TE OGH 1987/5/26 10Os55/87

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Veröffentlicht am 26.05.1987
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 26.Mai 1987 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Reisenleitner, Dr. Kuch und Dr. Massauer als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Kleindienst-Passweg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Elisabeth Stephanie D*** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Eisenstadt als Schöffengericht vom 25. Februar 1987, GZ 7 Vr 1056/86-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Strasser, der Angeklagten D*** und ihres Verteidigers Dr. Riegler, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 5.September 1939 geborene Hausfrau Elisabeth Stephanie D*** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 3 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat sie in Bruckneudorf in den Jahren 1980 bis 1986 in einer Vielzahl von Fällen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Vortäuschen ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit, größtenteils unter Angabe geringfügig veränderter Namen und Adressen in den Bestellscheinen, Angestellte von Versandhäusern zur Lieferung von Waren auf Kredit verleitet und hiedurch den betreffenden Versandhäusern einen Gsamtschaden von rund 246.000 S zugefügt.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpft die Angeklagte mit einer auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, in welcher sie Feststellungsmängel zur Frage des Vorliegens der Voraussetzungen ihrer Zurechnungsunfähigkeit im Sinn des § 11 StGB im Tatzeitraum geltend macht.

Die Rüge ist unbegründet.

Dafür, daß es der Beschwerdeführerin - angeblich vor allem deshalb, weil sie schon im Alter von 15 Jahren geheiratet und keinen Beruf erlernt hatte sowie keinem Erwerb nachgegangen war - nicht möglich gewesen wäre, "gegen ein scheinbar unstillbares Bedürfnis anzukämpfen, modische Kleidung bzw die sonstigen Gegenstände zu besitzen", bietet die Aktenlage, dem entsprechenden Beschwerdeeinwand zuwider, keinen Anhaltspunkt. Zudem würden selbst solche Umstände noch nicht das Vorliegen eines der im § 11 StGB genannten schweren Ausnahmezustände indizieren, demzufolge der Angeklagten die Diskretions- oder Dispositionsfähigkeit gefehlt haben könnte. Die Verfahrensergebnisse lassen allenfalls auf gewisse Charakteranomalien bei ihr schließen, worin jedoch bloß Abweichungen von allgemeinen Denk- und Handlungsweisen, wie sie vor allem eine wiederholte Begehung strafbarer Handlungen regelmäßig erkennen läßt, zu ersehen wären, welche aber - weil nicht den Persönlichkeitskern erfassend und das Willens-, Gefühls- und Triebleben des Betreffenden nicht entscheidend störend - die Schuldfähigkeit nicht aufzuheben vermögen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , RN 13-16 zu § 11; Kienapfel AT Z 14 RN 12 ua).

Somit hat zu Feststellungen der von der Beschwerdeführerin

vermißten Art kein Anlaß bestanden.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verurteilte die Angeklagte nach § 147 Abs 3 StGB zu einem Jahr Freiheitsstrafe, wobei es den langen Tatzeitraum, zwei einschlägige Vorstrafen und die hohe, die Wertgrenze bei weitem überschreitende Schadenssumme als erschwerend; als mildernd hingegen das umfassende und reumütige Geständnis wertete.

Eine bedingte Strafnachsicht lehnte das Erstgericht aus spezial- und generalpräventiven Erwägungen mit der Begründung ab, daß sich einerseits die Angeklagte durch eine vordem über sie verhängte bedingte Freiheitsstrafe von zehn Monaten nicht beeindruckt gezeigt und ihre betrügerische Handlungsweise in großem Umfang fortgesetzt hat, und daß andererseits durch Gewährung dieser Rechtswohltat bei der Bevölkerung - gerade im ländlichen Bereich, wo derartige Straftaten schnell bekannt würden - der Eindruck entstehen könnte, solche Delikte würden von den Gerichten nicht ernsthaft geahndet.

Gegen diesen Strafausspruch richtet sich die Berufung der Angeklagten, mit der sie eine Herabsetzung und bedingte Nachsicht der über sie verhängten Freiheitsstrafe begehrt.

Die Berufung ist unbegründet.

Daß ein Teil der hier verfahrensgegenständlichen Betrügereien zeitlich vor jenen beiden Verurteilungen (durch das Landesgericht für Strafsachen Wien vom 5.November 1980 und das Bezirksgericht Bruck an der Leitha vom 23.Juni 1981) lag, mit welchen die Angeklagte wegen gleichartiger Delikte bestraft worden ist, vermag angesichts des Umstandes, daß der weitaus überwiegende Teil der Straftaten nach diesen Urteilen begangen worden ist, keinen Milderungsgrund herzustellen (vgl Leukauf-Steininger, Kommentar 2 , § 31 RN 12).

