innerhalb der im § 95 EheG normierten Jahresfrist die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens, wobei sie unter anderem beantragte, ihr die Ehewohnung in 1180 Wien, Mollgasse 3-5/4/4, zur alleinigen Benützung zuzuweisen. Es handelt sich um eine Mietwohnung; Vermieter ist die Stadt Wien, MA 52 (ON 16). Der Antragsgegner, der behauptet, Hauptmieter der Ehewohnung zu sein (ON 3 und 7), beantragte seinerseits primär, ihm diese zur alleinigen Benützung zuzuweisen; sollte sie seiner Gattin zugewiesen werden, dann sei sie zur Leistung einer Ausgleichszahlung von S 100.000,-- zu verhalten.
Das Erstgericht beteiligte die Vermieterin der Ehewohnung nicht am Verfahren und entschied schließlich mit Beschluß vom 23. Juni 1986 (ON 13) unter anderem, daß die alleinigen Hauptmietrechte an der Ehewohnung in 1180 Wien, Mollgasse 3-5/4/4, der Antragstellerin zugewiesen werden und daß der Antragsgegner verpflichtet sei, diese Wohnung bis 20. August 1986 zu räumen. Diese Entscheidung wurde den Vertretern der Parteien am 27. Juni 1986 zugestellt und vom Antragsgegner mit Rekurs bekämpft. Die Gleichschrift dieses Rechtsmittels wurde dem Vertreter der Antragstellerin am 22. Juli 1986 zugestellt; eine Rekursbeantwortung wurde von ihm nicht erstattet. Über Auftrag des Rekursgerichtes stellte das Erstgericht am 10. Dezember 1986 eine Ausfertigung des Beschlusses ON 13 der MA 52 zu, die kein Rechtsmittel gegen diese Entscheidung erhob.
Das Rekursgericht gab mit dem angefochtenen Beschluß dem Rekurs des Antragsgegners keine Folge; es erkannte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß dahin abzuändern, daß seinem Rekurs gegen die Entscheidung des Erstgerichtes Folge gegeben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs wurde dem Vertreter der Antragstellerin zugestellt; eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet. Aus Anlaß des vorliegenden zulässigen Rechtsmittels des Antragsgegners ist eine dem Rekursgericht unterlaufene Nichtigkeit wahrzunehmen (Berger in RZ 1978, 259 f; EvBl 1980/61; SZ 53/52). Nach ständiger Rechtsprechung gelten die im § 477 ZPO normierten Nichtigkeitsgründe auch, soweit sie dafür in Betracht kommen, für das außerstreitige Verfahren (SZ 22/107; SZ 28/11; SZ 39/1; SZ 45/50 uva.).
Im Verfahren betreffend die Zuteilung der Ehewohnung kommt im Sinne des § 229 Abs 1 AußStrG dem Vermieter Beteiligtenstellung zu (SZ 53/165 uva.; zuletzt 5 Ob 533/85; 1 Ob 630/85). Wie sich aus § 231 Abs 2 AußStrG ergibt, räumt das Gesetz im Verfahren über die Aufteilung ehelichen Gebrauchsvermögens jedem Beteiligten das Recht ein, eine Rekursbeantwortung einzubringen; es ist daher jedem Beteiligten eine Ausfertigung eines eingebrachten Rekurses zuzustellen.
Im Sinne des § 477 Abs 1 Z 4 ZPO ist die angefochtene Entscheidung nichtig, wenn einer Partei die Möglichkeit, vor Gericht zu verhandeln, durch ungesetzlichen Vorgang, insbesondere durch Unterlassung der Zustellung, entzogen wurde. Dieser Nichtigkeitsgrund liegt auch dann vor, wenn im Falle eines zweiseitigen Rekursverfahrens dem Gegner des Rekurswerbers durch einen ungesetzlichen Vorgang die Möglichkeit, sich am Rekursverfahren zu beteiligen, entzogen wurde (7 Ob 674/84;
RZ 1986/48; 14 Ob 172, 173/86; 1 Ob 681/86). Die Verletzung des vorgeschriebenen rechtlichen Gehörs begründet auch im Außerstreitverfahren eine Nichtigkeit (SZ 56/109; 1 Ob 542/86;
2 Ob 525/87 uva.).
Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, daß durch die nachträgliche Zustellung der Sachentscheidung des Erstgerichtes an die Vermieterin der Ehewohnung deren mangelnde Beteiligung am Verfahren erster Instanz saniert wurde (vgl. EF-Slg. 30.388, 37.153 ua; die Vermieterin hatte die Möglichkeit, ihren Standpunkt in einem Rekurs zu vertreten, wobei sie im Sinne des § 10 AußStrG auch Neuerungen vorbringen konnte). Da ihr aber der Rekurs des Antragsgegners nicht zugestellt wurde, hatte sie keine Möglichkeit, sich in der ihr gemäß § 231 Abs 2 AußStrG zustehenden Weise am Rekursverfahren zu beteiligen. Damit wurde ihr das ihr im Rekursverfahren zustehende rechtliche Gehör entzogen und somit eine aus § 477 Abs 1 Z 4 ZPO abzuleitende Nichtigkeit begründet. Diese dem Rekursgericht unterlaufene Nichtigkeit ist nicht mehr sanierbar. Eine nachträgliche Zustellung des Rekurses des Antragsgegners an die Vermieterin der Ehewohnung wäre sinnlos, weil ja die Entscheidung des Rekursgerichtes bereits ergangen ist. Auch eine nachträgliche Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes an die Vermieterin der Ehewohnung könnte nichts daran ändern, daß diese entgegen den dargestellten gesetzlichen Bestimmungen nicht am Rekursverfahren beteiligt wurde. Es handelt sich nicht darum, daß der Vermieterin der Ehewohnung die Möglichkeit genommen worden wäre, eine in ihre Rechte eingreifende Entscheidung des Erstgerichtes zu bekämpfen; tatsächlich hat sie ja gegen die ihr nachträglich zugestellte Entscheidung des Erstgerichtes kein Rechtsmittel erhoben. Sie wurde aber durch Unterlassung der Zustellung des gegen die Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Rekurses des Antragsgegners ihres Rechtes verlustig, sich in der ihr gesetzlich zustehenden Weise (durch Einbringung einer Rekursbeantwortung) am Rekursverfahren zu beteiligen und damit das ihr in diesem Verfahrensstadium zustehende rechtliche Gehör zu erlangen. Dies läßt sich im Verfahren über einen Revisionsrekurs schon zufolge der im § 232 Abs 2 AußStrG normierten Einschränkung der Rechtsmittelgründe nicht nachholen. Dies bewirkt im Sinne obiger Rechtsausführungen die Nichtigkeit der Entscheidung des Rekursgerichtes, die aus Anlaß des vorliegenden zulässigen Rechtsmittels des Antragsgegners von Amts wegen wahrzunehmen war.
Die Entscheidung des Rekursgerichtes war daher als nichtig aufzuheben. Das Rekursgericht wird nach entsprechender Ergänzung des Verfahrens (Zustellung des Rekurses des Antragsgegners an die Vermieterin der Ehewohnung und Ablauf der ihr für die Rekursbeantwortung offenstehende Frist) neuerlich über den Rekurs des Antragsgegners zu entscheiden haben.
Der Vorbehalt der Kosten des Revisionsrekurses des Antragsgegners beruht auf § 234 AußStrG.
Anmerkung
E11208European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00574.87.0521.000Dokumentnummer
JJT_19870521_OGH0002_0080OB00574_8700000_000