Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Kuch als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Lindner als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef Bruno W*** wegen des Verbrechens der versuchten Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 20.Jänner 1987, GZ 9 Vr 3635/86-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Tschulik, und des Verteidigers Dr. Lackner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs 1 StPO das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 27-jährige Josef Bruno W*** (zu I/) des Verbrechens der versuchten
Brandstiftung nach §§ 15, 169 Abs 1 StGB (zu II/) des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 "zweiter Deliktsfall" (richtig:
zweiter Strafsatz; vgl EvBl 1982/198 und SSt 55/16) StGB und (zu II/2) des Vergehens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 "erster Deliktsfall" (richtig: erster Strafsatz) StGB schuldig erkannt. Darnach hat er
I/ am 22.Oktober 1986 in Gamlitz/Bezirk Leibnitz versucht, an einer fremden Sache ohne Einwilligung des Eigentümers eine Feuersbrunst zu verursachen, indem er im Wirtschaftsgebäude seiner Mutter Hedwig W*** gelagertes Heu anzündete, wobei das Wirtschaftsgebäude aber letztlich durch den raschen Einsatz der Feuerwehr gerettet werden konnte und nur ein tatsächlicher Schaden von ca 20.000 S entstand;
II/ nachstehend genannte Personen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt, daß er sie von Amts wegen zu verfolgender, mit Strafe bedrohter Handlungen falsch verdächtigte, wobei er wußte (§ 5 Abs 3 StGB), daß die Verdächtigungen falsch sind, und zwar
1. am 22.Oktober 1986 in Gamlitz den Gelegenheitsarbeiter Viktor S*** des (mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohten) Verbrechens der Brandstiftung nach § 169 Abs 1 StGB, indem er gegenüber dem Inspektor Helmut H*** des Gendarmeriepostens Gamlitz angab, Viktor S*** habe den Brand am Wirtschaftsgebäude seiner Mutter gelegt;
2. die Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark Anton K*** und Peter F*** der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB, indem er am 24.Oktober 1986 vor dem Kommandanten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark Oberst Walter Z*** angab, am 23.Oktober 1986 von Anton K*** und Peter F*** durch Schläge zu einem Geständnis gezwungen worden zu sein, und am 3.November 1986 in Graz vor dem Untersuchungsrichter behauptete, von den beiden Gendarmeriebeamten auch noch am 24.Oktober 1986 am Gendarmerieposten Spielfeld mißhandelt und verletzt worden zu sein.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Gründe der Z 4, 5, "9" und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; gegen den Strafausspruch hat er Berufung ergriffen.
Rechtliche Beurteilung
Gegen Punkt I/ des Schuldspruches macht der Beschwerdeführer - der Sache nach primär den Nichtigkeitsgrund der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO reklamierend - geltend, daß es am objektiven Tatbestand der Brandstiftung fehle, weil er keine Feuersbrunst verursacht habe. Dabei übersieht er, daß ihm nur versuchte Brandstiftung angelastet wird. Für die Strafbarkeit des Delikts nach § 169 Abs 1 StGB in der Erscheinungsform des Versuches ist aber nicht entscheidend, ob an einer fremden Sache ein ausgedehnter, nicht bloß auf einzelne Gegenstände beschränkter, sondern sich weiter ausbreitender Brand, der mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr unter Kontrolle zu bringen ist
(vgl ÖJZ-LSK 1976/32, 1979/362 ua), wirklich entstanden ist, sondern nur, ob der Täter seinen Entschluß, eine Feuersbrunst an fremdem Eigentum zu bewirken, durch eine Ausführungshandlung oder durch ein der Tatausführung unmittelbar vorangehendes, zur Herbeiführung des erstrebten Deliktserfolgs nicht absolut untaugliches Verhalten betätigt hat. Absolute Untauglichkeit des Versuches läge im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nur dann vor, wenn eine Handlung von der Art, wie sie der Beschwerdeführer gesetzt hat, das Tatbild der Brandstiftung unter keinen wie immer gearteten Umständen hätte verwirklichen können, das inkriminierte Tatverhalten also von der Handlungsweise und vom verwendeten Mittel her generell keinerlei Erfolgschancen besessen hätte. Davon kann vorliegend aber keine Rede sein. Ausgehend von den Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte im hinteren Tennenraum des landwirtschaftlichen Anwesens gelagertes Heu in Brand gesteckt hat und eine Ausbreitung des Brandes durch raschen Feuerwehreinsatz schon in der Entstehungsphase verhindert werden konnte, dieser ansonsten aber zu einer Gefährdung der Nachbarobjekte - des Wohnhauses und des Wirtschaftsgebäudes - hätte führen können (vgl S 296, 297 d.A), zeigt sich nämlich, daß eine Feuersbrunst nur infolge der Besonderheiten des Einzelfalles, nämlich wegen der geringen Menge des in Brand gesteckten Heus, der geringen Intensität des dadurch entfachten Feuers und der rasch einsetzenden Löscharbeiten nicht ausgebrochen ist, daß aber bei Anlegung eines generalisierenden Maßstabs der Eintritt eines solchen für eine Brandstiftung charakteristischen Deliktserfolgs keinesfalls als denkunmöglich ausgeschlossen werden kann.
