Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Adolf S***, EDV-Techniker, 6922 Wolfurt, Bucherstraße 29, vertreten durch Dr. Ernst Stolz, Rechtsanwalt in Bregenz, wider die beklagten Parteien 1.) Siegfried B***, Disponent, 6900 Bregenz, Achgasse 32, und 2.) E*** A*** V***-AG, 1010 Wien,
Brandstätte 7-9, vertreten durch Dr. Gerold Hirn und Dr. Burkhard Hirn, Rechtsanwälte in Feldkirch, wegen Wiederaufnahme des Verfahrens 7 Cg 3874/79 des Landesgerichtes Feldkirch (Streitinteresse: eingeschränkt S 86.251,30 s.A.), infolge Revisionsrekurses der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ. 1 R 313/85-30, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. September 1985, GZ. 4 Cg 1357/84-24, aufgehoben wurde und infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 18. Februar 1986, GZ. 1 R 314/85-30, womit das Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 4. September 1985, GZ. 4 Cg 1357/84-24, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung
1.) den Beschluß
gefaßt:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien haben die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.
Die Rechtsmittelbeantwortung der klagenden Partei wird, soweit sie eine Revisionsrekursbeantwortung enthält, als unzulässig zurückgewiesen.
2.) zu Recht erkannt:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird dem wieder aufgenommenen Verfahren vorbehalten.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 26. März 1971 fuhr der Kläger mit seinem PKW von Dornbirn in Richtung Bregenz. Als er im Ortsgebiet von Lauterach sein Fahrzeug verkehrsbedingt anhalten mußte, fuhr der Erstbeklagten von hinten auf den stehenden PKW des Klägers auf. Die Zweitbeklagte ist Haftpflichtversicherer des vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen PKWs. Das Alleinverschulden des Erstbeklagten an dem Unfall ist nicht mehr strittig.
Der Kläger forderte an Schadenersatz S 140.089,20 s.A., darin S 50.000,-- an Schmerzengeld und S 86.251,30 an Verdienstentgang vom 1. Februar 1972 bis 31. Mai 1974 und stellte auch ein Feststellungsbegehren. Wegen der Unfallsfolgen habe der Kläger am 31. Jänner 1972 sein Dienstverhältnis bei der Firma "N***-R***" Bregenz, Montfortstraße 9, auflösen
müssen, weil er wegen der ständigen Kopfschmerzen und Schwindelanfälle der Arbeit nicht mehr gewachsen gewesen sei. Er habe deshalb eine schlechter bezahlte Arbeit annehmen müssen und deshalb bis einschließlich Mai 1974 einen Verdienstentgang von S 86.251,20 erlitten.
Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und wendeten ein, daß der Kläger überhaupt keinen Verdienstentgang erlitten habe, keine Dauerfolgen eingetreten seien und auch das Schmerzengeldbegehren weit überhöht sei.
Das Erstgericht wies mit Beschluß einen Teilbetrag von S 1.558,-- s.A. wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges zurück, sprach dem Kläger S 52.280,- s.A. zu und wies das Mehrbegehren nach S 86.251,30 s.A. sowie das Feststellungsbegehren ab. Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung des Klägers im Zinsenpunkt und hinsichtlich des Feststellungsausspruches Folge, sprach dem Kläger mit Teilurteil S 52.280,- samt 6 % Zinsen seit 23. Juli 1974 zu und bestätigte die Abweisung des Mehrbegehrens von S 86.251,20 s.A.; hinsichtlich der Entscheidung über das Feststellungsbegehren hob es das Ersturteil unter Rechtskraftvorbehalt auf. Die Revision und der Rekurs des Klägers gegen das Urteil und den Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes blieben erfolglos (8 Ob 110/79 des OGH).
Am 18. Dezember 1981 schlossen die Streitteile (zu nunmehr 7 Cg 3874/79 des Landesgerichtes Feldkirch) einen rechtswirksam gewordenen Vergleich, der diesen Rechtsstreit beendete. In diesem Vergleich wurde u.a. den Beklagten gegenüber festgestellt, daß diese zur ungeteilten Hand verpflichtet seien, dem Kläger alle künftigen Schäden, welche ihm aus dem Verkehrsunfall vom 26. März 1971 in Lauterach erwachsen werden, zur ungeteilten Hand zu ersetzen, jedoch beschränkt auf die Deckungssumme der zum Unfallszeitpunkt bestandenen Haftpflichtversicherung. Dieser Vergleich erfolgte ohne Präjudiz für diesen (damals zu 7 Cg 3892/81 des Landesgerichtes Feldkirch) anhängigen Wiederaufnahmsprozeß. Die Wirkung dieses Feststellungsvergleiches sollte sich ausdrücklich auch auf allfällige Verdienstentgangsansprüche des Klägers für den Zeitraum ab Juni 1974 und auf Schmerzengeldansprüche ab Klagseinbringung (im Verfahren 7 Cg 3874/79) erstrecken, soweit sie vom Teilurteil in diesem Verfahren nicht erfaßt wurden, ohne daß derartige Ansprüche von seiten der Beklagten dem Grunde nach anerkannt wurden.