Ebensowenig von Bedeutung ist, daß die beiden

Vorverurteilungen - die allerdings nach der Aktenlage zueinander im Verhältnis des § 31 StGB stehen - alsbald zu tilgen gewesen wären und bei früherer Bezahlung der vom Bezirksgericht Bruck an der Leitha verhängten Geldstrafe schon getilgt sein könnten. Den Berufungsausführungen zuwider bildet nämlich das daraus abgeleitete lange Zurückliegen der Vorstrafen überhaupt keinen (besonderen) Milderungsgrund; es könnte vielmehr diesen (mit Recht als erschwerend gewerteten) Vorstrafen nur dann ein geringeres Gewicht beigemessen werden, wenn sich die Angeklagte bis zur Begehung der nunmehr abgeurteilten Straftaten durch einen längeren Zeitraum wohlverhalten hätte. Gerade das ist aber hier nicht der Fall, hat sie doch ungeachtet ihrer wiederholten strafgerichtlichen Verfolgung und Aburteilung die Betrügereien seither ohne Unterbrechung durch Jahre hindurch fortgesetzt.

Ein umfassendes und reumütiges Geständnis wurde der Berufungswerberin ohnedies zugute gehalten. Daß ein Großteil der Straftaten sonst unaufgeklärt geblieben wäre, kann allerdings mit Rücksicht auf die von der Gendarmerie erhobenen zahlreichen Exekutionsverfahren (S 59 f), in welchen sämtliche geschädigten Versandhäuser bereits als betreibende Gläubiger aufschienen, nicht mit Grund behauptet werden.

Auch davon, daß die Angeklagte ihre Betrügereien mehr durch eine besonders verlockende Gelegenheit verleitet als mit vorgefaßter Absicht begangen hätte, kann angesichts der Vielzahl der gezielten betrügerischen Angriffe, bei denen sie die EDV-Kundenevidenz der Versandhäuser geschickt zu umgehen verstanden hat (vgl S 341, 387, 499, 501) keine Rede sein.

In der von der Angeklagten bereits im Rahmen ihrer Nichtigkeitsbeschwerde hervorgehobenen Putzsucht als Beweggrund ihres strafbaren Verhaltens liegt kein Umstand, der einem Schuldausschließungsgrund auch nur nahekäme.

Dafür, daß sie sich bisher bemüht hätte, den Schaden nach Kräften gutzumachen, ist die Berufungswerberin den Beweis schuldig geblieben. Wie sie im Gerichtstag zugeben mußte, hat sie auch aus den von ihr mittlerweile erzielten, nicht unerheblichen Einkünften keinerlei Rückzahlungen geleistet. Demgegenüber kommt einer allfälligen objektiven, verhältnismäßig geringfügigen Schadensgutmachug durch Lohnexekution zu Lasten ihres Ehegatten kein besonderes Gewicht zu.

Insgesamt vermochte die Berufungswerberin somit keine zusätzlichen Milderungsgründe aufzuzeigen, die eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe rechtfertigen könnten.

Zwar ist ihr andererseits auch der vom Erstgericht angelastete Erschwerungsgrund des höheren Schadens (bei einem Überschreiten der maßgeblichen Wertgrenze um das Eineinhalbfache) nicht zuzurechnen (vgl ÖJZ-LSK 1977/74 zu § 32 Abs 2 StGB), doch wird dessen Wegfall dadurch aufgewogen, daß die Angeklagte in bezug auf ihre Vorverurteilungen jeweils sofort rückfällig geworden ist und ihr neben der strafsatzbestimmenden Deliktsqualifikation auch noch jene der Z 1 des § 147 Abs 1 StGB zur Last fällt.

Das Berufungsbegehren der Angeklagten um Ermäßigung der über sie verhängten gesetzlichen Mindeststrafe mußte sohin schon daran scheitern, daß von einem beträchtlichen Überwiegen der Milderungsgründe (§ 41 StGB) keine Rede sein kann.

Weil sie sich weder durch ihre frühere bedingte Bestrafung noch durch die Vielzahl der gegen sie anhängig gemachten gerichtlichen Exekutionen beeindrucken ließ und ihre Betrügereien dessen ungeachtet jahrelang fortgesetzt hat, fehlt es schon in spezialpräventiver Beziehung an den gesetzlichen Voraussetzungen für eine (abermalige) bedingte Strafnachsicht. Opportunitätserwägungen im Hinblick auf die durch das Eingehen eines Arbeitsverhältnisses nunmehr eröffnete Möglichkeit einer Schadensgutmachung mußten nach Lage des Falles in den Hintergrund treten, weil mit Rücksicht auf das insgesamt fast zehn Jahre lang praktizierte vermögensschädigende Verhalten der Angeklagten anzunehmen ist, daß nur noch der tatsächliche Vollzug einer Freiheitsstrafe sie von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten vermag.

Der Berufung mußte daher ebenfalls ein Erfolg versagt bleiben.

Anmerkung

E11035

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1987:0100OS00055.87.0526.000

Dokumentnummer

JJT_19870526_OGH0002_0100OS00055_8700000_000
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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