Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Kropfitsch und Dr. Huber als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach dem am 6.Februar 1984 verstorbenen Josef P***, zuletzt wohnhaft 4040 Linz, Berggasse 39, infolge Revisionsrekurses der 1.) Theresia F***, Pensionistin, 4210 Gallneukirchen, Hauptstraße 18, 2.) Rudolf F***, Gastwirt, 4210 Gallneukirchen, Engerwitzberg 11, 3.) Maria S***, Pensionistin, 4210 Gallneukirchen, Innertreffling 12, 4.) Cäcilia Z***, Pensionistin, 4040 Linz, Commendastraße 6, alle vertreten durch Dr. Ulf Gastgeb, Rechtsanwalt in Linz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Linz als Rekursgerichtes vom 18. März 1987, GZ. 18 R 120/87-39, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 22. Jänner 1987, GZ. 28 A 343/87-33, bestätigt wurde, folgenden
Beschluß
gefaßt:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Text
Begründung:
Die nunmehrigen Rekurswerber haben im vorliegenden Verlassenschaftsverfahren nach dem am 6.2.1984 verstorbenen Josef P*** als Neffe bzw. Kinder einer Halbschwester des Verstorbenen auf den Berufungsgrund des Gesetzes gestützte Erbserklärungen abgegeben. Das Verlassenschaftsgericht wies ihnen mangels Bedenken gegen die äußere Form eines vorhandenen schriftlichen, fremdhändigen Testamentes gemäß § 125 AußStrG gegenüber den Testamentserben Gottfried und Elisabeth M*** die Klägerrolle zu. Im folgenden Rechtsstreit über die angebliche Ungültigkeit des Testamentes behaupteten sie, dieses sei unter einer nicht erfüllten Bedingung, nämlich für den Fall, daß Josef P*** noch vor seiner Spitalsentlassung stürbe, errichtet worden. Das Prozeßgericht verneinte die Aufstellung dieser behaupteten Bedingung durch den Erblasser und wies das Klagebegehren ab. Im Berufungsverfahren beriefen sich die Kläger sodann weiters auf eine mangelnde Einhaltung der gesetzlichen Formvorschriften. Das Berufungsgericht hielt diesem Vorbringen das Neuerungsverbot entgegen und die Berufung im übrigen nicht für gerechtfertigt. Die in der zu 6 Ob 602/86 erhobenen Revision vertretene Ansicht, die Einhaltung der Formvorschriften sei im Erbrechtsstreit von Amts wegen wahrzunehmen, wurde vom Obersten Gerichtshof - von einer hier nicht in Betracht kommenden Ausnahme abgesehen - abgelehnt. Kurz vor bzw. nach Fällung der Entscheidung über ihre vorgenannte Revision brachten die nunmehrigen Rekurswerber beim Erstgericht zwei Schriftästze ein, in welch letzterem sie den Antrag stellten, das Verlassenschaftsgericht wolle die - im einzelnen behaupteten - "Verletzungen von Formvorschriften bei Errichtung der schriftlichen letztwilligen Verfügung zu Gericht annehmen und den Testamentserben die Klägerrolle zuteilen."
Das Erstgericht wies den Antrag zurück. Im Hinblick auf die rechtskräftige Abweisung der auf Ungültigkeiterklärung des Testamentes gerichteten Klage sei von der Rechtsgültigkeit desselben auszugehen und dieses der Abhandlung zugrundezulegen. Der Umstand, daß mangels ausreichender Prozeßbehauptungen die Einhaltung auch der Formvorschriften im Erbrechtsstreit nicht geprüft worden sei, könne nicht dazu führen, diese Frage durch das Abhandlungsgericht bzw. in einem weiteren Rechtsstreit prüfen zu lassen.