Unzutreffend ist ferner der - nominell auf die Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte - Beschwerdeeinwand, es hätte der Prüfung bedurft, ob das entzündete Heu im Eigentum des Angeklagten als Pächter der Liegenschaft gestanden sei und wieviel Heu tatsächlich verbrannte. Denn wesentlich ist nur, ob eine Feuersbrunst an einer fremden Sache entstehen sollte. Eine fremde Sache ist aber eine solche, die nicht im Alleineigentum des Täters steht, mithin ganz oder teilweise einer vom Täter verschiedenen Person gehört. Demnach verantwortet Brandstiftung (bzw versuchte Brandstiftung) auch ein Pächter, der eine Feuersbrunst an Objekten des Verpächters herbeiführen will. Wie vom Erstgericht festgestellt und vom Beschwerdeführer auch nicht bestritten worden ist, stehen die zu der von ihm gepachteten Landwirtschaft gehörigen Grundstücke samt den darauf befindlichen Bauwerken im Eigentum seiner Mutter Hedwig W***. Objekt des deliktischen Angriffs waren aber die Wirtschafts- und Wohngebäude der Verpächterin, während es sich beim dem Pächter gehörigen Heu bloß um das Mittel zur Tatbegehung gehandelt hat. Soweit die Beschwerde im gegebenen Zusammenhang (auch) einen Verfahrensmangel reklamiert, fehlt es mangels entsprechender Antragstellung in erster Instanz schon an den formalen Voraussetzungen einer Rüge nach der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO.
Der gesetzmäßigen Darstellung eines Nichtigkeitsgrundes entraten jene Beschwerdeausführungen, die sich gegen den Schuldspruch wegen Verleumdung (Punkte II/1 und II/2) richten. Denn mit dem Hinweis, er befände sich im Beweisnotstand, weil seiner Verantwortung, von Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark durch Schläge zu einem Geständnis gezwungen und auch in weiterer Folge von ihnen mißhandelt und verletzt worden zu sein, übereinstimmende Zeugenaussagen einer Reihe von Gendarmeriebeamten entgegenstünden, er sei aber weiterhin von der subjektiven Richtigkeit seiner Darstellung überzeugt, wonach Viktor S*** den Brand gelegt haben könne und sein Geständnis vor der Gendarmerie erzwungen worden sei, zieht der Beschwerdeführer lediglich in unzulässiger und somit unbeachtlicher Weise nach Art einer Schuldberufung die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes in Zweifel. Die Nichtigkeitsbeschwerde erweist sich daher zur Gänze als nicht begründet, weshalb sie zu verwerfen war.
Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß dem Urteil vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachte Feststellungsmängel im Sinne der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO anhaften:
Beim Tatbestand der Brandstiftung muß sich nämlich der Tätervorsatz auf sämtliche Tatbildmerkmale, mithin auch auf die Herbeiführung einer Feuersbrunst erstrecken, Feststellungen darüber, ob der Vorsatz des Angeklagten darauf gerichtet war, daß an den Gebäuden des landwirtschaftlichen Anwesens seiner Mutter ein ausgedehntes, mit gewöhnlichen Mitteln nicht mehr beherrschbares Schadensfeuer entstehen sollte, sind vom Erstgericht jedoch nicht getroffen worden. Den Urteilsannahmen zufolge hat es der Angeklagte unterlassen, selbst einen Löschversuch zu unternehmen oder die umliegenden Nachbarn zu alarmieren; er ist jedoch unverzüglich zum 7,5 km entfernten Gendarmeriepostenkommando Gamlitz gefahren, wo er Anzeige gegen Viktor S*** wegen Brandstiftung erstattete. Als der Gendarmerieinspektor Helmut H*** nach kurzer Befragung erkannte, daß der Angeklagte bisher - ersichtlich bewußt - noch nicht die Feuerwehr verständigt hatte, veranlaßte er den unverzüglichen Löscheinsatz der Feuerwehr, welche den Brand rasch eindämmen konnte. Vor der Gendarmerie hatte der Angeklagte auch behauptet, daß meterhohe Flammen aus dem Wirtschaftsgebäude geschlagen hätten, doch war laut Gutachten des Sachverständigen Ing.Günther G*** auf Grund der kaum vorhandenen Brandbelastung ein Auftreten meterhoher Flammen tatsächlich auszuschließen (vgl S 296 ff d.A). Diese Konstatierungen lassen nicht mit hinreichender Deutlichkeit erkennen, ob der Angeklagte nach Überzeugung des Schöffengerichtes wollte, daß eine Feuersbrunst tatsächlich ausbricht (worauf das Unterbleiben unverzüglicher Löschversuche allenfalls hindeuten würde) oder ob sein Verhalten (in der Erwartung, es werde infolge der geringen Intensität des Brandes zu einer Entfesselung der Naturkraft des Feuers gar nicht kommen) lediglich darauf abzielte, Viktor S*** ein für allemal aus seiner Umgebung zu entfernen, indem er ihn in den Verdacht einer Brandstiftung brachte.
Schon infolge des engen beweismäßigen Zusammenhangs zwischen der dem Angeklagten angelasteten versuchten Brandstiftung und dem gegen ihn erhobenen weiteren Vorwurf, Viktor S*** des Verbrechens der (versuchten) Brandstiftung, sowie in weiterer Folge die Gendarmeriebeamten Anton K*** und Peter F*** der Vergehen der Nötigung und der Körperverletzung wissentlich falsch verdächtigt zu haben, erschien eine Aufrechterhaltung des Schuldspruchs wegen Verbrechens bzw Vergehens der Verleumdung untunlich und eine Aufhebung des gesamten Urteils angebracht (§ 289 StPO). Zudem lassen die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils eindeutige Feststellungen darüber vermissen, ob der Angeklagte die Beamten der Kriminalabteilung des Gendarmeriekommandos für Steiermark Anton K*** und Peter F*** durch die inkriminierten Falschbeschuldigungen der konkreten Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt hat und ob er sie einer solchen Gefahr aussetzen wollte. Denn zum einen geht das Erstgericht davon aus, daß die Behauptungen des Angeklagten, von den beiden Gendarmeriebeamten durch Schläge zu einem Geständnis gezwungen, sowie in weiterer Folge von ihnen mißhandelt und verletzt worden zu sein, mangels jeglicher Mißhandlungsspuren und wegen seiner ständig wechselnden Verantwortung für unglaubwürdig erachtet worden sind; zum anderen hat es auf die Verpflichtung des Kommandanten des Landesgendarmeriekommandos für Steiermark und des Untersuchungsrichters zur amtswegigen Prüfung der gegen die Gendarmeriebeamten erhobenen Vorwürfe verwiesen (vgl S 298, 299 d.A). Auch insoweit reichen die tatsächlichen Urteilsannahmen sohin nicht aus, um verläßlich beurteilen zu können, ob nach Lage des Falles die Wahrscheinlichkeit eines behördlichen Einschreitens gegen die vom Angeklagten von Amts wegen zu verfolgender strafbedrohter Handlungen bezichtigten Beamten bestand und ob der Angeklagte (zumindest dolo eventuali) erwartet hat, daß es aufgrund seiner Faslschbezichtigungen zu derartigen Verfolgungsschritten
kommen werde (vgl ÖJZ-LSK 1975/144 = SSt 46/39, ÖJZ-LSK 1979/72
= EvBl 1979/152; ÖJZ-LSK 1979/128 = SSt 50/12).
Gemäß § 290 Abs 1 StPO war daher - übereinstimmend mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - das angefochtene Urteil aufzuheben und die Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die auch den Strafausspruch erfassende kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Anmerkung
E11050European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0120OS00038.87.0521.000Dokumentnummer
JJT_19870521_OGH0002_0120OS00038_8700000_000