Schon am 19. Juni 1981 brachte der Kläger beim Landesgericht Feldkirch zu (vormals 7 Cg 3892/81, nunmehr 4 Cg 1357/84) die - mittlerweile auf den Streitwert von S 86.251,30 s.A. eingeschränkte - Wiederaufnahmsklage ein. Dabei stützte er sich auf neue Untersuchungsergebnisse, die einen unfallskausalen Dauerschaden, eine damit verbundene Minderung der Erwerbsfähigkeit und daraus resultierend Verdienstentgang erweislich machen sollten:
Am 20. Mai 1981 sei in der Kanzlei des Klagsvertreters das ergänzende Gutachten des Prof. Dr. H. L*** vom 6. April 1981 eingelangt, der den Kläger neuerlich, und zwar diesmal durch einen Dozenten für Neurologie und einen Dozenten für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten, gründlich und vor allem nicht nur in Ruhe, sondern auch unter Belastung untersuchen habe lassen. Dieses ergänzende Gutachten habe für den Kläger erstmals völlig neue Ergebnisse erbracht, durch welche die von ihm schon immer behaupteten Dauerfolgen, die sich daraus ergebende Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit und wiederum die daraus resultierenden Verdienstentgangsansprüche nunmehr beweisbar seien. Der Sachverständige Prof. Dr. H. L*** habe in diesem Gutachten - in völliger Abkehr von seinem Vorgutachten - erstmals festgestellt, daß beim Kläger Gleichgewichtsstörungen im Rahmen eines Halswirbelschleudersyndroms mit Durchblutungsstörungen im Bereich des Hirnstammes, ein symmetrischer Haarzellschaden (am Gleichgewichtsorgan im Ohr) und eine mäßiggradige Einschränkung der Vertikalfunktion vorlägen; anläßlich einer erstmals durchgeführten angiographischen Untersuchung sei bei Provokationstests ein kollaptischer Zustand, über mehrerer Stunden andauernd, aufgetreten. In dem Gutachten sei zwar - wie schon vorher - bestätigt worden, daß sich der Zustand des Klägers langsam im Laufe von zwei bis drei Jahren gebessert habe, daß nur noch bei extremen Kopfbewegungen Drehschwindel auftrete und daß derzeit eine Rückbildung (Verschlechterung) der unfallsbedingten Mechanismen im weiteren Krankheitsablauf nicht zu erwarten sei, daß jedoch (nunmehr) nicht gänzlich ausgeschlossen werden könne, daß die zur Zeit beim Kläger noch bestehende dysphorische Verstimmung mit zeitweiser beträchtlicher Leistungsminderung und Aufmerksamkeitsstörung nicht allein schicksalshaft, sondern durch den Unfall zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten sei, als dies konstitutionsbedingt sonst der Fall gewesen wäre. Aus dem Gutachten sei klar erkennbar, daß diese neuen Erkenntnisse über die Unfallsfolgen beim Kläger erst durch die Beachtung des Längsschnittes und die Differenzierung des Beschwerdekomplexes unter Einbeziehung jüngst erhobener Daten, also durch neue Untersuchungsmethoden, gewonnen werden hätten können. Diese stellten neue Tatsachen und Beweise im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO dar, die der Kläger bisher ohne sein Verschulden nicht geltend machen habe können. Von diesem Gutachten (ddo. 6. April 1981) habe der Kläger erstmals durch Zusendung einer Kopie desselben seitens des Klagsvertreters am 21. Mai 1981 Kenntnis erlangt.
Mit vorbereitendem Schriftsatz vom 16. Juli 1981 (eingelangt vor Klagszustellung) macht der Kläger weiters geltend, es hätten sich gelegentlich der ergänzenden Einvernahme des Prof. Dr. L***, sowie der Dozenten Dr. O*** und Dr. M*** vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz als Rechtshilfegericht am 8. Juli 1981 wiederum neue Tatsachen und Beweismittel ergeben, welche gleichfalls zur Stützung der Wiederaufnahmsklage herangezogen werden könnten. Ergänzend werde das Wiederaufnahmebegehren daher auch auf die Aussagen der Zeugen Dr. O*** und Dr. M*** sowie auf die mündliche Gutachtensergänzung durch Prof. Dr. L*** gestützt.
In der Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 23. März 1983 legte der Klagsvertreter weiter die Gutachten des Dr. Hubert K*** (vom 27. Oktober 1982 - Blg A), des Dr. Michael M*** (vom 12. Juli 1982 - Blg B) und des Univ.Doz.Dr. Erwin O*** (vom 20. Jänner 1983 - Blg C) vor. Diese Urkunden wurden dargetan und erörtert. Ein ergänzendes Vorbringen dazu wurde seitens des Klägers nicht erstattet. In derselben Tagsatzung wurde Ruhen des Verfahrens vereinbart.