Das Rekursgericht bestätigte den erstgerichtlichen Beschluß. Bereits anläßlich der seinerzeitigen Zuweisung der Klägerrolle habe das Erstgericht mit seinem inzwischen in Rechtskraft erwachsenen Beschluß das Vorliegen der Formerfordernisse des Testamentes geprüft und bejaht. Die nunmehrigen Einwendungen der Rekurswerber, das Testament sei nur durch Bejahung eines gemachten Vorschlages zustandegekommen, dem Erblasser nicht vorgelesen, von ihm nicht als sein letzter Wille bestätigt worden usw., beträfen dessen innere Form. Die Entscheidung darüber, ob die gesetzlichen Formvorschriften auch tatsächlich eingehalten worden seien und ob der Gültigkeit des Testamentes nicht Willensmängel in der Person des Erblassers entgegenstünden, sei Sache des Prozeßrichters, wenn sie von einem Interessenten geltend gemacht würden. Im Erbrechtsstreit habe der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 602/86 die Behauptung von Formmängeln als Änderung des Klagsgrundes und unzulässige Neuerung angesehen und die Klagsabweisung bestätigt. Auf Grund der Bindungswirkung dieses Urteiles müsse das Nachlaßgericht von der Gültigkeit des Testamentes ausgehen; auch an seinen eigenen rechtskräftigen Beschluß über die Verteilung der Parteirollen sei es gebunden. Dem nunmehrigen Antrag, mit welchem auf der Grundlgae der behaupteten Verletzung von Formvorschriften ein neuerlicher Erbrechtsstreit und die Zuweisung der Klägerrolle an die Testamentserben angestrebt werde, stehe daher die Rechtskraft beider Entscheidungen entgegen. Ein neuerliches Vorgehen nach den Bestimmungen der §§ 125 ff. AußStrG sei aber nur dann möglich, wenn ein Erbansprecher einen anderen Berufungsgrund geltend mache. Da im Zeitpunkt der Antragstellung auf Grund des rechtskräftig erledigten Erbrechtsstreites der Mangel eines Erbrechtes der Antragsteller festgestanden sei, habe das Erstgericht den neuerlich ein Erbrecht begehrenden Antrag zu Recht zurückgewiesen.
In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs bringen die Antragsteller unter dem Beschwerdegrund der offenbaren Gesetzwidrigkeit vor, das Verlassenschaftsgericht hätte auf Grund ihrer Anträge die im Erbrechtsstreit hervorgekommenen Formfehler überprüfen und nunmehr eine Zuweisung der Klägerrolle an die Testamentserben vornehmen müssen, um im Prozeß die Frage der Ungültigkeit des Testamentes wegen vorliegender Formfehler zu klären. Sowohl das Verlassenschaftsgericht als auch das Rekursgericht hätten jedoch dahin entschieden, daß über die Zuteilung der Klägerrolle bereits rechtskräftig abgesprochen und "eine neuerliche Aufnahme des Verfahrens nicht möglich sei". Diese Rechtsansicht erscheine verfehlt. Maßgeblich sei lediglich, ob eine letztwillige Verfügung Gültigkeit habe oder nicht. Die vorrangige Frage der Gültigkeit eines Testamentes und der damit verbundenen Rechtsfolgen, nämlich der Zuweisung des Erbrechtes, sei im Gesetz klar und ausdrücklich gelöst, sodaß kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers entstehen könne. Formfehler seien nach der herrschenden Lehre auch von Amts wegen zu berücksichtigen, um Manipulationen bei letztwilligen Verfügungen zu verhindern, wie sie gerade auch bei der Errichtung des gegenständlichen Testamentes erfolgt seien und zu den im einzelnen dargelegten Formmängeln geführt hätten. Diese Formmängel seien den Antragstellern zunächst nicht bekannt gewesen, sodaß sie bei ihrer Erbserklärung entsprechende Behauptungen nicht aufstellen und die Zuweisung der Klägerrolle an die Testamentserben solcherart nicht erreichen hätten können. Somit liege die hier geltend gemachte offenbare Gesetzwidrigkeit darin, daß das Gesetz klar normiere, wie ein Testament zu errichten sei. Auf Grund der Formmängel hätte das Erstgericht die Klägerrolle neu verteilen und allenfalls den Antragstellern den Auftrag zur Klagsführung wegen einer auf Formmängel gegründeten Ungültigkeit des Testamentes binnen bestimmter Frist erteilen müssen, ohne daß hierin ein Verstoß gegen die Rechtskraft von Vorentscheidungen liege.