Mit Schriftsatz vom 31. Dezember 1984 beantragte der Wiederaufnahmskläger die Fortsetzung des ruhenden Verfahrens und brachte unter einem vor, es stünde nunmehr ein neues nervenärztlich-neuroradiologisches Gutachten eines führenden Facharztes der Universität München zur Verfügung. Dieses Gutachten des Dr. med. E.Th. M*** (vom 26. November 1984 - Blg F) wurde mit Schriftsatz vom 18. Jänner 1985 vorgelegt. Auch dieses basiere auf neuen wissenschaftlich-technischen Untersuchungsmethoden, die zum Zeitpunkt des Ersturteiles erster Instanz im Hauptverfahren 7 Cg 4336/74 nicht bekannt und nicht anwendbar gewesen seien. Die Beklagten bestritten jeweils und wendeten ein, es sei dem Kläger überhaupt kein Verdienstentgang entstanden. Wie der Kläger selbst vorgebracht habe, sei er bis einschließlich Jänner 1982 bei seinem ursprünglichen Arbeitgeber in aufrechtem Beschäftigungsverhältnis gestanden und habe deshalb keine Gehaltseinbußen erlitten. Im übrigen könne keine Rede davon sein, daß das Gutachten des Dr. M*** auf neuen wissenschaftlich-technischen Untersuchungsmethoden basiere, weshalb es auch keinen Wiederaufnahmsgrund im Sinne des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO darstelle. Endlich sei die Stützung des Klagsanspruches auf das zuletzt vorgebrachte Gutachten des Dr. M*** als Klagsänderung zu qualifizieren, die mit einer erheblichen Verzögerung des Verfahrens verbunden sei, zumal die Frage der neuen Technologie nicht durch das Gericht, sondern durch einen Sachverständigen geprüft werden müsse. Die Beklagten widersetzten sich sohin ausdrücklich dieser Klagsänderung. Auch der Hinweis auf das Gutachten des Prof.Dr. H. L*** vom 6. April 1981 genüge den Voraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage nicht. Schließlich sei der Verdienstentgangsanspruch verjährt.
Mit dem in das Urteil aufgenommenen Beschluß erkannte das Erstgericht, die Klagsänderung "durch Stützung der Wiederaufnahmsklage auf die Gutachten Dris. M*** vom 12. Juli 1982, Dris. K*** vom 27. Oktober 1982 und Dris. O*** vom 20. Jänner 1983 als neue Beweismittel anläßlich der Streitverhandlung vom 23. März 1983 (wegen Verspätung) als unzulässig" (Pkt I des Spruches), die "Klagsänderung durch Stützung der Wiederaufnahmsklage auf das Gutachten Dris. M*** vom 26. November 1984 als neues Beweismittel im Schriftsatz vom 31. Dezember 1984" jedoch als zulässig (Pkt II des Spruches). Das Wiederaufnahmsbegehren wies das Erstgericht mit Urteil ab, wobei es von den in ON 24 auf Seite 9 bis 17 enthaltenen Feststellungen ausging, auf die verwiesen werden kann. Zur Rechtsfrage führte das Erstgericht bezüglich des Beschlusses aus, die neu vorgelegten Gutachten der Doktoren M***, K***, O*** und M*** stellten eine Klagsänderung dar. Bei Klagsänderung im Wiederaufnahmsverfahren sei jedoch auch auf die Frist des § 534 ZPO abzustellen. Diese einmonatige Frist, welche mit dem Tag zu laufen beginne, an welchem die Partei imstande sei, die neuen Tatsachen und Beweismittel bei Gericht vorzubringen, müsse aber hinsichtlich der Gutachten Dris. O***, Dris. M*** und Dris. K*** (welche Gutachten beim Klagsvertreter am 24. Jänner 1983 eingelangt seien) zum Zeitpunkt ihrer Vorlage in der Verhandlungstagsatzung vom 23. März 1983 als abgelaufen angesehen werden. Das frühestens Anfang Dezember 1984 beim Kläger eingelangte und mit Schriftsatz vom 31. Dezember 1984 dem Erstgericht vorgelegte Gutachten Dris. M*** sei jedoch rechtzeitig bei Gericht eingebracht worden. Die - seitens der Beklagten bestrittene - Klagsänderung sei aber auch zuzulassen, da sie keine erhebliche Erschwerung oder Verzögerung der Verhandlung im Sinne des § 235 Abs. 3 ZPO besorgen lasse, weil - selbst im Falle der Bewilligung des Wiederaufnahmebegehrens - jedenfalls ein (weiterer) Sachbefund aufgenommen werden müsse.
Bezüglich des Urteiles im Wiederaufnahmeverfahren, sei sohin nur bezüglich des Gutachtens Dris. L*** vom 6. April 1981, der ergänzenden Stellungnahmen Dris. L***, Dris. O*** und Dris. M*** vom 8. Juli 1981, sowie des Gutachtens Dris. M*** vom 26. November 1984 zu prüfen, ob diese behaupteten neuen Tatsachen bzw. Beweismittel konkret geeignet seien, zu einer Änderung der Tatsachenfeststellungen eines Vorprozesses zu führen. Dies sei jedoch hinsichtlich aller Beweismittel zu verneinen, weil für das Wiederaufnahmeverfahren nur zu fragen sei, ob die erwähnten Beweismittel zum Ergebnis führen könnten, daß beim Kläger bereits im Zeitraum vom 1. Februar 1972 bis 31. Mai 1974 (dem Zeitraum des geltend gemachten Verdienstentganges) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen sei oder nicht; aus dem Gutachten Dris. M*** sei keinesfalls zu entnehmen, daß bereits in diesem Zeitraum eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers vorgelegen sei. Der Sachverständige beziehe das Ergebnis seiner Begutachtung auf den Zeitpunkt der Erstattung im Jahre 1981. Ein Schluß von diesem Zeitpunkt auf die Vergangenheit sei nicht zulässig. Es sei nämlich ohne weiteres denkbar, daß sich die unfallsbedingten Beschwerden beim Kläger im Laufe der Jahre verstärkt hätten und daher nicht unmittelbar Unfallsfolge seien. Auch im Rahmen ihrer Aussagen vom 8. Juli 1981 hätten die Zeugen Dr. O*** und Dr. M*** sowie Prof.Dr. L*** als Sachverständiger nur den Zeitpunkt der Begutachtung im Jahre 1981 im Auge gehabt; daraus sei für die Jahre 1972 bis 1974 eine Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht ableitbar. Der Gutachter Dr. M*** gehe zwar von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers von 50 % aus und bezeichne diese als Dauerschaden, stelle jedoch ebenfalls wieder auf den Zeitpunkt 13 Jahre nach dem Unfallsereignis (also den Untersuchungszeitpunkt) ab, sein Gutachten lasse aber nicht erkennen, daß eine Minderung der Erwerbsfähigkeit auch schon in den Jahren 1972 bis 1974 vorgelegen sei.
Infolge Rekurses des Klägers hob das Gericht zweiter Instanz den Beschluß des Erstgerichtes, der in seinem die Klagsänderung zulassenden Teil (Pkt II) als von der Anfechtung nicht betroffen unberührt bleibe, in seinem die Klagsänderung unzulässig erklärenden Teil (Pkt I) ersatzlos auf; das Rekursgericht sprach aus, daß der Wert des Beschwerdegegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und daß der Revisionsrekurs zulässig sei.
Infolge Berufung des Klägers änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichtes im Sinne der Bewilligung der Wiederaufnahme des Verfahrens 7 Cg 3874/79 des Erstgerichtes hinsichtlich des Teilbegehrens auf Verdienstentgang ab und hob in diesem Umfang die Urteile des Erstgerichtes und des Berufungsgerichtes im Verfahren 7 b Cg 4336/74 des Erstgerichtes und die Rekursentscheidung des Obersten Gerichtshofes 8 Ob 110/79 auf. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000, nicht aber S 300.000 übersteigt und daß die Revision nach § 502 Abs.4 Z 1 ZPO zulässig sei.
Zur Rekursentscheidung führte das Gericht zweiter Instanz aus, der Kläger habe mit der Berufung auf die Gutachten Dris. L***, Dris. K***, Dris. M***, Dris. O*** und Dris. M*** und die Zeugenaussagen Dris. O*** und Dris. M*** neue Rechtsgründe, welche die Wiederaufnahme begründen könnten, in das Verfahren eingebracht und damit eine Klagsänderung vorgenommen. Bei Vorlage der Gutachten Dris. M***, Dris. K*** und Dris. O*** in der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 23. März 1983 hätten die Beklagten die Echtheit dieser Urkunden anerkannt, die Richtigkeit jedoch bestritten; sie hätten dann weitere Anträge gestellt und verhandelt, ohne sich gegen die Klagsänderung auszusprechen. Damit hätten die Beklagten aber (wenn schon nicht ausdrücklich) so doch zumindest durch einwendungsloses Verhandeln über die abgeänderte Klage konkludent ihre Einwilligung zur Klagsänderung gegeben (§ 235 Abs 2 letzter satz ZPO), denn schon die Bestreitung des geänderten Vorbringens sei als "Verhandeln" im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle anzusehen. Einer Entscheidung über die Klagsänderung habe es daher nicht bedurft, denn eine solche sei nur dann erforderlich, wenn der Beklagte die Einwilligung versage, um diese durch Gerichtsbeschluß zu ersetzen. Habe der Gegner aber - wie hier - ausdrücklich oder zumindest stillschweigend der Klagsänderung zugestimmt, dann sei diese bereits zugelassen, ohne daß das Gericht die Möglichkeit hätte, seinerseits über die vielleicht damit verbundene Erschwernis oder Verzögerung der Verhandlung zu entscheiden. Hinsichtlich der genannten Gutachten sei daher das Erstgericht nicht zur Zurückweisung befugt gewesen, weil die Beklagten bereits über das geänderte Begehren verhandelt hätten. Der Beschluß sei daher in seinem die Klagsänderung unzulässig erklärenden Teil ersatzlos aufzuheben gewesen. Nach den Verfahrensergebnissen seien die Gutachten Dris. K***, Dris. O*** und Dris. M*** beim Klagevertreter am 24. Jänner 1983 eingelangt, aber erst am 23. März 1983 dem Gericht vorgelegt worden. Damit sei aber eine Überschreitung der Frist des § 534 ZPO a.F. (auch unter Bedachtnahme auf den Postenlauf) evident, denn die Partei müsse die Kenntnis bzw. das Verschulden ihres Parteienvertreters gegen sich gelten lassen. Das Fehlen von Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage - und zwar auch der Rechtzeitigkeit ihrer Erhebung im Sinne des § 534 ZPO - sei an sich zwar in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen wahrzunehmen, wobei die Klage auch noch in der mündlichen Verhandlung mit Beschluß (hier als verspätet) zurückzuweisen sei, doch gelte dies nur dann, wenn es der gesamten Klage, also allen geltend gemachten Wiederaufnahmsgründen, und nicht nur einem oder mehreren, an Zulässigkeitsvoraussetzungen mangle. Da die Einhaltung der einmonatigen Frist des § 534 ZPO hier aber ohnedies nicht als Prozeßvoraussetzung im engeren Sinn, sondern als Frage der materiellen Begründetheit des Anspruches gelten müsse, hätte das Erstgericht auch hier nicht über einige der mehreren geltend gemachten Wiederaufnahmegründe (abweislich) entscheiden dürfen, bevor die gesamte Wiederaufnahmsklage entscheidungsreif war. Zur Berufung führte das Gericht zweiter Instanz aus, die Gutachten Dris. K***, Dris. O*** und Dris. M*** könnten mit Rücksicht auf ihre Verfristung (§ 534 ZPO) für die Prüfung der Berechtigung der Wiederaufnahmsklage nicht herangezogen werden, wohl aber die nicht verfristeten Gutachten Dris. L*** und Dris. M***.