Weiters werde der Beschwerdegrund der Nichtigkeit geltend gemacht, weil die Verwertung der im rechtskräftig abgeschlossenen Erbrechtsstreit abgelegten Zeugenaussagen zu einer anderen Entscheidung führen könne. Die Nichtzulassung dieser Zeugenbeweise und deren Erörterung sowie der Behauptung, durch diese Zeugenaussagen sei die Ungültigkeit des Testamentes erweislich, bedeute eine Verletzung des Grundsatzes des rechtlichen Gehörs, worin eine Nichtigkeit liege. Eine solche würde sich weiters auch durch eine Einantwortung auf Grund des formungültigen Testamentes ergeben. Somit werde die Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne der Zuteilung der Klägerrolle an die Testamentserben, hilfsweise die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung beantragt. Entgegen diesen Ausführungen liegt keiner der im § 16 AußStrG genannten Beschwerdegründe vor, sodaß das Rechtsmittel zurückzuweisen ist.
Rechtliche Beurteilung
Im Sinne der ständigen Judikatur ist eine offenbare Gesetzwidrigkeit nur dann gegeben, wenn die für die Entscheidung maßgebende Frage im Gesetz ausdrücklich und so klar geregelt ist, daß an der Absicht des Gesetzgebers nicht gezweifelt werden kann und trotzdem anders entschieden wurde.
Nach der Anordnung des § 125 AußStrG sind im Falle mehrerer, miteinander im Widerspruch stehender Erbserklärungen zwar alle anzunehmen, das Gericht hat aber nach Vernehmung der Parteien die Klägerrolle zuzuteilen und zur Klagseinbringung eine Frist zu setzen, widrigenfalls das Verlassenschaftsverfahren ohne Berücksichtigung der auf den Rechtsweg verwiesenen Erbansprüche fortzuführen ist.
Der Wortlaut dieser Bestimmung beantwortet nun keinesfalls klar und eindeutig auch die Frage, ob nach einer bereits erfolgten Verteilung der Parteirollen und sodann rechtskräftig abgeschlossener Prozeßführung über die Gültigkeit eines Testamentes dessen nunmehr aus anderen Gründen beabsichtigte neuerliche Anfechtung zu einem neuerlichen Vorgehen nach § 125 AußStrG führen soll und zwar, obschon die Erbserklärungen weiterhin auf die gleichen Berufungsgründe gestützt werden. Es handelt sich vielmehr um eine Auslegungsfrage. Bildet eine solche die Grundlage für eine Gesetzwidrigkeitsrüge, so müßte dargetan werden, daß die unterinstanzliche Auslegung den bestehenden Auslegungsregeln oder Sprachregeln widerspricht oder unlogisch ist. Davon kann hier nicht die Rede sein. Eine bloße unrichtige rechtliche Beurteilung wäre aber noch nicht einer offenbaren Gesetzwidrigkeit gleichzuhalten. Aus dem selben Grunde ist auch nicht zu prüfen, ob nunmehr unter analoger Anwendung des § 125 AußStrG mit einer Verweisung auf den Rechtsweg gemäß § 2 Abs.2 Z 7 AußStrG vorzugehen gewesen wäre (vgl. SZ 33/80; 5 Ob 681/79). Da der Klagsführung bei Geltendmachung eines neuen Sachverhaltes - Berufung auf innere Mängel des Testamentes - die Rechtskraft der Entscheidung im abgeführten Erbrechtsprozeß nicht entgegenstand, blieb den Rekurswerbern im übrigen die Einleitung eines derartigen Verfahrens unbenommen. Der weiters behauptete Beschwerdegrund der Nichtigkeit ist ebenfalls nicht gegeben. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt nämlich grundsätzlich nicht vor, wenn die Beteiligten Gelegenheit hatten, ihren Standpunkt schriftlich vorzutragen. Eine mündliche Erörterung der Verfahrensergebnisse bzw. des Parteivorbringens ist also nicht erforderlich. Mit der Ausführung schließlich, eine Einantwortung auf Grund des vorliegenden Testamentes hätte deren Nichtigkeit zur Folge, wird in keiner Weise die behauptete Nichtigkeit des angefochtenen Beschlusses dargetan.
Anmerkung
E10695European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:1987:0020OB00585.87.0526.000Dokumentnummer
JJT_19870526_OGH0002_0020OB00585_8700000_000