Rechtliche Beurteilung
Während im Vorprüfungsverfahren über die Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Wiederaufnahmsklage (§ 538 ZPO) die Eignung der gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO geltend gemachten neuen Tatsachen und Beweismittel, bei deren Kenntnis im (wiederaufzunehmenden) Hauptverfahren eine dem Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, nur in abstracto zu prüfen und festzustellen sei, müsse im darauffolgenden Erneuerungsverfahren (judicium rescindens) im Rahmen der gemäß §§ 541 Abs 1, 530 Abs 1 Z 7 ZPO anzuberaumenden Verhandlung über Grund und Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens eine weitergehende, sachliche Prüfung in der Richtung vorgenommen werden, ob die neuen Tatsachen und Beweismittel im Hinblick auf ihren faktischen Gehalt geeignet seien, eine andere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, also konkret bezogen auf den vorliegenden Fall geeignet seien, die Beweiswürdigung im Vorprozeß zu erschüttern und damit eine andere Würdigung der vorliegenden Beweise zu bewirken. In diesem Verfahrensbereich stelle sich also die Frage, ob die Außerachtlassung solcher Tatsachen und Beweismittel im Vorprozeß der Wahrheitsfindung in concreto für den Wiederaufnahmswerber nachteilig beeinflussen konnte. Es müsse also bereits eine eingeschränkte Beweiswürdigung dahin erfolgen, ob die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Tatsachen und Beweismittel im (wieder aufzunehmenden) Hauptverfahren einen Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellte. Zur Bewilligung der Wiederaufnahme genüge also hier (im Wiederaufnahmeverfahren) schon die Möglichkeit eines günstigeren Ergebnisses. Die Frage jedoch, ob diese Möglichkeit zur Wirklichkeit, also zur Gewißheit werde, sei erst im wiederaufgenommenen Verfahren (judicium rescissorium) zu lösen (RZ 1962, 42). Erst in diesem Verfahren könne sich dann auf Grund einer erschöpfenden Erörterung des nunmehr vervollständigten Tatsachen- und Beweismaterials ergeben, ob und inwieweit die ursprüngliche Entscheidung abzuändern sei oder ob das Ergebnis des Vorprozesses unverändert bestehen bleibe. Im vorliegenden Fall, in dem das Verfahren im Stadium der Wiederaufnahme (judicium rescindens) stehe, sei daher auf Grund eingeschränkter Beweiswürdigung die konkrete Eignung der Tatsachen hinsichtlich der Möglichkeit eines günstigeren Ergebnisses zu prüfen. Schon im Gutachten des Prof.Dr. H. L*** vom 6. April 1981 heiße es: "Im Hinblick auf die gutachterliche Fragestellung ist zusammenfassend in Erweiterung des Erstgutachtens vom 23. September 1977 festzuhalten, daß der Untersuchte ein Schleudertrauma der Halswirbelsäule erlitt, in dessen Folge es auch zu einer funktionellen vertebrobasiliären Insuffizienz gekommen ist. Diese Erkenntnis ist erst durch die Beachtung des Längsschnittes und die Differenzierung des Beschwerdekomplexes unter Einbeziehung der zuletzt erhobenen Daten möglich gewesen, wobei derzeit nicht zu erwarten ist, daß die unfallsbedingten Mechanismen im weiteren Krankheitsablauf eine Rückbildung erfahren werden bzw. es sich um Schwankungen bei posttraumatischen Schädigungen im Rahmen von Belastungssituationen handelt", und weiter "in diesem Sinne müssen zwar die initial aufgetretenen psychiatrischen Symptome als unfallskausal anerkannt werden, jedoch die zuletzt noch bestehende dysphorische Verstimmung mit zeitweise beträchtlicher Leistungsminderung und Aufmerksamkeitsstörungen als persönlichkeitsspezifisch und konstitutionell beurteilt werden. Es kann jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen werden, daß diese psychische Symptomatik durch den Unfall zu einem früheren Zeitpunkt eingetreten ist, als dies konstitutionsbedingt der Fall gewesen wäre, insbesondere dann, wenn man bedenkt, daß der Untersuchte vor dem Unfall überdurchschnittliche Prüfungserfolge und Arbeitsplatzbeurteilungen aufzuweisen hatte". Anläßlich der mündlichen Gutachtensergänzung vor dem Bezirksgericht für Zivilrechtssachen Graz vom 8. Juli 1981 habe Prof.Dr. L*** weiter ausgeführt:
"Es ist auf Grund der Röntgenbefunde anzunehmen, daß es sich (bei der Unfallsverletzung) um ein schweres Trauma der Halswirbelsäule gehandelt hat ... Auf Grund der Veränderungen an der Halswirbelsäule ist es durchaus möglich und wahrscheinlich, daß es in den Jahren nach dem Unfall zu Störungen der Merkfähigkeit und auch der produktiven Gedächtnisleistungen gekommen ist, die ihrerseits durch den Druck der sozialen Forderungen zu einer affektiven Störung im Sinne einer Depression geführt haben können. Dieser Mechanismus hat natürlich zu Rückwirkungen bzw. zum Versagen in beruflicher Hinsicht geführt."
Allein durch diese Ausführungen seien aber die ursprünglichen Ausführungen des Sachverständigen im Gutachten vom 23. September 1977, wonach nach dem Unfall sicherlich keine neurologischen Ausfälle bestanden, eine Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule (in Form eines Bruches oder Subluxation) röntgenologisch ausgeschlossen werden könne und wonach ein unfallsbedingter Dauerschaden beim Kläger nach dem gegenständlichen Unfall nicht eingetreten sei, mehr als erschüttert, nämlich praktisch revidiert. Allein diese beiden neuen Beweismittel im Sinn des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO würden also im oben aufgezeigten Sinne bereits hinreichen, um die Beweiswürdigung im Hauptverfahren unvollständig erscheinen zu lassen.
In dem (ebenfalls nicht verfristeten) Gutachten des Dr.med.E. Th. M*** heiße es unter Pkt. V (zusammenfassende Beurteilung und Begutachtung) nach einer gerafften Darstellung der beim Kläger festgestellten Beeinträchtigungen an der Halswirbelsäule (Nackenhinterkopfschmerzen, "Kloßgefühl" im Rachen-, Seh- und Hörstörungen mit Übelkeit und Brechreiz, Sensibilitätsstörungen in Händen und Füßen, immer wiederkehrende Belastung der Frustrationstoleranz bei solchen Ereignissen mit Verstimmungsreaktion, Affektlabilität sowie formalen und mittlerweile kompensierten inhaltlichen Denkstörungen nach entsprechender Entwicklung ...) wörtlich: "Bedauerlicherweise wurden wesentliche Tatsachen des Schädigungshergangs nicht ermittelt ... Dennoch läßt sich auf Grund der notwendigerweise subtil zusammenzutragenden Einzelbefunde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein bei Herrn S*** am 26. März 1971 stattgehabtes "Polytrauma der Halswirbelsäule" konstatieren, woraus die jetzt noch bestehenden Restbeschwereden auch je einzeln ableitbar sind. Diese Restbeschwerden bei Herrn S*** sind mehr als 13 Jahre nach dem Unfallsereignis als Dauerzustand anzusehen und bedingen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von 50 %. Damit seien aber die im Hauptverfahren zur Verfügung gestandenen Beweismittel in bezug auf Dauerschäden aus dem Unfallsgeschehen jedenfalls weitgehend in Frage gestellt und um wesentliche neue Erkenntnisse bereichert. Es könne daher - auf der Basis dieser wesentlich verbreiterten Tatsachengrundlage - nicht ernsthaft bestritten werden, daß deren Nichtberücksichtigung im Vorprozeß einen Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage, mithin einen konkret absehbaren nachteiligen Einfluß für den Wiederaufnahmskläger, darstellte. Unzweifelhaft böten diese neuen Beweismittel auch die Möglichkeit eines für den Wiederaufnahmskläger günstigeren Ausganges der Beweiswürdigung und damit eines günstigeren Ergebnisses im Rechtsstreit überhaupt. Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes lasse sich aus den oben zitierten neuen Beweismitteln ableiten, daß die erwähnten Spätfolgen unfallskausal seien; unmißverständlich weise vor allem das Gutachten des Prof.Dr. H. L*** sowohl in schriftlicher Ausführung als auch bei mündlicher Erörterung darauf hin, daß - entgegen früherer Annahmen - der Kläger tatsächlich ein Halswirbelschleudertrauma erlitten habe. Während dieser Gutachter aber nur nicht ausschließen wollte, daß die derzeit beim Kläger bestehenden Beschwerden sich als Spätfolgen dieses Schleudertraumas darstellten (die Möglichkeit - und allein darauf komme es hier an - bestehe aber dennoch) gehe Dr. M*** in seinem Gutachten noch viel weiter und lasse klar erkennen, daß er einen direkten Bezug zwischen den Beschwerden des Klägers und dem damals erlittenen Halswirbelschleudertrauma hergestellt sehen wolle, wobei beide Sachverständige klar erkennen ließen, daß Beeinträchtigungen auch schon 1972/73, also von Anfang an, zumindest möglich gewesen seien. Mit Recht mache der Kläger daher diese Tatsachen und Beweismittel als Wiederaufnahmsgrund geltend. Ein Verschulden des Wiederaufnahmsklägers an der Geltendmachung der Beweismittel bereits im Vorprozeß (§ 530 Abs 2 ZPO) hätten die Beklagten weder geltend gemacht noch sei ein solches aus den Urteilsfeststellungen oder bisherigen Verfahrensergebnissen zu erschließen. Auch aus diesem Gesichtspunkt sei die Wiederaufnahme daher nicht ausgeschlossen. Im erneuerten Verfahren würden neben den für die Wiederaufnahme herangezogenen Beweismitteln auch alle der Vorentscheidung zugrunde gelegten Beweisaufnahmen zu wiederholen und zweckmäßigerweise auch zumindest eine neuerliche mündliche Erörterung der Gutachten des Dr. med. E. Th. M*** und des Prof. Dr. H. L*** vorzunehmen sein; auf dieser Basis könne dann neuerlich über allfällige Spätfolgen für den Zeitraum 1. Februar 1972 bis 31. Mai 1974 entschieden und bei ihrer Bejahung Beweis über den behaupteten Verdienstentgang des Klägers aufgenommen werden.
Gegen den Beschluß des Rekursgerichtes wendet sich der Revisionsrekurs der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes; das Urteil des Berufungsgerichtes bekämpfen die Beklagten ebenfalls aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes.
Der Kläger beantragt in seiner "Revisionsbeantwortung", die Revision und den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls den Rechtsmitteln nicht Folge zu geben.
Die Rechtsmittel sind zwar zulässig (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO), jedoch nicht berechtigt.
1.) Zum Revisionsrekurs:
Die Beklagten bekämpfen in ihrem Rechtsmittel die Auffassung des Rekursgerichtes, sie hätten durch ihr prozessuales Verhalten in den Tagsatzungen vom 23. März 1983 und vom 29. August 1985 konkludent ihre Einwilligung zur Klagsänderung gegeben, da schon in der Bestreitung des geänderten Vorbringens ein "Verhandeln" im Sinne des § 235 Abs. 2 ZPO zu erblicken sei. Darüber hinaus habe das Erstgericht zutreffend die Klagsänderung, soweit diese auf die Gutachten Dris. M***, Dris. O*** und Dris. K*** gestützt worden sei, wegen Versäumung der Frist des § 534 ZPO als unzulässig zurückgewiesen.
Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden.
Nach dem Inhalt des Verhandlungsprotokolles vom 23. März 1983, gegen das ein Widerspruch nicht erhoben wurde, legte der Klagevertreter die Gutachten Dris. K***, Dris. M*** und Dris. O*** als Beilagen A, B und C vor; die Urkunden wurden dargetan und erörtert; der Beklagtenvertreter anerkannte die Echtheit der Urkunden und bestritt deren Richtigkeit. Ein Vorbringen in Richtung einer durch die Urkundenvorlage bewirkten Klagsänderung wurde vom Beklagtenvertreter nicht erstattet.
Nach Eintritt der Streitanhängigkeit bedarf die Klagsänderung der ausdrücklichen oder stillschweigenden Zustimmung des Beklagten. Die "stillschweigende Zustimmung zur Klagsänderung" liegt dann vor, wenn der Beklagte - ohne gegen die Klagsänderung Einwendung zu erheben - über die abgeänderte Klage verhandelt (§ 235 Abs.2 ZPO). Das Gesetz statuiert hier eine unwiderlegbare Rechtsvermutung. Dem Beklagten ist daher nur ein zeitlich abgegrenztes Widerspruchsrecht eingeräumt. Er verwirkt es, sobald er "über die abgeänderte Klage verhandelt" (vgl. Sperl, Lehrbuch, 325). Die Partei verhandelt, wenn sie Prozeßhandlungen im technischen Sinne setzt, wozu auch die Erklärung über die vom Gegner vorgebrachten tatsächlichen Angaben und angebotenen Beweise gehört. Auch die bloße Bestreitung des Vorbringens der Gegenseite ist ein Tatsachenvorbringen in diesem Sinne, das ein "Verhandeln" darstellt. Nach Erstattung des Vorbringens des Klägers war es Sache der Beklagten, gegen eine Klagsänderung Einwendung zu erheben. Mit der Bestreitung des geänderten Vorbringens haben sie aber darüber verhandelt und damit das zeitlich abgegrenzte Widerspruchsrecht verwirkt. Stimmt der Beklagte der Klagsänderung ausdrücklich oder sillschweigend zu, dann ist die Klagsänderung zugelassen und das Gericht hat sich einer Entscheidung über die Zulässigkeit der Klagsänderung zu enthalten und dem weiteren Verfahren ohne weiteres das geänderte Begehren zugrundezulegen (SZ 49/25 u.a.).
Gemäß § 543 ZPO ist die Wiederaufnahmsklage durch Beschluß zurückzuweisen, wenn sie auf keinen gesetzlichen Anfechtungsgrund gestützt wird oder verspätet überreicht ist. Aus dieser Bestimmung hat das Rekursgericht zutreffend gefolgert, daß eine Zurückweisung einzelner von mehreren in Form einer Klagsänderung als Wiederaufnahmsgründe geltend gemachten neuen Tatsachen- und Beweismittel wegen Verfristung (§ 534 ZPO) nicht stattzufinden hat, bevor die gesamte Wiederaufnahmsklage entscheidungsreif ist. In der Aufhebung des erstgerichtlichen Beschlusses, soweit darin die Klagsänderung für unzulässig erkannt wurde, kann daher keine Fehlbeurteilung des Rekursgerichtes erblickt werden. Auf die Rechtsmittelausführungen hinsichtlich der zulässig erklärten Klagsänderung durch Stützung der Wiederaufnahmsklage auf das Gutachten Dris. M*** durch das Erstgricht war nicht einzugehen, weil dieser Teil des erstgerichtlichen Beschlusses (Pkt. II) unbekämpft in Rechtskraft erwachsen ist.
Dem Revisionsrekurs mußte daher ein Erfolg versagt werden. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40 und 50 ZPO. Soweit die "Revisionsbeantwortung" des Klägers Ausführungen zum Revisionsrekurs der Beklagten enthält, war die Rechtsmittelbeantwortung zurückzuweisen, weil die Entscheidung über die Zulassung einer Klagsänderung nicht zu den im § 521 a ZPO erschöpfend aufgezählten Fällen, in denen das Gesetz eine Rekursbeantwortung zuläßt, gehört (8 Ob 659/86 u.a.).
2.) Zur Revision:
Die Beklagten führen aus, das Erstgericht habe das Wiederaufnahmsbegehren zu Recht abgewiesen, da die vorliegenden Gutachten selbst bei extensivster Auslegung nie geeignet sein könnten, zu belegen, daß beim Kläger bereits im Zeitpunkt vom 1. Februar 1972 bis 31. Mai 1974 (Zeitraum des geltend gemachten Verdienstentganges) eine Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen habe. Die Gutachten ließen nämlich keinerlei Rückschlüsse auf den Gesundheitszustand des Klägers in den Jahren 1972 bis 1974, in welchen der angebliche Verdienstentgang entstanden sein soll, zu. Auch diesen Ausführungen kommt keine Berechtigung zu. Gemäß § 530 Abs.1 Z 7 ZPO kann ein durch eine die Sache erledigende Entscheidung abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei wieder aufgenommen werden, wenn die Partei in Kenntnis von neuen Tatsachen gelangt oder Beweismittel auffindet oder zu benützen in den Stand gesetzt wird, deren Vorbringen und Benützung im früheren Verfahren eine ihr günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würde.
Als neue Tatsachen iS des § 530 Abs 1 Z 7 ZPO kommen nur solche in Betracht, die zur Zeit des Vorprozesses schon vorhanden waren und in diesem hätten benützt werden können, sofern nicht die Partei ohne ihr Verschulden daran gehindert gewesen war, sie vorzubringen; es kommen also nicht Tatsachen in Betracht, die erst nachher eingetreten sind (vgl. SZ 22/180; Fasching IV 510). Demgegenüber können aber auch erst nach Schluß der mündlichen Verhandlung entstandene oder benützbar gewordene Beweismittel taugliche Wiederaufnahmsgründe gemäß § 530 Abs 1 Z 7 ZPO sein, wenn sie Tatsachen beweisen sollen, die früher schon vorhanden waren (MietSlg. 32.732 u.a.).
Es ist in Lehre und Rechtsprechung anerkannt, daß sich die neuen Tatsachen oder Beweismittel, auf die das Wiederaufnahmsbegehren im Sinne des § 530 Abs.1 Z 7 ZPO gestützt wird, nicht unmittelbar auf die rechtliche Beurteilung auswirken müssen, sondern daß es genügt, wenn sie geeignet sind, eine wesentliche Änderung der Beweiswürdigung herbeizuführen (Fasching IV, 514; EvBl. 1961/26; JBl. 1979, 268 u.a.). Sie müssen aber so wichtig sein, daß ihre Berücksichtigung zu einer anderen Entscheidung des Hauptprozesses führen könnte (EvBl. 1961/26 u.a.). Im Wiederaufnahmsverfahren sind daher die neuen Tatsachen und Beweismittel nicht nur im Hinblick auf ihre abstrakte Eignung, eine Änderung der im Hauptprozeß erflossenen Entscheidung herbeizufühen, zu prüfen, sondern es muß eine eingeschränkte Beweiswürdigung dahin erfolgen, ob die Nichtberücksichtigung dieser Tatsachen und Beweismittel im Vorprozeß einen Verstoß gegen die Findung der materiellen Wahrheit und die Vollständigkeit der Urteilsgrundlage darstellt (SZ 54/191 u.a.). Beruhten die im Hauptprozeß erstatteten Sachverständigengutachten aber auf einer unzulänglichen Grundlage, war somit die Entscheidungsgrundlage noch nicht vollständig, kann auch einem nachträglich erstatteten Gutachten, durch welches die Urteilsgrundlage vervollständigt wird, insbesondere auch, wenn es auf neuen wissenschaftlichen Erkenntnismethoden beruht, die zum Zeitpunkt der Erstattung des Gutachtens im Vorprozeß noch nicht bekannt waren (Fasching IV, Anm. 20 zu § 530 ZPO mit Hinweis auf die Judikatur und ZPR Rz 2065) die Eignung als Wiederaufnahmegrund nicht von vornherein abgesprochen werden (vgl. EvBl. 1959/224). Zur Bewilligung der Wiederaufnahme genügt bereits die Möglichkeit, eine für den Wiederaufnahmskläger günstigere Entscheidung herbeizuführen; die Frage, ob diese Möglichkeit zur Wirklichkeit wird, ist erst im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären (EvBl. 1961/26 u.a.). Das Berufungsgericht hat auf Grund seiner beschränkten Beweiswürdigung den vom Kläger vorgelegten neuen Beweismitteln, nämlich dem Gutachten Dris. L*** vom 6. April 1981 und dessen mündlichem Ergänzungsgutachten vom 8. Juli 1981 sowie dem Gutachten Dris. M*** vom 26. November 1984 die Eignung zugesprochen, eine für den Kläger günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen. Da im Revisionsverfahren die Beweiswürdigung der Vorinstanzen nicht bekämpft werden kann, ist diese durch das Berufungsgericht erfolgte Beurteilung der Eignung des im Sinne des § 530 Abs. 1 Z 7 ZPO vom Wiederaufnahmskläger geltend gemachten neuen Beweismittels, eine ihm günstigere Entscheidung in der Hauptsache herbeizuführen, der Überprüfung durch den Obersten Gerichtshof entzogen (vgl. SZ 54/191 u. a.).
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.
Anmerkung
E11213European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0080OB00069.86.0521.000Dokumentnummer
JJT_19870521_OGH0002_0080OB00069_8600000_000